Inhaltsverzeichnis
Impressum 3
1. Player ... nein danke! 4
2. Peinlicher Anfall 13
Gutaussehender Unbekannter 14
Cassie 16
3. Die beste Nachricht 21
4. Schleimer als Bodyguard 29
5. Ich lebe in einem Penthouse 39
6. Meine Freundinnen, mein Bodyguard und mein Schwarm 48
Ray 52
7. Tränen der Vergangenheit 57
Cassie 57
8. Attacke der Raucher 67
9. Ein Herzensbrecher kann ein Herz nicht heilen 76
10. Haydens dumme Aussage 82
11. Ich kann ihm nicht böse sein 90
12. Schreianfall 101
13. Was ist mit Kitty los? 105
Ray 105
14. Heisser Körper 113
Cassie 113
Ray 117
15. Das unerwartete Tattoo 121
Cassie 121
16. Lieber Surfen statt Volleyball 127
Ray 131
Cassie 132
Ray 135
17. George’s Beauftragter 137
18. Wo ist Ray? 143
Cassie 143
19. Drei Wörter ergeben ein grosses Geheimnis 153
20. Flucht 157
21. Keine Nerven mehr 165
22. Rays schlechter Tag 174
Ray 177
23. Meine Angst 183
Cassie 183
24. Endlich erwachsen! 190
25. Knappe Entführung 198
26. Die besten Geschenke 207
27. Herzensbrecher 215
Ray 217
Cassie 220
28. Wylers sensible Seite 223
29. Anfall plus Kuss 231
Ray 239
30. Entführung 242
Cassie 242
Ray 245
31. Erstes Treffen mit George 251
Cassie 251
32. Mein Ende? 260
33. Der letzte Schrei 267
Ray 267
Epilog 275
Shane 275
Autorin 282
Impressum
Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.
Für den Inhalt und die Korrektur zeichnet der Autor verantwortlich.
© 2019 united p. c. Verlag
ISBN Printausgabe: 978-3-7103-4307-0
ISBN e-book: 978-3-7103-4377-3
Umschlagfoto: https://www.pexels.com/photo/female-grayscale-photo-facing-upward-972325/
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1. Player ... nein danke!
Wie ein Kleinkind spielte ich mit meinem Kugel-schreiber und hörte ungeduldig Mrs. Martish zu. Gott, ich mochte diese Schule ganz und gar nicht. Hätte jemand sie abgefackelt, hätte ich vermutlich schadenfroh gelacht. Der Gedanke daran brachte mich zum Schmunzeln. „Cassandra, würdest du bitte einmal zuhören?“, bat mich Mrs. Martish aufmüpfig. Dafür bekam sie meinen Killerblick. Niemand nannte mich Cassandra. Weder meine Lehrerin noch sonst jemand. Ich hasse meinen Namen. Sauer knallte ich meinen Stift aufs Pult und fauchte unfreundlich: „Zum wievielten Mal soll ich es Ihnen noch sagen?! Ich will nicht, dass Sie mich Cassandra nennen. Mein Name ist Cassie, Cassie Clark!“ Mrs. Martish war kurz davor, mich zum Direktor zu schicken, da ich in einer drohenden Stimmlage mit ihr redete. Doch gottlob unterbrach sie die Schul-glocke. Erleichtert erhob ich mich und warf meine Bücher in den Rucksack. Endlich war die Schule vorbei! Leider Gottes musste ich noch Hausauf-gaben machen … Naja, ich hatte schon genug Einträge, also machte es nichts aus, wenn ich noch einen weiteren bekam. Mit grossen Schritten eilte ich aus dem Raum, gefolgt von meinen zwei besten Freundinnen.
Okay, ich bin ein beliebtes Mädchen und gehöre wohl zu den interessantesten Girls der Schule. Doch ich brauche nur zwei Freundinnen, damit ich glücklich bin … Und Jungs … die können mich mal! Ich kann ganz gut auf sie verzichten. Viele sind asoziale Badboys oder komische Streber, die sind merkwürdig und überhaupt nicht lustig!
„Mrs. Martish hätte dich beinahe mit dem Direktor bestraft, Süsse“, meinte meine beste Freundin Poppy, die sich lässig an den Spind lehnte. Poppy Millington wickelte eine gelockte Strähne ihrer brustlangen goldblonden Haare um den Finger. Dabei strahlten ihre schmalen giftgrünen Augen, unbekümmert grinste sie mich an. Wie jeden Tag fiel mir ihr überladenes Make-up auf. Oh Gott, sie sah aber auch ohne Make-up wunder-schön aus, und jeder Junge latschte ihr hinterher. Egal, ob sie Make-up trug oder nicht: Sie war das Playgirl schlechthin! „Ich weiss, Pop. Es wäre auch nicht das allererste Mal, dass ich beim Direktor lande. Inzwischen hat er sich daran gewöhnt, dass ich einmal pro Woche zu ihm muss.“ Dabei schenkte ich Poppy mein freches Grinsen und holte die neue Jeansjacke aus dem Spind. Poppy lachte dabei laut, doch es tönte eher wie ein Quietschen. Auffällig rieb ich mir die Ohren, sodass sie merken musste, dass sie besser ihren Mund halten sollte. Leider nützte das nichts. Neben ihr verdrehte Isabel ihre grossen eisblauen Augen und klatschte die Hand auf Poppys Mund. „Sei still! Dein Lachen tut in den Ohren weh! Du verjagst mir jeden Jungen in der Gegend.“ Sofort verstummte Poppy und schluckte leer. Am liebsten hätte ich losgelacht. Wenn es um Jungs ging, war Pop immer sehr neugierig, und es war inzwischen normal, dass sie mit fremden Jungs rumknutschte. Beinahe jede Woche hatte sie einen Neuen und bestimmt schon die Lippen der meisten Jungs aus dem Schulhaus an ihren gehabt. Ich hatte gerade einmal zwei Küsse verteilt, und das waren nicht einmal richtige Küsse. Naja, wir spielten Pflicht oder Wahrheit, und ich musste zwei Jungs küssen. Es machte mir überhaupt keinen Spass! Isabel strich ihre langen dunkelbraunen Haare hinter die Schulter und fragte mich, ob wir zusammen nach Hause laufen. Ich nickte, und Poppy wäre am liebsten mitgekommen, aber sie wohnte leider auf der anderen Seite von Adelaide. Zusammen verliessen wir das Schulhaus und verabschiedeten uns von Pop. Kaum hatte sie sich von uns abgewandt, kamen auch schon zwei Jungs auf sie zu und begleiteten sie nach Hause. Typisch Poppy! „Und was hast du heute noch so vor?“, fragte ich Isabel.
