Wie mein Vater Deutschland zum Sprudeln brachte ...

mit Tipps für die sichere Handhabung

von Trinkwassersprudlern

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; dtailierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

ISBN 9783753471082

1. Auflage 2021

Books on Demand GmbH

© 2021 Klaus. Schmidt

Alle Rechte vorbehalten.

Alle Menschen sind klug -
die einen vorher,
die anderen nachher
.

Voltaire,

Autor, Historiker und Philosoph der
französischen und europäischen Aufklärung (1694-1778)

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Italien

„Wenn ich einmal reich wär.

O je wi di wi di wi di wi di wi di wi di bum

alle Tage wär' ich wi di bum

Wäre ich ein reicher Mann!

Brauchte nicht zur Arbeit ...“

Anhaltender Applaus brandet auf. Es ist die letzte Aufführung der Europatournee. Nach zwei Zugaben sucht der 1. Posaunist Peter K. erschöpft sein Hotelzimmer auf und begibt sich zur Ruhe. Die Musiker der Dresdner Philharmonie sind gehalten sich, am morgigen Abreisetag in aller Frühe, an der Rezeption einzufinden. Sie fahren dann in russischen Reisebussen zurück in ihre Heimat – in die DDR.

Am nächsten Morgen frühstückt Peter mit zwei Violinen. Der Politoffizier kommt an den Tisch und fordert ihn auf, in das Foyer mitzukommen.

„Bürger Kautz! Sie haben einen Farbfernseher gekauft?“

„Ja, det stimmt. Den bekommt meine Mudder zum Jeburtstach.“

„Sie wissen doch, dass dafür einen Antrag erforderlich ist. So werde ich das nicht durchgehen lassen. Händigen Sie mir das Gerät aus!“ „Nee, det mach ich nich. Sie ham selbst oof unsrer letzten Tournee in Südamerika 2 Jeräte mitjenommen.“

„Darüber Bürger Kautz, wird zu reden sein, wenn wir wieder in Dresden sind.“

Der Politoffizier wendet sich von Kautz ab und verlässt merklich verstimmt die Hotelhalle.

Kautz läuft auf die Straße und spricht einen italienischen Passanten an: „Can you say, wo the german Ambassador is?“

Sogleich winkt Peter einer Taxe, die ihn zum deutschen Konsulat, einem imposanten Renaissancebauwerk, fährt. Er steigt aus und hetzt auf das Gebäude zu. An der erstbesten Tür klopft er und stürmt in den Raum. Eine Sachbearbeiterin schaut überrascht auf den fremden Besucher.

„Ick bin Peter Kautz ausse DDR und mit meen Okesta uff Jastspielreise in Italien. Ick beantraje politsches Asyl für die BRD, wa. Ick jeh nich mehr in Osten zurück. Der Offszier hat jedroht, nur wel ick en Fernseher für de Mudder zum Jeburtstach jekooft hab´. Ick möcht´ in Westen bleiben.“

„Beruhigen Sie sich Herr Kautz. Wir helfen Ihnen ja“, beschwört die Botschaftsangestelte den Republikflüchtling. „Geben Sie mir bitte Ihren Ausweis - danke. Vorerst können sie in dem Hotel wohnen bleiben. Ich stelle ihnen einen Kostenübernahmeschein aus. In ein paar Tagen bekommen Sie echte Papiere. Mit denen haben sie dann das Recht nach Deutschland weiterzureisen. Wir erledigen alles Weitere für Sie. Sie brauchen sich nicht sorgen. Haben Sie ausreichende finanzielle Mittel? Hier - ich gebe Ihnen eine Zahlungsanweisung zur Überbrückung. Die können sie gleich nebenan an der Kasse einlösen. Willkommen in der Freiheit!“

„Ick dank´ ihnen och“, steckt Kautz die Anweisung mit seinem Ausweis ein und verabschiedet sich.

Ost trifft West

Ick throne im „Broadway“ anner Theke und schäker mit de Bedienung. Die flüstert mir jerade zu: „Frag den da hinten mit dem Bart. Der ist selbstständig. Irgendwas mit Werbung oder so.“

„Ja dank´ Dir - mach ick.“

Ick schlender auf den Dartpfeile werfenden Kerl szu.

