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eISBN 978-3-649-63244-3
© 2020 Coppenrath Verlag GmbH & Co. KG,
Hafenweg 30, 48155 Münster
Alle Rechte vorbehalten, auch auszugweise
Text: Laila El Omari
Umschlaggestaltung: Frauke Maydorn, unter Verwendung
einer Fotografie von Westend61 via Getty Images
Lektorat: Dr. Rainer Schöttle
Satz: Sabine Conrad, Bad Nauheim
www.coppenrath.de
Das Buch erscheint unter ISBN 978-3-649-67019-3.
»Es sind ihrer zwei, der eine handelt, der andere lauert.«
Der Graf von Monte Christo
Alexander Dumas père (1802–1870)
ZWISCHENSPIEL
DANACH
Kapitel 1
DANACH
Kapitel 2
NICO
DANACH
Kapitel 3
DANACH
Kapitel 4
NICO
DANACH
Kapitel 5
DANACH
Kapitel 6
NICO
DANACH
Kapitel 7
DANACH
Kapitel 8
NICO
DANACH
Kapitel 9
DANACH
Kapitel 10
NICO
DANACH
Kapitel 11
DANACH
Kapitel 12
NICO
DANACH
Kapitel 13
DANACH
Kapitel 14
DANACH
Kapitel 15
DANACH
Kapitel 16
EPILOG
Sie nahm ihren üblichen Weg durch den Wald, spürte den frostharten Boden unter ihren Schuhen. Unvermittelt war der Winter über die Stadt hereingebrochen, und ihr war, als wäre die Welt unter seinem Eisatem erstarrt. Das Bild gefiel ihr, die Vorstellung, dass alles so kalt und reglos war, wie sie sich in ihrem Innern fühlte.
Langsam steigerte sie das Tempo, spürte den pumpenden Herzschlag, hörte, wie ihr das Blut in den Ohren dröhnte. Ihr Atem ging in gleichmäßigen Stößen, das einzige Geräusch, das die Stille durchbrach. Zwischen den Bäumen hing spinnwebengleich der zerfaserte Morgendunst. Ein Ast streifte ihr Gesicht, und sie blinzelte, rieb sich das Auge, während sie, ohne innezuhalten, weiterlief.
Der Weg erstreckte sich gerade vor ihr, machte dann eine sanfte Biegung nach rechts, wo er breiter wurde und die Bäume immer weniger dicht standen, bis sich der Blick auf eine Lichtung öffnete. Hier pausierte sie stets einen Augenblick, ehe sie sich umdrehte und zurückjoggte. Die Lichtung war Sommer wie Winter schön, wirkte verwunschen, still, fernab jeder Lebenswirklichkeit, die sich in Stadt und Uni abspielte. Als sie zwischen den Bäumen auf das verharschte Gras trat, dehnte sie den Körper, hob die Arme über den Kopf. Atmete die kalte Winterluft.
Erst dachte sie, da stünde jemand, starr wie der Frost, wartend, lauernd. Dann bemerkte sie, dass so groß ja niemand sein könnte. Und schließlich sah sie, wie sich der Leib leicht drehte, kaum merklich, als stieße der Wind ihn an. Sie hob den Blick, bemerkte die Linie des Seils, das sich hinter seinem Kopf erhob, trat näher, sah die einstmals vertrauten Züge an. Hörte seine letzten Worte. Ich habe sonst niemanden. Dann schrie sie. Und schrie. Und schrie.
»Im Nachhinein habe ich mich immer darüber gewundert, dass wir damit durchgekommen sind.«
(Robin Preuß)
»Man könnte glauben, die Schreie des Mädchens hallten noch heute zwischen den Wänden.« Alexander brauchte keine dramatischen Pausen, um sich der Aufmerksamkeit seiner Zuhörer gewiss zu sein. »Sie schrie und schrie. Als sei jemand im Begriff, sie zu ermorden.«
Leonora beobachtete, während sich um sie herum im flackernden Kerzenlicht Schatten an den Wänden in bizarren Tänzen bogen. Es war keine große Party, eher ein geselliges Beisammensein in einem alten Haus, das gelegentlich an Studenten vermietet wurde. Irgendwie hatte Alexander es geschafft, dass man ihn einlud – nebst Begleitung.
»Und was war mit ihr?«, fragte eine junge Frau.
Alexander saß halb mit der Hüfte auf einem Tisch und drehte ein Glas zwischen den Händen. »Sie bekam ein Kind.«
»Eine Hausgeburt?« Nun klang die Stimme gelangweilt. »Mehr nicht?«
Alexander lächelte. »Sie war noch sehr jung.«
»Kommt vor, nicht wahr?« Die Studentin hatte die Hände in die Taschen geschoben, während die Übrigen dastanden und darauf warteten, dass Alexander die Geschichte zu Ende erzählte. Der wandte den Blick zum Fenster, in dessen nachtschwarzem Glas sich der Raum spiegelte. Dahinter lag ein weitläufiger Garten, halb verwildert, umgeben von einer mannshohen Mauer.
