Mein Dank geht an Peter Windsheimer für das Design des Titelbildes.
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Copyright © 2011 by Christof Uiberreiter Verlag
Castrop Rauxel • Germany
Herstellung und Verlag:
BoD – Books on Demand, Norderstedt
ISBN 978-3-7357-7205-3
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Vorwort:
Da Anion immer wieder gesagt hat, dass okkulte Geschichten am besten hermetischen Probleme beleuchten, haben wir uns entschlossen, eine wirklich gute Sammlung von okkulten Geschichten und wirklich interessanten Berichten herauszugeben. Vorab muss ich noch sagen, dass es leider nur sehr wenig okkulte Literatur gibt, die aussagekräftig ist. Unsere Romane, Kurzgeschichten, Aufsätze und Tatsachenberichte würden leider untergehen, da sie großteils unbekannt sind. Sie wurden in den frühen 20ern in okkulten Zeitschriften wie „Psyche“, „Die magischen Blätter“, „Dido“, „ZfO“, „Prana“, „Lotusblühten“, „Weiße Fahne“, „Asgard“ und anderen veröffentlicht und wer kann heutzutage behaupten, alle gelesen zu haben. Wohl die Wenigsten.
Aus diesem Grund veröffentlichen wir all die Geschichten, die gut, sinnvoll und die wir gefunden haben. Ich hoffe, unsere Leser sind mit dem 8. Band dieser Reihe der hermetischen Literatur zufrieden.
Wenn je in der Geschichte des Okkultismus im Abendland das Erscheinen eines Buches epochemachend gewesen ist, so war es das der „Entschleierten Isis“ (Isis unveiled) von Frau Helena Petrowna Blavatsky (im nachfolgenden kurz H.P.B. genannt), über die Entstehung dieses umfangreichen Werkes, in dem mehr als das Wissen einer ganzen Bibliothek enthalten ist, sind äußerlich betrachtet kurz folgende Tatsachen anzuführen.
Wer und was H.P.B. in den letzten zwei Jahrzehnten ihres Leibeslebens war, darüber werden die verschiedenen Parteien stets sehr abweichende Meinungen behalten; und selbst ihre nächsten Freunde wissen das Geheimnis, das über ihr schwebte, nicht völlig zu lösen. Soviel aber ist gewiss, dass sie keinerlei gelehrte Bildung besaß, nicht philosophisch veranlagt war und vor allem auch kein „Bücherwurm“ war.
Als sie aus dem Orient nach Amerika kam (1874) und anfing, „Isis unveiled“ zu schreiben, konnte sie kaum Englisch. Dennoch sind durch ihre Hand für das Buch die wichtigsten Teile im besten gelehrten Englisch geschrieben, zugleich mit unendlich viel gelehrten Zitaten aus allen möglichen Sprachen.
Während das Buch verfasst wurde, hatte sie keine eigene oder fremde Bibliothek zur Verfügung.
Es sind mehrere unbedingt glaubhafte Zeugen vorhanden, dass das Buch ganz ohne allen vorgefassten Plan von seiten H.P.B.´s begonnen und geschrieben wurde. Erst Alexander Wilder und ich selbst haben das ganze Werk in der vorliegenden Gestalt geordnet und zusammengestellt.
Die zahllosen Manuskripte und das massenhafte Material, die von H.P.B.´s Hand für dieses Werk geliefert wurden, waren in vielen ganz verschiedenen Handschriften geschrieben.
Nun fragt es sich: Wer schrieb denn eigentlich alle diese Manuskripte? Waren diese etwa das Erzeugnis automatischen Schreibens? War H.P.B. ein Medium für sogenannte „Geister“? Oder schrieben durch sie lebende Adepten, „Meister“? Oder schrieb durch sie ihr unbewusstes eigenes „Höheres Selbst“?
Wären es spiritistische Geister gewesen, so hätten diese durch sie jedenfalls in ganz anderer Weise gearbeitet, als ich persönlich dieses sonst in meiner langjährigen Erfahrung je gesehen oder in Büchern gelesen habe. Ich habe Medien aller Art kennengelernt – Sprech-, Schreib-, Trance-Medien, physikalische Medien, Heil-Medien, hellsehende und Materialisationsmedien, habe diese arbeiten sehen und auch alle Stadien von Beeinflussung und Besessenheit beobachtet. H.P.B.´s Fall glich keinem dieser Vorkommnisse. Sie konnte fast alles, was durch die genannten Medien geschah, auch ausführen, aber was sie tat, geschah mit vollem eigenen Willen, fand am Tage oder in der Nacht ohne Vorbereitungen statt, ohne die Zuhilfenahme eines besonders gebildeten Kreises von Anwesenden, noch auch unter sonstigen von spiritistischen Medien erforderten Bedingungen.
Weiter habe ich mit eigenen Augen Beweise dafür erhalten, dass wenigstens einige von denen, die durch sie mit uns arbeiteten, lebende Adepten waren, da ich sie später selbst in Indien leiblich kennenlernte, nachdem ich sie vorher in Amerika und Europa im Astralkörper gesehen hatte. Später in Indien habe ich sie dann als lebende Menschen begrüßt, berührt und mit ihnen geredet. Keiner von ihnen sagte mir, dass er ein (entkörperter) „Geist“ sei; ich sah vielmehr, dass sie geradeso lebendig waren wie ich selbst, dass jeder seine Eigenheiten, seine besonderen Fähigkeiten, kurz seine vollständige Individualität hatte. Auch sagten sie mir, dass ich die Entwicklungsstufe, von deren Erreichung sie mir vielfache Beweise gäbe, auch dereinst erlangen würde; – wie bald, das hinge gänzlich von mir selbst ab.
Indessen wurde mir trotzdem zu verstehen gegeben, dass wenigstens eins der Wesen, die mit uns an „Isis unveiled“ arbeiteten, ein Entkörperter war – die reine Seele eines der weisesten Philosophen der neueren Zeit, der eine Zierde unserer Rasse und seines Landes war. Er war ein großer Platoniker, und wie man mir sagte, sei er so in den Ideen, denen er sein Leben gewidmet hatte, befangen, dass er dadurch erdgebunden geblieben sei und noch nicht die Bande lösen könne, die ihn an das Geistesleben unsres Erdendaseins fesselten. Er sitze in einer eingebildeten Bibliothek, die das Erzeugnis seiner eigenen Gedankenschöpfung sei, vertieft in philosophische Forschungen, alle Zeit vergessend und allein darauf sinnend, wie das Geistesleben der Menschen zur Erkenntnis einer philosophischen Grundlage der wahren Religion geführt werden könne.
