Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
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ISBN 978-3-86880-010-4
© 2009 by mi-Wirtschaftsbuch, FinanzBuch Verlag GmbH, München
www.mi-wirtschaftsbuch.de
Redaktion: Tanya A. Wegberg, Neuruppin
Lektorat: Stephanie Walter, München
Umschlaggestaltung: Jarzina Kommunikations-Design, Holzkirchen
Umschlagabbildung: ©Marielle/photocuisine/Corbis
Satz: Jürgen Echter, Landsberg am Lech
Printed in Austria
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Mindestens 50 Prozent aller Kaufentscheidungen von sogenannten »Fast Moving Consumer Goods« (FMCG) werden laut Studien von den Konsumenten am Point of Sale (POS) getroffen. Eine Verbraucherbefragung des Marktforschungsinstituts facit aus dem Jahr 2004 belegt, dass die Verpackung im Vergleich zu anderen Kommunikationsmitteln, wie zum Beispiel TV-Spots, Anzeigen, Radiospots oder Plakaten, mit 84 Prozent Zustimmung den höchsten Informationsgehalt und die höchste Glaubwürdigkeit bei Verbrauchern besitzt. 78 Prozent der Befragten wünschen laut der Studie explizit, von der Packung zum Kauf angeregt zu werden. Für 45 Prozent gibt die Packung den entscheidenden Impuls zum Wiederkauf und wirkt damit stärker als TV-Spots, die mit 29 Prozent am zweithäufigsten genannt wurden.
Die Verpackung und ihre Gestaltung sind aus Sicht der Hersteller sowohl für Neueinführungen als auch für die Existenz bestehender Produkte von essenzieller Bedeutung. Sie tragen erheblich dazu bei, ob ein Produkt sich am Markt behaupten kann. Gerade der Zwang zur Entwicklung ständig neuer Produkte und Produktvarianten, die für die Sicherung des Unternehmenserhalts eine Schlüsselrolle spielen, erfordert das Optimum der Verpackung. In Deutschland wurden Ende der neunziger Jahre nahezu 100.000 Produktinnovationen in einem Zeitraum von zwei Jahren auf den Markt gebracht, was einem Durchschnitt von 910 neuen Produkten innerhalb einer Woche entspricht. Der Lebensmittelhandel verzeichnete im Jahr 1998 circa 24.000 neue Artikel, von denen sich nur die Hälfte länger als ein Jahr behaupten konnte. Die Floprate bei Produktneueinführungen liegt zwischen 80 und 95 Prozent, nicht zuletzt aufgrund mangelnder Qualität der Verpackungsgestaltung. Diese Zahlen belegen den besonderen Stellenwert, den die Verpackungsgestaltung heutzutage einnimmt.
Bevor ich auf die Anforderungen und Leistungen der Verpackung eingehe, möchte ich einige Begriffsdefinitionen vornehmen. Unter Packungsdesign versteht man die visuelle, verbale, haptische,1 das heißt den Tast- und den Bewegungssinn ansprechende, sowie die den Geruchssinn ansprechende, die sogenannte olfaktorische Gestaltung von Packungen. Der Begriff Verpackung beschreibt die Gesamtheit der von der Verpackungswirtschaft eingesetzten Verfahren zur Erfüllung der Verpackungsaufgabe. Dietz und Lippmann2 definieren die Verpackung als »Gesamtheit der Verpackungsmittel und/oder Verpackungshilfsmittel, die zum Schutz des Gutes vor Gebrauchswertminderung, zur Erleichterung der Handhabung des Guts, zum Schutz der Umwelt im Zirkulationsprozess sowie zur Information über und Werbung für das Gut dient«. Das Gut, das zu verpacken oder verpackt ist, bezeichnet man als Packgut. Das Ergebnis der Vereinigung von Packgut und Verpackung ist die sogenannte Packung. Der Begriff Ausstattung beschreibt die werbliche Präsentation des Produkts durch Form, Material, Oberfläche et cetera. Die Aufmachung einer Packung ist die anlassbezogene Gestaltung eines Produkts. Dies sind auch Produktzusätze, die auf besondere Aktionen und Eigenschaften hinweisen. Beispiele sind Sticker zur Kennzeichnung von Neuprodukten, Aktionsgebinde, spezielle Geschenkaufmachungen zu Ostern oder Weihnachten, Hinweise auf Testergebnisse oder Ähnliches.
