Die E-Books des Reclam Verlags verwenden entsprechend der jeweiligen Buchausgabe Sperrungen zur Hervorhebung von Textpassagen. Diese Textauszeichnung wird nicht von allen Readern unterstützt.
Enthält das E-Book in eckigen Klammern beigefügte Seitenzählungen, so verweisen diese auf die Printausgabe des Werkes.
TITUS FEUERFUCHS, ein vazierender Barbiergeselle |
|
FRAU VON CYPRESSENBURG, Witwe |
|
EMMA, ihre Tochter |
|
CONSTANTIA, ihre Kammerfrau, ebenfalls Witwe |
|
FLORA BAUMSCHEER, Gärtnerin, ebenfalls Witwe |
im Dienste der Frau von Cypressenburg |
PLUTZERKERN, Gärtnergehilfe |
|
MONSIEUR MARQUIS, Friseur |
|
SPUND, ein Bierversilberer |
|
CHRISTOPH |
Bauernbursche |
HANS |
|
SEPPEL |
|
HANNERL, Bauernmädchen |
|
EIN GARTENKNECHT |
|
GEORG |
Bediente der Frau von Cypressenburg |
KONRAD |
|
HERR VON PLATT |
|
NOTARIUS FALK |
|
SALOME POCKERL, Gänsehüterin |
|
HERREN, DAMEN, BAUERNBURSCHE, BAUERMÄDCHEN, BEDIENTE, GÄRTNER |
Die Handlung spielt auf dem Gute der Frau von Cypressenburg, nahe bei einer großen Stadt.
Erstaufführung auf dem Theater an der Wien am 16. Dezember 1840.
Die Bühne stellt einen Dorfplatz vor. In der Mitte gegen den Hintergrund ein Brunnen mit zwei sich gegenüberstehenden Steinsitzen, links eine Gartenmauer mit einer kleinen offen stehenden Tür, welche in den Herrschaftsgarten führt.
Bauernmädchen, darunter Hannerl, treten während dem Ritornell des folgenden Chores aus dem Hintergrunde links auf; Bauernbursche, unter ihnen Christoph, Seppel und Hans.
DIE MÄDCHEN.
Au’m Nachkirtag tanzt man schon in aller Fruh,
Dort kommen die Burschen und holen uns dazu.
DIE BAUERNBURSCHE (von der Seite rechts auftretend).
Wo bleibt’s denn? Lasst keine sich sehn, das ist schön,
Au’m Tanzboden tut’s drüber und drunter schon gehn.
DIE MÄDCHEN. Wir sind schon bereit.
DIE BURSCHE. So kommt’s, es is Zeit.
ALLE. Es hat jeds sein Gegenteil, die Wahl is nit schwer,
D’ Musikanten, spielt’s auf, heut geht’s lustig her.
CHRISTOPH (zu einem Bauernmädchen). Wir zwei tanzen miteinand!
HANS (zu einer anderen). Wir zwei sein schon seit zehn Kirtäg ein Paar.
HANNERL (zu einem Burschen). Ich tanz auf der Welt mit kein’ andern als mit dir.
CHRISTOPH (nach links in den Hintergrund sehend). Da schaut’s, da kommt die Salome.
HANNERL. Mit die bassgeig’nfarbnen Haar’!
CHRISTOPH. Was will denn die aufm Kirtag?
HANNERL. Eure Herzen anbrandeln, das is doch klar!
Salome. Die Vorigen.
SALOME (in ärmlich ländlichem Anzug, mit roten Haaren, kommt aus dem Hintergrunde links). Da geht’s ja gar lustig zu; wird schon aufm Tanzboden gangen, nit wahr?
CHRISTOPH (kalt). Is möglich!
SALOME. Ös werd’t’s doch nix dagegen haben, wenn ich auch mitgeh?
HANS. No ja – warum nit – hingehn kann jeds.
CHRISTOPH (mit Beziehung auf ihre Haare). Aber ’s is weg’n der Feuersg’fahr!