„Hallo; ick such ´n dritten Mann zum Skat. Kannst de det och so jut wie Pfeile werfen?“

„Glaub´ schon. Ich komme gleich mal an die Theke. Da könn´ wir schnacken.“

Ick hock ma wieder auf meen Barhocker und bestell ´nen Wodkalemon. Der Bärtige packt seene Dartpfeile in und setzt sich neben mir.

„Moin ich heiße Schmidt. Wo ist denn der dritte Mann?“

„Der is leider jrad´ wech. Ick bin Peda und Musiker – klassisch, natürlich. Wir könn´ uns ja szu ´n Skatabend verabreden, wa. Übrijens - haste det im Fernsehn jesehn? Det, mit den Millionär?“

In Niedersachsen wurde ein Hausmann durch einen Lottogewinn von 6,97 Millionen Mark zum Multimillionär.

„En Hausmann war det. Davon träum ick och de janze Zeit.“

„Da kann ich Dir behilflich sein. Eine Bekannte von mir. Sympathische emanzipierte Frau. Die macht dich in einem Monat zum Hausmann.“

„HAUSMANN? Nee! Ick will Millionär werden! Aber keen Hausmann. Dafür bin ick nich rüberjemacht.“

„So so. Ein Kommunist aus der DDR möchte im Westen zum Millionär werden. Wohl zu viel Westfernsehen geguckt?“

„Du hast ne eijene Firma, hab ick mir sajen lassen. Da west ´de wie ´s jeht. Kannst ma doch Tipps jeben, wa?“

Mein Vater hört ihm jedoch nicht zu. Er schaut nur auf die attraktive Wirtin Petra, wie sie das Bier zapft.

„Wat glotzte ihr denn so an. Die is schon fajeben wa.“

„An wen?“

„An mir!“, grinse ick und lach´ ihn an: „Aber sag et niemand. Ihr Ehekerl wees och von nischt.“

Der Werbefritze verbircht sene Enttäuschung nich. Der ärjert sich jetze det ick ihm zuvorjekommen bin.

Am nächsten Morgen holt Vaddern Peter mit seinem Porsche ab. Sie fahren in die Innenstadt. Vor der Fußgängerzone hält mein Vater an.

„So Trom-Peter. Hier ist dein neuer Arbeitsplatz. Da legst du eine Mütze hin und pustet den Passanten was. Abends komme ich kassieren und fahre Dich nach Hause. Benzingeld kostet extra. Bis übermorgen habe ich dir eine Genehmigung besorgt. Dann kannste anfangen; alles klar?“

„Wat allet klar? Ick hab´ klassische Musike an ne Hochschule studiert und war 1. Posaunist der Dresdner Philharmonie! Ick hab Konszerte in ne Welt jejeben und du Kunstbanause willst ma uffen Straßenstrich schicken? Für dir anschaffen? Nich mit mir - du abjewichster Werbeheini. Und ick hab jedacht, du wärst n Kumpel, wa?“

„Reg Dich nicht gleich auf Po-Saunist. Ich zeige dir damit doch nur, dass es für einen Künstler nicht so einfach einen Job – Pardon - ein Arrangement gibt. War nicht ernst gemeint mit dem Straßenmusiker. Komm, ich lad´ Dich zum Mittagessen ein. Werde mal einen Geschäftsfreund kontaktieren. Möglich, dass sich da was arrangieren lässt.“

„Vergiss et. Ick koof ma lieba ne Bulette, bevor ick mit dir Essen jeh.“ schimpft Peter und steigt grußlos aus. Er knallt die Autotür zu und läuft in die Fußgängerzone.

Posaunist trifft Monteur

Maria: „Allex, was schleckte Musik. Dein Nachbar macht mir krank. Ich nach Hausee, wenn nix Schluss!“

„Liebling warte. Ich gehe´ gleich rüber. „Der Kerl ist letzten Monat neu eingezogen. Ich werd´ ihm die Tröte wegnehmen, wenn er nicht sofort damit aufhört.“

Allex trommelt mit der Faust gegen die Eingangstür der Nachbarwohnung: „Ruhe! Verdammt noch mal!“

Peter Kautz öffnet mit einer Posaune unterm Arm die Tür und strahlt seinen Nachbarn mit entwaffnender Freundlichkeit an: „Sorry, wenn ick zu laut war - bin nu fertich. Ick bin Peda Berufsmusika - deen neuer Nachtbar, wa.“

Allex wird augenblicklich zahmer und stellt sich ebenfalls vor.

