Roy O'Finnigan
Computerdiktatur
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Erweitertes Impressum
Zum Inhalt
Vorwort
Ausgesetzt
Erkundung
Aufgelauert
Recherchen
Todesstrafe
Wir fahren nach Berlin
Symbots
Im EUIC
Flucht aus Berlin
Treffen im Wald
Was geschah vor der Computerdiktatur?
Atlantis
Ankunft
Der Fund
Benachrichtigung
Zwei Jahre später
Überraschungen
Bekanntmachungen
Abschied
Weitere Werke von Roy O'Finnigan
Dank
Impressum neobooks
(C) publi4all und Roy O'Finnigan, 2014 Impressum:
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Daten sind Informationen und Informationen sind Macht In einer vollständig digitalisierten Welt sind alle Daten über das Internet verfügbar. Während die Einen noch um die Kontrolle über das Internet kämpfen versuchen andere es für immer zu zerstören ...
Die Menschheit wird nach einer Atomkatastrophe von Computerprogrammen beherrscht. Mit eiserner Disziplin und seelenloser Logik schaffen sie Ruhe und Ordnung. Sie diktieren jedem einzelnen was er zu tun hat. Die Staatsorgane sorgen für die Durchsetzung. Für Sam haben sie eine spezielle Aufgabe. Sie wollen, dass er für sie die Schnittstelle zwischen Gehirn und Computer so verändert, dass sie damit die Menschen für immer von sich abhängig machen können. Wird es ihm gelingen das zu verhindern?
Es sagenhafter Goldschatz und extrem aggressive Aliens, die alle Rassen vernichten, die sich über das Steinzeitstadium hinaus entwickelt haben. Vorsichtshalber zerstören sie gleich den ganzen Planeten und fragen dann erst wer dort lebte.
Jetzt haben sie die Erde ins Visier genommen. Nur ein paar Menschen wissen überhaupt von der Bedrohung. Um die Erde zu retten müssen sie aber erst noch ein halbfertiges antikes Raumschiff in Betrieb nehmen. Eine (fast) unmögliche Aufgabe.
»Computerdiktatur« ist die Fortsetzung von »Krieg ums Internet«.
Die Menschheit von Computerprogrammen beherrscht. Software, die ursprünglich zur »Big Data« Analyse entwickelt wurde, um Entscheidungsträger (Politiker, Manager, Militär, und so fort) bei komplexen Szenarien zu beraten.
Die Programme zur
A
nalytischen
En
tscheidungs
B
eratung, kurz ANEBs, sind weder gut noch böse. Sie sind auch nicht intelligent. Sie erledigen einfach ihre Aufgabe. Sie tun, wofür die Menschen sie geschaffen haben. Sie werten alle verfügbaren Daten aus und berechnen was für die Menschheit als ganzes am besten ist. Sie machen Vorschläge, über die die Menschen abstimmen und auswählen können, was sie davon umsetzten, möchten.
Doch mit der Zeit haben sich die ANEBs verselbständigt. Kaum jemand kann die Vorschläge noch nachvollziehen. Trotzdem werden sie weiterhin umgesetzt. Die Menschen sind abhängig geworden, ohne es zu merken. Heimlich, still und leise breitet sich eine Diktatur aus.
Nach einem weltweiten elektromagnetischen Impuls (EM) zur Terrorabwehr muss die Ordnung so schnell wie möglich wieder hergestellt werden. Da aber die staatlichen Organe nur bedingt einsatzfähig sind, übernehmen die ANEBs vollständig die Kontrolle und geben direkt Anweisungen.
Sam und Seine Freunde hatten sich vor dem EM in einem Atombunker in Sicherheit gebracht. Nach einem Raketentreffer sind sie dort verschüttet und brauchen mehrere Monate, bis sie sich aus ihrem Gefängnis befreien können. Danach finden sie eine Völlig veränderte Welt vor.
Das ist das Ausgangszenario für die »Computerdiktatur«.
Ach ja, noch etwas. Meine Geschichte spielt sowohl in der realen als auch in der virtuellen Welt. Der Übergang ist manchmal fließend. Um das nachvollziehbar zu machen, verwende ich für meine Protagonisten normale Namen, wenn sie sich in der Realität befinden und Pseudonyme in der virtuellen Welt.
