Ich bin Jahrgang 1951, war bis zu meiner Pensionierung im Jahr 2013 Schulleiter der Integrierten Gesamtschule Hamm/Sieg. Seit meiner Pensionierung fertige ich Linolschnitte an. Meine Hündin „Fly“ hat mich zwölf Jahre begleitet.
„Vier Pfoten und zwei Füße auf dem Weg zum Mond“ ist kein Lehrbuch für künftige Hundehalter; es ist die Biographie eines besonderen Hundes.
„Fly“ war und blieb immer ein Hund, mit all seinen Vorurteilen, Instinkten, Fehlern und Trieben. Sie war ein evolutionsgesteuertes „Wesen“, wie du und ich.
Ich danke meiner Frau und meinem Sohn für die liebevoll kritischen Hinweise und die sprachlichen Vorschläge.
Ich danke Reginald Staenicke, Gretel Wilhelm und Anna Wardenbach für ihre Bilder und der IGS in Hamm für die Bereitstellung von Kopierern.
Besonders danke ich meiner lieben „Fly“, ohne sie wäre das Buch nie entstanden.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.
© 2018 Dietmar Schumacher
Herstellung und Verlag:
BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 9783748143888
Wie sollten vier Pfoten und zwei Füße bis zum Mond kommen? Ganz einfach, indem sie sich auf den Weg machten. Nicht das Erreichen des Ziels stand im Vordergrund, sondern die gemeinsam zurückgelegten Wege, und die waren manchmal ganz schön lang.
Warum wir uns dennoch gerade den Mond als Ziel aussuchten, war eine Absprache zwischen Fly und mir.
Wir durften auf den Höhen der „Kroppacher Schweiz“ in fast zwölf Jahren gemeinsamer Spaziergänge und Wanderungen tolle Mondaufgänge erleben. Deutete sich ein solches Spektakel an und wir spürten und sahen es, dann setzten wir uns einfach hin und beobachteten das großartige Schauspiel, das die Natur uns bot.
Sie meinen vielleicht, dass ein Hund solche Ereignisse nicht mitbekommt, aber da täuschen Sie sich gewaltig.
Fly verfolgte mit mir gebannt den „Mondaufgang“ und stand erst auf, wenn der Mond weit sichtbar und hell am Himmel leuchtete.
Wir waren uns einig, da wollten wir unbedingt hin. Ich hatte Fly erzählt, dass es auf dem Mond schön kühl sei. Wir würden schon den geeigneten Zeitpunkt finden, einfach auf den Mond zu springen, wenn er ganz groß und ganz niedrig über der Erde leuchtete.
Die Sonnenuntergänge waren zwar auch spektakulär, und der Weg zur Sonne schien uns manchmal einfacher.
Ihre Strahlen küssten die Erde und boten so einen direkten Weg. Aber auf der Sonne war es uns einfach viel zu warm.
Oft wenn ich mit Fly spazieren ging, rechnete ich die Strecken zusammen, die wir zurückgelegt hatten; es war eine Marotte, die mir mein Opa beigebracht hatte.
Nach acht Jahren gemeinsamer Unternehmungen kamen wir beide schon auf weit mehr als eine Erdumrundung, die wir bewältigt hatten.
Wenn wir die morgendlichen und auch nachmittäglichen Wanderungen meiner Frau mit Fly hinzurechneten, waren es fast zwei. Unsere Hundedame legte dabei mit Sicherheit die doppelte Strecke zurück.
Den „kleinen“ Rest des Weges zum Mond würden wir auch noch schaffen, es waren ja nur noch ein „paar“ Tausend Kilometer.
Doch plötzlich hat sich Fly alleine auf die Reise gemacht.
Eines Nachts ist sie einfach, ohne mich mitzunehmen, weitergegangen; aber sie hat mir vorher leise versprochen, ganz, ganz langsam zu gehen, damit ich sie wieder einholen kann, wenn meine Zeit gekommen ist.
Wir werden den Mond gemeinsam erreichen, das weiß ich.
Ich bin auf den Hund gekommen, vielleicht ist aber der Hund auch auf mich gekommen. Das geschah, nachdem ich den letzten unserer drei Kater, „Karl“, neben „Robert“ und „Willie“ unter dem Rhododendron begraben hatte.
Testosteronschwangere Automobilisten hatten erfolgreich Jagd auf sie gemacht und dann auch noch Fahrerflucht begangen. Aber „Sachen“ kann man ja offenbar einfach so überfahren, bei „Karl“ ganz gezielt, wie mein Nachbar mir sagte, der alles beobachtet hatte.
Ich wollte keine Katze mehr beerdigen, deshalb habe ich mich entschieden, ernsthaft über einen Hund nachzudenken. Eigentlich muss es heißen, wir, weil meine liebe Frau die Entscheidung mit traf.
Hunde konnte man an die Leine legen oder durch einen Zaun am Weglaufen hindern, Katzen musste man einsperren, und das ist Tierquälerei.