Isabel Hannigan kenne ich seit der Grundschule. Ich mag ihre Offenheit. Sie hat einen tollen Charakter, ist freundlich, lebhaft und hilfsbereit. Okay, sie kann zwischendurch sehr kalt sein. Ihre direkte Art wirkt manchmal verletzend, doch ich kenne sie zu gut, und das macht sie für mich sympathisch … Also ich empfinde das so. Ausserdem ist sie sehr hübsch. Isabel ist von uns dreien die Grösste und Älteste. Sie ist achtzehn, Poppy und ich siebzehn. Bald habe ich Geburts-tag.
Isabel kratzte sich an der Nase und strich sich durchs lange dunkelbraune Haar. „Keine Ahnung. Lesen auf Wattpad.“ Da sie sich selber nicht sicher war, klang das irgendwie lustig. Isabel schmunzelte leicht, da sie mein Gekicher witzig fand. Ja, ich lache oft und liebe das. Lachen ist mein Hobby. Isabel fragte mich nach meinen Plänen. „Teen Wolf schauen!“ Dieses Mal lachte Isabel derart laut, dass uns die Menschen, die an uns vorbeigingen, komisch anstarrten. „Du Seriensuchti!“, zischte sie und boxte mir in den Oberarm, was mich wieder zum Kichern brachte.
Kurze Zeit später sichtete ich mein Zuhause. Mit einer langen Umarmung verabschiedete ich mich von Isabel und eilte heim. Schwungvoll riss ich die Haustür auf. „Hallo Mom!“, schrie ich durchs ganze Haus und schloss die Türe. Freudig lief ich den Flur entlang und guckte ins Wohnzimmer. Mom sass auf der Couch, hielt eine Tasse Tee in der Hand und zockte ein Game auf ihrem Handy. Sie lächelte mich an und begrüsste mich lieb. Ich gleiche meiner Mom sehr und habe wie sie kastanienbraune lange Haare und tiefbraune schmale Augen. Für mein Alter bin ich nicht unbedingt gross. Das Einzige, was ich von Dad habe, sind die vollen Lippen und die Stupsnase … also ich glaube das zumindest. Ich habe ihn noch nie gesehen, leider … Ich will nicht über ihn reden und mag es ganz und gar nicht, wenn mich jemand auf Dad anspricht. Ich bin dann den Tränen immer sehr nahe. Meinen Rucksack schleuderte ich auf den Boden und hüpfte auf die bequeme Ledercouch. Mom drückte mir schmunzelnd einen Kuss auf die Stirn. „Na, wie war die Schule?“ Ihre Stimme war so sanft wie das Fell einer Katze. Egal, was war, sie schaffte es jedes Mal, mich zu beruhigen. „Langweilig.“ Ich verschränkte meine Arme und lehnte mich zurück. Mom musterte mich und sagte nichts mehr. Naja, was sollte sie auch sagen. Die Schule empfand ich nicht wirklich als spannend. Noch nie hatte ich sagen können: Heute war’s toll in der Schule! Wirklich noch NIE!! Ich schnappte die Fernbedienung und wollte mir Teen Wolf reinziehen, als Mom mit ihrer täglichen nervigen Frage zuvorkam. „Und? Heute einen Anfall gehabt, Cassie?“
Alsooo, ich erklär das mal: Ich bin kein normaler Mensch. Und nein! Ich bin kein Einhorn! Ich bin eine Todesfee, eine sogenannte Banshee. Klingt komisch, aber es ist wahr. Mom ist auch eine, aber nicht derart mächtig wie ich. Wenn jemand in meiner Gegend in sehr grosser Gefahr ist oder in wenigen Minuten gar stirbt, beginne ich äusserst laut zu kreischen. Wenn ich dermassen schreie, habe ich mich nicht mehr unter Kontrolle. Danach werde ich entweder ohnmächtig oder mir wird extrem schwindlig, ich verhalte mich wie eine Besoffene. Und jedes Mal nenne ich nach dem Schrei den Namen des Opfers. Mom hingegen spürt einfach, wenn jemand stirbt, aber sie kreischt nicht drauflos. Wild schüttelte ich den Kopf. „Nein, Mom, nein.“ Sie nickte kurz und trank aus ihrer Tasse. Meine Freundinnen wissen, dass ich eine Banshee bin. Anders ausgedrückt: Meine ganze Schule weiss es! Wenn ich kreische, hört es das ganze Schulhaus, und manchmal gehen sogar die Fenster kaputt. Da konnte ich mein Geheimnis nicht einfach geheim halten. Ich hatte schon oft einen Anfall in der Schule. Es lief gerade die Titelmusik zu Teen Wolf, als mein Handy klingelte. Poppy rief mich an. Gott, hatte sie sich wieder einmal einen heissen Jungen geschnappt und wollte mir erzählen, wie gut er küsste? Inzwischen war das normal. Das be-deutete, Teen Wolf musste auf mich warten … Ich eilte die Treppe hoch direkt in mein Zimmer. „Poppy?“ „Heeeyyyyy Cassie!“ Immer wenn Poppy das „Heeeyyyyy“ so lange aussprach, wollte sie irgendetwas von mir. Ein Lächeln huschte über mein Gesicht. „Was willst du, Pop?“ Ich konnte ein Kichern auf der anderen Seite hören, Poppy zögerte. Auf meinem grossen Bett machte ich mich lang und breit. Meine vielen Kissen lagen hübsch verteilt um mich herum. Ich habe eine Sucht, eine Kissensucht. Über fünfzehn Kissen liegen auf meinem Bett, und immer wieder kaufe ich mir neue. „Heute Abend habe ich ein Date, wie jeden Freitag … eigentlich. Aber dieses Mal gehe ich mit einem richtig heissen Kerl aus. Dieses Date möchte ich wirklich nicht sausen lassen.“ Playgirl! Jeden Freitag hat Poppy irgendein Treffen, aber an die meisten Dates geht sie gar nicht, weil die Jungs entweder plötzlich uninteressant sind oder auf einmal schlecht aussehen. Typisch Pop! „Ich hätte heute eigentlich in der Biggie at Angel Bar zu arbeiten und frage dich spontan, ob du für mich einspringen kannst, sodass ich zu meinem Date kann.“ Ich verdrehte die Augen und drückte ein Kissen an meine Brust. Ich war bereits in einer anderen Bar angestellt. Doch ich hatte Ferien, also konnte ich für Poppy einspringen. Schliesslich verdiente man in der Biggie at Angel Bar mehr als in jener Bar, in der ich gelegentlich arbeitete. „Sicher! Geh du zu deinem Eine-Nacht-Freund-Date, und ich spring für dich ein.“ „Jaaa! Danke, du bist die Allerbeste. Hab dich lieb!“ Und der Anruf war beendet. Es war nicht das erste Mal, dass ich für sie als Barkeeperin einsprang. Okay, Poppy und ich arbeiteten nur da, um ein bisschen Geld zu verdienen und später zusammen in die Ferien zu reisen. Ehrlich gesagt gefiel es mir, in einer Bar zu arbeiten, doch als festen Job konnte ich es mir schlicht nicht vor-stellen. Mein Traumberuf sollte abwechslungsreich und unter Leuten sein. Ich wusste noch immer nicht, was ich werden wollte. War auch egal! Ich musste mich parat machen für die Bar! Ich zog mir ein schwarzes Top passend zu den zerrissenen Jeans an und band eine Jeansjacke um meine Hüften. Meine Haare liess ich offen, ich schminkte mich dezent. Ich wollte ja nicht als Bitch dastehen, schliesslich arbeitete ich dort. Kurz schaute ich auf die Uhr … puuuh, ich hatte noch eine Stunde Zeit. Die Bar öffnete um sechs … Jaaa! Ich konnte noch chillen!