Vor ihnen erstreckt sich ein Krater mit mehr als 100 Metern Durchmesser und 10 Metern Tiefe. Die Oberfläche des Trichters ist größtenteils glatt und sieht aus wie schmutzig grau-grünes Glas. Um den Einschlagbereich herum ein Trümmerfeld. Alles kahl. Nur hier und dort ragt ein verkohltes Stück Holz zwischen nacktem Stein und blanker Erde empor. Erst in gebührendem Abstand vom Krater wagt sich vereinzelt etwas Grünes zwischen die Ödnis. Je weiter weg man vom Rand ist, desto mehr ist davon zu sehen.
»Wow«, platzt Urs heraus. »Seht euch das Mal an. Der Bunkerbrecher hat wirklich Eindruck hinterlassen«
Aya blickt suchend in den Krater. »Von dem Panzer vor der Eingangstür ist nichts mehr zu sehen. Wo ist er hin? Hat es ihn davon geschleudert?«
»Ich glaube, er ist verdampft«, meint Paul lakonisch. »Zu schade, dass wir davon keine Bilder haben.«
»Verdampft?«, fragt Aya ungläubig.
»Vielleicht auch geschmolzen«, spekuliert Vilca.
»Oder beides«, fügt Sam hinzu. »Erst geschmolzen und dann verdampft.«
Aya eilt gedanklich bereits voraus. »Tja, nachdem von dem ursprünglichen Bunkereingang nichts mehr da ist, müssen wir wohl oder übel einen neuen bauen.«
»Ja, am besten einen mit Vordach«, bemerkt Paul.
»Wozu das denn?«, fragt Vilca interessiert.
»Na, damit ich meinen Schaukelstuhl auf der Veranda aufstellen kann.«
Urs sieht ihn fragend von der Seite an. »Und den ganzen Tag auf diese Ödnis zu starren? Da kann ich mir Besseres vorstellen. Ich bin neugierig. Das nächste Dorf ist circa 40 Minuten Fußmarsch entfernt. Wer begleitet mich?«
Alle sind wissbegierig und wollen mit. Sam findet, dass zwei von ihnen hier bleiben sollen, um den Bunker zu bewachen. Die Liste der Freiwilligen ist kurz. Keiner will zurückbleiben. Also entscheidet das Los.
***
Sam, Vilca und Urs werden von einem grimmigen Wachposten aufgehalten. Von weitem mutet das Dorf normal an. Je näher sie kommen, desto mehr Besonderheiten fallen auf. Zum Beispiel die kleine Holzhütte neben der Hauptstraße. Es sieht nicht nur aus wie ein Wachhäuschen, es ist eine. Dazu die Schranke.
Praktisch alle Menschen sind zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs. Es gibt auch einige Fuhrwerke, die von Pferden oder Ochsen gezogen werden. Die meisten sind ehemalige LKWs oder Transporter, vor die man die Tiere gespannt hat.
Zwischendurch diskutieren sie darüber, ob sie weitergehen oder umkehren sollten. Es gibt keine Möglichkeit, unbemerkt in das Dorf zu kommen. Zweifelsohne wird man von ihnen wissen wollen, woher sie kommen. Keiner von ihnen hält es für ratsam, den Bunker zu erwähnen. Schließlich siegt die Neugier.
Als Sam, Vilca und Urs sich der Schranke nähern, treten ihnen sofort zwei Wachposten entgegen, die beide ihre Gewehre auf sie richten. Nachdem sie sich vergewissert haben, dass keiner von ihnen eine Waffe griffbereit hat, senken sie zumindest die Gewehre. Sie halten sie aber einsatzbereit. Misstrauisch fragt einer von ihnen, woher sie kommen und was sie in dem Dorf wollen. Vorsichtshalber klärt er sie gleich darüber auf, dass es in dem Dorf für Fremde weder Lebensmittel noch Treibstoff zu kaufen gibt.
Sam hält sich daran, was sie abgesprochen haben. Er erklärt, dass sie von dem EMP in Holland überrascht wurden und jetzt auf dem Weg zurück nach Berlin sind. Sie hoffen, in dem Dorf einen Platz für die Nacht zu finden, und wenn möglich, Lebensmittel zu kaufen oder eintauschen zu können. »Habt ihr eine Lebensmittelkarte?«, fragt der Wachposten.