Sein Wunsch sei nicht darauf gerichtet, sich aufs neue unter uns zu verkörpern, sondern nur diejenigen Menschen aufzufinden, die mit ihm für die Verbreitung der Wahrheit und für die Überwindung des Aberglaubens zu wirken imstande und gewillt seien. Man sagte mir, er sei so reinen Geistes und so selbstloser Gesinnung, dass er von allen Meistern hoch geehrt werde. Da diese jedoch sich nicht in sein Karma einmischen dürften, so müsse man ihn sich allein aus seinen (Kamaloka) Vorstellungen herausarbeiten lassen, um sich im geordneten Verlaufe der Entwicklung auf die Stufe des gestaltlosen Daseins und der Vergeistigung zu erheben. Sein Sinnen sei so ausschließlich auf rein intellektuelle Erkenntnis gerichtet gewesen, dass dadurch der höhere Geist in ihm zeitweilig fast erstickt sei.
Immerhin war er da, stets eifrig und gewillt, mit H.P.B. an dem epochemachenden Werk zu arbeiten; und zu dessen philosophischem Teil hat er das meiste beigetragen. Jedoch materialisierte er sich uns niemals, auch wirkte er durch H.P.B. niemals wie durch ein spiritistisches Medium; er redete mit ihr nur psychisch, stundenlang, diktierte ihr die Manuskripte in die Feder, gab ihr die Stellen an, die wir für sie nachschlagen sollten, beantwortete meine Fragen auf das eingehendste, belehrte mich über die Rolle der wichtigen Grundanschauungen und spielte für uns in der Tat ganz die Rolle einer dritten Person in unserer gemeinsamen Schriftstellerei. Einst gab er mir sein Bild – eine rohe Skizze in farbiger Kreidezeichnung auf rauhem Papier – und manchmal gab er mir auch kurze Anweisungen in persönlichen Angelegenheiten. Von Anfang bis zu Ende war seine Beziehung zu uns beiden die eines milden, freundlichen und überaus gelehrten älteren Freundes.
Niemals aber machte er die mindeste Andeutung, dass er sich für etwas anderes hielte als für einen lebenden Menschen. In der Tat sagte man mir auch, dass er nicht begreife, dass er nicht mehr im Körper lebe.
Von dem Verlauf der Zeit hatte er so wenig Begriff, dass – wie ich mich noch lebhaft erinnere – als eines Nachts H.P.B. und ich um halb drei Uhr morgens nach einer ungewöhnlich harten Arbeit an unserem Buche vorm Zubettgehen noch einen Augenblick rauchen wollten, er plötzlich H.P.B. ganz ruhig fragte: „Bist du nun bereit anzufangen?“ Er meinte, wir wären gerade am Anfang statt am Ende unserer Abendarbeit.
H.P.B. warnte mich sogleich: „Um Himmels willen, lachen Sie nicht innerlich, damit der alte Herr es nicht merkt, sonst wird er sich gekränkt fühlen.“ Ich lachte dann allerdings, aber freilich wars nur ein gewöhnliches und oberflächliches Lachen, das nicht tief ging und sich nicht bis auf die Ebene der psychischen Wahrnehmung erstreckte. (Gemütsbewegungen reichen, wie die Schönheit eines Menschenkindes, oftmals nicht unter die Haut hinab. Ebenso geht es mit den „Sünden“; die inneren sind die schlimmeren.)
Außer diesem alten Platoniker habe ich mit oder ohne H.P.B.´s Hilfe während unserer Arbeit nie mit irgendeinem entkörperten Wesen zu tun gehabt – es sei denn, dass man Paracelsus als solches betrachte. Ich aber glaube, dass auch diese Individualität noch jetzt in einem irdischen Leib als Adept mit andauerndem Bewusstsein ihrer früheren Persönlichkeit fortlebt.
Indessen macht sich mir die Frage geltend, ob selbst jener alte Platoniker wirklich ein entkörpertes Wesen war und nicht vielmehr auch ein Adept, der in dem Körper jenes Philosophen lebte und nur scheinbar, aber nicht wirklich so wie jeder gewöhnliche Mensch stirbt, am 1. Sept. 1687 seinen Körper verlassen hat. (Henry More. – Die Red. der „Sphinx“.) Mir scheint, diese Frage ist nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen. Es kommen dabei folgende Umstände in Betracht:
Alle gewöhnlichen Begleiterscheinungen des „Geisterverkehrs“ durch spiritistische Mediumschaft fehlten. H.P.B. diente dem Platoniker in der allernatürlichsten Weise als ein Privatsekretär, ganz so wie bei einem lebenden Menschen, der etwas diktiert, nur mit dem einzigen Unterschiede, dass derselbe für mich unsichtbar, für sie aber völlig sichtbar war. Er kam uns zwar nicht ganz so wie einer der lebenden „Meister“ vor, mit denen wir auf ähnliche Weise verkehrten, aber doch mehr so, denn als irgend etwas anderes; und was die literarische Arbeit selbst betraf, so ging diese dabei ganz genauso vonstatten wie in den Fällen, wo der Diktierende zugegebenermaßen einer jener Adepten war.
Ich habe schon erwähnt, dass H.P. Blavatskys Handschrift verschiedentlich wechselte und dass in der vorherrschenden Handschrift auch verschiedene wiederkehrende Unterschiede bemerkbar waren. Auch habe ich schon dargestellt, dass jeder Wechsel in der Handschrift stets begleitet war von einer sehr auffallenden Veränderung in H.P.B.´s Erscheinung, Bewegungen, Ausdrucksweise und literarischer Leistungsfähigkeit.
Wenn sie ihren eigenen Kräften überlassen war, so wurde das sehr leicht bemerkbar, denn dann war sie lediglich der ungeschulte schriftstellerische Anfänger; dann arbeitete sie mit der Schere und dem Leimtopf, dann war das Manuskript, das sie mir lieferte, entsetzlich fehlerhaft, und nachdem es durch Streichungen, Einfügungen, Radieren, Änderungen und orthographische Verbesserungen in ein unlesbares Gewirr verwandelt worden war, hatte ich ihr dann das Ganze in der Regel neu zu diktieren.
Zwar wurden mir oft Andeutungen gemacht, dass andere Intelligenzen ihre Person wie eine Schreibmaschine benutzten, aber dabei hieß es niemals: „Nun bin ich der und der“ oder „nun redet A.“ oder „redet B.“ Dessen bedurfte es nicht mehr, nachdem wir „Zwillinge“ schon solange zusammen gearbeitet hatten, dass ich vollkommen vertraut geworden war mit allen Eigentümlichkeiten ihrer Ausdrucksweise, ihrer Stimmungen, Anschauungen und Neigungen. Der Wechsel ihres Wesens war für mich stets so klar wie der Tag, und wenn sie das Zimmer verlassen hatte und zurückkehrte, so konnte ich mir immer sagen: „Jetzt ist es der – oder der – oder der“. Und diese Vermutung wurde mir auch durch manche Einzelheit bestätigt.