Unter dem Begriff Verpackung werden folgende drei Arten in der Verpackungsverordnung von 1991 (Paragraf 3) unterschieden: Die primäre Verpackung oder sogenannte Verkaufsverpackung umschließt direkt das Produkt (zum Beispiel Getränkeflasche). Die sekundäre Verpackung oder sogenannte Umverpackung fasst eine bestimmte Anzahl primärer Verpackungen zu einer endverkaufs- und verbrauchsüblichen Einheit zusammen. Umverpackungen sollen die Selbstbedienung erleichtern, Diebstahl erschweren oder für Werbezwecke genutzt werden. Beispiele für Umverpackungen sind Blister, Folien, Kartonagen oder Getränkekisten. Die tertiäre Verpackung oder sogenannte Transportverpackung dient zum Transport und zur Lagerung von sekundären Verpackungen (zum Beispiel Paletten). Diese Verpackungsarten sind nicht immer klar voneinander zu trennen. So kann ein Bierfass beispielsweise gleichzeitig primäre, sekundäre und tertiäre Verpackung sein.
Die Verpackung ist Teil der jeweiligen Marke, sie wirkt bei den Konsumenten als Markenbild. »Marken treten uns mit ihren Gesichtern gegenüber – mit Bildern, die vom Produkt, von der Verpackung, von der Werbung, von unseren (bildlichen) Assoziationen und vielen weiteren Einflüssen geformt werden.«3 Die Markenbilder ermöglichen es erst, eine Marke zu identifizieren, mit ihr vertraut zu werden, sie wiederzuerkennen und sich an sie zu erinnern. Sie sind Ausdruck des Charakters und spiegeln die Stärken und Schwächen einer Marke wider. Die Verpackung muss ein Produkt verkaufen, sie muss als Träger von Kaufargumenten fungieren und zugleich Kaufgrund sein, sie muss ein Produkt adäquat präsentieren, zur Produktbeurteilung positiv beitragen und Kaufanreize schaffen. Für viele Marken stellt die Verpackung den einzigen Kommunikationskanal zur Beeinflussung des Kaufverhaltens dar, da bei circa 80 Prozent der Konsumgüter am POS die Marketingetats so klein sind, dass klassische Werbung nicht möglich ist. Doch man wird der Verpackung nicht in vollem Umfang gerecht, wenn ihre Hauptfunktion auf das Senden von Kaufimpulsen beschränkt wird. Denn Kaufimpulse sind lediglich kurzfristig und bewegen den Verbraucher dazu, ein Produkt dieses eine Mal zu kaufen. Solche Kaufimpulse werden durch Sonderpreisaktionen, On-Pack-Promotions oder POS- beziehungsweise Probieraktionen ebenso ausgelöst.
Eine gründliche Betrachtung der Literatur über Verpackungsgestaltung zeigt, dass bislang keine relevanten, allumfassenden Richtlinien, Regeln oder Systematiken für die Entwicklung von Verpackungsgestaltungen existieren. Einen ersten Ansatz bietet Twedt, der 1968 die Formel VIEW zur Bewertung von Verpackungsgestaltungen mit den Dimensionen Visibility, Information, Emotional Appeal und Workability formulierte. Dabei bezieht sich Visibility darauf, wie einfach und schnell eine Verpackung in ihrem Umfeld wahrgenommen werden kann. Dies beinhaltet sowohl die Erkennbarkeit aus der Entfernung und die aus dem Umfeld herausstechende Wirkung als auch die Lesbarkeit der Texte und der Marke sowie die Zeit zur Wahrnehmung der zentralen Produkteigenschaften. Information beschreibt alle Qualitäten einer Verpackung zur Vermittlung der Produktvorteile und Eigenschaften sowie des Nutzens, den das Produkt und die Marke dem Konsumenten bieten. Unter dem Kriterium Emotional Appeal werden alle emotionalen Wirkungen und Anmutungen einer Verpackungsgestaltung zusammengefasst. Eine Verpackung besitzt immer eine emotionale Ausstrahlung, die sich durch Richtung und Intensität der jeweiligen Emotion auszeichnet. Die vierte Dimension zur Bewertung von Verpackungsgestaltungen nach der Formel VIEW ist die Workability. Sie bezieht sich auf die Funktionalität einer Verpackung, wie zum Beispiel Schutz des Inhalts, Öffnen und Schließen der Verpackung einschließlich der Vermittlung von Informationen über den Gebrauch beziehungsweise die Verwendung des Produkts.