»Das Mädchen«, fuhr Alexander fort, »hatte Glück, dass sich der Vater des Kindes um alle Formalitäten kümmern wollte. Sie waren zusammen mit ihrer Familie übereingekommen, die Sache geheimzuhalten. Das Mädchen ging noch zur Schule, und es war schwer genug, niemanden etwas merken zu lassen. Der Mann hingegen war verheiratet und auf der Karriereleiter auf dem Weg steil nach oben. Ein uneheliches Kind von seiner minderjährigen Geliebten wäre da sehr hinderlich gewesen.«
»Schwein«, sagte eine weibliche Stimme.
Alexander sah kurz auf, schien mit einem kurzen Blick über die Gruppe ausmachen zu wollen, wer das gesagt hatte, und sprach dann weiter. »Das Kind kam zur Welt, eine Welt, in der es niemand wollte. Noch in derselben Nacht wurde das Mädchen wieder nach Hause gefahren, und das Kind blieb in diesem Haus.« Alexander sprang vom Tisch, auf dem er gesessen hatte, und ging zum Fenster. »Macht mal jemand das Licht aus?«
»Uh, Geisterstunde«, wurde gewitzelt. Kurz darauf war es dunkel im Raum, und man konnte den Garten schemenhaft erkennen.
»Es war ein vergleichsweise milder Winter«, erzählte Alexander, »aber doch recht kalt. Wenn ihr von hier aus in den Garten schaut, könnt ihr eine Gruppe von vier Platanen sehen.« Er drehte sich wieder zu ihnen um, eine dunkle Silhouette vor einem noch dunkleren Hintergrund. »Wie auch immer. Das Mädchen lag also in den Wehen mit einem Kind, das keiner wollte. Denn, wie gesagt, der Vater des Kindes war karrieregeil und ambitioniert.«
»Klar, die sind es immer, die die Frauen kriegen«, rief eine Männerstimme.
»Und die sind es auch, die die Frauen dann mit ungewollten Kindern sitzen lassen«, antwortete eines der Mädchen.
»Der Mann«, Alexander lehnte nun nonchalant am Fensterbrett, »konnte natürlich nicht riskieren, dass sein Fehltritt ans Licht kam. Als das Kind also geboren war, brachte die Mutter des Mädchens ihre Tochter nach Hause und vertraute darauf, dass sich der Mann des Problems annahm, für das Kind eine passende Unterbringung zu finden. Der Mann hatte da jedoch andere Vorstellungen als sie. Während sie an eine Adoptivfamilie dachte, fand er, dass ein Grab unter den Platanen passender war.«
Eine der Anwesenden stieß einen Schrei aus.
»Was ist denn das für eine kranke Scheiße?«, fragte einer der Männer. Sie waren alle noch jung, keiner von ihnen weiter als viertes oder fünftes Semester, und doch, dachte Leonora, war sie mit ihren neunzehn Jahren vermutlich die Lebenserfahrenste von allen. Sie beobachtete Alexander, der weitererzählte.
»Er hob also ein Grab aus und legte das Kind lebendig hinein. Es eigenhändig zu töten traute er sich dann doch nicht.«
»Soll das heißen, da liegt eine Babyleiche unter den Bäumen?«, fragte jemand. »Davon, dass hier mal ein so heftiges Verbrechen stattgefunden hat, habe ich noch nie etwas gehört, und die Presse hätte das garantiert ausgeschlachtet.«
»Ich glaube die Geschichte nicht«, bekräftigte eine andere Zuhörerin ihre Zweifel.
»Jemand hat es gesehen, aber das bemerkte der Mann gar nicht. Der, der ihn beobachtet hatte, holte das Kind aus seinem kalten Grab und legte es vor einem Krankenhaus ab. Von dort aus fand es dann seinen Weg zum Jugendamt und zu neuen Eltern.«
»Und der Mann?«, wollte eine der Studentinnen wissen.
»Ging straffrei aus.«
»Warum hat der Typ, der das Baby gefunden hat, ihn denn nicht verraten?«, beharrte sie. »Das ist doch Täterschutz.«
»Mittäterschaft, Frau Juristin«, sagte eine Männerstimme. »Täterschutz ist was anderes.«
»Mitwisserschaft, Herr Jurist«, widersprach eine andere. »Vielleicht einfach mal den Ball flachhalten.«
»Der Finder«, fuhr Alexander fort, »war niemand, der gerne handelte oder sich Feinde machte. Er beobachtete nur.«
»Was für eine gestörte Geschichte«, sagte jemand, als das Licht wider anging.
»Ich glaube davon kein Wort.«
Leonora hörte, wie sich die Studenten in Spekulationen ergingen, als Alexander sich zu ihr gesellte. Sie legte den Kopf schief. »Toller Einstand.«
Er grinste.