Sam schüttelt den Kopf.
»Niemand bekommt Essen oder Unterkunft ohne Lebensmittelkarte. Und wer keine Unterkunft nachweisen kann, kommt hier nicht rein.«
Sam sieht ihn verwundert an. Und wie bekommt man eine Lebensmittelkarte?«
»Ihr könnt euch im Rathaus registrieren lassen. Aber dazu müsst ihr eine Unterkunft und Arbeit hier im Ort nachweisen können.«
Sam beginnt, die Geduld zu verlieren. »Das ist doch Unsinn, wie soll man eine Unterkunft und Arbeit bekommen, wenn ihr die Leute nicht mal ins Dorf lässt? Ihr braucht keine Angst haben, dass wir euch zur Last fallen. Wir können für alles, was wir brauchen bezahlen.«
Einer der Wachposten mustert Sam eine Weile. Sam taxiert zurück. Der Aufpasser trägt eine schwarze Hose und eine Feldjacke mit Tarnmuster. Den Bartstoppeln nach zu urteilen, hat er sich mindestens eine Woche nicht rasiert. Dem Geruch nach dürfte das letzte Bad deutlich länger zurückliegen.
»Wir brauchen keine Fremden. Und euer Geld interessiert uns nicht. Das hat keinen Wert hier. Wenn ihr etwas zum Tauschen habt, könnt ihr euer Glück auf dem Markt versuchen. Aber heute ist kein Markt. Kommt morgen wieder.«
Mehr sagt er nicht. Sam wartet noch ein paar Sekunden, aber weder der eine noch der andere Wachposten machen Anstalten noch etwas zu sagen. Ihre Körperhaltung hingegen spricht Bände. Verschwindet, wenn ihr keinen Ärger haben wollt.
Wortlos gibt Sam seinen Freunden ein Zeichen, dreht sich und marschiert davon, Vilca im Schlepptau. Urs zögert einen Moment, entscheidet sich zu folgen. Der Athlet hat sich während der kurzen Unterhaltung nur mühsam beherrscht. Nachdem sie außer Hörweite sind, macht er seinem Ärger Luft.
»Du hättest mich reden lassen sollen, Sam. Mich hätten die nicht so einfach abgewiesen. Ich hätte ihnen gewaltig den Marsch geblasen. Man kann hungrige Reisende, die Schutz suchen, doch nicht so einfach wegschicken. Wovor haben die denn Angst? Vor uns etwa? Das ist ja lächerlich.«
Vilca blickt nachdenklich auf das Dorf zurück. »Doch Urs, die haben Angst vor uns. Offensichtlich sind Lebensmittel knapp und rationiert. Jeder Fremde, den sie in ihr Dorf lassen, bedeutet weniger für alle. Geld kann man nicht essen. Deshalb hat es keinen Wert für sie.«
»Stimmt«, gibt Sam ihr recht. »Wir kommen Morgen wieder. Bis dahin werden wir uns überlegen was wir ihnen zum Tausch anbieten, damit sie uns hineinlassen. Die Welt hat sich verändert. Wir müssen mehr darüber herausfinden.«
Die beiden Bauern im Gasthof »Zur Post« erweisen sich als wahre Goldgrube für die Art von Informationen, hinter denen Sam, Urs und Vilca her sind.
Um am Morgen des nächsten Tages in das Dorf zu kommen, hatte es lediglich eine Flasche Schnaps gebraucht. Sam und seine Freunde müssen sich zwar noch registrieren lassen, aber die Formalität besteht lediglich aus dem Namenseintrag in einer Liste. Nicht einmal ihre Ausweise müssen sie vorzeigen. Es ist Markttag, und der Andrang ist beachtlich. Die drei Fremden fallen kaum auf.
Im Dorf werfen sie einen Blick auf den Markt. Die Auswahl an Lebensmitteln ist nicht groß, die Qualität schlecht und die Menge klein. Dafür gibt es umso mehr Menschen, die alles Mögliche an Kleidung, elektronischen Geräten, Büchern, Taschen, Alkohol, Zigaretten, Porzellan und vieles mehr mitgebracht haben. Sie versuchen, dafür möglichst viele Lebensmittel zu bekommen. Sehr erfolgreich sind sie nicht. Die Anbieter von Essbarem sind eindeutig im Vorteil.