Dieses weitgehende Fehlen von holistischen Richtlinien führt dazu, dass die Gestaltung von Verpackungen primär auf subjektivem Empfinden, Intuition und persönlichen Erfahrungen der Designer und Markenverantwortlichen beruht. Häufig basiert sie lediglich auf der Vermutung der kreativen und markenstrategischen Beteiligten, wie ein Verpackungsdesign optimal die Markenidentität für die Konsumenten vermittelt. Das vorliegende Buch beschreibt ein Gesamtkonzept strategischer Richtlinien zur Gestaltung von Verpackungen. Der erste Teil stellt die Anforderungen an die Verpackungsgestaltung vor. Die strategischen Felder werden im zweiten Teil erläutert. Der dritte Teil liefert praxisrelevante Empfehlungen und Möglichkeiten zur Bewertung von Verpackungsdesigns.
Welche Eigenschaften muss eine Verpackung aufweisen, um ein Produkt optimal, also nicht nur einmal, sondern wiederholt verkaufen zu können? Darüber gibt die Konsumentenforschung Aufschluss. Sie unterscheidet zwischen rationalen beziehungsweise extensiven Entscheidungskäufen, Habitualisierungskäufen, also Einkaufsgewohnheiten mit verfestigten Verhaltensmustern, und Impulsivkäufen, das heißt spontanen Käufen durch ein unmittelbar reizgesteuertes Entscheidungsverhalten, das in der Regel von Emotionen begleitet wird.
Die Habitualisierung basiert auf dem Bedürfnis nach Vereinfachung der täglichen Lebensführung, dem Wunsch nach kognitiver Entlastung und nach Vertrautheit mit Produkten des täglichen Bedarfs. Habitualisierungskäufe, auch Gewohnheitskäufe genannt, zeichnen sich durch ein geringes Kauf- und Situations-Involvement4 der Konsumenten aus, das heißt durch ein reduziertes Engaons-Involvement4 der Konsumenten aus, das heißt durch ein reduziertes Engagement beim Einkauf mit einem geringen Informationsbedarf und einer schnellen Informationsverarbeitung. Die Kaufentscheidungsprozesse laufen »ohne größere kognitive Steuerung und emotionale Beteiligung nahezu automatisch ab, denn je stärker der Kauf einer Produktkategorie zur Routine geworden ist, umso weniger bewusste Auseinandersetzung mit den Produkten oder den kommunizierten Werbebotschaften wird benötigt«5. Die Entstehung von Gewohnheiten ist als Ergebnis von Lernprozessen anzusehen, das heißt, aus einer extensiven Kaufentscheidung wird durch wiederholt zufriedene Erfahrungen mit dem Produkt ein rational entstandenes Gewohnheitsverhalten, wobei die Verpackungsgestaltung das eigentliche Objekt des Lernprozesses darstellt. Der Konsument wählt beim Einkauf von FMCGs jedoch nicht immer die gleiche Marke, sondern entscheidet sich aus einer Gruppe von akzeptierten Marken, dem sogenannten Evoked Set, je nach Situation für eine bestimmte Marke. Ein Ziel von Produkten beziehungsweise Verpackungen besteht folglich darin, in das Evoked Set der Zielgruppe aufgenommen zu werden.