Leonora hatte Menschenmengen nie besonders gemocht, und Partys bildeten da keine Ausnahme. Aber es gab Gründe, hier zu sein, so wie es Gründe gab für alles, was sie tat, und so gab sie sich gelassener, als sie eigentlich war, und schlenderte durch die Räume, in denen Studenten in Gruppen plaudernd oder tanzend beisammenstanden. Das milchig-gelbe Licht warf bizarre Schatten an die Wände, Silhouetten, die sich bewegten, ineinanderflossen, sich voneinander trennten, als wabere um sie herum eine seltsame Art der Finsternis.
In einem der Räume war eine Bar aus mehreren zusammengeschobenen Tischen aufgebaut, die in Lachen von allerlei verschütteten Getränken standen. Jemand hatte rote Bowle umgekippt, und die Flüssigkeit tropfte vom Tisch auf den Boden. Leonora starrte darauf, und für einen Moment blitzte das Bild tropfenden Blutes in ihrem Innern auf. Mit einem Keuchen wandte sie sich ab. Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen, hierherzukommen.
»Na, Prinzessin?«, sagte eine Stimme hinter ihr, und sie drehte sich um. Ein junger Mann, dessen alberne Schärpe ihn als Mitglied einer Studentenverbindung auszeichnete, stand hinter ihr, die Stimme leicht verwaschen.
Leonora beschloss, sich nicht angesprochen zu fühlen. Sie nahm ein schmieriges Glas mit Limonade und ließ den Typen stehen. Der allerdings beschloss offenbar, sich nicht so einfach abhängen zu lassen.
»Stehst wohl auf harte Sachen, wie?«, sagte er mit Blick auf ihr Glas. Offenbar versuchte er, lustig zu sein. Leonora deutete nicht einmal ein Lächeln an. Sie ließ ihn stehen und verschwand auf die Toilette. Jemand hatte sich viel Mühe gegeben, das Badezimmer in seinem nostalgisch anmutenden Verfall zu erhalten. Unter einem in einem Holzrahmen mit abblätterndem Blattgold gefassten blinden Spiegel befand sich ein altmodisches Waschbecken mit angelaufenen Armaturen. Das Haus wurde seit einigen Jahren an Studenten vermietet, sodass man aus Gründen der Zweckmäßigkeit entschieden hatte, dass es billiger war, zwei Toiletten in einem Bad einzurichten, als ein weiteres Bad auf jeder Etage. Die Toiletten waren im Bahnhofsklo-Stil durch Stellwände voneinander getrennt, und Leonora verschwand in einer der Kabinen. Sie stellte das Glas auf einem hochgelegenen Sims ab, in der Absicht, es dort stehen zu lassen.
Die Badezimmertür wurde erneut geöffnet, und Schritte näherten sich. Anstatt zur offenen Toilette nebenan zu gehen, verharrten sie jedoch vor Leonoras, und diese, bei jedem ungewohnten Geräusch in Alarmbereitschaft, erstarrte, lauschte. War das etwa wieder dieser aufdringliche Kerl? Mit dem würde sie fertig, der war betrunken, aber harmlos. Dann ein behutsames Klopfen. Das wiederum passte nicht.
»Alexander?«
Ein feines Kribbeln überlief Leonoras Körper, und sie verharrte regungslos, wartete darauf, dass an der Tür gerüttelt wurde. Langsam hob sie den Kopf. Die Zellen waren nach oben hin offen. Wenn er von oben kam, würde sie aus der Tür hinausstürzen. Sie wartete, während Sekunden in zähen Tropfen verrannen. Schließlich entfernten sich die Schritte wieder.
In einem tiefen Atemzug stieß Leonora die Luft aus und presste die Hand auf ihr wild schlagendes Herz. Vermutlich war es doch nur der Betrunkene, wenngleich ihr ihr Gefühl sagte, dass sie sich irrte. Dann wurde die Badezimmertür erneut geöffnet, Schritte, fester, entschlossener.
»Leonora?«
Alexander. Rasch stieß sie die Tür auf und verließ die Toilette.
»Ich wollte nachher noch weiter. Kommst du mit, oder soll ich dich nach Hause bringen? Du sieht fertig aus.«
»Klar komme ich mit, war doch so ausgemacht.«
»Gut, ich warte bei der Garderobe auf dich.«
Sie wollte ihm sagen, dass er bei ihr bleiben sollte, schwieg jedoch und drehte den Wasserhahn auf, ließ sich das kalte Wasser über die Handgelenke laufen. Diese fortwährende Angst. Konnte das denn ewig so weitergehen?