Sam beobachtet den Stand mit Treibstoffen und Öl eine Weile und stellt fest, dass die Wenigen, die an diesem Stand etwas mitnehmen, mit Gold bezahlen.
Danach gehen sie in den Gasthof. Mit sicherem Gespür besorgt sich Urs beim Wirt an der Theke einen Schnaps. Er bezahlt mit Gold, wählt den Tisch mit den zwei Bauern aus, stellt die Flasche auf den Tisch und fragt, ob sie sich dazusetzen dürfen.
Die Landwirte begutachten das Getränk. Einer nach dem Anderen nicken sie. Ihre Kleidung ist abgetragen, ungewaschen und riecht nach Kuhstall. Sam schätzt ihr Alter auf Anfang sechzig. Nach der dritten Runde Schnaps fließen die Informationen in Strömen.
Nach einer guten Stunde wissen sie Bescheid. Der EMP hat wie erwartet zu einem Totalausfall der Kommunikation, Energie- und Informationsversorgung für die Zivilbevölkerung geführt. Auch das Chaos danach, die Plünderungen und Gewalttaten, überraschten niemanden. Alle sind allerdings erstaunt, wie schnell das Militär und die Polizei eingegriffen hatte und wieder für Recht und Ordnung sorgt. Polizei und Militär verfügen über eine funktionierende Infrastruktur, Treibstoff, Kommunikationsgeräte und Fahrzeuge. Die scheinen alles zu wissen, haben umfangreiche Informationen. Von jedem Einzelnen kennen Sie Vorlieben und Schwächen und den Ort, wo er zu finden ist.
Das Militär und die Polizei haben als Erstes die Kontrolle über die Lebensmittel- und Energieversorgung übernommen. Beides wird über Berechtigungsscheine zugeteilt. Um diese zu bekommen, muss man sich verpflichten, die zugewiesenen Tätigkeiten und Arbeiten auszuführen. Die Erfüllung wird streng kontrolliert. Wer über dem Soll liegt, bekommt mehr, aber das Soll ist für manche so hoch, dass sie es kaum erfüllen können. Wer unter dem Soll liegt, bekommt entsprechend weniger. In der Praxis bedeutete das: Man hat zu wenig zum Leben.
Keiner kann dem System entrinnen. Fast alle Versuche, Lebensmittel oder Treibstoffe zu stehlen, oder trotz der ständigen Kontrollen etwas für sich abzuzweigen, scheitern. Jeder, den sie erwischen, wird streng bestraft.
Die Bauern haben keine Ahnung, wie das alles möglich ist. Insbesondere verstehen sie das System der Zuteilung nicht. Für die Mehrheit ist es einfach, das ihnen zugewiesene Soll zu erfüllen aber für viele andere ist es praktisch unmöglich. Sich darüber zu beschweren oder zumindest eine Erklärung zu bekommen, ist unmöglich. Wer das Soll nicht erfüllen kann, wird sich selbst überlassen, was in vielen Fällen einem Todesurteil gleichkommt. Besonders in den größeren Städten hat kaum jemand etwas übrig, das mit anderen Teilen geteilt werden könnte.
***
Zurück im Bunker, berichteten die drei von ihrem Ausflug in das Dorf. Aya und Paul hören gespannt zu. Sie nehmen die Informationen ohne Zwischenfragen auf.
Nach Sams Bericht blicken sie sich eine Weile nachdenklich an. Urs ist der Erste, der das Schweigen bricht. »Ich hätte nie gedacht, dass das Militär und die Polizei die Situation so schnell in den Griff bekommen. Es klingt fast so, als wären sie auf diesen EMP vorbereitet gewesen. Anders kann ich mir das nicht erklären.«
»Das kann nicht sein«, widerspricht Paul. »Mir ist kein Katastrophenszenario für diesen Fall bekannt.«
Vilca zuckt nur mit den Schultern. »Mir auch nicht, aber das muss nichts heißen.«
»Und was machen wir jetzt«, fragt Aya.