Der Hang zur Habitualisierung kann als ein Persönlichkeitsmerkmal angesehen werden, das bei Konsumenten unterschiedlich stark ausgeprägt ist. Er wird unter anderem von der Risikoneigung eines Charakters beeinflusst. Je intensiver der Wunsch des Konsumenten ist, negativen Konsequenzen beziehungsweise der empfundenen Unsicherheit über mögliche Kauffolgen auszuweichen, desto stärker ist die Habitualisierung. Eine der bewährtesten risikoreduzierenden Strategien ist bekanntlich die Markentreue.
Kauft der Konsument häufig ein und dieselbe Marke, so kann man von einer gewissen Markentreue sprechen. Zur Analyse der Bedingungen von Markentreue führten Kroeber-Riel und Trommsdorff eine Befragung zu unterschiedlichen Gütern (von Kaffee bis zu Bekleidung) durch, um festzustellen, welche gemeinsamen Variablen hinter den gemessenen Werten für die Markentreue stehen. Sie stellten eine unterschiedliche Markentreue für folgende Produktgruppen fest:
Der Grad der Markentreue hängt nicht nur von der Produktklasse ab, sondern auch von der Geschäftstreue. Die Koeffizienten für die Korrelation von Markentreue und Geschäftstreue schwanken zwischen 0,70 und 0,90. Zudem existieren Abhängigkeiten zwischen Markentreue und soziodemografischen und psychologischen Merkmalen der Konsumenten. Die Markentreue ist bei älteren Personen im Durchschnitt stärker ausgeprägt, sie gehen weniger Risiko ein und sind insgesamt weniger flexibel. Auch bei Personen mit geringerem Status ist sie stärker ausgeprägt. Die Gründe hierfür liegen vor allem in dem geringeren Informationsniveau bei weniger gebildeten Personen und ihrer Unsicherheit beim Einkauf. Die Markentreue ist stärker, wenn der Prestigewert des Gutes hoch ist, insbesondere bei stark markierten Verbrauchsgütern, die durch das Markenimage Prestige und eine Aura verliehen bekommen. Darüber hinaus ist die Marken- beziehungsweise Produkttreue stärker ausgebildet, je ausgeprägter Eigenständigkeit, Alleinstellungsmerkmale und Substanz einer Marke sind. Substanz bedeutet in diesem Kontext die tatsächlichen, also kognitiv erfassbaren Vorteile eines Produkts im Vergleich zu Konkurrenzprodukten; Aura beziehungsweise Image beinhalten die emotionalen und »subjektiv-werblichen« Produkteigenschaften.
Bei der Einführung einer neuen Marke hängen der Markterfolg, der Aufbau und die Stabilisierung von Markentreue im Wesentlichen von drei Größen ab. Das erste Kriterium ist die sogenannte Marktdurchdringung, die misst, wie viele Erstkäufer die neue Marke gewinnen konnte. Die zweite Größe ist die Wiederholungskaufrate, die angibt, in welchem Ausmaß die gewonnenen Käufer die Marke wieder kaufen und damit die Gewähr für einen dauerhaften Umsatz bieten.6 Der dritte entscheidende Faktor für den Markterfolg einer neuen Marke ist das Kaufvolumen, das den Marktanteil der Marke angibt.