Alina hob die Schultern, schüttelte das diffuse Gefühl ab, beobachtet zu werden. Patrick hatte ihr eine Frage gestellt, die an ihr vorbeigerauscht war, und sie tat so, als habe sie lediglich keine Lust zu antworten. Während er sich wieder seinen Freunden zuwandte, schob Alina die Hände in die Gesäßtaschen ihrer Jeans und sah sich um. Jahrmärkten hatte sie noch nie viel abgewinnen können, sie fand sie zu laut, zu schrill, zu voll. Bunte Lichter erhellten die Dunkelheit, hektisch blinkend, die größten Gewinne versprechend, die beste Zuckerwatte, die rasanteste Achterbahnfahrt. Langsam wandte Alina sich wieder der kleinen Gruppe zu und hörte einen von Patricks Freunden von einem Zusammenstoß mit einem Professor erzählen, den er wohl wahnsinnig komisch fand. Alina lachte sich das Unbehagen aus der Kehle.
»Was macht der denn hier?«, fragte Patrick und sah über ihre Schulter hinweg.
Als Alina sich ebenfalls umwandte, fiel ihr Blick auf Robin, und die Anspannung fiel von ihr ab. Sie lächelte. »Ich dachte, du kommst erst morgen zurück.«
Robin nickte Patrick zu, der den Gruß knapp erwiderte, dann wandte er sich an Alina. »Streit mit meinem Vater. Danach hatte ich keine Lust mehr, noch eine Nacht länger bei ihm zu verbringen.« Seine Eltern lebten getrennt, und gelegentlich besuchte er seinen Vater, um den Geldfluss am Laufen zu halten.
Patrick sagte nichts dazu, sondern wandte sich demonstrativ seinen Freunden zu. Er und Robin hatten immer schon ein sehr spezielles Verhältnis zueinander gehabt. Robin schien es nicht zu stören, er gesellte sich immer wie selbstverständlich dazu. Alina bemerkte die Blicke der Mädchen zu Patrick. Das war nicht neu, Patrick hatte diese Wirkung auf sie, und es gab nicht wenige, die Alinas Freundschaft suchten, um ihm nahe zu sein. Sie selbst bewegte sich in der ruhigen Gewissheit, dass es für Patrick niemanden außer ihr gab, die unanfechtbare Selbstsicherheit der Besitzenden. Seit über fünf Jahren waren sie ein Paar, und immer war er es gewesen, der bestrebt war, sie zu halten. Da war es nicht schwer, den neidischen Blicken der Mädchen mit Gleichgültigkeit zu begegnen.
Alina wurde das Gespräch – es drehte sich um irgendwelche Kommilitonen von Patrick – bald langweilig, und obwohl Robin sich den Anschein zu geben versuchte, dass ihn interessierte, wer die Prüfungen aller Wahrscheinlichkeit nach nicht bestanden hatte, war offensichtlich, dass seine Gedanken immer wieder abdrifteten. Sie steckte die Hände in die Jackentaschen und sah sich um. Es war kurz nach sieben, und auf der Kirmes waren noch etliche Familien mit Kindern unterwegs.
Mit einer kurzen Berührung seines Armes gab Alina Patrick zu verstehen, dass sie ein wenig allein herumschlendern wollte. Er drehte sich zu ihr um, sie neigte den Kopf, er lächelte. Sie verstanden sich stumm, wie das eben war, wenn man einander schon so lange kannte. Dann wandte sie sich ab. Es war kalt, und nur gelegentlich trug ein Grillstand einen Schwall warmer, bratenschwerer Luft zu ihr. Während Alina zwischen den Ständen hindurchging, um sich herum eine wilde Kakofonie von Tönen und ein Durcheinander flackernder Farben, die knallig bunte Flecken auf Kleider und Gesichter warf, beschlich sie erneut das seltsam beklemmende Gefühl. Unwillkürlich drehte sie sich um. Ein junger Mann mit einem kleinen Mädchen auf den Schultern lief fast in sie hinein.
Pass doch auf!
Sorry.
Alina strich sich das kinnlange, dunkle Haar hinter die Ohren, aber sobald sie den Kopf neigte, fiel es ihr wieder ins Gesicht. Es war zu kurz für einen Zopf, und wie lästig das sein konnte, war ihr erst aufgegangen, nachdem sie beim Friseur gewesen war.
Sie bemerkte ein Mädchen, das ihr vage bekannt vorkam, aber es dauerte einen Augenblick, ehe sie es einordnen konnte. Die Tochter eines Staatsanwalts. In Alinas Kreisen kannte man sich, was oft eher nervig war. Eigentlich wusste sie nicht so recht, warum sie und Patrick hier hängen geblieben waren, aber da Patrick sich durch sein soziales Engagement in eine Art lokalen Helden verwandelt hatte, war es wohl naheliegend, dort zu bleiben, wo einem applaudiert wurde. Das war gemein, dachte sie im nächsten Augenblick und versuchte, den Gedanken zu bereuen. Das Mädchen – der Name wollte ihr nicht einfallen – bemerkte sie nicht, und Alina tat nichts, um auf sich aufmerksam zu machen. Eine Frau war in Begleitung der Staatsanwaltstochter. Die Mutter? Nein, Stiefmutter, erinnerte sich Alina. Und die sah ihre Stieftochter mit einem Blick an, an dem die Grimm’schen Erzähler ihre reine Freude gehabt hätten.