Seit einer Stunde stand ich nun an der Bar und war umgeben von vielen Jungs, die alle ein Getränk von mir verlangten. Naja, die meisten wollten auch meine Handynummer, doch ich lehnte bei jedem ab! Baaahh, als ob die Jungs von einer Barkeeperin, also von mir, erwarten würden, dass ich ihnen meine Handynummer rausgab. Ich stand nicht auf solche Jungs! Neneee! Gerade als ich einem Jungen seinen Drink reichte, fingen plötzlich einige Mädchen an zu kreischen. Ich erschrak derart und hätte beinahe das Glas fallen lassen. Der Barkeeper neben mir starrte zum Eingang. Was zum Teufel war hier los? Die fünf Jungs auf den Barhockern hatten ihre Blicke ebenfalls zum Eingang gerichtet. Dort stand eine Horde Girls. Es war wahrscheinlich nur ein Promi, der rein wollte. Meine Güte, deswegen brauchte man doch nicht zu kreischen! Ich verdrehte auffällig die Augen und wandte mich den Jungs zu, die mit ihren Blicken noch immer am Girlshaufen hingen. Die Musik war derart laut, dass ich sie anschreien musste. „Wollt ihr noch etwas?“ Hastig drehten sie sich zu mir um, einer lächelte amüsiert. „Ist schon gut, Süsse.“ Als er mich „Süsse“ nannte, verschwand mein Lächeln augenblicklich. Hallooo?! Niemand nannte mich so! Ich kannte ihn nicht einmal. Laut knurrte ich und drehte mich zur Kasse. Dort verstaute ich das eingenommene Geld. Ein anderer Junge fragte mich mit lauter Stimme: „Willst du nicht wissen, was dort hinten abgeht?!“ Kalt schüttelte ich den Kopf. Tja, doch irgendwie wollte ich es schon wissen. Ich entfernte mich von der Kasse und schaute zum Eingang. Zwischen den vielen Mädchen hindurch konnte ich endlich sehen, was denn so interessant war. Oh shit! Mir wurde schrecklich heiss, und mir fehlte plötzlich die Stimme. Ein gut gebauter junger Mann von grosser und kräftiger Statur trat in die Bar. Wie umwerfend er aussah … nein, perfekt! Wunderschöne mittel-kurze dunkelbraune Haare, wild durcheinander, seine Haut prächtig gebräunt. Es passte einfach. Schande und diese auffällig schönen, ich nehme mal an dunklen Augen. Die hohen Wangen-knochen machten ihn sehr männlich und attraktiv. Ich schätzte ihn auf etwa neunzehn oder zwanzig. Jetzt kapierte ich, warum die Mädchen so von ihm angetan waren. Er sah einfach zu makellos aus! Göttlich! Als ich begriff, wie viele Tussen und Zicken ihn umringten, wurde mir klar, dass er entweder ein Player oder ein Badboy sein musste. Kein Mädchen konnte solch einer Schönheit widerstehen … nicht einmal ich. Doch der Gedanke, dass dieser Junge ein Player sein könnte, versaute alles an ihm. Ich riss mich zusammen und wandte mich von ihm ab. Die Jungs, die mich dabei beobachteten, warteten, bis ich etwas sagte. Aber ich ignorierte ihre Blicke und nahm die nächsten Bestellungen auf. Ich mixte einen Drink mit Whisky und bekam von einem netten Jungen fünf australische Dollar mehr, was mir ein Lächeln ins Gesicht zauberte. Die Musik wurde noch lauter, alle sangen mit. Sogar ich summte ein wenig, ich hatte mich auf meinen Job zu konzentrieren. Ruhig, aber zügig mischte ich die Drinks und nahm das Geld entgegen.