Neben habitualisiertem und markentreuem Kaufverhalten gilt Impulskäufen das besondere Interesse der Marketingstrategen und Konsumentenforscher. Reine Impulskäufe sind gekennzeichnet durch eine emotionale, affektive Aufladung des Konsumenten mit hoher Aktivierung, durch eine sehr geringe kognitive Kontrolle des Entscheidungsverhaltens und durch ein weitgehend automatisches Reagieren auf eine Kaufsituation. Dazu zählen die sogenannten »heißen« Impulskäufe zur Konfliktvermeidung, beim Kauf von Spaß/Unterhaltung und bei Dominanz von Zeitdruck und Stress sowie die sogenannten »kalten« Impulskäufe wie der oben erwähnte Habitualisierungskauf und der bedingte Kauf aufgrund der Persönlichkeitseigenschaft. Es ist eine weit verbreitete Meinung, dass der Impulskauf gleichzusetzen ist mit dem ungeplanten Kauf, das heißt, die Kaufentscheidung wird erst am POS entschieden. Ungeplante Käufe können jedoch neben reinen Impulskäufen auch dadurch entstehen, dass die Einkaufssituation lediglich den Anstoß für einen habitualisierten oder entscheidungsgesteuerten Kauf gibt. Es wird geschätzt, dass 40 bis 50 Prozent der Käufe des täglichen Bedarfs ungeplant sind. Die echten Impulskäufe als spontanes Handlungsbedürfnis dürften jedoch lediglich 10 bis 20 Prozent ausmachen. Eine große Rolle für Impulskäufe spielen die am POS dargebotenen Reize mit starkem Aktivierungspotenzial, zum Beispiel atmosphärische Reize wie Wühltische, stimulierende Musik, größere Einkaufswagen, Sonderangebote, Display- Material, Schaufensterdekorationen und die aktivierende Gestaltung von Produkten.
In der Konsumentenforschung wurde vielfach bestätigt, dass das Einkaufsverhalten der Konsumenten – und somit auch die subjektive Wahrnehmung von Verpackungsgestaltungen – je nach Kaufsituation variiert. So kann beispielsweise die Kaufentscheidung in der einen Situation aufgrund von Preisvergleichen getätigt werden, ausgelöst durch subjektiv empfundenen Zeitdruck, und in einer anderen Situation bei der identischen Produktkategorie auf Basis eines Vergleichs von Produkteigenschaften erfolgen. So kann es auch vorkommen, dass ein Konsument in der einen Produktkategorie nach dem Verfahren des niedrigsten Preises die zu kaufende Marke selektiert, während derselbe Konsument in einer anderen Produktkategorie die Kaufentscheidung nach einem ausgeprägten Markenbewusstsein und einer starken Markenloyalität trifft.
Hauptsächlich verantwortlich für diese Schwankungen im Konsumentenverhalten sind die Umweltdeterminanten. Kroeber-Riel und Weinberg7 unterscheiden zwischen physischer und sozialer Umwelt. Zur physischen Umwelt zählen die natürliche Umwelt wie zum Beispiel Landschaft und Klima sowie die vom Menschen geschaffene Umwelt wie Gebäude, Läden, Straßen und so weiter. Die soziale Umwelt beschreibt alle Einflussfaktoren, die von anderen Menschen ausgehen, ihre Interaktionen und die Organisationen, Werte und Normen. Die physische und soziale Umwelt wird unterschieden in nähere und weitere Umwelt, um die Nähe und Bedeutung des Einflusses zu erfassen. Darüber hinaus können alle Umweltfaktoren ihrerseits in reale, in direktem Kontakt erlebbare Umwelt und in mediale, also indirekt über Medien vermittelte Umwelt unterteilt werden. Diese Unterscheidung ist deswegen von besonderer Bedeutung, weil die Zeit, die Menschen vor dem Fernseher oder im Internet verbringen, deutlich zugenommen hat im Vergleich zu der Zeit, die sie nach »draußen« gehen, um die Wirklichkeit unmittelbar zu erleben.
Physische Umwelteinflüsse des Einkaufsverhaltens betreffen in erster Linie die Einkaufsstätte an sich.8 So wirken der Markenname der Einkaufsstätte, die Vertrautheit der Umgebung, die Gesamtverkaufsfläche, die Größe der Regale, Platzierung, Farben, Beleuchtung, Duftstoffe, Hintergrundmusik et cetera auf das Kaufverhalten der Konsumenten. Hochwertige Verkaufszonen sind vor allem die Hauptwege des Geschäfts, rechts vom Kundenstrom liegende Verkaufsflächen, Auflaufflächen, auf die der Konsument direkt blickt, Gangkreuzungen oder Kassenzonen.