HANS (ebenso). ’s is der Wachter dort –
CHRISTOPH (wie oben). Und der hat ein’ starken Verdacht auf dich; du hast deine Gäns beim Stadl vorbei’trieben, der vorgestern ab’brennt is.
HANNERL. Und da glaubt man, du hast’n an’zund’n mit deiner Frisur.
SALOME. Das is recht abscheulich, was ihr immer habt’s über mich; aber freilich, ich bin die Einzige im Ort, die solche Haar’ hat. Für die Schönste wollt’s mich nicht gelten lassen, drum setzt’s mich als die Wildeste herab.
DIE MÄDCHEN. Ah, das is der Müh wert, die wollt die Schönste sein!
CHRISTOPH (zu Salome). Schau halt, dass d’ ein’ Tänzer find’st.
SEPPEL (ein sehr hässlicher Bursch). Ich tanz mit ihr, was kann mir denn g’schehn?
CHRISTOPH. Was fallt dir denn ein? Ein Kerl wie du wird doch wohl eine andere kriegen?
SEPPEL. Is auch wahr, man muss sich nit wegwerfen.
HANS. Vorwärts! Brodelt’s nit so lang herum!
ALLE. Aufn Tanzboden! Juhe! Zum Tanz! (Alle rechts im Hintergrunde ab.)
Salome.
SALOME. Ich bleib halt wieder allein z’ruck! Und warum? Weil ich die rotkopfete Salome bin. Rot ist doch g’wiss a schöne Farb, die schönsten Blumen sein die Rosen, und die Rosen sein rot. Das Schönste in der Natur ist der Morgen, und der kündigt sich an durch das prächtigste Rot. Die Wolken sind doch g’wiss keine schöne Erfindung, und sogar die Wolken sein schön, wann s’ in der Abendsonn brennrot dastehn au’m Himmel; drum sag ich: Wer gegen die rote Farb was hat, der weiß nit, was schön is. Aber was nutzt mich das alles, ich hab doch kein’, der mich aufn Kirtag führt! – Ich könnt allein hingehn – da spotten wieder die Madeln über mich, lachen und schnattern. Ich geh zu meine Gäns, die schnattern doch nicht aus Bosheit, wann s’ mich sehn, und wann ich ihnen ’s Futter bring, schaun s’ mir auf d’ Händ und nit aufn Kopf. (Sie geht rechts im Vordergrunde ab.)
Flora und Plutzerkern kommen aus dem Hintergrunde links. Plutzerkern trägt einen bepackten Korb.
FLORA (ärgerlich). Nein, das is wirklich arg! Das bisserl Weg von der Stadt fünf Viertelstund’ herausfahren! Schamen soll sich so ein Stellwagen!
PLUTZERKERN. Warum denn? Er heißt ja desstwegen Stellwagen, weil er von der Stell nicht weiterkommt.
FLORA. Schad, dass du mit deiner Langsamkeit kein Stellwag’n worden bist.
PLUTZERKERN. Dazu fehlet mir die Pfiffigkeit. Ein Stellwagen is das pfiffigste Wesen auf der Welt, weil er ohne Unterschied des Standes jeden Menschen aufsitzen lasst.
FLORA. Ich glaub, du hast wieder dein’ witzigen Tag, da bist du noch unerträglicher als gewöhnlich.
PLUTZERKERN. Schimpfen S’ zu, lassen S’ Ihre Gall aus an mir! Lang wird’s so nit mehr dauern.
FLORA. Willst du etwa aus dem Dienst der gnädigen Frau gehn? Das wär g’scheit.
PLUTZERKERN. O nein; aber Sie werden gewiss bald heiraten, dann ist Ihrer Sekkatur ein neues Feld eröffnet, und ich bin nicht mehr der Spielraum Ihrer Z’widrigkeit.
FLORA. Dummer Mensch! Ich werd mich nie mehr verheiraten, ich bleib meinem Verstorbenen getreu.