Es vergingen viele Minuten, als mich ein Ange-stellter an der Schulter berührte und mich so aus dem Rhythmus brachte. Grrr, das war fies! Sauer funkelte ich ihn an und gab einer jungen Frau ihren Drink. „Was?!“, fauchte ich laut. Der Barkeeper hielt eine Cola in der Hand. Hmmm, komisch. Warum eine Cola? Normalerweise trank kaum jemand in der Bar etwas ohne Alkohol. Verwundert musterte ich die Cola und fragte: „Wer hat eine Cola bestellt und warum bist du bei mir?!“ Ich kannte ihn nicht einmal gut, doch ich wusste, dass er gut mit Poppy befreundet war. Er drückte mir die Cola in die Hand und klopfte mir auf die Schulter. Was zum … häää? Verwirrt guckte ich in seine bernsteinbraunen Augen. Er antwortete grinsend: „Er hat dir eine Cola bezahlt und mir gesagt, dass ich sie dir geben soll.“ Wer?! Ich runzelte die Stirn und blickte mich verunsichert kurz um. Keiner starrte mich an – ausser dem Barkeeper. Unsicher kratzte ich mich am Hinterkopf und wollte wissen, von wem ich diese Cola bekam. Der Barkeeper drehte sich um und deutete auf jemanden hinter ihm. Neugierig sah ich über seine Schulter und erschrak. Dieser perfekt aussehende Typ sass auf einem Bar-hocker, ebenfalls mit einer Cola und prostete mir zu. Dabei grinste er frech. Wollte er mich gerade verarschen?! Dieser Gott bestellte für mich einfach so eine Cola … da hatte er die Falsche ausge-wählt. Statt sein Grinsen zu erwidern, verengte ich die Augen zu Schlitzen und wandte meinen Blick zum Barkeeper. „Sag ihm bitte Dankeschön von mir.“ Der Barkeeper ging auf den jungen Mann zu. Ich wollte seine Reaktion nicht sehen, da er mich trotz seines guten Aussehens nicht interessierte. Schnell nahm ich einen Schluck und ging auf eine Frau zu, die ein Getränk bestellen wollte. „Eine Piña Colada, bitte.“ Ich nickte und begann, ihren Cocktail zu mixen. Sie sah mir dabei zu, ihr Geld hielt sie bereits in den Händen. Als ich ihr den Drink fixfertig reichte, erschrak ich. Neben ihr sass dieser heisse Junge und schaute mich unaufhörlich an. Was hatte der für Störungen?! Seine Mädchen waren auf der Tanzfläche, doch … Schande! Er sah einfach zu gut aus!
2. Peinlicher Anfall
Ich wollte mir aber nicht anmerken lassen, dass ich ihn heiss fand, deshalb ignorierte ich ihn und mixte einem anderen Jungen einen Cocktail. Er gab aber nicht auf und wartete ab, bis ich mit dem Shaken fertig war. „Naaa? Findest du es cool, dass ich dir eine Cola bezahlt habe?“, fragte er. Mit leerem Blick starrte ich in seine grossen braungrünen Augen und zeigte keine Emotionen. Ich zuckte mit den Schul-tern und nahm dem anderen Jungen dankend das Geld aus der Hand. Bald verschwand er auf der Tanzfläche, doch der Göttliche sass noch immer vor mir. Langsam fragte ich mich schon, was er von mir wollte. Er biss sich auf die vollen Lippen und lehnte sich ein wenig nach vorne. „Weisst du, dass du toll aussiehst?“, fragte er mich grinsend. Darauf konnte ich nicht anders, als ein wenig zu lachen. Ich versuchte, ihn frech anzustarren und reinigte dabei verlegen ein Glas. „Du bist nicht der Erste, der mir das sagt. Und danke für die Cola“, meinte ich nüchtern und drehte ihm den Rücken zu. Ich konnte wahr-nehmen, wie er leise fluchte. Mir wurde klar, dass er mich beeindrucken wollte, doch damit kam er nicht weit. Ausserdem gab es viele andere Mädchen, die bestimmt gerne mit ihm flirten wollten. Ich hatte zu arbeiten. Zügig nahm ich nochmals einen Schluck von der Cola und stellte das geputzte Glas zu den anderen Gläsern. Der Junge starrte mich noch immer an. Alter, was hatte er für Probleme? Augenprobleme? Mein Blick wanderte zu einer Gruppe Mädchen, die den Typen pausenlos angafften und wild durch-einander quasselten. Tief atmete ich durch. „Auf dich wartet eine Horde Girls. Geh doch zu ihnen!“ Der Junge drehte sich nicht einmal um. „Ich will nicht zu diesen Mädchen! Ein anderes Mädchen zieht mich wie ein Magnet an … du. Ich möchte mich gerne ein wenig mit dir unterhalten, denn deine Art gefällt mir.“ Ich liess meine Hände sinken und kniff meine Augen drohend zusammen. Der Junge grinste dabei nur noch breiter und schlurfte aus seinem Glas. Das war ganz klar ein Player! Schliesslich arbeitete ich gerade. Soeben wollte ich mich von ihm abwenden, als er mich am Handgelenk packte und forsch zurückzog. Dabei wäre ich beinahe hingefallen. Was für ein Arsch! Wütend funkelte ich ihn an und schlug ihm unsanft auf die Hand. Er liess nicht los! Du meine Güte, was wollte er nur von mir?! Er sah mich erwartungsvoll an. Doch bevor er etwas sagen konnte, befreite ich mich flink aus seinem Griff und entfernte mich von ihm. Ich wollte ihm nicht noch einmal begegnen. Er machte mir Angst.
Gutaussehender Unbekannter
Shit, sah dieses Mädchen heiss aus! Noch nie zuvor hatte ich solch ein hübsches Mädchen gesehen. Schliesslich war ich schon mit sehr vielen Mädchen zusammen. Naja, zusammen war ein wenig übertrieben. Viele Girls wollten mich haben, doch ich nahm die Beziehungen nie gleich ernst. Ein Tag - aber sicher nicht mehr als zwei Tage - mit einem Girl reichte! Doch diese Bar-keeperin liess mir keine Ruhe. Ihre Ausstrahlung und ihr Aussehen waren einzigartig und be-zaubernd. Wunderschönes langes Haar, tiefbraune Augen, klein und ihre Figur einfach wooow! Ich durfte sie nicht aus den Augen lassen. Hastig stand ich auf und folgte ihr. Dummerweise war sie um einiges schneller als ich, was mich ein wenig nervte, doch irgendwie gefiel mir das. Sie war anders als die anderen Mädchen. Endlich blieb sie stehen und nahm eine Bestellung von einem Mädchen entgegen. Verdammt, dieses Lächeln! Warum nur so hübsch? Kaum zu glauben, aber meine Beine fühlten sich bei diesem Lächeln plötzlich schwabbelig an. Dieses Gefühl hatte ich zuvor nie gehabt, noch gar nie! Ich kannte sie nicht einmal, aber sie machte mich richtig neugierig!