Ebenso hat die Anzahl der Produkte im Regal einen Einfluss auf den Abverkauf. Packard9 berichtet von einer Studie, nach der die Kunden bei gefüllten Regalen 22 Prozent mehr von dem Produkt kaufen, als wenn die Regale nicht voll gefüllt sind. Zudem ist die Anzahl der sogenannten Facings, das heißt der nebeneinander platzierten identischen Produkte, von Bedeutung. Je mehr Facings ein Artikel einnimmt, desto dominanter ist die Präsenz im Regal und desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass der Konsument das Produkt wahrnimmt.
Konkurrenzprodukte haben ebenfalls Auswirkungen auf das Kaufverhalten der Konsumenten und die Akzeptanz eines Produkts. So verlieren Marken, zu denen der Konsument ein stark ausgeprägtes Markenwissen hat, an Akzeptanz, wenn sie sich in den Regalen in unmittelbarer Nachbarschaft zu anderen Marken mit geringerem Preisniveau befinden. Solche Markenprodukte sollten demnach separate Regalplätze erhalten. Dagegen gewinnen Marken mit schwach ausgeprägtem Markenwissen an Akzeptanz, wenn sie im Verbund mit anderen Marken präsentiert werden.
Soziale Umwelteinflüsse betreffen vor allem das Verkaufspersonal, den Käufer begleitende Personen, andere Kundschaft im Geschäft, die Familie, Meinungsführer, Bezugspersonen, aber auch unregelmäßige Beziehungsgruppen wie Kirche, Parteien, Gewerkschaften et cetera sowie die gesamte Medienwelt.
Die physische und soziale Umwelt wirkt direkt auf die Stimmung der Käufer, die ihrerseits in Zusammenhang mit dem Kaufverhalten steht. Je positiver die Stimmung der Konsumenten, desto besser werden relevante Informationen am Einkaufsort wahrgenommen und desto besser werden die Produkteigenschaften beurteilt. Mit steigendem Grad der Stimmung erhöhen sich darüber hinaus auch die Zahl der ungeplanten Käufe und die Zufriedenheit des Konsumenten mit dem Einkauf.
Für die Konzeption und Gestaltung von Verpackungen ist es deshalb wichtig, sämtliche Umweltdeterminanten zu analysieren, die einen Einfluss auf das Konsumentenverhalten haben können, und sie möglichst exakt nach den Zielgruppenbesonderheiten zu definieren. Ein gekühltes Lebensmittel muss zum Beispiel sowohl bei Neon- und Tageslicht als auch im heimischen Kühlschrank optimal sichtbar und wirkungsvoll sein.
Bevor ich die einzelnen Stufen analysiere, die zu habitualisiertem und markentreuem Käuferverhalten führen, und die in diesem Zusammenhang auftretenden Anforderungen an das Packungsdesign im Detail erörtere, will ich kurz auf das Wesen von Marken, Markenführung und der Markierung eingehen.
Der Begriff Marke wird in der Literatur unterschiedlich definiert. So bezeichnet Mellerowicz10 diejenigen Waren als Marken, die den folgenden Anforderungen entsprechen:
Im weiteren Verlauf dieses Buches werde ich die Definition des Begriffs Marke von Meffert übernehmen:
Eine Marke ist ein in der Psyche des Konsumenten verankertes, unverwechselbares Vorstellungsbild von einem Produkt oder einer Dienstleistung.
»Die zugrunde liegende markierte Leistung wird dabei in einem möglichst großen Absatzraum über einen längeren Zeitraum in gleichartigem Auftritt und in gleich bleibender oder verbesserter Qualität angeboten.«11
Marken können entweder Herstellermarken, klassische Handelsmarken oder Gattungsmarken sein. Die Herstellermarke ist gekennzeichnet durch eine Markierung vom Hersteller mit breiter Distribution und hohem Qualitätsniveau bei variierendem Verkaufspreis und hohem Anspruchsniveau der Verpackung. Bei der klassischen Handelsmarke erfolgt die Markierung vom Handel bei einer begrenzten, über ausschließlich zur Handelsgruppe gehörenden Märkten erfolgenden Distribution bei mittlerem Qualitäts- und Preisniveau und einem einheitlichen Verkaufspreis. Die Verpackung weist in der Regel ein mittleres Anspruchsniveau auf. Ein typisches Beispiel für eine klassische Handelsmarke ist die Marke Privileg des Quelle-Versandhauses. Eine Gattungsmarke zeichnet sich durch eine vom Handel getragene Markierung, begrenzte Distribution bei Mindest- beziehungsweise Standardqualität und einheitlichen, niedrigen Verkaufspreis sowie bewusst reduziertes Anspruchsniveau der Verpackung aus. Typische Beispiele sind die sogenannten »Weißen«, zum Beispiel die Gattungsmarke ja! von Rewe.