„Komm´ rein, ick jeb´ eenen ausse Pulle aus.“

„Ne kann nicht. Meine Freundin ist zu Besuch – obwohl. Aber nur ein Gläschen auf die Schnelle.“

„Prima Mensch. Dann komm rin. Ick bin neu hier im Westen, wa. Erst vor zwe Monate rüberjemacht.“

„Ach - aus der SBZ (sowjetisch besetzte Zone) kommst du?“

„Nee, ausse DDR. Wat machst ´n du so beruflich?“

„Ich bin ein Straßenmont und arbeite als Straßenverkehrslichtzeichenanlagenmonteur.“

„Wat is ´n det? Hört sich an wie ´n Beruf ausse DDR.“

„Ne ne - das ist ein richtiger Beruf bei uns. Ich installiere Ampeln.“

„Haha – det is een Sichnal - darauf trink ma- wa.“

Zu vorgerückter Stunde - nach reichlichen Bieren und Schnäpsen, beschließen beide, dass sie eine Firma gründen und Millionäre werden wollen. Maria hat derweil wütend die Wohnung ihres Freundes verlassen.

Ein paar Tage später sitzen Allex und sein neuer Nachbar bereits bei einem Notar und unterschreiben einen GmbH-Vertrag. Wirtschaftliche Basis für die spontane Gründung der gemeinsamen Firma wird Peters Flüchtlingsdarlehen „FOnDL“ (Finanzielle Orientierung nach DDR-Leben), das ihm von der WIB (Westdeutsche Integrationsbank) eingeräumt wurde.

Am darauffolgenden Tag reisen beide zu Allexes Freund nach Schweden. Dort wird ihnen selbstgemachte Cola aufgetischt. Die Herstellung ist denkbar einfach. In einem Wassersprudler wird dem Wasser aus der Wasserleitung Kohlendioxid zugemischt und es entsteht Kohlensäure. Der Drink perlt erfrischend wie ein herkömmlich gekauftes Getränk. In Schweden nutzen viele Haushalte ein solches Gerät, das aus Großbritannien importiert wird. Peter und Allex sind fasziniert. Diesen Trinkwassersprudler, vom Äußeren einer Kaffeemaschine ähnlich, möchten sie auch in Deutschland verkaufen. Der alte Schwede knüpft den Kontakt zum Hersteller Sodastream in England und bekommt einen Termin für die beiden. In der darauffolgenden Nacht sitzen unsere Couragierten längst auf einem Fährschiff und legen am nächsten Morgen in Hafen von Portsmouth an. Zwei Tage später sind sie, mit einem Exklusivvertrag im Gepäck, wieder in Deutschland.

Mauerfall

Vaddern liegt entspannt auf dem Sofa seiner Freundin und schaut gelangweilt auf den Fernseher. Da springt er hoch und reibt sich verdutzt die Augen. Tatsächlich – er träumt nicht. Die Tagesschau meldet: "DDR öffnet Grenze".

Aus dem Schlafzimmer verlangt seine Freundin nach ihm.

Mein Vater geht nicht darauf ein und ruft: „Dergeli schnell! Hier passiert grad´ etwas Unglaubliches. Die Grenze zur DDR ist offen. Ein historischer Moment.“

„Scheiß Politik – interessiert mich nicht. Komm´ lieber ins Bett. Es ist fast Mitternacht!“

Vaddern murmelt: „Hohle Nuss. Wird Zeit, dass ich mir was Anspruchsvolles suche“, und schaut die Sendung bis in die frühen Morgenstunden; um ja nichts zu verpassen.

In irgendeiner Wohnung in Schelmenhorst sitzen Petra und Peter und schauen ebenso gebannt in die Ferne.