Urs entscheidet sich für das Nächstliegende. »Erst mal Abendessen.«
Aya rollt mit den Augen. »Du denkst auch immer nur an das Eine.«
»Nein, ich denke gerade an das Andere. Das Eine kommt danach.«
Sam seufzt. Urs nimmt offenbar die Situation nicht so ernst, wie er es sollte. Er entschließt sich, das Thema zu wechseln. »Morgen bauen wir die Antennen fertig auf. Mal sehen, was wir über Funk in Erfahrung bringen können.«
Am nächsten Nachmittag werten sie mit Augmented Reality den Funkverkehr aus, das Meiste davon ist verschlüsselt. Die Dekodierung kostet viel Zeit. Es gibt so gut wie keine Unterhaltung und Werbung. Das ist nicht wirklich verwunderlich, da praktisch alle Empfangsgeräte für Nachrichten und Informationen sind durch den EMP zerstört worden.
Nach ein paar Tagen haben sie genug Meldungen entschlüsselt, um sich ein Bild zu machen. Fast der gesamte Funkverkehr besteht aus Kommunikation zwischen den Ordnungskräften, Steuerbefehlen und Statusmeldungen. Meistens geht es um die Verteilung lebenswichtiger Güter, Zuteilung von Energie und Einsatzbefehle für Durchsuchungen. Oder Verhaftungen, um Protestaktionen aufzulösen, Aufstände niederzuschlagen und dergleichen.
»Es ist schon erstaunlich», bemerkt Sam, »wie gut die Regierungsstellen und Behörden miteinander vernetzt sind. Alle arbeiten mustergültig zusammen und die Organisation klappt reibungslos. So hätte man sich das schon immer gewünscht. Das ist so perfekt, dass es eigentlich schon wieder verdächtig ist.«
»Wieso«, fragt Aya. »Was stört dich daran? Endlich klappt einmal etwas in unserem Staat und jetzt ist es auch wieder nicht okay. Sonst hast du keine Gelegenheit ausgelassen, dich über die schlechte Organisation und Kooperation zwischen den Behörden lustig zu machen.«
»Ja genau, deshalb ist das Ganze verdächtig. Wieso läuft es auf einmal so gut?«
»Das ist doch klar. Unter dem Eindruck der Krise bleibt unseren Politikern doch gar nichts anderes übrig, als zusammenzuarbeiten.«
Vilca ist auch misstrauisch. »Ich finde es ungewöhnlich, dass Politiker aller Couleur und die Behörden so reibungslos zusammenarbeiten. In Krisensituationen sind alle unter extremen Stress. Da wäre es normal, dass es hier und da klemmt oder kracht.«
Paul zuckt mit den Schultern. »Am Anfang vielleicht. Immerhin hatten sie etliche Monate Zeit, um sich einzuspielen.«
»Hmmm …«, macht Sam, während er die Karte der Umgebung studiert. »Lasst uns noch mehr Informationen aus der Bevölkerung einholen. Wir sollten dabei so diskret wie möglich vorgehen. Diese beiden Kleinstädte sind zwei und zweieinhalb Stunden Fußmarsch entfernt. Ich schlage vor, wir teilen uns in zwei Gruppen auf und statten denen morgen einen Besuch ab.
Sam ahnt, dass es gleich Ärger geben wird. Er marschiert mit Vilca eine verlassene Landstraße entlang als plötzlich vier Gestalten aus dem Gebüsch springen und sich vor ihnen aufbauen. Sie sind kurz vor der Kuppe des kleinen Hügels, dem sich die Landstraße in einer weiten Linkskurve nähert. Von hier aus kann man die Straße kilometerweit überblicken. Die Typen sehen so aus, als ob sie ihren Lebensunterhalt durch Wegelagerei auf den umliegenden Landstraßen realisieren.
Die Bande versperrt ihnen den Weg. Verwegen sehen sie aus. Ungewaschen und ungepflegt. Die Kleidung heruntergekommen. Einer von ihnen hat sich etwas Ähnliches wie einen Mantel aus dem Fell einer braun-weiß gefleckten Kuh gemacht. Sie sind mit Knüppeln, Ketten und Messern bewaffnet und erwecken den Eindruck, dass sie damit umgehen können.