So war eins dieser Alter-Egos ein Adept, den ich später lebend kennenlernte. Er trägt einen Vollbart mit einem langen Schnurrbart, der nach der Weise der Radschputs an beiden Seiten in den Backenbart hineingedreht ist. Er hat die Gewohnheit, wenn er tief in Gedanken versunken ist, seinen Schnurrbart zu streichen; und das tut er unbewusst und ganz mechanisch. Manchmal nun, wenn H.P.B. offenbar „jemand anders“ war und ich sie dann unbemerkt beobachtete, so sah ich ihre Hand sich auf ihrer Wange hin- und herbewegen, gerade so, wie wenn sie einen Schnurrbart strich, und doch hatte sie von einem solchen keine Spur. Dabei war in ihren Augen ein träumender, fernabwesender Ausdruck, bis sich plötzlich ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Gegenwart lenkte. Der „Jemand“ schaute auf, bemerkte, dass ich ihn beobachtete, nahm sofort seine Hand vom Gesicht weg und setzte seine Schreibarbeit fort.
Dann war da noch ein anderer „Jemand“; dem war die englische Sprache so unbequem, dass er ohne unbedingte Notwendigkeit mit mir nichts anders als Französisch sprach. Er zeichnete sich aus durch feinen Kunstsinn und durch großes Interesse an mechanischen Erfindungen.
Noch ein anderer saß auf diese Weise ab und zu bei mir und malte mit dem Bleistift allerhand Figuren; dabei unterhielt er mich mit Versen, die stets geistvoll waren, bald erhaben, bald humoristisch. So hatte jedes dieser verschiedenen Wesen seine Eigentümlichkeiten und war ebenso leicht zu erkennen wie jeder andere gewöhnliche Bekannte oder Freund.
Eines Abends hatte ich zwei schöne weiche Bleistifte mit nach Hause gebracht, einen für H.P.B., den andern für mich selbst. Nun hatte sie die schlechte Gewohnheit, sich Bleistifte, Federmesser, Gummis und anderes Schreibmaterial zu borgen und nie wieder herauszugeben, auch nicht, wenn man es zurückforderte. An jenem Abend zeichnete der künstlerische „Jemand“ für mich ein Gesicht auf ganz gewöhnliches Papier und redete mit mir über allerhand interessante Dinge. Dann bat er mich, ihm den andern Bleistift zu leihen. Sofort schoss mir der Gedanke durch den Kopf:
„Wenn ich diesen Bleistift hergebe, bin ich ihn los und habe morgen keinen für mich selbst“. Ich sprach dies nicht aus; der „Jemand“ aber warf mir einen milden, sarkastischen Blick zu, streckte seine Hand nach dem Schreibmaterialienkasten aus, der zwischen uns stand, legte seinen Bleistift hinein, hantierte darin mit seinen Fingern einen Augenblick herum und – siehe da! – es lag plötzlich ein Dutzend solcher Bleistifte von ganz genau derselben Qualität und Marke drin! Er sprach kein Wort, sah mich nicht einmal an. Mir schoss aber das Blut in die Wangen, und ich kam mir in dem Augenblick so klein wie nie in meinem Leben vor. Doch glaube ich, einen Tadel damals nicht verdient zu haben – angesichts der Liebhaberei H.P.B.´s, Schreibmaterialien zu annektieren.
Wenn nun einer dieser „Jemande“ durch sie arbeitete, so zeigte das Manuskript immer genau dieselbe Handschrift, die gerade ihm entsprach.
Jeder von ihnen schrieb nur über diejenigen Gegenstände, die für seine Wesenseigentümlichkeit bezeichnend waren. Wenn man mir damals irgendeinen Teil des „Isis“-Manuskriptes gezeigt hätte, so würde ich zu jeder Zeit genau haben angeben können, welcher Jemand es geschrieben hatte. Sie diente in allen diesen Fällen also nicht als „Privatsekretär“, sondern war solange jene andere Person selbst geworden.
Wo befand sich dann ihr eigenes Selbst während solcher Zeit? Das ist freilich ein Geheimnis, das nicht jedem klarzumachen ist. Soweit ich es verstand, lieh sie dann ihren Körper her, wie man eine Schreibmaschine verleihen kann, und führte selbst in ihrem eigenen Astralkörper irgendeine andere Aufgabe aus.
Nachdem die so von ihr Gebrauch machenden Adepten merkten, dass ich sie voneinander unterscheiden konnte (ich hatte bald für alle verschiedene Namen im Gespräch mit H.P.B. erfunden), grüßten sie mich oft mit einer ernsten Verbeugung oder mit freundschaftlichem Nicken, wenn einer von ihnen kam oder fortging, um einem andern Platz zu machen. Und sie redeten oft mit mir übereinander wie Freunde von Abwesenden sprechen, so dass ich auf diese Welse manche Einzelheiten über die persönlichen Verhältnisse des einen und des anderen erfuhr. Auch sprachen sie von der dann abwesenden H.P.B., indem sie deren Wesen gänzlich von dem vor mir sitzenden Körper unterschieden. Diesen nannte einer „die alte Erscheinung“, ein anderer bezeichnete ihn in einem Briefe an mich 1876 als „er (der Körper) und der Bruder, der drin ist.“
Man stelle sich meine Gefühle vor, als ich eines Abends bemerkte, dass ich sie mit einem solchen „Adepten in ihr“ achtlos verwechselt hatte! In der Meinung, es nur noch mit ihr zu tun zu haben, sagte ich vertraulich: „Nun, alter Gaul, frisch an die Arbeit!“ Ich errötete, denn der Ausdruck des Erstaunens und der erhabenen Würde, der mich in Erwiderung darauf aus ihrem Antlitz traf, zeigte mir sofort, mit wem ich es zu tun hatte. Es war gerade der Adept, für den ich die größte kindliche Verehrung hegte. Er war ein Süd-Inder von sehr langer geistiger Erfahrung, ein Lehrer der Lehrer, der noch jetzt als großer Grundbesitzer lebt und doch nur von wenigen seiner Umgebung als das erkannt wird, was er wirklich ist.
Dies war der Meister, der H.P.B. in Veranlassung von Sinnetts „Esoterischer Lehre“ die Antworten diktierte, die im Herbst 1883 im „Theosophist“ erschienen. Das geschah im Hause des Generalmajors Morgan zu Otocamund.
Eines Morgens las ich irgendein Buch in ihrem Zimmer. Plötzlich wandte sie sich zu mir: „Man soll mich hängen, wenn ich je von den Japhygiern gehört habe, Olcott! Haben Sie vielleicht jemals etwas von diesem Volksstamm gelesen?“ Ich verneinte und fragte, worum es sich handle.
„Nun,“ erwiderte sie, „der alte Herr sagt mir, ich solle das Wort niederschreiben, aber ich bin bange, dass es falsch ist. Was meinen Sie wohl?“
Ich antwortete, sie solle es nur ruhig schreiben, denn jener Meister habe noch immer recht gehabt. Und es erwies sich auch als richtig. Dies ist nur einer von unzähligen solcher Fälle.