»Warum bist du gegangen?«, hörte sie eine Stimme dicht an ihrem Ohr und fuhr herum.
»Spinnst du, mich so zu erschrecken?« Rechts von ihr kreischten Mädchen in einer in Loopings kreisenden Gondel auf.
Robin zog mit einer zerknirschten Geste die Schultern hoch, dann sah er das Mädchen und hob die Hand. »Hannah!«
Die Angesprochene sah sich suchend um, entdeckte ihn und erwiderte den Gruß. Der Gesichtsausdruck ihrer Stiefmutter wirkte für einen Moment verrutscht, als er von tödlichem Hass in freundliches Erkennen glitt.
Alina fröstelte. Sie wandte sich ab und ging zu Patrick zurück.
Gegen Mitternacht begegnete sie ihm das erste Mal. Er war irgendwann einfach da, gesellte sich so selbstverständlich zu ihnen, als kenne er sie seit Jahren. Dass er ohne Weiteres in die Runde aufgenommen wurde, lag vermutlich sowohl an seiner Ausstrahlung – er war einer dieser Typen, die man unweigerlich kennenlernen wollte, egal ob als Mann oder Frau – als auch an dem Mädchen an seiner Seite. Stiefel, schwarze Jeans, knielanger Mantel, ein cremeweißer Schal. Das tiefschwarze Haar war am Hinterkopf aufgesteckt, bis auf ein paar Strähnen, die ihr seitlich ins Gesicht fielen. Sie war wirklich ungemein hübsch. Die jungen Männer fielen in das klassische Balzverhalten, lachten ein wenig zu laut, redeten ein wenig zu viel und begleiteten das Gesagte durch übertriebene Gesten. Alexander Dobberstein und Leonora Manjali.
»Was studierst du?«, fragte Alina den Fremden, der sie auf eine Art musterte, als erwarte er etwas Bestimmtes von ihr. Er stand so, dass der Widerschein einer blauen Budenbeleuchtung seinem Gesicht eine gespenstische Blässe gab. »Jura«, antwortete er.
»Wie Patrick.« Sie sah zu ihrem Freund, berührte seinen Arm, machte damit deutlich, dass ihre Konversation keine Hintergedanken barg. Eigentlich unterhielt sie sich nur mit ihm, weil ihr langweilig war. »Ich bin mir sicher, dass er seit Beginn des Studiums einiges getan hat, damit die Kaffeeproduktion Brasiliens ein deutliches Plus verzeichnen kann.« Sie hörte sich lachen.
Ein kleines Lächeln spielte um Alexanders Lippen. »So stressig?«
»Er hatte fast die gesamte vorlesungsfreie Zeit hindurch Klausuren.«
»Nicht gerade beziehungsförderlich.«
Nein, das wohl nicht, erst recht nicht, wenn Alina genau dann, wenn für Patrick die Ferien begannen, eine Rucksacktour nach Neuseeland startete. Aber das war schon lange geplant, und es war schwierig genug gewesen, einen Termin zu finden, der allen vier Freundinnen gepasst hatte. Und da sie sich seit dem Abi nur selten sahen, hatte es da mit Patrick auch nichts zu diskutieren gegeben. »Nicht so besonders«, antwortete sie. Unwillkürlich streifte ihr Blick seine Begleiterin, dann sah sie ihn wieder an und bemerkte das winzige Lächeln in seinen Mundwinkeln. »Wir werden sehen. Kommst du auch aus der Region?« fragte sie dann.
»Nein, aus Heidelberg.«
Da wären Alina so manch andere Orte eingefallen, die sie reizvoller gefunden hätte.
»Was studierst du?«, fragte er und wirkte aufrichtig interessiert.
»Psychologie.«
Nun wirkte er enttäuscht, als hätte sie ihm eine Allerweltsantwort gegeben. »Weil deine Freunde immer schon das Bedürfnis hatten, dir von ihren Sorgen zu erzählen?«
»Nein. Weil sie es nicht hatten.«
Jetzt grinste er.
»Von der anderen Sorte kenne ich allerdings auch jede Menge«, fügte sie hinzu.
»Hmhm, ich auch. Nicht gerade das Beste, was die Branche so hervorbringt.«
Sie tauschten einen Blick seltsamen Einverständnisses, und Alina sah ihm in die Augen, vielleicht einen Lidschlag zu lange. Und da war was, ein winziger Moment, das Aufflackern von Vertrautheit und verdrängten Erinnerungen. Dann war dieser Moment auch schon wieder vorbei, und sie ergriff blind Patricks Hand, dessen Finger sich fest um die ihren schlossen.
Leonora streckte sich auf dem Sofa aus und beobachtete Alexander, der in der zum Wohnraum hin offenen Küche mit dem Wasserkocher hantierte. Sie gähnte. Wie spät war es eigentlich? Die Uhr stand so, dass sie von ihrem Platz aus nicht darauf schauen konnte, und sie hatte keine Lust, aufzustehen und das Handy aus der Tasche zu angeln. Sie wohnte hier nun seit vier Wochen, und es standen immer noch einige Umzugskartons herum, die darauf warteten, ausgepackt zu werden.