Die beiden ungleichen Parteien mustern sich gegenseitig. Sam bemerkt sofort, dass von der Begutachtung ihrer Seite im Wesentlichen Vilca betroffen ist. Er kann sich gut vorstellen, was in den Köpfen der Horde vorgeht. Bestimmt haben sie schon Pläne geschmiedet, wie das Ganze ablaufen soll. Zeit genug haben sie ja gehabt. Sam ahnt schon, dass für ihn eher eine Nebenrolle vorgesehen ist. Vermutlich wollen sie ihn möglichst schnell erledigen, um sich dann ausgiebig mit Vilca zu beschäftigen.
Sam hat vor, ihnen den Spaß gründlich zu verderben.
Schließlich bricht der Riese rechts das Schweigen. »Na, wen haben wir denn da?«, sagt er, ohne Sam eines Blickes zu würdigen. »Heute ist dein Glückstag. Für das Mädchen und deinen Rucksack lassen wir dich unverletzt weiterziehen. Aber beeil dich, bevor ich es mir anders überlege.«
Der Typ überragt die anderen drei um mehr als einen Kopf. Und auch sonst ist der Kerl mindestens doppelt so breit. Sam kann nicht einschätzen, wie viel Muskelmasse sich unter dem Fett verbirgt. Auf jeden Fall wirkt der Baseballschläger, mit dem er beiläufig spielt, in seinen Händen wie ein Zahnstocher. Jedes Mal, wenn er den Schläger mit seiner linken Hand auffängt, gibt es ein sattes Klatschen.
Obwohl Sam nicht daran glaubt, versucht er eine friedliche Einigung mit den Wegelagerern zu erreichen.
»Wir wollen keinen Streit mich euch. Wir geben euch von unseren Lebensmittel Vorräten so viel wir entbehren können und dann lasst ihr uns weitergehen und es wird keinem etwas passieren.«
»Ha, für wie blöd hältst du uns! Sehen wir vielleicht aus wie die Heilsarmee? Wir nehmen uns, was wir wollen. Lass deine Sachen hier und hau ab. Das Mädchen bleibt. Die ist sowieso scharf auf mich. Wenn wir mit ihr fertig sind, kann sie ja nachkommen, falls sie dich dann noch will.«
Die letzte Bemerkung trägt zur allgemeinen Erheiterung der Räuber bei.
Vilca ist dem Riesen einen verachtenden Blick zu, sagt aber nichts.
»Hör endlich auf, zu quatschen, Smasher«, ruft der Kerl mit der Glatze, der rechts außen steht.
»Verpass Häuptling Lahmer Coyote eine mit deiner Vorhand, damit wir endlich zum vergnüglichen Teil des Tages übergehen können.«
Sam setzt den seriösesten Gesichtsausdruck auf, den er sich nur vorstellen kann. »Ihr macht einen großen Fehler. Lasst uns einfach weitergehen, bevor ihr es bereut», sagt er mit all der Autorität, die er aufbringen kann.
Smasher beginnt mit den Baseball Schläger, demonstrativ die Luft zu verwirbeln. Er kreiselt ihn so schnell, dass ein pfeifendes Geräusch entsteht. »Zum letzten Mal. Verpiss dich und vergiss die Schlampe. Oder möchtest du zusehen, wie sie sich mit uns amüsiert? Das kannst du gerne haben.«
Sam lässt sich Zeit mit einer Antwort. Dabei mustert er den schmächtigen Burschen mit den langen, fettigen Haaren und dem verschmutzten Gesicht ganz links. Bestimmt ist das ihr Anführer. Sam ist sich sicher, dass der Boss den Hünen nur vorgeschickt hat, um sie einzuschüchtern. Offensichtlich geht es noch darum, sie einzuschätzen. Wenn sich die Wegelagerer sicher wären, ihn und Vilca ohne Risiko überwältigen zu können, hätten sie längst angegriffen. Sam befürchtet, dass sie nicht mehr viel Zeit haben. In ein paar Sekunden werden die Banditen eine Entscheidung treffen. Und es gibt für ihn keinen Zweifel, wie die ausfallen wird. Sam setzt auf das Überraschungsmoment. Obwohl es zwei zu eins gegen sie steht, hegt er große Zuversicht, dass sie es mit diesen Gegnern aufnehmen können. Auch, wenn es unter Berücksichtigung der Körperstatur des Hünen eher fünf zu eins steht. Trotzdem darf er den Anführer nicht unterschätzen. Er sieht schmächtig aus aber irgendetwas muss an ihm dran sein. Sonst hätte er sich in dieser Gruppe nicht als der Boss behaupten können.