Sie hat niemals Hindi gelernt, noch konnte sie (als H.P.B. im normalen Zustand) es sprechen oder schreiben. Dennoch habe ich sie ein Billet in der Hindusprache und in Sanskrit-Zeichen schreiben und dem Swami Dayanend Saraswati überreichen gesehen im Viziona-gram-Gartenhaus zu Benares, wo wir 1880 zu Gast waren.
Ich möchte hier jedoch auf das Bestimmteste betonen, dass mir nicht einmal von den weisesten und edelsten dieser durch H.P.B. wirkenden Adepten je gestattet wurde, sie für unfehlbar, allwissend oder allmächtig zu halten. Niemals durfte ich sie vergöttern, vor ihnen erzittern oder das für göttlich inspiriert ansehen, was sie entweder durch H.P.B.´s Körper schrieben oder diktierten. Ich hatte sie lediglich als Menschen, als Sterbliche wie mich selber zu betrachten, freilich als weiser und als unendlich über mich hinausentwickelt in der Stufenleiter der Evolution. Sie verabscheuten aber jede sklavische Erniedrigung und urteilslose Verehrung, und sie wiesen oftmals darauf hin, dass solches Wesen meistens nur der Deckmantel für Selbstsucht, Eitelkeit und innere Haltlosigkeit sei.
Unter obigem Titel ist im Verlag von Weiss & Hameier, Ludwigshafen 1905, ein hochinteressantes Werk erschienen, dessen Verfasser, Direktor Wilhelm Höhler in Mannheim, sich zur Aufgabe gestellt hat, auf die engen Beziehungen zwischen dem freimaurerischen Gebrauchtum und der hermetischen Philosophie aufmerksam zu machen. Wir finden darin eine mit großem Geschick zusammengestellte Auswahl klassischer Zitate verschiedener alchimistischer Schriftsteller – des Basilius Valentinus, Michael Maier (Sendivogius), Joh. Tritheim, Raym. Lullius, Roger Baco, Arnold de Villanova, Jean d´ Espaquet, Robert Fludd und vieler anderer mehr – im Rahmen einer von tiefer Sachkenntnis zeigenden, gründlich ausgearbeiteten und doch übersichtlichen Darstellung aller hierher gehörigen Zweige des Okkultismus. Das Inhaltsverzeichnis weist folgende Kapitel auf: Welt – Mensch – Astrologie – Theosophie – Magie – Kabbala – Alchemie; das letztere mit den Unterabteilungen: Name und Bedeutung – die Suchenden – die Tradition – Bilder – die Materie – die Arbeiten – Farben, Feuer, Werkzeuge – Aurum potabile – Christus lapis.
Wir haben allen Grund anzunehmen, dass der Verfasser sich mit seinem Werke vornehmlich an seine Brr. Freimaurer wenden wollte, denn er überlässt es dem Leser selbst, die Beziehungen zwischen den reproduzierten alchemistischen Texten und Lehren und dem freimaurerischen Gebrauchtum herzustellen, setzt also die Vertrautheit mit dem letzteren voraus. Diese Methode, welche vom Leser eine selbständige intellektuelle Arbeit verlangt, mag sich vielleicht als ungeeignet erweisen für diejenigen, welche sich nicht die Mühe geben wollen oder können, die freimaur. Bildersprache auf ihre eigentliche Bedeutung zu untersuchen, dagegen entspricht sie durchaus den Anforderungen der Denker, welche die Arbeit gründlichen Nachdenkens und Betrachtens nicht scheuen, und es lieber haben, wenn ihnen die Elemente eines Problems überlassen werden zur eigenen Weiterarbeit anstatt einer mehr oder weniger dogmatisch formulierten Lösung desselben. Auf dem Gebiet der Symbolik darf man nicht allzusehr präzisieren wollen, die Symbole, welche bei der Initiation bekannt gegeben werden, sind ihrer Natur nach nicht greifbar und auf keinen Fall für scholastisch enge Umgrenzungen bestimmt, die schließlich doch nur auf Worte hinauslaufen, mit denen die Sophisten ihre Künste zu treiben verstehen. Das Wort ist seinem Wesen nach ein paradoxes Instrument, jede These kann durch dialektische Beweisführung verteidigt werden, so dass ebenso gut das pro, wie auch das contra daraus abgeleitet werden kann. Weit entfernt auf tatsächliche Wirklichkeiten als solche Bezug zu nehmen, bringt jede Dialektik weiter nichts als Wortgebilde und Phantasmen unseres Geistes hervor, der sich durch die umlaufenden Ereignisse dieser Gedankenfalschmünzerei betören lässt.
Unter diesen Umständen kann es nicht verwundern, dass zwei einander entgegensetzte Philosophien die Intelligenzen der vergangenen Jahrhunderte beherrschten. Die eine derselben nahm ihren Ausgangspunkt von der Logik des Aristoteles und behauptete auf dem Wege scharfer Vernunftschlüsse, die auf unbestreitbaren Voraussetzungen sich aufbauten, zur Wahrheit zu gelangen. Das war die offizielle, in den Schulen gelehrte, die scholastische Philosophie. Zur Gegnerin hatte dieselbe eine Philosophie, die immer mehr oder weniger okkult oder geheim war, in dem Sinn, als sie sich mit einem Mysterium umgab und ihre Lehren nicht anders als unter dem Schleier von Sinnbildern, Allegorien oder Symbolen darbot.
Sie behauptete über Plato und Pythagoras hinaus auf die Hierophanten Ägyptens zurückzugehen, ja auf Hermes Trismegistus (d. h. den 3 mal großen Hermes) als den Begründer ihrer Wissenschaft und daher führte sie den Namen „Hermetische Philosophie“.
Das, was diese Richtung vor der ersteren vorzüglich unterschied, war, dass sie von Worten abstrahierte, um desto mehr in die Betrachtung der Dinge selbst, in deren eigene Wesenheit, sich zu vertiefen. Der Schüler des Hermes war schweigsam, er argumentierte nicht und suchte niemand zu seiner Ansicht zu bekehren; in sich gekehrt, gab er sich tieferem Nachdenken hin und gelangte auf diesem Wege dazu die Geheimnisse der Natur zu ergründen. So wurde er der Vertraute der Isis und trat in die Gemeinschaft der wahrhaft Initiierten ein: Die Gnosis enthüllte ihm die Grundlage der alten geheiligten Wissenschaften, welche in der Folge in Gestalt der Astrologie, der Alchemie, der Magie und der Kabbala auf uns gekommen sind. Diese heute als tot betrachteten Wissenschaften verfolgten alle denselben Zweck: Die Erforschung der das Weltall beherrschenden verborgenen Gesetze. Sie unterscheiden sich von der Physik, der offiziellen Naturwissenschaft, durch ihren mehr mysteriösen und transzendenten Charakter, sie bildeten demnach in ihrer Gesamtheit eine Art Hyper-Physik, werden aber allgemein unter dem Namen Hermetische Philosophie zusammengefasst.