„Ick fass es nich. Unjlaublich. Die mauer jeht auf. Da komm´ alle ausse DDR. Meen Bruda und Mudda wird´ ick wiedersehn und du lernst ihr kennen. Petra! Det janze Volk macht rüba in Westen. Det is aba nich jut. Konkurrenz für uns, wa. Ick wird´ ma beeilen müssen.“

Bruchbude

Vor dem angemieteten ehemaligen Radiofachgeschäft erklärt Peter seinem neuen Geschäftspartner Allex: „Den Wareninkoof von de Jeräte bezahl ick von meen Darlehn, wa. Hauptsache die Dinga werd´n nachjefracht.“

Petra steht daneben und schenkt ihrem Freund Peter eine Topfpflanze für sein Büro. Die soll seinem Geschäftsvorhaben Glück bringen. Dass ein Mensch ein Gewächs kauft und es weiter verschenkt, ist nichts Seltenes und kommt täglich tausende Male vor. Aber diese Pflanze ist etwas Besonderes. Die Blätter sind zart, fast durchsichtig und von einem sehr hellen Grünton. Die dünnen Pflanzenstängel tragen schwer unter der Last der wenigen tellergroßen Blätter. Dennoch wirkt sie auf den Betrachter kräftig und widerstandsfähig. Grad so kräftig und durchsetzungsfähig, wie Petra es der jungen Firma wünscht,

Ick schlaje den Golfball mit ´nem Putter in det Wasserglas inne Büroecke, wa. Meen Kompagnon Allex kiekt umme Ecke und holt tief Luft: „Muss dass sein Peda?“

„Ick wees Allex. Ick sollt ma um neue Ware kümmern. Aba dat Jeld is alle.“

„Heißt das, wir sind pleite?“

„Ja Allex, det sind wa. Für den letzten Zwanzjer hab ick jestern jetankt.“

„Waaas? Und nun?“

„Ick könnt´ den Werbefritzen, den Schmidt anrufen. Vielleicht hilft der uns ausse Patsche, wa?“

„Ich denke, ihr habt Euch damals gestritten?“

„Na ja, is halt n´ Wichtigtuer. Wat andres fällt ma im Moment ooch nich ...“

„Mach es Pedda - ruf ihn an. In der Not fressen die Fliegen den Teufel.“

Kautz nimmt den Hörer in die Hand und wählt.

„Hallo, wer ist da?“

„Tachjen, hier is Peda. Peda Kautz, der Musika von det Dresdner Okesta.“

„Wer? Ich habe keine Musik bestellt!“

„Mensch Klaus, ick bin der Posaunist. Wir ham uns mal in Brem´ inne Kneipe Brodwech jetroffen. Erinnerste dir? Du solltest mir zum Millionär machen, wa.“

„Ach der Musikus aus der DDR, die es nicht mehr gibt.“

„Ja, rischtij, det bin ick.“

„Biste Millionär geworden? Moment mal – woher hast du denn diese Telefonnummer? Warst wohl mal bei der STASI, was?“

„Na ja, Millionär nich janz. Ick hab´ ma aba mit nem Kumpel selbständich jemacht.“

„Ach ne. Und was willst du von mir?“

„Ick hab´ da een dolles Produkt und möcht´ deene Meinung daszu hörn. Kiek mal bei uns in Schelmenhorst rin – wa.“

„Mal sehen - vielleicht.“

„Wäre´ ... HALLO - arrojantes Arschloch! Eenfach uffjelecht.“

Allex: „Na vielleicht kommt er ja trotzdem.“

Firmensitz

Vor dem heruntergekommenen Gebäude stellt Vaddern sein rostiges Fahrrad ab und mustert die Fassade. Über der Eingangstür hängt eine ausgeblichene Leuchtreklame. Links und rechts von der windschiefen Tür spiegeln sich zwei Schaufenster. Den Durchblick versperren gnädig die verqualmten Jalousien und von den Fensterrahmen blättert die alte, hundekotfarbene Lackfarbe. Fast stößt mein Vater mit der Frau zusammen, die aus der Eingangstür heraus stürmt.

„Das ist eine Unverschämtheit. Das lasse ich mir nicht länger bieten“, schimpft sie und verschwindet im Nebengebäude.

„Moin Musikus, da bin ich. Lange nicht gesehen. Beinahe zehn Jahre ist unser Treffen her. Damals im Broadway in der Dart-Kneipe. Wie gehts Dir? Sag mal, wer war denn das da eben?“

„Tachen Klaus, jut dat de jekommen bis. De Furie? Det is de Vamieterin; die Schlampe.“

„Die war ja auf hundertachtzig. Was wollte sie denn?“

„Ach det war nur wejen de rückständjen Miete. Ejal – wat wichtjeres. Ick hol ma unsere Weltneuheit. Da kannste de die Vermarktung orjanisieren und zeijen wat de drauf hast.