Plötzlich war sie wie vom Erdboden verschluckt. Wie ein Verrückter suchte ich sie an der Bar. Eeendlich fand ich sie auf der gegenüberliegenden Seite. Mist! Wütend schlug ich mit der Faust auf den Tisch und liess mich auf den Barhocker fallen. „Naa? Was ist los, Bro?“, wollte ein Kumpel von mir wissen, der ebenfalls in dieser Bar arbeitete. Er mischte gerade einen Cocktail und beobachtete mich. Meinen Blick hatte ich aber noch immer auf dieses heisse Girl gerichtet. „Wer ist sie?“ Komisch, ich ging sehr oft in diese Bar und hatte sie noch nie zuvor gesehen. Mein Kumpel drehte sich um und entgegnete: „Sie ersetzt Poppy.“ „Und wie heisst sie?“ „Keine Ahnung, sie hat mir ihren Namen nicht gesagt.“ Dabei grinste er und reichte dem Mann neben mir den Cocktail. Das Mädchen drehte sich in diesem Moment zur Kasse, ich konnte ihr wunderschönes Gesicht sehen. „Warum willst du das wissen? Gefällt sie dir?“ Er lehnte sich zu mir nach vorne, ich zuckte mit den Schultern. „Sie sieht nicht schlecht aus“, gab ich zu. „Ja! Lustig, normalerweise rennen die Mädchen dir hinterher, und dieses Mal bist du hinter einer her.“ Dabei lachte mein Freund laut, was ich aber nicht witzig fand. Auffällig verdrehte ich die Augen und strich mir durchs dunkelbraune Haar. Etwas störte mich jedoch an diesem Mädchen. Sie fand mich nicht interessant und fragte mich nicht nach meinem Namen und meiner Nummer. Jedes Girl wollte mich, doch SIE anscheinend nicht! Dieses Mädchen ignorierte mich eiskalt, als wäre ich nichts Spezielles! Kopfschüttelnd musterte ich ihre schöne Figur. „Wann hat sie Feierabend?“, wollte ich wissen. Mein Kumpel dachte kurz nach und blickte auf seine Armbanduhr. „In vier Stunden …“ „Kann sie früher gehen?“ „Ähm … eigentlich darf sie das nicht …“ „Komm schon! Dieses Mädchen ist schliesslich der Ersatz dieses blonden Playgirls! Ausserdem arbeitet sie sehr fleissig. Sie verdient es, früher zu gehen!“ Ich wollte nicht noch vier Stunden warten, bis Miss Schönheit nach Hause gehen konnte. Ich wollte mich schnellstmöglich mit ihr unterhalten und sie auf die Tanzfläche führen. Ungeduldig wartete ich auf seine Antwort, und schliesslich gab er nach. Ich lächelte breit und schaute ihm dabei zu, wie er auf das Mädchen zuging. Na endlich!
Cassie
Ich säuberte gerade ein Glas, als ein Barkeeper auf mich zukam und seine Hand auf meine Schulter legte. Was sollte das? Ernsten Blickes guckte ich ihn an und stiess ihn ein wenig von mir weg. Wortlos schrubbte ich weiter und versuchte, seinen Blick nicht zu beachten. „Mädchen, du hast Feierabend!“ Beinahe liess ich das Glas fallen lassen. War das gerade sein Ernst? Ich arbeitete gerade einmal seit bald drei Stunden und hätte eigentlich noch vier Stunden vor mir. Mit gigantischen Augen suchte ich seine Glotzer. „Häää? Aber ich …“ „Du bist ,nur‘ Poppys Aushilfe und sehr fleissig. Du verdienst den Feierabend.“ Glücklich liess ich alles fallen. Das gefiel mir natürlich! Früher aus, mehr Schlaf! Bett, ich komme! Ich bedankte mich bei ihm und wollte schnellst-möglich zum Ausgang. Geschickt schlängelte ich mich durch die teils besoffenen Menschen und versuchte, die Musik um mich herum zu ver-drängen. Gott, war die laut! Ich rieb die Ohren und quetschte mich durch eine Gruppe Jungs. Meine Schritte wurden schneller. Auf dem Weg nahm ich mein Handy zur Hand und blickte auf die Zeit: 20:50. Bis ich zu Hause war, würde es schon halb zehn sein. Okay, ich hätte ein Taxi nehmen können, doch ich wollte lieber zu Fuss heim. Mein Handy verstaute ich in der Hosentasche und richtete meinen Blick zum Ausgang. Als ich nach dem Türgriff greifen wollte, wurde ich zurück-gezogen. Hallo?! Wer war das?! Entsetzt drehte ich mich um und wollte demjenigen auf die Hand schlagen, doch mein Atem stockte. Es war dieser gutaussehende ‚Cola-Junge‘. Er hielt mich am Handgelenk fest und liess mich nicht gehen. Seine Augen suchten meine. Ich kniff meine Glotzer zusammen und befahl bestimmt: „Lass mich los!“ Statt auf mich zu hören, kam er immer näher auf mich zu und hielt mich an den Oberarmen fest. Ich mochte es nicht, dass er so nahe bei mir war. Wir waren gerade einmal eine Handbreite voneinander entfernt. Laut knurrte ich, und bevor ich noch deutlicher werden konnte, hauchte er mir ins Gesicht: „Warum interessierst du dich nicht für mich? Zieht meine Schönheit dich etwa nicht an?“ Was für ein selbstverliebter Player! Als ob mich seine Schönheit anzog! Ich bin nicht das Mädchen, das sich ins Aussehen eines Jungen verliebt. Ich mag Jungs, die einen tollen Charakter haben. Sauer stiess ich ihn von mir weg und fauchte: „Weil du mich nicht interessierst, und ausserdem finde ich selbstverliebte Jungs sehr unsym-pathisch! Dein Aussehen beeindruckt mich nicht! Geh zu deinen Mädchen und lass mich in Ruhe! Ich bin nicht so, wie du es dir wünschst!“ Empört wandte ich mich von ihm ab, drehte ihm den Rücken zu und wollte schnellstens aus der Bar, als er mich erneut am Arm zurückzog. Gott, hatte der Nerven! Seufzend schloss ich kurz meine Augen. Waruuum?! Der Junge schaute mich breit grinsend an. Schande, dieses Lächeln sah so zuckersüss aus. „Deine kalte und offene Art gefällt mir.“ „Halt bitte deinen Mund!