Jetzt ging das Suchen los. Welcher Hund passt zu mir, passt zu uns?
Da es der erste Hund sein würde, kaufte ich zahlreiche Hundebücher, erkundigte mich bei Hundebesitzern und recherchierte ausgiebig im Internet.
Es würde und könnte kein x-beliebiger Hund sein, das wusste ich. Schon seit Jahren stellte ich nämlich fest, dass die Gesichtszüge von Hundehaltern mit zunehmendem Zusammensein denen ihres Hundes immer ähnlicher wurden, genauso wie sich der Hintern eines Reiters oder einer Reiterin den Konturen des Pferdes anpasste.
Diese Beobachtung schränkte jedoch die Suche erheblich ein. Wer möchte schon gerne nach ein paar Jahren wie ein Boxer, ein Bull-Terrier, ein Rottweiler oder eine Bulldogge rumlaufen?
Mein Hund sollte ein freundlich lachendes Gesicht sowie wache und aussagekräftige Augen haben, dabei auch intelligent und treu sein. Es waren eigentlich menschliche Züge, die ich erwartete, vielleicht lag es aber daran, dass ich in einem Beruf arbeitete, in dem die Physiognomie eine besondere Rolle spielt.
Somit waren für mich schon wieder einige Hunderassen ausgeschlossen.
Einen Kampfhund oder einen anderen „gefährlichen“ Hund anzuschaffen, fiel ohnehin weg. Ich brauchte einen solchen Hund nicht, um mein „Ego“ aufzupolieren. Außerdem entsprachen sie nicht dem Schönheitsideal „meines“ Hundes.
Durch Zufall kam ich im Internet auf eine Seite des Zuchtverbandes für Australian Shepherds.
Es war Liebe auf den ersten Blick für diese Hunderasse. Sie wurde als besonders intelligent und treu beschrieben. Die Ureinwohner Amerikas charakterisierten sie als Hunde, „die mit den Augen sprechen“.
Die Entscheidung war gefallen, es sollte, es musste ein Australian Shepherd, ein „Aussie“, sein. Und dann begannen die Probleme. Wo finde ich einen?
Die ersten Warnungen vor Überzüchtung standen schon im Netz, weil „Aussies“ in Deutschland immer beliebter wurden. Angebote gab es genug, viele erwiesen sich allerdings als unseriöse Beutelschneiderei.
Der erste Besuch bei einer Züchterin ernüchterte. Ihre Hunde waren so ungepflegt, wie ihre Wohnung, der Gestank war unerträglich. Sie begründete es damit, dass die Welpen, sieben an der Zahl, noch nicht ganz stubenrein wären. Der Züchtername klang vielversprechend, die Zuchtbedingungen waren es weniger.
Es schienen Hobbyzüchter zu sein, die offenbar ihre staatlichen Transferleistungen mit fragwürdigen und teilweise illegalen Methoden aufbesserten. Kein Hundepass, ausweichende Bemerkungen zu Untersuchungen und Impfungen, aber deftige Preisvorstellungen. Ja, die Preise kannten sie, alle anderen Verpflichtungen aber nicht.
Gerade vor diesen Menschen wurde im Internet immer wieder gewarnt, auch vor tierschutzbesessenen Leuten, die ihre höchste Befriedigung in der Befreiung von Hunden aus ost-, süd- und südosteuropäischen Zwingern fanden und damit die lukrative „Zucht“ dort unbewusst oder verdrängt förderten.
Auch Inserate, in denen man sofort die mehr als fragwürdigen Deutschkenntnisse der „Züchter“ entdecken konnte, fielen uns auf. Hier versuchten Menschen, Tiere aus dem Ausland für gutes Geld in Deutschland zu verhökern. Nicht nur das radebrechende Deutsch bei Telefongesprächen, sondern auch die ungelenken „Beratungen“ der „Züchter“ ließen mich sofort an ihrer Seriosität zweifeln. Immer stand der Preis im Vordergrund, selten das Tier. Oftmals waren die angebotenen drei Monate alten Welpen noch nicht einmal geboren, aber gegen Vorkasse zu reservieren.
Nach einer sehr ernüchternden Zeit der Suche lasen wir dann in der Zeitung eine sachliche und vielversprechende Anzeige:
„Neun Monate alte Aussie-Hündin, Farbe „Red Tri“, mit allen Papieren und Impfungen umständehalber sofort zu verkaufen.“
„Neun Monate alt, also kein Welpe mehr, was hatte das zu bedeuten? Hatte die Hündin Macken, die die Besitzer zur Abgabe zwangen?“ fragten wir uns.
Ich rief nach einigem Zögern und intensiver innerfamiliärer Diskussion an und machte einen Termin. Meine Frau und ich waren sehr aufgeregt. Sicherheitshalber besorgten wir uns ein Halsband und eine Leine, eine Fress- und Trinkbar und eine warme Decke für den kalten Boden zu Hause.