»Möchtest du wirklich keinen Tee?«, fragte Alexander.
»Nein, dann schlafe ich heute Nacht nicht.«
Alexander konnte zu jeder Tageszeit grünen, schwarzen oder weißen Tee trinken. Während Leonora Kaffeetrinkerin war, trank Alexander fast ausschließlich Tee und bezeichnete sie regelmäßig als Banausin, weil für sie Tee kochen bedeutete, einen Beutel in heißes Wasser zu hängen. Zu ihrer Ansammlung von Discounter-Teebeuteln bemerkte er immer nur: »Da kannst du eigentlich auch gleich Spülwasser trinken.« Seit sie hier eingezogen war, sorgte er dafür, dass sie immer einen kleinen Vorrat an hochwertigem losem Tee hatte, an dem er sich bedienen konnte.
»Was hältst du von ihnen?«, fragte er und ließ sich in dem Sessel ihr gegenüber nieder.
»Hm.« Sie sog die Unterlippe ein. »Patrick wirkt wie einer dieser reichen, verwöhnten Jungen, denen im Leben alles zufliegt. Er möchte gerne den Anschein erwecken, dass ihm das Geld egal ist. Außerdem ist er sehr charmant.« Diesen Eindruck zumindest erweckte er überaus gekonnt.
Alexander nickte unbestimmt. »Und Robin?«
»Ein wenig wie ein Welpe, den man irgendwie mögen muss, auch wenn er wie Falschgeld herumsteht und nicht weiß, ob er bleiben oder gehen soll.«
»Und das Mädchen?«
Das Mädchen. »Alina? Mit der hast du doch die ganze Zeit gequatscht. Etwas unterkühlt, würde ich sagen.«
»Du bist besser im Beobachten als ich.«
Leonora seufzte. »Sie sieht gut aus und weiß das auch. Außerdem ist sie mit Patrick wohl schon so lange zusammen, dass sie sich nicht mehr ständig anfassen oder ansehen. Sie wissen, dass sie zusammengehören. Also konnte sie sich in Ruhe von dir anflirten lassen.« Die kleine Spitze konnte sie sich nicht verkneifen.
Alexander verengte für einen Moment die Augen, dann trank er einen Schluck Tee und schwieg für eine Weile. »Ich habe nicht geflirtet«, sagte er schließlich.
»Sie hat dich angesehen, als hättest du.«
»Ihr Problem.«
Leonora schloss die Augen und gähnte wieder. »Wie viel Uhr haben wir?«
»Keine Ahnung. Mein Handy liegt auf der Küchentheke.«
Aus halb geöffneten Augen beobachtete Leonora Alexander, während dieser seinen Tee trank. Sie stellte ihn sich in der Kleidung eines englischen Adligen aus dem 19. Jahrhundert vor. Unwiderstehlich.
»Was soll der Schlafzimmerblick?«, fragte er.
Leonora seufzte und richtete sich auf. »Ich habe mir gerade etwas vorgestellt.«
»Ah ja?«
»Nicht das.« Sie stand auf und fischte ihr Handy aus der Handtasche. »Halb vier. Eigentlich können wir auch gleich wach bleiben.«
»Durchmachen? Ich muss früh wieder raus, das kommt also nicht infrage.«
Leonora lachte. Fast jeder Typ, den sie kannte, hätte die Gelegenheit für eine zweideutige Bemerkung genutzt, die offenließ, ob er tatsächlich mit ihr ins Bett wollte. Alexander tat das nie. Sie wussten beide warum. Und da war es gleich, wie oft er ihr versicherte, sie sei ihm nichts schuldig.
Ihre Wohnung bot einen zauberhaften Blick auf den Rhein, selbst bei Nacht. Da jedoch Licht im Raum brannte, sah sie im Fensterglas nur eine blasse, durchscheinende Version von sich selbst.
»Packst du das?«, fragte Alexander.
Sie drehte sich zu ihm um. »Sonst hätte ich von Anfang an Nein gesagt.«
Er beobachtete sie aufmerksam, dann stand er auf. »Ich muss ins Bett. Wir sehen uns morgen?« Sie nickte, und er kam zu ihr, berührte ihren Arm. »Gute Nacht.«
»Gute Nacht.«
Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss, und sie hörte seine Schritte auf der Treppe. Kurz darauf hörte sie die Tür der Wohnung im Erdgeschoss zufallen. Langsam wandte sie sich ab, machte die Flurlampe an, ehe sie die im Wohnzimmer löschte. Dann ging sie ins Schlafzimmer. Sie dachte an jenen Moment vor fünf Monaten, als er in der Tür ihres Schlafzimmers lehnte, eine dunkle Silhouette vor dem hell erleuchteten Flur. Sein Lächeln hatte sie nur erahnen können. Lässt du nachts immer noch das Licht an?