PLUTZERKERN. Vielleicht sieht er’s ein nach sein’ Tod; bei Lebzeiten hat er’s nie recht glauben wollen.
FLORA. Wenn ich die gnädige Frau wär, ich hätt Ihn schon lang gejagt.
PLUTZERKERN (mit Beziehung). Wenn ich die gnädige Frau wär, blieb auch nicht alles im Haus.
FLORA. Wer weiß, ob Er nicht bald springt! Ich hab die Erlaubnis, einen flinken, rüstigen Burschen aufzunehmen.
PLUTZERKERN. Das is recht, dann is doch die Plag nicht mehr so groß! Ich gieß den Winterradi, mehr Einfluss verlang ich mir nit.
FLORA. Geh Er jetzt zum G’vatter Polz, der will mir einen Gartenknecht rekommandieren.
PLUTZERKERN. Gut, vielleicht wird aus dem Knecht Ihr künftiger Herr.
FLORA. Warum nicht gar! Von mir bekommt jeder einen Korb.
PLUTZERKERN. Leider, das g’spür ich! Jetzt müssen Sie ihn aber wieder nehmen, wenn ich zum G’vattern soll. (Gibt ihr den bepackten Korb.)
FLORA. Mach Er geschwind, langweiliger Mensch! (Ab in die Gartentüre.)
PLUTZERKERN (allein). Hm, hm! Der Garten ist doch nicht so verwahrlost, und wie’s die treibt um den flinken, rüstigen Gartenknecht – hm, hm! (Geht rechts ab.)
Titus Feuerfuchs tritt während des Ritornells des folgenden Liedes erzürnt von rechts vorne auf.
1.
Der hat weiter nit g’schaut,
Beinah hätt ich ’n g’haut;
Der Spitzbub, ’s is wahr,
Lacht mich aus weg’n die Haar’!
Wen geht’s denn was an,
Ich hoff doch, ich kann
Haar’ hab’n, wie ich will,
Jetzt wird’s mir schon z’ viel!
Rote Haar’ von ein’ falschen Gemüt zeig’n soll’n?
’s is ’s Dümmste, wann d’ Leut nach die Haar’ urteil’n woll’n.
’s gibt G’schwufen g’nug mit ein’ kohlrab’nschwarzen Haupt,
Und jede is ang’schmiert, die ihnen was glaubt;
Manch blondg’lockter Jüngling is beim Tag so still
Und schmachtend – warum? Bei der Nacht lumpt er z’ viel!
Und mit eisgraue Haar’ schaun die Herrn aus so g’scheit
Und sein oft verruckter noch als d’ jungen Leut!
Drum auf d’ Haar’ muss man gehn,
Nachher trifft man’s schon schön.
2.
(Drohend in die Szene blickend, von woher er gekommen.)
Mir soll einer traun,
Der wird sich verschaun,
Auf Ehr, dem geht’s schlecht,
Denn ich beutl’ ihn recht;
Der Kakadu is verlor’n,
Wenn ich in mein’ Zorn
Über d’ Haar’ ein’ kumm,
Der geht glatzkopfet um.
Die rothaarig’n Madeln, heißt’s, betrüg’n d’ Männer sehr;
Wie dumm! Das tun d’ Madeln von jeder Couleur.
Die schwarz’n, heißt’s, sein feurig, das tut d’ Männer locken,
Derweil is a Schwarze oft d’ fadeste Nocken.
Die Blonden sein sanft? Oh! A Blonde is a Pracht!
Ich kenn eine Blonde, die rauft Tag und Nacht.
Doch mit graue Haar’ sein s’ treu, na, da stund man dafur,
Nit wahr is, die färb’n sich s’ und geb’n auch keine Ruh –
Drum auf d’ Haar’ muss man gehn,
Nachher trifft man’s schon schön.