Die Entwicklung und Pflege der Marke als marketingorientierte Maßnahme bezeichnet man als Markenführung. Unter Markenführung versteht man demnach die absatzpolitische Strategie eines oder mehrerer Markenartikel. Für das Verpackungsdesign hat diese sogenannte Markenarchitektur eine hohe Bedeutung, weil sie Wirkungsmechanismen, Wahrnehmungen und Designvorgaben entscheidend mitbestimmt. Grundsätzlich können vier Markenführungsstrategien unterschieden werden:
Einzelmarkenstrategie (beziehungsweise Produktmarken- oder Monomarkenstrategie)
In diesem Fall wird jedes Produkt als eigene Marke positioniert und auf dem Markt angeboten, das heißt, das Produkt und die Marke sind identisch, wie zum Beispiel Jägermeister, Mon Chéri oder Mars. Die Verpackungsgestaltung konzentriert sich auf diese eine Monomarke, ohne auf eine Einheitlichkeit beziehungsweise Verwandtschaft zu anderen Produkten des Unternehmens zu achten. Die Vorteile liegen vor allem
Das bedeutet: Je spezifischer die Markenleistung ist, desto höher kann der Kompetenzanspruch der Marke durch Verpackungsgestaltung beziehungsweise Branding und Kommunikation aufgebaut werden. Bei Monomarken muss jedoch berücksichtigt werden, dass das Produkt allein sämtliche Markenaufwendungen tragen muss. Die Aufwendungen für Werbung oder Synergieeffekte können nicht – beziehungsweise nur im Zuge von Mehrmarkenstrategien – genutzt werden. Daneben besteht die Gefahr der drastischen Marktanteilsverluste im Zuge vermehrter Herstellermarken beziehungsweise des Verlusts der Produkt- und Markenpersönlichkeit.
Familienmarkenstrategie (beziehungsweise Range- oder Programmmarkenstrategie)
Bei Familienmarkenstrategien werden mehrere Produkte unter einer Marke dargeboten, die in aller Regel nach bedarfsorientierten Gesichtspunkten zusammengestellt sind und deren Verpackungsdesigns eine einheitliche Klammer im Auftritt aufweisen. Beispiele hierfür sind die Marken Nivea, Schauma oder Du darfst. Die Chancen der Familienmarkenstrategie liegen vor allem
Die Gefahren bei Familienmarkenstrategien beziehen sich vor allem auf eventuelle negative Ausstrahlungseffekte auf andere Produkte der Markenfamilie, falls eine konstante Qualität und Ähnlichkeit der Produkte nicht eingehalten werden kann, eine vertikale Positionierung durch differente Images der Einzelprodukte möglich ist oder unterschiedliche Anmutungsqualitäten bei den Zielgruppen angesprochen werden.
Dachmarkenstrategie (beziehungsweise Company-Markenstrategie)
Bei dieser Kategorie werden alle Produkte eines Herstellers unter einer Marke angeboten, wie zum Beispiel Sarotti, Ellen-Betrix-Kosmetik oder Boss. Die Chancen der Dachmarkenstrategien liegen vor allem
Probleme können durch die sogenannte Verwässerung der Markenkompetenz, also die Schwächung durch hohen Diversifikationsgrad entstehen. In diesem Fall könnte eine Dachmarke nicht klar profiliert werden. Darüber hinaus besteht bei den Dachmarkenstrategien generell noch das Risiko, dass unterschiedliche Qualitätsstufen negative Ausstrahlungseffekte auch auf die Premiumprodukte haben können. Dachmarkenstrategien können der Grund dafür sein, dass mehr als zwei Marken auf Verpackungen integriert werden. Dies führt in Extremfällen wie im Beispiel von 3M (3M, Scotch, Post-it) dazu, dass zeitweise bis zu fünf Marken gleichzeitig auf einem Produkt dargestellt werden.