“, brüllte ich zurück und fuchtelte mit den Händen. Dabei lachte er und schnappte sich meine Hände. Oh Gott, was passierte da gerade? Als seine Hände meine Haut berührten, lief mir ein kalter Schauer über den Rücken. Er zog mich auf die Tanzfläche und drängelte sich durch die tanzende Menschen-menge. Kaum zu glauben, dass er so vernünftig war und Cola trank. In der Mitte blieb er stehen und sog mich mit seinem Blick regelrecht rein. Ich dagegen stand steif vor ihm und kam gerade nicht mit meinem Leben klar. Was hatte er mit mir vor? Um uns herum tanzten viele Jugendliche wild durch-einander. Ein paar hüpften auf und ab, die einen schwankten hin und her. Ich fühlte mich unwohl dabei … Lieber stand ich hinter der Bar und verteilte Drinks. Mein Blick wanderte zum DJ, der zum Beat mittanzte. Der unbekannte Schöne tanzte ausgelassen und bat mich, dasselbe zu tun. Ich weigerte mich, ich wollte hier raus. Und das sofort! Er griff nach meinen Hüften und zog mich an sich. Was zum …!? Was glaubte er eigentlich, wer er war?! Ein fremdes Mädchen einfach so anzufassen, ging nun ganz und gar nicht! Seine funkelnden Augen zogen mich aber derart in seinen Bann, dass ich mich wehrlos und wie gelähmt fühlte. Noch bevor ich etwas sagen konnte, legte er sanft seine Lippen auf meine. Mir wurde schrecklich heiss, meine Augen waren weit aufgerissen. Dieser Junge musste besoffen sein! Er küsste gerade ein fremdes Mädchen … MICH!! Noch mehr drückte er mich an sich. Seinem Kuss versuchte ich auszuweichen, jedoch mit viel zu wenig Widerstand, er fühlte sich zu gut an. Shit, warum waren seine Lippen nur so schön und zart? Für einen Moment liess ich alles locker, schloss meine Augen und erwiderte knapp seinen Kuss, bis mich ein komisches Gefühl beschlich. Es fühlte sich so an, wie wenn jemand kurz vor seinem Tod stand. Ich runzelte die Stirn, langsam wurde mir schlecht. Nicht wegen des Kusses (der war ja unglaublich), sondern wegen meines merkwürdigen Körper-gefühls. Der Junge versuchte, seine Zunge ins Spiel zu bringen, das wünschte ich mir definitiv nicht. Meine Hände lagen scheu auf seinen Schultern, mein Blick auf seine vollen Lippen gerichtet. Er schien baff und leicht ausser Atem zu sein. Noch immer hielt er mich an den Hüften. Ich schaute in sein neckisches und grinsendes Gesicht. „Willst du das nicht, Süsse?“ Er versuchte, mich erneut zu küssen. „Neiiin! Ich … ich … fühle mich nicht … gut“, stotterte ich, bevor der Junge aufdringlich seine Lippen erneut auf meine drückte. Verwirrt blinzelte er mich an. Ich stiess ihn grob von mir weg und landete unsanft auf dem Boden. Vor meinen Augen tanzten schwarze Punkte. Die Musik um mich herum wurde leiser. Oder bildete ich mir das nur ein? Die durcheinander tanzenden Jugend-lichen bewegten sich in Zeitlupe. Ich konnte spüren, wie jeden Moment mein Kiefer aufklappte und ein Bansheeschrei über meine Lippen kam. Der Junge bückte sich zu mir runter und fragte besorgt: „Hey, alles okay mi…“ „Halt die Ohren zu!“, warnte ich ihn mit zittriger Stimme. Er verzog die Augenbrauen und wollte wissen, warum. Doch es war zu spät. Ein unfassbar lauter Schrei entfuhr mir. Der Todesschrei war hundert Mal lauter als die Musik. So laut, dass sogar einige Fenster zersplitterten oder Risse bekamen. Alle um mich herum hielten sich die Ohren zu. Der attraktive Junge kniff die Augen zusammen und klatschte seine Hände auf die Ohren. Nach wenigen Sekunden verstummte ich, und vor mir drehte sich alles. Langsam versuchte ich aufzu-stehen und schwankte hin und her. Alles war still um mich. „Luke Smith!“ „Wer?“, fragte der Junge verwirrt. Luke Smith. Ich spürte seinen Tod, da er in meiner Nähe war. Da mein Gekreische mir beinahe die Stimme klaute, rannte ich wortlos aus der Bar und musste aufpassen, dass ich nicht nochmals hinfiel. Ooohhh, war das peinlich!
3. Die beste Nachricht
Viel zu schnell wurde es Morgen. Ächzend wälzte ich mich im Bett. Oh Schreck, der Vorfall von vergangener Nacht kam mir immer wieder in den Sinn. Wie mich jeder angestarrt hatte! Als wäre ich ein Alien … Okay, bin ich auch irgendwie. Und dieser Junge … den wollte ich nie mehr sehen! Das war so peinlich! Ich hatte alles von letzter Nacht Mom erzählt, sie grinste nur. Grrr, ich fand das überhaupt nicht witzig. Müde sprang ich aus dem Bett und zog mir meinen Kuschelmantel über. Zum Glück war es Samstag. Seufzend schlurfte ich die Treppe runter. Es duftete nach leckerem Frühstück, das auf mich wartete. Mama kochte immer sooo gut! Ihr Essen ist einfach das Beste. In der Küche erspähte ich feinste Omeletten auf meinem Teller. Mom sass am Tisch und trank Kaffee. Sie war gelangweilt mit der Zeitung beschäftigt. „Guten Morgen, Mom“, begrüsste ich sie freudig und umarmte sie von hinten. Lächelnd drückte sie mir einen Kuss auf die Hand. Leise kicherte ich und setzte mich neben sie hin. Die Omeletten durften nicht warten. Wie köstlich sie einmal mehr schmeckten. Lange schwiegen wir, bis Mom ihre Zeitung sinken liess und mich anguckte. Ihr Blick verunsicherte mich. Mit vollem Mund musterte ich ihre braunen Augen. Hatte ich einen Pickel auf der Nase oder einen auffälligen Frauenschnauz? Wenn ja, dann musste ich sofort zur Kosmetikerin! „Alles okay, Mom?“, fragte ich zögernd. „Jaja“, antwortete sie kurz und knapp. Unsicher trank ich einen Schluck aus meiner Tasse und genoss die kalte Milch im Mund. Mein Lächeln verschwand blitzartig. „Cassie, wir treffen heute jemand sehr Wichtiges“, meinte Mom ernst. Zuerst war ich verwirrt und dachte unbewusst an Dad. Er war bei meiner Geburt abgehauen und hatte sich seither nie mehr blicken lassen. Ich fragte mich, wer er wohl war und warum er aus unserem Leben verschwand. Ich hätte mich gefreut, ihn kennenzulernen, aber gleichzeitig machte er mich auch wütend. In diesen siebzehn Jahren liess er sich nie blicken. So ein Arsch! Zum Glück verdiente Mom als Richterin genug. Neugierig schaute ich sie an. „Wen? Dad?“ Mom lächelte leicht enttäuscht und schüttelte den Kopf. „Wäre zu schön gewesen, aber nein.“ Meine Neugier verschwand augenblicklich, schnell ass ich weiter. Es war nicht Dad, also interessierte es mich nicht weiter! Mom seufzte laut und kraulte meinen Rücken. „Ach Schätzchen, wir werden aber jemand anders treffen, und ich weiss, dass du dich freuen wirst.“ „Und wen?“ „Cassie, du weisst, dass du nicht in Sicherheit bist mit deiner aussergewöhnlichen Kraft. Viele sind hinter dir her und wollen wissen, wie sie an deine Kraft kommen.“ „Du aber auch“, unterbrach ich sie mit einem düsteren Blick. „Cassie, du bist aber viel mehr in Gefahr als ich. Dein Todesschrei ist sehr, sehr, sehr viel wert.“ „Wie viel denn wirklich?“ „Das weiss derjenige, den wir besuchen werden.“ „Und wer um Himmels willen ist das?“