»Sie haben mir Vorwürfe gemacht und gesagt, dass ich etwas hätte merken müssen. Und er hat dasselbe gesagt.
Aber woher hätte ich denn davon wissen sollen?«
(Alina Falk)
Es war wie das Atmen unter Wasser, wann immer die Vergangenheit schlaglichtartig vor Leonora aufflackerte. Die Wirklichkeit verschwamm für einen Moment, wich den Bildern einer anderen Realität, einer, die erst so kurz zurücklag und doch so weit fort schien. In solchen Augenblicken musste Leonora stehen bleiben, mit geschlossenen Augen um Atem ringen und sich darauf konzentrieren, im Hier und Jetzt zu bleiben. In der Regel war es nach einigen tiefen Atemzügen wieder gut, und es funktionierte auch dieses Mal.
Also gut, dachte sie und straffte sich, setzte den Weg fort, den Alexander ihr aufgetragen hatte, wenngleich mit einigem Unbehagen. Und so saß sie eine halbe Stunde später in einem fremden Wohnzimmer einer fremden Frau gegenüber und setzte sich für ein Kind ein, das ihr nichts bedeutete.
»Sie haben mir gesagt, wenn die Stadtwerke mir den Strom abschalten, kommt Lara in eine Pflegefamilie.«
Leonora saß der jungen Mutter gegenüber, die ihr fünfjähriges Kind an sich gedrückt hielt, als befürchte sie, es könnte ihr im nächsten Moment entrissen werden. »Aber nur so lange, bis der Strom wieder funktioniert, oder nicht?«
Die Frau, Elisabeth Kaufmann, nickte. »Aber ein paar Tage sind doch auch schon schlimm. Ich glaube, wenn einmal dieser Punkt erreicht ist, dass sie mir das Kind wegnehmen, dann tun sie das beim geringsten Anlass wieder.«
Grund war in dem Fall, dass man beim Jugendamt der Meinung war, dass ein Haushalt ohne Stromversorgung keine geeignete Umgebung für ein Kind sei, was nicht von der Hand zu weisen war. Kein heißes Wasser, da der elektrische Durchlauferhitzer nicht funktionierte, kein Licht, keine Möglichkeit, eine warme Mahlzeit zuzubereiten. Der Kühlschrank lief nicht mehr, sodass auch keine Nahrungsmittel auf Vorrat gekauft werden konnten, was die Auswahl an Möglichkeiten für Frühstück und Abendessen ebenfalls sehr eingrenzte. Leonora wusste das alles, aber die Möglichkeiten, zu helfen, waren ebenfalls sehr begrenzt.
»Wie hoch ist die fällige Zahlung?«
»Zweihundertfünfundsiebzig Euro.« Viel Geld für eine alleinerziehende Mutter ohne Job.
Leonora sog die Unterlippe zwischen die Zähne. Ihr fehlte es an Fingerspitzengefühl für eine solche Situation, sie war für diese Art von Sozialdienst gänzlich ungeeignet. Aber Alexander war der Meinung, sie würde das hinbekommen. Wenn nicht du, wer sonst? Also tat sie es. »Gibt es niemanden, von dem Sie sich das Geld leihen könnten?«
Falsche Frage, sagte der Blick der Frau.
»Und Laras Vater?« Ein Ingenieur, wenn Leonora sich recht erinnerte.
»Der arbeitet im Ausland und zahlt keinen Unterhalt.«
Richtig, wie hatte sie das vergessen können. »Entschuldigen Sie bitte.«
Elisabeth Kaufmann zuckte müde mit den Schultern, als sei sie dergleichen gewöhnt.
»Bis wann müssen Sie zahlen?«
»Bis gestern.« Die Frau ließ ein bitteres Lachen folgen.
»Nun gut.« Leonora nahm ihre Handtasche und entnahm ihr dreihundert Euro, die sie auf den Tisch legte. »Bitte schön. Rückzahlbar in Raten, wenn Sie sagen, Sie nehmen keine Almosen.«
Die Frau starrte sie an. »Wollen Sie mich veralbern?« Sie machte keine Anstalten, das Geld zu nehmen. Misstrauen schlich sich in ihren Blick, vielleicht sogar eine Spur von Angst. Ehe ihr sozialer Abstieg begonnen hatte, war sie eine gut bezahlte Angestellte in einer IT-Firma gewesen. Studierte Mathematikerin. Dem Kind zuliebe hatte sie nur eine Dreiviertelstelle gehabt, und bei einer Entlassungswelle war sie eine der Ersten gewesen, die hatten gehen müssen. Was kein Problem gewesen war, denn ihr Mann verdiente exorbitant viel Geld. Nur leider hatte der kurz nach der Kündigung eine andere Frau am Start gehabt. Dann kam die Scheidung. Auf das Sorgerecht verzichtete er, denn er konnte nun, wie er sagte, mit seiner neuen Frau endlich eigene Kinder bekommen. Lara war adoptiert, damit war sie offenbar nicht »eigenes Kind« genug.