Angekommen, wurden wir von vier wunderschönen, bellenden Aussies empfangen, die am Gartentor schon auf uns zu warten schienen. Die Besitzer kamen, und die Hunde ließen uns in den Garten. Auf dem Weg zum Haus verhinderten sie immer wieder unser Fortkommen. Respektvoll blieben wir stehen. Es dauerte eine ganze Weile, bis wir im Wohnzimmer saßen. Die vier Hunde legten sich in einem Sicherheitsabstand vor uns Eindringlinge und beobachteten uns. Ich erkannte die junge „Red -Tri - Dame“ sofort.
Wir erfuhren, dass ein Säugling in der Familie angekommen sei und eine schwere Krankheit der Züchterin die Abgabe eines der Hunde notwendig machte. Es würde „Fly“ sein, die aus dem letzten Wurf kam und eigentlich zur Zucht behalten werden sollte. Es war nachzuvollziehen, als sie uns ihre Krankheit schilderte, dass man unter diesen Bedingungen keine weiteren Welpen mehr großziehen konnte. Sie redete nicht vom Preis des Hundes, sie fragte uns nach der Größe unserer Wohnung und dem Auslauf für den Hund.
Da wir einen großen Garten und ein eigenes Haus besaßen, stand einem Kauf nichts entgegen. Als sie erfuhr, dass wir beide berufstätig waren, zögerte sie. Ich erklärte ihr, dass ich in der Schule ein eigenes Büro hätte, meine Anwesenheit selbst bestimmen könnte und beabsichtige, den Hund täglich mitzunehmen. Das beruhigte sie.
Während wir redeten, Kaffee tranken und Kuchen aßen, über die Besonderheiten und Eigenarten der Aussies eingehend informiert wurden, legte sich eine weiche Schnauze auf meine Oberschenkel und braune Augen schauten mir tief in die Augen.
Ich hatte gelesen, dass man fremden Hunden nicht direkt in die Augen sehen sollte, aber ich konnte dem Blick nicht ausweichen, er war zu gewinnend und sanft. Als ich auf die Toilette ging, folgte mir die Hundedame „Fly“ auf dem Fuß und setzte sich wartend vor die Türe, bis ich wieder rauskam. Auch bei einem kurzen Ausflug in den Garten wich sie nicht von meiner Seite.
Offenbar hatte sie schon mitbekommen, dass es um sie ging. Sie „adoptierte“ mich deshalb sicherheitshalber schon mal, so schien es. Nachdem wir alle Formalitäten erledigt und den fairen Preis bezahlt hatten, ging es zum Auto.
Vorher hatte uns die Besitzerin noch erklärt, dass wir keine Angst bekommen sollten, wenn Fly bei unserem Nachhauskommen oder dem Besuch lieber und ihr bekannter Menschen die Zähne fletschen, sich drehen und mit dem Schwanz wedeln würde. Das sei bei ihr kein Zeichen eines bevorstehenden Angriffs. Fly könne lachen, wie alle ihre Hunde und würde sich nur unendlich freuen. Für Menschen, die das nicht wüssten, wären ihre Freudenreaktionen allerdings mehr als gewöhnungsbedürftig.
Fly, die „Red-Tri-Dame“ folgte uns bereitwillig, sprang auf die Rückbank unseres Autos und setzte sich direkt so hin, dass sie nach vorne schauen konnte.
Beiläufig erwähnte die Züchterin, die unter dem Abschied mehr litt als Fly: „Eines werden Sie bei ihr kaum erreichen, sie ist schneller in Ihrem Bett, als Sie selbst. Wir haben es wirklich nicht geschafft, ihr das abzugewöhnen.“
Die Heimfahrt, die wir uns sehr aufregend vorgestellt hatten, entwickelte sich mehr als problemlos. Das Autofahren war sie offenbar gewohnt und liebte es.
Fly schaute, ständig meinen Blicken folgend, nach rechts und nach links, beim Schulterblick auch nach hinten. Als ich plötzlich hustete, lagen zwei Pfoten auf meiner Schulter und ihre feuchte und kalte Nase suchte meine. Etwas überrascht schaffte ich es, die junge Dame davon zu überzeugen, wieder auf der Rückbank Platz zu nehmen.
Das geschah häufiger. Immer wenn ich im Auto stärker husten oder nießen musste, legte Fly ihre Pfoten auf meine Schulter, manchmal sprang sie auch nach vorne und versuchte mich an der Nase zu lecken. Das war manchmal ganz schön gefährlich und führte auch schon mal zu Notbremsungen. Die etwas später gekaufte Hundedecke für die Rücksitze konnte Fly nicht so leicht überwinden
Hustete ich zu Hause, sprang sie an mir hoch. Bei meinen Niesanfällen versteckte sie sich gerne auch mal unter dem Bett, wenn sie länger dauerten. Die Ursache für ihr Verhalten ist mir immer ein Rätsel geblieben, denn sie reagierte nur bei mir so.