Heimlich zwinkert er Vilca zu. Das ist das Zeichen, auf das sie wartet. Langsam nimmt Sam den Rucksack herunter und hält ihn so vor der Brust, als ob er ihn gleich vor sich abstellen will. Vilca macht es ihm nach.
Mit einem Ruck und aller Kraft, die er aufbringen kann, wirft, er das Tragegepäck in Richtung des Anführers, um ihn abzulenken. Blitzschnell setzt Sam nach und ist flink genug, um ihm einen Tritt in die Kronjuwelen zu verpassen.
Obwohl er einen Volltreffer landet, bleibt die erwartete Wirkung aus. Erst jetzt erkennt Sam, dass er einer Frau zwischen die Beine trat. Sam ist so überrascht, dass er zu langsam reagiert. Die Frau bedankt sich bei ihm mit einem harten Schlag in die Magengrube. Das dumpfe Geräusch des Aufpralls ihrer Faust übertönt sie mit einem Kampfschrei. Noch vor ein paar Monaten hätte Sam dieser Schlag zu Boden geschickt. Doch dank des intensiven Kampfsporttrainings geleitet von Urs und Vilca, verpufft der größte Teil an seinen Bauchmuskeln. Das wiederum überrascht die Frau. Sam hätte sie in diesem Moment leicht mit einem Kick gegen die Schläfe außer Gefecht setzen können. Doch der Kerl mit dem Kuhfellmantel eilt ihr zu Hilfe und greift sofort an.
Er schwingt eine Metallkette mit zwei Finger breiten Gliedern. Augenscheinlich hat er damit Übung. Sam gelingt es gerade so, der wirbelnden Kette auszuweichen. Immer, wenn sie auf dem Asphalt der Straße aufschlägt, klirrt es unheilverkündend. Manchmal zieht sie auch einen Funkenregen hinter sich her. Er hat keine Zeit nachzusehen, wie es Vilca ergeht. Es bleibt ihm nur zu hoffen, dass sie sich den Riesen und den Glatzkopf lange genug vom Leibe halten kann, bis er mit seinem Problem fertig ist.
Der Typ braucht so viel Platz für seine Kette, dass die Frau sich langsam zurückzieht und mit dem Riesen und dem Glatzkopf zusammen Vilca bedrängt.
Na großartig, denkt Sam. Jetzt steht es drei zu eins gegen Vilca. Irgendwie muss ich den Kettenschwinger schnellstens loswerden, um ihr helfen zu können.
Sam erkennt nach ein paar Schwüngen das Angriffsmuster seines Gegners. Jedes Mal, wenn er die Kette schräg von unten nach oben schwingt, gibt es für einen kurzen Moment eine Lücke in seiner Verteidigung. Sam wartet den geeigneten Moment ab und verpasst ihm dann einen gezielten Tritt in die Nieren. Der Schlag ist ein Volltreffer. Der Kuhmantelmann erstarrt regelrecht. Sam beendet die Sache mit einem wohldosierten Schlag gegen den Kopf, der von einem trockenen »Tock« begleitet wird.
Noch bevor die Kuhhaut den Boden berührt, eilt er seiner Freundin zu Hilfe. Die Frau, Smasher und der Glatzkopf haben Vilca eingekreist, sind aber nicht schnell genug, um sie zu treffen. Geschmeidig, wie eine Katze weicht sie ihren Schlägen, Knüppeln und Messern aus. Allerdings ist Vilca so mit der Abwehr so beschäftigt, dass sie ihrerseits keinen Treffer landen kann.
Der Zufall will es, dass Sam die Anführerin als Erste erreicht. Zu ihrem Pech ist sie so auf Vilca fixiert, dass sie ihn zu spät bemerkt. Sie versucht den Angriff abzuwehren. Sam nutzt seinen Schwung und setzt sie mit einem Kick auf den Solar Plexus außer Gefecht.