Mom grinste und packte mich schroff an den Schultern, sodass mir die Gabel aus der Hand fiel. Ich musterte Mom baff. Was war mit ihr denn los? Hatte irgendein Vieh sie ins Hinterteil gestochen? „Cassie, du kriegst einen Bodyguard, der für immer auf dich schauen wird!“ Moment mal … Wie bitte?! Einen Bodyguard?! Ach du heilige Scheisse! Für einige Sekunden war ich schockiert, bis ich realisierte, dass jemand mich beschützen und sein Leben für mich riskieren würde. Ich konnte es nicht fassen und klatschte vor Freude wie verrückt in die Hände. „Oh mein Gott, das ist die beste Nachricht!“, kreischte ich und fiel Mom um den Hals. Dabei lachten wir beide laut. Ich zappelte mit den Füssen. „Mach’s nicht so spannend … Wer ist nun mein Bodyguard? Wie sieht er aus? Wie alt ist er und …? Erzähl schon!“ Grinsend strich mir Mom durchs Haar und reichte mir einen bereits geöffneten Umschlag. „Dieser Brief ist etwa vor zwanzig Minuten angekommen. Komischerweise wurde er nicht vom Postboten überbracht, sondern von einem sehr starken und attraktiven Mann.“ Mom lächelte ein wenig verträumt, was mich noch neugieriger machte. Schnell nahm ich die Nachricht entgegen.
Liebe Kayla Clark
Wir wollen Ihnen mitteilen, dass Ihre Tochter Cassandra ab heute von einem der besten Bodyguards in unserer Organisation beschützt wird. Der Bodyguard hat sich heute Morgen an der Besprechung freiwillig gemeldet und freut sich, Ihre Tochter kennenzulernen.
Er heisst Ray Wyler und möchte Cassandra heute treffen. Ich werde an der Besprechung auch dabei sein, so wie Sie. Daher bitten wir Sie beide, heute Nachmittag um drei Uhr ins A.B. Hauptquartier zu kommen.
Wir freuen uns auf Sie!
Gruss Michael Johns
Vor Freude kreischte ich erneut. Ich hatte schon immer von einem Bodyguard beschützt werden wollen, nur schon wegen meiner einzigartigen Kraft. Seit Jahren wusste ich, dass viele böse Menschen mich wegen meiner speziellen Gabe ausnutzen wollten. Daher passten Mom und meine Freunde immer gut auf mich auf. Da Mom älter wurde und ihr fordernder Job viel Zeit in Anspruch nahm, kriegte ich nicht immer sofort ihre Aufmerk-samkeit. Meine Freunde behandelten mich ansonsten wie ein normales Mädchen, was ich auch nicht anders wollte. Deshalb brauchte ich jemanden, der für immer an meiner Seite stand und auf mich aufpasste.
Am Nachmittag kamen Isabel und Poppy zu mir nach Hause. Ich erzählte ihnen von meinem neuen Beschützer. Zu dritt sassen wir auf meinem Bett, ich las ihnen den Brief vor. Pop lackierte sich dabei die Nägel rosarot, Isabel flocht aus ihren Haaren einen Zopf. Beide hörten mir neugierig zu. „Das ist toll, Cassie!“, schrie Poppy. Isabel stimmte ihr zu und musterte den Brief. „Wäre cool, wenn dieser Ray ein heisser Typ und in unserem Alter wäre. Dann hätten wir jemanden zum Flirten.“ Dabei kicherten wir alle drei. Poppy wälzte sich auf meinem Bett und betrachtete ihre schönen langen Nägel. „Hmmm, irgendwie kommt mir dieser Name bekannt vor“, murmelte sie. Ich schlug ihr auf die Schulter. „Du hattest schon so viele Jungs, Pop! Bestimmt hast du mal mit diesem Ray geflirtet!“, meinte ich lachend, sie gluckste dabei. Isabel schüttelte nur den Kopf und grinste breit. Ich fragte mich, wie dieser Ray Wyler wohl aussah. War er in meinem Alter oder älter? Hatte er einen guten Charakter? Schliesslich musste ich für immer mit ihm zusammen sein. Also besser gesagt, ER musste, bis an sein oder mein Lebensende! Isabel wollte eben auch noch ihren Senf dazu-geben, als Mom die Türe öffnete und mich anlächelte. „Cassie, wir müssen gehen. Sonst sind wir zu spät.“ Wir drei blickten uns gegenseitig an und fingen an zu kreischen. Gott, ich war sooo aufgeregt! Laut klatschte ich in die Hände und sprang von meinem Bett. Die anderen zwei folgten mir, und wir rannten wie eine Horde Nashörner die Treppe runter. Wir waren derart laut! Mom schrie sogar, dass wir leiser sein sollten, doch keine von uns hörte auf sie. Ich entschied mich für die Jeansjacke und schlüpfte in meine neuen Adidas-Schuhe. Poppy und Isabel umarmten mich. „Viel Glück, Cassie!“ „Danke! Ich werde euch alles erzählen. Sonst sehen wir uns morgen oder am Montag.“ Isabel und Poppy verliessen danach das Haus. Mom und ich eilten zum Auto und düsten los. Ich konnte es kaum erwarten, meinen Bodyguard kennenzulernen. Okay, ich wusste zwar, dass ich selber auf mich schauen konnte, doch einen eigenen Bodyguard an meiner Seite zu haben, war schon eine Ehre. Mom merkte, dass ich mich riesig freute und drückte mir einen Kuss auf die Wange, als die Ampel auf Rot schaltete. Sie parkierte vor einem modernen Hochhaus. Ich zählte etwa zwanzig Stockwerke und beobachtete, wie ein paar Männer auf den Balkonen rauchten. Tolle Vorbilder (Sarkasmus lässt grüssen)! Wir stiegen aus und bestaunten die vielen Autos um uns herum. Meine Güte! Wie viele Angestellte gab es bei der A.B. Organisation? Waren wir eigentlich am richtigen Ort? Oder hatte sich Mom verfahren, was sehr oft passierte.