Etwas anderes zeichnete diese Philosophie noch besonders aus, das ist der Umstand, dass sie sich nicht mit dem rein spekulativem Gebiet begnügte, sondern in Wirklichkeit stets einen praktischen Zweck verfolgte, sie zielte auf ein effektives Resultat ab und ihr höchstes Streben bestand in der sogen. Realisierung des großen Werkes. Und hier drängt sich auch ein Vergleich auf mit der Freimaurerei, welche nichts anderes zu sein scheint, als eine moderne Transfiguration des alten Hermetismus.
Die maureristische Symbolik besteht in der Tat aus einer befremdlichen Ansammlung von Traditionen, die den alten Initiationswissenschaften entstammen; sie legt großes Gewicht auf den kabbalistischen Wert der heiligen Zahlen und reguliert das Gebrauchtum nach denselben Grundsätzen wie die Magie; sie zieht andererseits die Sonne, den Mond und die Sterne in ihr Bereich, gleich der Astrologie. Ganz besonders auffallend sind aber die Analogien zwischen der Maurerei und der philosophischen Alchemie, so wie diese von den Rosenkreuzern des 17. Jahrhunderts gepflegt wurde; beiderseits finden wir die gleiche Esoterik, dieselbe Lehre unter Allegorien dargestellt, die einmal der Metallurgie, ein andermal der Baukunst entlehnt sind.
Unter diesem Gesichtspunkt stellt sich uns die Freimaurerei als eine Übertragung der Alchemie dar; dahin können in dem uns vorliegenden Werk zahlreiche Beweise gefunden werden. Wir meinen aber, dass sein Verfasser von der Ansicht ausging, nicht diskret genug vorgehen zu können; um nun aber einen Schritt weiter an die Frage heranzutreten, fürchten wir uns nicht, im Folgenden den Gegenstand ganz offen zu behandeln.
Um unsere Studie nicht zu sehr auszudehnen, beschränken wir uns auf das Gebrauchtum der klassischen, sog. Johannis-Maurerei, welche nur drei Grade umfasst; wir sehen auch von der Betrachtung der Symbole an sich ab und nehmen nur diejenigen vor, welche uns vom alchemistischen Standpunkt aus interessieren: Die auf einander folgenden in die Relitation des großen Werkes auslaufenden Operationen.
Nichts entsteht aus Nichts, das philosophische Werk nimmt also seinen Ausgangspunkt von der Entdeckung und der Auswahl des Subjekts. Die Alchemisten sagen: Die zum Werk notwendige Materie ist ganz gemein und überall anzutreffen, man muss sie nur unterscheiden können, darin besteht die ganze Schwierigkeit. – Die gleiche Erfahrung machen wir beständig in der Maurerei, zu häufig werden Profane aufgenommen, welche hatten zurückgewiesen werden müssen, wenn wir scharfsichtig genug gewesen wären. Nicht jedes Holz taugt für eine Pfeife; das Werk kann nur gelingen, wenn das erforderliche Subjekt dafür gefunden ist; daher holt auch die Maurerei mehrfache Auskünfte ein, bevor ein Kandidat zu den Prüfungen zugelassen wird.
Die Prüfungen werden eingeleitet durch das Ablegen des Metalles. – Nun aber empfiehlt die Alchemie, nachdem die taugliche Materie unterschieden, sorgfältig geprüft und festgestellt worden ist, sie äußerlich zu reinigen, um sie von jedem ihr zufällig oberflächlich anhaftenden Fremdkörper zu befreien; die Materie soll also auf sich selbst zurückgeführt werden.
Eine ganz analoge Methode verfolgt die Vorschrift, dass der Aufzunehmende alles ablegen soll, was er Künstliches mit sich führt: Auch er soll auf sich selbst zurückgebracht werden.
In diesem Zustand ursprünglicher Unschuld und wieder erlangter philosophischer Reinheit wird der Kandidat in einem engen Räume eingeschlossen, wohin kein äußeres Licht dringen kann: In die schwarze Kammer des Nachdenkens (Cabinet de Reflexion). Diese entspricht den hermetisch verschlossenen Kolben des Alchemisten, seinem philosophischen Ei. – Der Suchende findet sich hier wie in einem finsteren Grab, in dem er aus freiem Willen seinem bisherigen Dasein absterben soll. Dieser symbolische Tod zersetzt und löst die Schalen, welche der freien Entfaltung des individuellen Keimes hinderlich sind, er ist das Vorspiel zur Geburt des neuen Wesens, zu dem sich der Aufgenommene gestaltet; aus Putrefaktion (Fäulnis, Verwesung), welche von den Alchemisten durch die schwarze Farbe versinnbildlicht wird, geht der letztere hervor.
Das maurerische Ritual schreibt vor, dass sich unter den Einrichtungsgegenständen der schwarzen Kammer zwei Schalen befinden müssen, deren eine „Salz“ und die andere „Schwefel“ enthält. Warum? Die Antwort hierauf kann nicht umhin, auf die Theorie der drei alchemistischen Prinzipien oder Grundstoffe: „Schwefel“ (Sulfur), „Quecksilber“ (Merkur) und „Salz“ Bezug zu nehmen.
Der „Schwefel“ entspricht der Expansionskraft, welche vom Mittelpunkt jedes Wesens (symbolisiert durch die rote Säule I., die individuelle Initiation) ausgeht. Seine Wirkung ist entgegengesetzt derjenigen des „Merkur“, welcher alle Dinge durchdringt auf einem von außen her kommenden Weg (die weiße Säule B., Sensibilität, Aufnahmetätigkeit).
Diese beiden gegenstrebenden Kräfte befinden sich im Gleichgewicht im „Salz“ dem Kristallisationsprinzip, welches den stabilen Teil des Wesens darstellt und dessen Kondensation in der Zone stattfindet, wo die „schweflichen“ Emanationen mit der „merkurialischen“ Kompressionskraft der Umgebung zusammentreffen.
Diese summarischen Andeutungen mögen genügen, um den rituellen Gebrauch von „Salz“ und „Schwefel“ ins rechte Licht zu setzen; dass das „Quecksilber“ im vorliegenden Fall fehlt, erklärt sich dadurch, dass der Aufzunehmende die absolute Isolierung verwirklichen soll. Um zur Selbsterkenntnis im Sinne der sokratischen Vorschrift zu gelangen, ist es nötig, von allem zu abstrahieren, was von außen kommt, um dadurch in sich selbst einzudringen und sich schließlich dem Kern der eigenen Individualität allein gegenüber zu befinden.