Mehrmarkenstrategie
Bei Mehrmarkenstrategien werden mehrere Marken in einem Produktbereich parallel angeboten, wie zum Beispiel Waschmittel von Henkel. Die Vorteile liegen vor allem darin, dass
Die Risiken bei der Mehrmarkenstrategie sind vor allem in der Kannibalisierung der eigenen Marken durch den Substitutionseffekt und durch die Gefahr der Übersegmentierung gegeben.
Die Positionierung und die Profilierung einer Marke erfolgen in mehreren Stufen. Ein beispielhafter Ablauf für diesen Prozess ist in Abbildung 1 wiedergegeben. In einem ersten Schritt werden die Zielgruppen im Rahmen der Marktsegmentierung zu mehr oder weniger homogenen Gruppen zusammengefasst, um die Bedürfnisse und Einstellungen zu analysieren. Daraus resultieren Hypothesen für Problemlösungsideen, die ein Unternehmen für ein Produkt
Abbildung 1: Prozess der Markenpositionierung und Markenprofilierung
(Quelle: Meffert, 1998, S. 789)
beziehungsweise eine Marke als Kerndimension nutzen können. Unter der sogenannten Markendominanz wird daraufhin überprüft, inwieweit die Kerneigenschaften der Marke den produktbezogenen Idealanforderungen der Zielgruppe entsprechen. In einem weiteren Schritt muss ein hohes Maß an Differenzierungsfähigkeit gegenüber den Konkurrenzprodukten sichergestellt werden, um eine wettbewerbsfähige Markenposition aufzubauen. Hierfür bieten sich vor allem die folgenden drei Möglichkeiten an:
Nach der Definition der dominierenden und differenzierenden Produkteigenschaften und der Festlegung des strategischen Markenkerns erfolgt die Markengestaltung, die sich aus Markenname, Markenlogo, Verpackung und Qualität zusammensetzt. Diese bilden die sogenannte Markierung. Durch eine wirksame sozialtechnische und strategische Gestaltung soll damit eine Marke entwickelt werden, die positionierungsrelevante Assoziationen vermittelt, prägnant gestaltet und diskriminationsfähig ist. Ein Musterbeispiel für eine solche Markierung ist die Marke Ferrero Rocher:
»Der Name dieser Praline vermittelt die Exklusivität und das Besondere des Produkts, da ›Rocher‹ Assoziationen wie exklusiv, edel, königlich und so weiter hervorruft. Die Verpackungsgestaltung in den Farben Gold für die Rocher-Kugel und deren Platzierung in einer braunen Papierunterlage konnotiert ebenfalls etwas Besonderes und Exklusivität. Die Farbe Gold wird häufig mit der Eigenschaft ›exklusiv‹ verbunden. Das Einbetten der goldenen Rocher-Kugel in einem Papier weckt Assoziationen an eine Perle in einer Muschel. Insofern leisten die Markierungselemente gemeinschaftlich einen Beitrag zur Vermittlung positionierungsrelevanter Assoziationen. Darüber hinaus ist die Gestaltung prägnant und diskriminationsfähig, da diese sich hinreichend vom Konkurrenzumfeld abhebt und zudem gut erkennbar ist.«12
Im Rahmen der Markenintegration werden das Produktprogramm, die Preispolitik, die Distributionspolitik und die Kommunikationspolitik aufeinander abgestimmt entwickelt. Diese acht Bereiche sind der Kern des integrierten Markenkonzepts, bei dem die Verpackung einen zentralen Baustein darstellt.
Die bisher beschriebenen Punkte bezeichnen den Markenaufbau, während die Markenpenetration, also die Durchsetzung der Marke am Markt, und die Markenadaption, das heißt die Anpassung an Veränderungen im Konsumentenund Wettbewerbsverhalten, die Markenführung auszeichnen.