„Verstehe Peter. Du bietest mir also an, dass ich bei euch mitmachen kann. Wovon willst du mich bezahlen, wo ihr schon mit der Pacht im Rückstand seid? Erwirtschaftet Ihr denn nicht einmal das Geld für diese bescheidenen Räume?“

„Klaus, bleib ma ruhig, wa. Die Alte kriejt sich och wieder inn. Ick stell Dir erstma meen Patna vor.“

„Hi, ich bin der Allex.“

„Moin. Mein Name ist Schmidt.“

„Klaus - kiek ma. Det is da Jemini. Unser Drinkmaker aus England, wa. Mit dem kannste aus Wasser Mineralwasser szaubern.“

Peter führt meinen Vater zu einem wackeligen Küchentisch. Dort steht eine weiße Apparatur, einer Kaffeemaschine ähnlich. Er drückt auf einen Hebel und die Fronttür aus Plexiglas dreht sich wie von Zauberhand zur Seite. Die darin eingehängte Kunststoffflasche schraubt er raus und füllt sie bis zum Eichstrich mit Wasser aus der Wasserleitung. Nachdem die Flasche mit einer viertel Umdrehung wieder in das Gerät eingedreht und die Fronttür geschlossen ist, drückt Peter einen roten Knopf. Augenblicklich zischt und sprudelt es. Nun betätigt er einen seitlich angebrachten Hebel. Das Plexiglastürchen öffnet sich erneut und mit einem lauten Zischen entweicht der Druck der überschüssigen Kohlensäure. Er dreht die Flasche raus, gießt das sprudelnde Wasser in ein Glas und reicht es meinem Vater.

„Wat jukste so septisch, nu trink schon.“

„Hmm, tatsächlich. Schmeckt wie Mineralwasser. Du hast nicht übertrieben. Ein bisschen zu warm, aber sonst. Und diese Maschine verkauft ihr in Deutschland?“

„Da kiekste, wa? Mineralwasser ausn Wasserhahn. Ohne det Schleppen von Flaschen und Kästen! Und erst der Preis, wa.“

„Ich bin überrascht. Aber warum bekommt ihr dann das Gerät nicht verkauft?“

„Wees nich - drum hab ick Dir ja jeholt.“

„Da schau, der gehts doch auch prächtig“, zeigt Vaddern auf die Pflanze auf dem Fensterbrett, „da wird es mit eurem Laden ebenfalls bald aufwärtsgehen. Ihr müsst nur Geduld haben!“

„Du hast jut Reden. Wir wart´n schon een halbet Jahr uff den Erfolch, wa.“

„Ihr müsst nur fest dran glauben. Ein amerikanischer Stahltycon und Mäzen hat einmal gesagt - Gehe dem Erfolg auf den Grund und du wirst Beharrlichkeit finden.“

„Schön wär ´s ja“, wirft der andere Inhaber, Allex ein.

„Ok ich versuch´s. Zwei Familien kann es möglicherweise auf Dauer ernähren. Schätze ich mal.“

„Reicht auch, wir sind nur zwei Familien!“

Das war erneut Allex Könner. Der wird meinem Vater immer unsympathischer. Die beiden werden sicherlich nicht auf Dauer miteinander auskommen.

„Und was ist mit mir? Ich arbeite doch nicht für lau. Ich bin Unternehmensberater.“

„Rej Dir nich oof Klaus, ick zahl da 300 Mark - OK?“

„Gut - dafür könnt´ ich es machen. Ich gehe jetzt erstmal zur Vermieterin nach nebenan und versuche, ein Moratorium zu erreichen.“

Nachdem Vaddern den Raum verlassen hat, schaut Allex seinen Geschäftspartner vorwurfsvoll an: „Hör mal Peda, wir haben doch kein Geld mehr. Wie bezweckst du, den zu bezahlen? Außerdem bringts der wahrscheinlich nicht. Kommt hier mit einem Schrottfahrrad an und riskiert ´ne dicke Lippe.“

„Det lass ma meene Sorje sein. Een Monat ist lang. Bis zum Monatsende fällt ma schon wat ein.“

„300 Mark für´n Monat Peda – so wenig. Warum macht der das?“

„Macht er ja nich. Der jlobt det is 300 für´n Tag - de Tagessätze für ´n Berater. Lass ihm bloß in dem Jlauben.“

„Na klar mach ich doch. Aber du bist schon ein gerissener Hund. Nicht dass Du mich auch mal so reinlegst.“

„Allex, dir doch nich. Du bis meen besta Kumpel, wa.“

Derweil klingelt Vaddern an der Haustür des Nebengebäudes. Die Schlampe, wie Kautz sie bezeichnet, kommt, immer noch aufgebracht, heraus.