Diese Operation entspricht der Prüfung durch das irdische Element, dichterisch dargestellt durch das Hinabsteigen zur Hölle; hierauf spielt auch das Wort VITRIOL an, dessen Buchstaben die Initialen einer sehr wichtigen alchemistischen Formel darstellen: Visita Interiora Terrae, Rectificando Invenies Occultum Lapidem: Dringe in das Innere der Erde (= die höllische Finsternis, Scheol der Juden, Aral der Chaldäer) und durch Rectifizieren (wiederholte durchdringende Reinigung, Verfeinerung) wirst du finden den verborgenen Stein.
Dieser Stein ist in erster Linie ein maurerisches Symbol und es möchte scheinen, als ob die Alchemisten dieses Sinnbild den initiierten Baukünstlern verdankten. In der Tat, ein Stein gehört normalerweise nicht in die Symbolik von Metallkünstlern, dagegen erscheint es ganz natürlich, dass ein Stein von Maurern erst roh zugerichtet, dann sorgfältig bebauen und geglättet wird. Die letzteren sind übrigens viel weniger geheimnisvoll in Beziehung auf die Bedeutung des Steines, als die Hermetisten; so erklären sie ohne Umschweife, dass ihr rauher Stein den Initiierten selbst im ersten Stadium darstellt, dass er durch Bearbeitung an Rauhheit verliert in demselben Verhältnis wie dies beim Lehrling der Fall sein soll, damit er zum Gesellen befördert werden kann, nämlich einzig und allein durch seine Umgestaltung zum Kubischen Stein! Dieser letztere besitzt vermöge seiner rechtwinkligen Beschaffenheit wenigstens in Potenz, alle dem philosophischen Stein (Lapis philosophorum) nachgerühmten Kräfte und Tugenden. Es ist indessen unumgänglich, die Kunst ganz und gar sich anzueignen, also ein vollkommener Arbeiter oder Meister zu sein, um transmutieren (unedle Metalle in Gold und Silber verwandeln, also Goldmachen) zu können.
Diese Transmutationen beziehen sich natürlich nicht auf die Produktion von Schätzen, denen ein rein konventioneller Wert zukommt; es handelt sich vielmehr um andere Kostbarkeiten, als diejenigen welche dem Geiste als Ideal vorschweben.
Auf sich selbst angewiesen, jedes fremden Beistandes beraubt, wird das im philosophischen Ei eingeschlossene Subjekt bald der Traurigkeit verfallen, ein schmachtender Zustand überkommt es, die Kräfte schwinden und die Zersetzung beginnt. Unter dem Einfluss der letzteren scheidet sich das Feine vom Groben, wir haben die erste Phase der Prüfung durch das luftige Element, die Luftprobe, vor uns. Nach seinem Hinabsteigen in das Zentrum der Welt, wo die Wurzeln jeglicher Individualität zusammentreffen, steigt der Geist wieder empor, erhebt sich unter Loslösung vom Caput mortuum, welches als schwarzer Rückstand am Boden des hermetischen Gefäßes verbleibt. Dieses Residuum wird versinnbildlicht durch die Oberkleider des Aufzunehmenden, welche er ausziehen und in der Kammer zurücklassen muss. Alsdann versucht er sich einen Weg durch die Dunkelheit zu bahnen, er stößt hierbei auf mannigfache Hindernisse, die kein Ende nehmen wollen, aber er lässt sich durch sie nicht erschrecken; der Weg führt ihn eine Anhöhe hinauf, aus der Unterwelt fliehend, will er den Himmel erreichen, mit Hartnäckigkeit verfolgt er seine Absicht, die steile Höhe des Berges zu erklimmen, dessen Gipfel von strahlendem Licht umgeben scheint.
Aber sein Aufstieg wird unterbrochen durch einen plötzlich ausbrechenden heftigen Gewittersturm, begleitet von Blitz und Donnerschlag: Die Wirbel eines furchtbaren Orkans umkreisen den kühnen Wanderer und erfassen ihn, so dass er den Boden unter den Füßen verliert und durch die Lüfte getragen, wieder dort anlangt, wo er die Wanderung angetreten hat.
Das ist ein Bild der Zirkulation, die in dem verschlossenen alchemistischen Gefäß vor sich geht, demselben Raum, welchem die gehörig gedeckte Loge entspricht. Das Subjekt verdoppelt sich zunächst im Verhältnis des Freiwerdens des volatilen Bestandteils, dieser erhebt sich in die Höhe, kondensiert sich daselbst und fällt in Regenform wieder nieder. Der Regen wird angedeutet durch die weißen Tränen, die über die schwarze Wandbekleidung der Vorbereitungskammer aufgemalt sind.
Die Wasserprobe, welche der Aufzunehmende zu bestehen hat, findet freilich nicht in diesem gleichen Raum statt. Während die Operationen des großen Werkes alle in ein und demselben Gefäß erfolgen, sind für die verschiedenen Phasen der maurerischen Einweihung jeweils andere geeignete Lokalitäten vorgesehen; diese Abweichung ist in esoterischer Hinsicht unwichtig, sie muss aber berücksichtigt werden bei Vergleichung der beiderseitigen Symbole.
In solch abwechselnder Aufeinanderfolge einer durch Hitze bewirkten Verdampfung und einer durch Kälte hervorgebrachten Kondensation, kommt das flüssige Element unaufhörlich mit dem erdigen Teil des Subjekts in innigen Kontakt, durchtränkt denselben immer mehr, wobei die schwarze Farbe allmählig einer grauen Platz macht, die immer heller wird, bis schließlich – nachdem in einem gegebenen Moment die ganze Tonleiter der schillernden Farben des Pfauenschwanzes sich dargeboten hat – die weiße sich zeigt.
Bis zur Weiße gebracht, erweist sich die geringste Materie bereits als hoch wertvoll; sie symbolisiert den Weisen, der allen Verführungen zu widerstehen vermag. Aber bei den bloß negativen Tugenden darf nicht stehen geblieben werden: Die Feuerprobe bleibt noch zu bestehen.
Für den Alchemisten handelt es sich nun um die Kalcination (Einäscherung, Durchdringung mit Feuerstoff) des Subjekts; dasselbe wird einer starken Hitze ausgesetzt, dass alles verbrannt und zerstört wird, was es Verbrennnliches enthält. Unter letzterem sind vom Gesichtspunkt der Initiation aus alle Keime und schädlichen Neigungen und Leidenschaften, die Triebe egoistischer Engherzigkeit, die Rückstände von Schlechtigkeit und niederer Gesinnung zu verstehen. Alsdann ist das „Salz“ durch und durch gereinigt, es zeigt sich als vollkommen durchsichtig, denn keine fremde Materie findet sich mehr den klaren Krystallen beigemengt. Solange der Aufzunehmende nicht zu einem entsprechenden Zustand gelangt ist, kann ihm das maurerische Licht nicht erteilt werden; erst muss der ganze Reinigungszyklus durchlaufen sein, bevor die symbolische Binde von seinen Augen fallen kann; das starke Licht würde ihn blenden, statt dass es von ihm aufgenommen würde, was erst möglich ist, wenn er sich für die Strahlen durchdringbar gemacht. Alle Prüfungen des ersten Grades zielen nun darauf ab, die erdigen oder salzigen Hüllen, welche dem Herd des internen Feuers, die Quelle der sulfurischen oder individuellen Hitze isolierend umgeben, durchlässig zu gestalten. Das innerliche Licht frei machen, es verstärken, so dass es die Schalen sprengen kann, welche es einengen und zu ersticken versuchen – das ist das ganze Programm des einfachen Werkes oder der Medizin erster Ordnung, oder wie wir sagen des Lehrlingsgrades.