PS: A.B. bedeutet Australian Bodyguards.
Dicht stand ich neben Mom. Wir gingen Richtung Glaseingang. Darüber stand auf einem grossen Schild: A.B. Hauptquartier. Ja, wir waren am richtigen Ort! Bravo Mom! Mom stiess die Glastür auf, wir traten in einen grossen Raum. Sofas, Tische, Türen, Automaten und viele Menschen tummelten sich um uns. Die Wand war weiss und der Boden aus weissem Stein, was einfach wunderschön aussah. Es war sehr sauber, fast zu sauber. Es schien, als wären wir in einem Warteraum. Mir gefiel es hier. Mom machte ebenfalls einen zufriedenen Eindruck. Das beruhigte mich noch mehr. Langsam gingen wir auf die Rezeption zu. Eine hübsche junge Frau mit langen braunen Haaren und eleganter weisser Bluse begrüsste uns freundlich. „Guten Tag. Wie darf ich Ihnen behilflich sein?“ „Hallo! Meine Tochter und ich treffen uns mit Ray Wyler. Würden Sie uns bitte bei ihm anmelden?“ Sie machte den Eindruck, als würde sie Ray sehr gut kennen. „Mr. Wyler erwartet Sie bereits. Ich werde Sie zu ihm bringen.“ Wir bedankten uns, die Frau ging mit uns zum Lift. Von innen war er riesig und modern. Für einen Moment waren Mom und ich sprachlos, da er von aussen nicht derart gross schien. Die junge Frau hingegen lächelte bloss. Ich musterte ihre langen Beine, ihr schwarzer enger Rock stand ihr besonders gut. Gott, war ich nervös! Ich freute mich so sehr! Mein Lächeln wurde breiter. Als ich meinen Blick wieder zur Frau richtete, beobachtete ich, wie sie ein paar Blusenknöpfe öffnete und ihr Ausschnitt sichtbar wurde. Was zum Geier tat sie gerade?! Mein Schmunzeln verschwand augen-blicklich, mit gigantischen Augen musste ich die Frau angegafft haben. Hallo?! Was sollte das?! Mom hatte es nicht bemerkt, was auch gut so war. Denn Mom hätte sie bestimmt darauf ange-sprochen, und ich hätte mich geschämt. Ich bin eben eine Fremdschämerin. Im zehnten Stock stoppte der Lift. Wir traten in einen langen Flur. Alle Türen auf beiden Seiten waren angeschrieben. Wahrscheinlich hatte jeder Bodyguard sein eigenes Büro … irgendwie cool. Mein Blick war auf die vielen Türen gerichtet, so merkte ich gar nicht, dass die Frau plötzlich stehen blieb. Unsanft prallte ich gegen sie und wäre beinahe hingefallen. Zum Glück konnte ich mich noch an der Wand festhalten. Ich rieb mir die Stirn und entschuldigte mich bei ihr. Die Frau funkelte mich dennoch kurz böse an. Sie zupfte an ihrer Bluse, trug noch mehr roten Lippenstift auf ihre vollen Lippen auf und klopfte an die Tür. In dicker Blockschrift stand darauf: RAY WYLER.
Der Gedanke, dass hinter dieser Tür mein Bodyguard sass, machte mich noch kribbeliger. Sofort verschwanden meine Schmerzen an der Stirn, ich richtete mich kerzengerade auf. Hinter der Türe hörte man ein lautes „Herein!“. Ohne zu zögern, trat die junge Frau ein. Mom und ich folgten ihr. Vor uns lag ein grosses ordentliches Zimmer, der Boden aus hellem Eichenholz, neben mir eine lange schwarze Couch. Direkt nebenan ein hohes Gestell mit Akten, Ordnern und Büchern. Mein Blick wanderte zum grossen Tisch mit gigan-tischem Computer, darauf ein Stapel Blätter und Akten. Die umwerfende Aussicht auf Adelaide machte mich sprachlos. Mein Mund stand vor Staunen weit offen. „Guten Tag, Miss Catrall“, begrüsste uns eine ältere Stimme. Ungeduldig blickte ich über die Schulter der Frau und erblickte einen etwa vierzigjährigen grossen Mann, seine Haare kurz und dunkelbraun, passend zu seinen stechend blauen Augen, seine Haut schön gebräunt, das Kinn markant. Der Dreitagebart machte ihn noch attraktiver. Er trug ein schwarzes Hemd und schwarze Jeans. Der Mann war mir auf Anhieb sympathisch. Mom stand wie eingefroren neben mir. Wenn das Ray Wyler war, dann hatte Mom jemanden zum Flirten. Und nicht ich … Die Rezeptionistin und der Mann reichten sich vertraut die Hände. Auch uns begrüsste er freundlich. „Guten Morgen, Kayla und Cassandra Clark. Schön, dass Sie gekommen sind.“ Seine Stimme klang tief, sie passte zu ihm. Lächelnd reichte er zuerst Mom die Hand. Kaum schaute er mich an, fragte ich leicht ungeduldig: „Sind Sie Ray Wyler?“ Wir schüttelten uns kurz die Hände. Der Mann zog ein wenig schockiert die Augenbrauen hoch, Mom boxte mir in die Schulter. Ich wusste, dass das unfreundlich war, doch ich hatte mit einem jüngeren Mann gerechnet. „Nein, ich bin Ray Wyler“, erwiderte eine mir bekannte Stimme. Hastig trat der ältere Mann zur Seite. Mir wurde kalt. Nein … das durfte nicht wahr sein! Bitte, bitte, bitteee nicht! Vor mir stand der heisse Junge von vergangener Nacht, der mich in der Bar küsste … Ray … mein künftiger Body-guard!