„Guten Tag Frau Bachmann. Ich möchte mich erst einmal vorstellen? Mein Name ist Schmidt und ich bin ab morgen der Dritte im Bunde bei der Firma Sodastream.“

„Ja und? Haben sie denn wenigstens Geld, damit ich meine Mieten für die letzten Monate bekomme?“

„Frau Bachmann, das ist nicht meine Aufgabe. Ich habe eine eher beratende Tätigkeit. Ich bin nicht der Finanzier ihrer Mieter, sondern werde den Warenhandel und somit den Umsatz steigern, um Gewinne zu realisieren.“

„Das interessiert mich alles nicht. Wie lange soll denn das noch so weitergehen? Wie stellen sich die Herren das vor?“

„Ich hoffe, Frau Bachmann, dass in zwei Monaten die Pachtzahlungen wiederaufgenommen werden können. Hundert Prozent versprechen kann ich da nichts. Was ich ihnen aber verspreche, ist, dass man nicht mehr so unverschämt zu ihnen wird. Und -, dass ihr großzügiges Zuwarten mehr Wertschätzung findet.“

„Na das ist ja schon mal was. Wenigstens nicht mehr beleidigt zu werden, wenn man die Miete einfordert.“

„In Zukunft werde ich dann ihr Ansprechpartner bei allen Vorgängen sein, die das Pachtverhältnis betreffen. Wenn es ihnen recht ist Frau

Bachmann. Ich wünsche noch einen schönen Tag und vielen Dank für ihr Entgegenkommen.“

Vaddern geht zurück zu den beiden Unternehmern im Nebengebäude. Kautz und Könner sehen ihn fragend an.

„Wat hat se jesacht, de Schlampe?“

„Peter hör´ auf damit. Sonst vergeht mir die Lust, bei euch einzusteigen. Wenn du dich nicht zusammenreißt, macht sie nächsten Monat euren Laden dicht!“

„Schon jut, schon jut. Fang dir. Also wat hat se jesagt szu dein Oratorium?“

„Das vereinbarte Moratorium bedeutet, dass sie euch zwei weitere Monate Aufschub gibt. Dann erwartet sie, dass die laufende und eine der ausstehenden Mieten bezahlt werden.“

„Prima. Dann haben wir ja erst mal ein bisschen Luft zum Atmen Peda“, seufzt Allex.

Büroraum

Peter steht mit meinem Vater im vorderen Raum der Firma. Peter schiebt den schweren roten Samtvorhang zur Seite, der den Eingangsbereich mit den großen Schaufensterscheiben von der hinteren Räumlichkeit abtrennt.

„Hier Klaus is det Büro für dir.“

Die Kemenate, 4 x 5 Meter, ist nur mit einem winzigen Fenster ausgestattet. Der Fußboden besteht aus ausgetretenen verdreckten Holzdielen und schwingt bei jedem Schritt unter der Last. Unter dem, nicht zu öffnenden, Fensterchen macht sich eine abgewetzte braune Ledergarnitur breit. Model Eiche rustikal. Einen Tisch gibt es nicht. Ebenso wenig ein Telefon. Der komplette Raum riecht muffig; nach abgestandener Luft. Rechts führt eine, schief in den Angeln hängende Tür zu einer Toilette. Die, als solche zu bezeichnen, sich verbietet und deren Wasserspülung soeben unüberhörbar rauscht. Allex Könner kommt aus dem WC und steuert auf meinen Vater zu.

„Na, Berater, wie gefällt dir dein Büro?“

Vaddern ist einiges in seiner Laufbahn als Selbstständiger gewohnt. Das hier - schlägt dem Fass die Dauben aus.