Dieser Grad begnügt sich damit, uns das äußere oder universelle Licht zu zeigen, er setzt uns in Rapport mit dieser Quelle der Erleuchtung, aus welcher wir, als Gesellen im zweiten Grad, die Erkenntnis (Gnosis) mit samt ihrem Gefolge von durch die Initiation gegebenen Vorgängen schöpfen sollen. Dieses uns umgebende Licht, von Paracelsus Astral- oder Sideral-Licht genannt, sollen wir an uns heranziehen, dadurch bringen wir das Werk zur Röte, dem Zeichen der Vollendung des von uns kubisch genannten vollkommenen Steines.
Der philosophische Stein ist ein vollkommen gereinigtes „Salz“, welches den „Merkur“ koaguliert und ihn zu einem außerordentlich aktiven „Schwefel“ fixiert. Hieraus ergeben sich die 3 Operationen des ganzen Großen Werkes: 1. Die Reinigung des „Salzes“, 2. die Koagulierung des „Merkur“ und 3. die Fixierung des „Schwefels“.
Den Verlauf der ersten Operation, die sich in der Maurerei auf den Lehrlingsgrad bezieht, haben wir bereits kennen gelernt; es erübrigt noch, den Verfolg des Werkes im Gesellengrad und seinen Abschluss im Meistergrad darzustellen. Der letztere Grad erweist sich hiernach als die Krönung der Initiationshierarchie und es könnten demgemäß die sogenannten Hochgrade als wertlos erscheinen, wie man ja in der Tat dieselben als unnötige und schädliche Zutaten hinzustellen des öfteren beliebt hat. Es ist deshalb wichtig, den Sachverhalt richtig zu stellen.
Die ganze Esoterik der Maurerei ist ohne jeden Zweifel in den drei sogenannten Johannisgraden enthalten und diese müssten durchaus genügen, sobald wir nur imstande wären, alles zu extrahieren, was in ihnen enthalten ist; aber leider sind diese Grade zu tiefgründig und deshalb für den Durchschnittsverstand nicht genügend zugänglich. Nun wurden im Laufe des 18. Jahrhunderts gerade für diese Durchschnitts-Geister die Grade über den dritten hinaus vermehrt; man verteilte die verdichtete Esoterik der 3 ersten Grade und bemühte sich, dieselbe in fortschreitenden Stufen zum Verständnis zu bringen vermittelst neuer Formen und verschiedenartiger Allegorien, die sich größtenteils nur sehr entfernt an die Baukunst anlehnten, sodass man wohl behaupten konnte, die höheren Grade seien Ritter-, Templer-, alchimistische, kabbalistische etc. Grade, kurz alles andere, nur keine maurerischen. Die gegen das „Unkraut der Hochgrade“ vorgebrachte scharfe Kritik würde leider nur zu berechtigt und begründet sein, wenn die Maurerei ausschließlich vom abstrakten oder theoretischen Standpunkte aus zu betrachten wäre, so aber muss den Umständen Rechnung getragen und nachsichtiges Verständnis gezeigt werden für das, was der menschlichen Schwäche zu Hilfe kommt. Die Mehrzahl der Jünger der königlichen Kunst begnügen sich damit, die symbolischen Grade in Empfang zu nehmen, sie kommen aber nicht dazu, dieselben in sich aufzunehmen und deshalb besitzen sie die Grade in Wirklichkeit gar nicht; sie erhalten einen Schatz, dessen hohen Wert sie nicht kennen und den sie nicht zu gebrauchen wissen. Die Hochgrade haben nun keine andere Aufgabe, als die Esoterik der drei grundlegenden Grade stufenweise zum Verständnis zu bringen; sie behaupten durchaus nicht, neue, der symbolischen Maurerei fernstehende Geheimnisse zu enthüllen, sondern ihr ganzes Streben besteht im Gegenteil darin, eben diese gründlich begreifen zu lassen und ihr die gebührende Wertschätzung bei ihren Jüngern zu verschaffen. Sie wollen den letzteren eine tatsächliche Ausbildung als Lehrlinge zukommen lassen, sodass diese in Wirklichkeit Gesellen werden können, die dazu befähigt werden, dereinst die wahrhafte Meisterschaft zu erlangen. Dieser notwendigerweise letzte und höchste Grad stellt das ideale Ziel dar, dem wir zustreben sollen, wenn auch dessen Verwirklichung mit unseren Mitteln nicht zu erreichen ist; unser Tempel wird niemals völlig ausgebaut sein und niemand kann erwarten, den wahren und ewigen Hiram in sich auferstehen zu sehen.
Kommen wir nunmehr auf die Operationen des großen Werkes zurück. Wir haben gesehen, dass die durchgreifende Reinigung des „Salzes“ sich für den Maurer im Verlauf seiner Lehrlingschaft vollzieht.
Sobald diese Reinigung beendet ist, beginnt die Gesellenschaft; alsdann zeigt sich die rote Farbe, wie solche auch durch das Ritual für die Wandbehänge des Arbeitsraumes der Gesellen vorgesehen ist. Der Inhaber des 2. Grades ist in der Tat berufen, seine „sulfurische“ Hitze zu exteriorisieren, jenes interne, aufbauende, d. h. in die Wirklichkeit umsetzende Feuer, welches durch die aktive, rote und männliche Säule I. symbolisiert ist. Durchaus folgerichtig erhält der Lehrling an dieser Säule seinen Lohn und zwar dann, wenn er seine Lehrzeit vollendet hat. Um die ihm auferlegten Prüfungen erfolgreich zu bestehen, war er genötigt, eine standhafte Aktivität zu entfalten insofern, als er die von außen kommenden Einflüsse, welche die Herrschaft über ihn zu gewinnen drohten, zurückweisen musste. Der „Schwefel“ musste soweit exaltiert werden, bis die ganze Masse des Subjektes nicht nur von ihm durchdrungen ist, sondern bis er schließlich darüber hinaus das Subjekt als eine feurige Hülle umgibt.