Chiappa-via-Stiefeln angezogen und ’s Adje-Kappel in aller Still geschwungen, so is man mit einem Schritt mitten drin in der weiten Welt. – Glück und Verstand gehen selten Hand in Hand – ich wollt’, dass mir jetzt ein recht dummer Kerl begegnet’, ich sähet das für eine gute Vorbedeutung an.
So kopflos urteilt die Welt über die Köpf, und wann man sich auch den Kopf aufsetzt, es nutzt nix. Das Vorurteil is eine Mauer, von der sich noch alle Köpf, die gegen sie ang’rennt sind, mit blutige Köpf zurückgezogen haben. Ich hab meinen Wohnsitz mit der weiten Welt vertauscht, und die weite Welt is viel näher, als man glaubt. Aus dem Dorngebüsch z’widrer Erfahrungen einen Wanderstab geschnitzt, dieTitus. Plutzerkern.
PLUTZERKERN. Der Weg war auch wieder umsonst! – (Titus erblickend.) Ein Fremder gestaltet sich vor meinem Blick?
TITUS (für sich). Schicksal, ich glaub, du hast mich erhört.
PLUTZERKERN (Titus musternd). Der B’schreibung nach, die mir der Herr Polz g’macht hat, könnt das der sein, den er erwart’t. Wuchs groß, Mund groß, Augen sehr groß, Ohren verhältnismäßig – nur die Haar’ –? (Zu Titus.) Sucht der Herr hier ein Brot?
TITUS. Ich such Geld, ’s Brot wüsst ich mir nachher schon z’ finden.
PLUTZERKERN (für sich). Er sucht Geld – und das verdächtige Aussehen – (laut) auf d’ Letzt is Er ein Schatzgraber?
TITUS. Wenn mir der Herr ein’ Ort zeigt, wo einer liegt, so nimm ich gleich bei ein’ Maulwurf Lektion.
PLUTZERKERN. Oder is Er gar ein Rauber?
TITUS. Bis jetzt noch nicht, mein Talent ist noch in einer unentwickelten Bildungsperiode begriffen.
PLUTZERKERN. Versteht Er die Gartnerei?
TITUS. Ich qualifiziere mich zu allem.
PLUTZERKERN (für sich). Er is es! (Zu Titus.) Er möcht also bei unserer jungen, saubern Gartnerin-Witwe Gehilfe werden?
TITUS. Gehilfe der Witwe? – Wie g’sagt, ich qualifizier mich zu allem.
PLUTZERKERN. Mit so einem G’hilfen wär ihr schon g’holfen – wie die mich jaget, wann ich ihr das Florianiköpfel brächt!
TITUS (erzürnt). Herr, diese Äußerung empört mein Innerstes.
PLUTZERKERN. Fahrst ab, rote Rub’n? (Geht stolz in die Gartentür ab.)
Titus allein, Plutzerkern mit stummem Ärger nachsehend.
TITUS. Ich bin entwaffnet! Der Mensch hat so etwas Dezidiertes in seiner Grobheit, dass es einem rein die Red verschlagt. Recht freundlich, recht liebreich kommt man mir entgegen! In mir organisiert sich aber auch schon Misanthropisches – ja – ich hass dich, du inhumane Menschheit, ich will dich fliehen, eine Einöde nehme mich auf, ganz eseliert will ich sein! – Halt, kühner Geist, solcher Entschluss ziemt dem Gesättigten, der Hungrige führt ihn nicht aus. Nein, Menschheit, du sollst mich nicht verlieren. Appetit is das zarte Band, welches mich mit dir verkettet, welches mich alle Tag drei-, viermal mahnt, dass ich mich der Gesellschaft nicht entreißen darf. – (Nach rechts sehend.) Dort zeigt sich ein Individuum und treibt andere Individuen in ein Stallerl hinein, Ganseln sind’s – Ganseln! – O Hüterin, warum treibst du diese Ganseln nicht als a brat’ner vor dir her, ich hätt mir eines als Zwangsdarlehen zugeeignet.