Es ist eine Bruchbude; kein Büro. Im großen vorderen Raum ist es noch einigermaßen passabel, aber hier hinten? Wie kann man da auf kreative Ideen kommen? Am liebsten würde er auf dem Absatz umkehren. Da er aber nun mal da ist, bleibt er auch. Außerdem stachelt die Arbeit, mit den beiden Unbedarften in dem vorderen Raum, seinen Ehrgeiz an. Geld wird es, wenn die Pacht nicht bezahlt wird, vermutlich selten geben. Was den Vorteil hat, dass Vaddern mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg halten muss. Über die Bezahlung wird er in den nächsten Tagen noch mit Peter sprechen. Da bin ich mir sicher.

„Was? DAS soll ein Büro sein? Sieht wenig einladend aus. Hier gibts ja nicht einmal einen Tisch!“

„Den baue ich dir. Wir haben noch drei Europaletten auf dem Hof herumliegen. Wachstuch drüber und fertig ist der Schreibtisch. Und ´nen Stuhl bring ich dir von mir zu Hause mit“, versucht Könner meinen Vater zu beschwichtigen.

„Nein, Leute. Hier werde ich nicht arbeiten. So etwas könnt ihr doch nicht als Büro bezeichnen.

„Rech Dir nich oof. Det wird schon. Petra kommt jleich vorbei und wischt ma durch, wirst ...“

„Welche Petra? Etwas die aus der Kneipe, von damals?“

„Ja, die meen ick.“

„Ok. Ich mach´ s im Pallettenbüro.“

„Schön, dann sind wa uns ja einij. Heut´ Abend jehn wa szu Dritt zum Apollinaros und bejiessen die Szusammenarbeet!“

„Wir beide und Petra?“

„Petra? Nee. Allex jeht mit. Det is meen Kompagnon.“

„Egal - ich komme mit. Lasst uns erst eine Postbesprechung machen.“

„Postbesprechung – wieso? Wir kriegen doch keine Post.“„

Aber ihr werdet welche bekommen Herr Könner. Und zwar vom Gerichtsvollzieher! Wenn hier nicht bald was passiert. Eine Postbesprechung betrifft nicht nur die ankommende Post. Es wird vielmehr die weitere Vorgehensweise und Strategie besprochen. Diverse Aufgaben im täglichen Ablauf sind zu verteilen. Hier fehlt doch eine funktionierende Organisationsstruktur.“

„Haben wir bisher nicht gebraucht. Jeder von uns weiß auch so, was zu tun ist. Wir brauchen kein Theoriegequatsche, hier muss angepackt werden!“

„Lass et jut sein Allex. Klaus will uns doch nur helfen. Er war jahrelange mit Erfolch selbstständig. Der versteht davon mehr als wir“, besänftigt Peter seinen Partner und schiebt ihn aus dem Raum.

Mein Vater hat sich derweil auf den zusammengebauten Pallettentisch gesetzt. In diesem Moment kommt die Freundin von Peter herein.

„Guten Morgen. So sieht man sich nach Jahren wieder, ich freue mich.“

„Hallo Petra. Wie hübsch du immer noch bist!“

Vaddern bekommt ein Bussi: „Danke, du Schmeichler.“

„Lieb von dir, dass du mir beim Reinigen dieses Schuppens hilfst.“

„Na klar. So kannst du doch hier nicht arbeiten.“ Petra holt eine Pütz mit heißem Wasser und einen Schrubber aus dem Toilettenraum. Mein Vater bringt derweil seine Reiseschreibmaschine auf dem Palettentisch in Stellung.

„Na sieht doch schon passabel aus, det Büro, Klaus“, ruft Peter überschwänglich aus.

„Na ja - geht so. Was nicht geht, ist eine Firma ohne Sekretärin. Meinetwegen auch nur eine Schreibkraft. Ich kann das hier nicht alles alleine managen. Bei Firmen Besuchstermine für euch vereinbaren. Da werd´ ich nicht noch Briefe tippen können.“

„Klaus, wer soll det bezahlen? Wir sind nich nur mit de Mieten im Rückstand, wa. Et jing bisher ja ooch ohne Sekretärin.“

„Sehr weit seid ihr damit aber nicht geko ...“

„Holla, das fängt ja gut an! Geld ausgeben könn´n wir auch ohne Berater!“