Unter diesem Gesichtspunkt kommt die rote Farbe sicherlich dem Lehrling selbst zu und der Säule I., welcher er sich nähern muss bei der Beförderung zum Gesellen. Der Arbeitsraum des 1. Grades ist in blauer Farbe ausgerüstet, da derselbe das Universum in seiner unbegrenzlichen Unermesslichkeit darstellt.
Der rote Gesellenarbeitsraum versinnbildlicht einen viel enger begrenzten Wirkungskreis: Die Sphäre unserer individuellen Betätigung, für welche die Tragweite unserer „sulfurischen“ Strahlung das Maß abgibt.
Diese Ausstrahlung erzeugt ein refraktorisches Milieu, eine Art Sammellinse, durch welche das diffuse umgebende Licht gebrochen und m dem spirituellen Kern des Subjektes als Brennpunkt gesammelt wird. In dieser Weise hat man sich den Mechanismus der „Erleuchtung“ vorzustellen; sie wird denjenigen zu teil, welche den Flammenden Stern erglänzen sahen.
Jedes Wesen trägt in sich selber diesen geheimnisvollen Stern, aber zumeist in so lichtschwachem Zustand, dass er kaum bemerkbar ist Er ist nichts anderes als das Philosophische Kind, der immanente Logos, der inkarnierte Christus, der im verborgenen zur Welt kam, inmitten der Unsauberkeit einer als Stall dienenden Grotte.
Die Initiation wird zur Vestalin dieses innerlichen „sulfurischen“ Feuers, des Archaeus oder Prinzips jeder Individualität; sie unterhält es, solange es unter der Asche glimmt; sie ernährt es und entfacht es zu der Kraft, die nötig ist zur Beseitigung der einengenden Schranken, zur Entfaltung nach außen: Denn der Sohn muss mit dem Vater, der Innere „Sulfur“ mit dem Äußeren „Merkur“ in Verbindung treten, d. h. das Individuum muss mit der Gesamtheit sich in Beziehung setzen.
Solange wir ausschließlich auf unsere individuellen Hilfsquellen angewiesen sind, können wir auch nur auf uns selbst wirken, und das ist auch alles, was vom Lehrling verlangt wird. Ist aber einmal unser rauher Stein kunstgemäß behauen und geglättet, so haben wir uns nicht mehr um unsere Persönlichkeit zu kümmern, denn sie ist hinsichtlich der Reinigung des „Salzes“ bereits das, was sie sein soll.
Ist das Werkzeug fertiggestellt, so haben wir damit auf das zu wirken, was außer uns ist, und so an die eigentliche Arbeit zu gehen, die uns als Arbeiter oder Gesellen obliegt. Um etwas rechtes zustande zu bringen, ist es nötig, das Geheimnis zu kennen, die Kräfte außerhalb uns heranzuziehen. Wo anders sollen diese geheimnisvollen Energien hergenommen werden als bei der Säule B., deren Name bedeutet: „In ihm die Stärke“? Diese Säule, deren Platz gegenüber dem Mond, dessen sanftes und weibliches Licht sie wiederspiegelt, entspricht dem „Merkur“ der Alchimisten, dem Prinzip jener lebenspendenden Essenz, welche alle Wesen durchdringt und ihre zentrale „sulfurische“ Hitze unaufhörlich unterhält.
Sobald die letztere sich exteriorisiert mit der Heftigkeit, die zur Rötung der Materie (Feuerprobe) erforderlich ist, so entsteht im Zentrum eine Art Vacuum, das magnetartig wirkt und den Stahl der Weisen anzieht. Diese Substanz, deren Ideogramm eine Verbindung von „Schwefel“ mit Alaun oder von Feuer mit Antimon darstellt, entspricht dem brennenden feurigen Mantel, in den der Aufgenommene nach der Reinigung durch das Feuer eingehüllt erscheint; sie ist die ätherische Hülle, in welcher die höheren und niederen Kräfte aufgespeichert sind. Die Adepten haben darin den „Schlüssel des Philosophischen Werkes, das Wunder der Welt, welches Gott mit seinem Siegel versehen hat“, erblickt; weitere Namen dafür sind: Philosophische Goldmine, ein über alles reiner Geist, ein höllisches und geheimes sehr flüchtiges Feuer, gleichsam die „Quintessenz der Dinge im Weltall.“
Dieses himmlische oder exteriorisierte Feuer ist eines der beiden wirksamen Agentien des großen Werkes; das andere ist das bis zu jenem Punkte exaltierte Zentralfeuer, wo es für das erste attraktionsfähig ist, nach Art eines Magneten. Es stellt sich alsdann eine Zirkulation ein, infolge welcher beide Agentien zu einem einzigen vereinigt werden: Dem Philosophischen Feuer, von welchem es in der smaragdenen Tafel des Hermes heißt: „Es steigt von der Erde zum Himmel und fallt wieder zurück vom Himmel zur Erde und nimmt in sich auf die Kraft der oberen und der unteren Dinge; so erhältst du die Pracht der ganzen Welt; dadurch alle Dunkelheit von dir weicht; es ist die allerstärkste Kraft, die jegliches Feine überwindet und jegliches Grobe durchdringt.
Das Philosophische Feuer wird unterhalten durch den Roten Schwefel der Weisen, der durch den aus seiner Asche immer wieder neu entstehenden Phönix bildlich dargestellt wird. Dieser fabelhafte Vogel mit scharlachrotem Gefieder war der Sonne geweiht, weil er das Prinzip der individuellen Fixität repräsentiert. Mit Bezug auf die Initiation symbolisiert er in besonderer Weise die vom Schüler erworbene Unveränderlichkeit, insofern dieser in vollkommener Übereinstimmung mit dem Impuls wirkt, welchen jeder Baukünstler von der regulierenden Oberleitung der universellen Bautätigkeit, d. i. dem Großen Baumeister des Weltalls, empfängt.
Es ist daher die Aufgabe des Gesellen, welcher das Bestreben hat, richtig zu arbeiten, sich in einen Phönix zu verwandeln; gelingt ihm das nicht, so wird er immer nur ein Durchschnittsarbeiter sein.
Arbeiten bedeutet durchaus nicht, sich viel Bewegung machen unter grober Kraftvergeudung nach Art der Cyklopen, deren Mangel an Unterscheidungskraft durch das einzige Auge angedeutet ist. Der Initiierte arbeitet mit Verstand und Überlegung, er wird erleuchtet durch jenes Begriffsvermögen, welches ihm gestattet, die Gnosis sich anzueignen. Er wird daher nicht einzig aktiv zu sein verstehen (gleich dem Cyklopen), sondern auch passiv oder rezeptiv in intellektueller Hinsicht. Aktivität und Passivität richtig mit einander zu verbinden, ist die unabweisbare Bedingung für jede erfolgreiche Handlung, deshalb ist der Geselle berufen, sich die Lehre der beiden Säulen von Grund aus anzueignen. Der Lehrling kennt nur eine einzige Säule und kann deren Namen nur mühselig buchstabieren.