»Sind Sie wirklich vom Jugendamt?«, fragte Elisabeth Kaufmann nun.
»Nein.«
»Aber Sie haben gesagt …«
»Sonst hätten Sie mich nicht hereingelassen, oder?« Leonora erhob sich, ehe die Sache aus dem Ruder lief. »Nehmen Sie das Geld. Es gibt offenbar jemanden, dem das Wohl des Kindes am Herzen liegt.«
»Falls die leiblichen Eltern es mir wegnehmen möchten …«
»Nein, keine Sorge.«
»Sind Sie von irgendeiner Kreditfirma? Stehen hier demnächst die Schläger vor der Tür, wenn ich nicht zurückzahlen kann?«
»Wohl kaum, sonst hätte ich Sie ja einen Schuldschein oder was immer man da ausstellt, unterschreiben lassen.« Leonora wandte sich zum Gehen, das Geld ließ sie liegen.
»Und wenn ich es nicht annehmen möchte?«
»Dann verschenken Sie es an Obdachlose.«
»Ich nehme keine Almosen.«
Leonora zog ihren Mantel an und griff nach ihrer Mütze. »Wie gesagt, in diesem Fall rückzahlbar in Raten.«
»Und an wen?«
»Ich melde mich bei Ihnen.« Sie verließ die Wohnung und beeilte sich, aus dem Haus zu kommen. Vermutlich hatte sie kein Fettnäpfchen ausgelassen, und ganz sicher war es nicht die Umsetzung, an die Alexander gedacht hatte, als er sagte: »Händige ihr das Geld behutsam aus.«
Leonora ahnte, dass die Frau sie vom Fenster aus beobachtete, wie sie über die Straße ging. Sie hasste Blicke in ihrem Rücken, spürte es regelrecht kribbeln. Sie zwang sich jedoch dazu, sich nicht umzusehen.
Es war ein diesiger Nachmittag, und Leonora wünschte, sie müsste abends nicht noch zum Unterricht. Sie schob die Hände in die Manteltaschen und ging zügig durch die Straßen, während die Dunkelheit schon in den Winkeln lauerte, bereit, hervorzukriechen, wenn die Dämmerung sich ankündigte. Die Straßenlaternen waren bereits an, bleiche Lichtpfützen in einem bleigrauen Tag.
Schon von Weitem sah sie Alexander wartend vor der Uni stehen, und Leonora beeilte sich, noch bei Grün über die Straße zu kommen.
»Wie ist es gelaufen?«, fragte er anstelle einer Begrüßung.
»Ich denke, verbockt habe ich es nicht.«
»Na, das ist ja immerhin schon mal etwas.«
Leonora verlagerte das Gewicht der Tasche von einer Schulter auf die andere. »Gehst du noch in die Uni?«
»So war es zumindest geplant.«
»Du darfst mich auf einen Kaffee einladen, ich bin ziemlich fertig.«
Er grinste. »Ich lade dich zu allem ein, was du möchtest.«
Sie betraten das Hauptgebäude, in dem die Cafeteria lag, und Leonora spürte, wie die Kopfschmerzen, die sich bereits in den frühen Morgenstunden angekündigt hatten, langsam stärker wurden.
»Schau mal«, sagte Alexander und deutete auf eine Gestalt an einem Tisch.
»Ach, der Welpe«, bemerkte Leonora.
»Genau der.«
Robin hatte sie seinerseits bemerkt und winkte ihnen zu. Obwohl sie wenig Lust auf ein Gespräch mit ihm hatte, folgte sie Alexander, nachdem er Kaffee für sie am Automaten geholt hatte.
»Habt ihr auch Seminare?«, fragte Robin.
»Ja, ich nachher«, antwortete Alexander.
»Du studierst Jura wie Patrick?«
»Ja.«
»Ich studiere Sport und Englisch auf Lehramt«, erklärte Robin, während er eine Tasse Kakao trank, von dessen süßlichem Geruch sich Leonora der Magen hob. Der schwarze Kaffee schmeckte ihr zwar erstaunlich gut, vertrieb jedoch nicht die Kopfschmerzen. Dabei brauchte sie doch einen klaren Kopf.
»Für Jura war mein Abi leider nicht gut genug«, fuhr Robin fort.
Alexander trank einen Schluck Kaffee, ganz offensichtlich, um keine höfliche Antwort geben zu müssen.
»Im wievielten Semester bist du?«, fragte Robin.
»Im ersten.«
Robin war irritiert. »Ah ja? Ich hätte jetzt gedacht, du bist so in meinem Alter.«
»Bin ich.«
»Freiwilliges Soziales Jahr?«
»So könnte man es nennen.«
»Hast du vorher was anderes studiert?« Offenbar ging Robin auf, dass Alexander auch mit einem Sozialen Jahr schon mindestens im vierten Semester sein musste.
»Nein.«
Schweigend trank Leonora ihren Kaffee.