DAS GEHEIMNIS DES LAUFENS
Gerard Nijboer, Olympiazweiter und Europameister im Marathon
„Ein höchst interessantes Buch, dessen Lektüre mich an mein erstes Laufbuch, „The Complete Book of Running“ von James Fix, erinnerte. Mit viel Liebe zum Detail fesselt es von der ersten bis zur letzten Seite. Eine echte Empfehlung für den ambitionierten Läufer.“
Hunter Allen, legendärer Coach und Mitentwickler der TrainingsPeaks’-WKO+-Software
„Nachdem ich mit Dr. Coggan „Training and Racing with a Power Meter“ geschrieben hatte, nutzten Spitzentrainer die darin enthaltenen Infomationen und wurden Weltexperten. Die Autoren von „Das Geheimnis des Laufens“ sind solche Experten. Sie nutzten die Gesetze der Natur, um Leistungen im Lauf- und Radsport zu beschreiben und zu berechnen. Die im Buch enthaltenen Konzepte werden dem Leser dabei helfen, seine eigene Leistung zu verbessern.“
Asker Jeukendrup, (Sport)ernährungswissenschaftler, Professor für Sportwissenschaften
„Eines der besten Bücher über Ausdauerleistung, die ich je gelesen habe, mit einer datenbasierten analytischen Herangehensweise. Die vielen praktischen Beispiele erleichtern dem Leser das Verständnis und ermöglichen es ihm, die Informationen zur Verbesserung seiner eigenen Leistung zu nutzen. Der Durchbruch von Leistungsmessern im Laufsport wird kritisch analysiert, einschließlich ihrer Möglichkeiten zur Verbesserung von Laufökonomie und -leistung.“
Maria Hopman, Professor für integrative Physiologie, Radboud Universität Nimwegen
„Mir gefällt die quantitative Herangehensweise an die Physik und Physiologie des Laufens in diesem Buch. Sie ist meines Erachtens wichtig, um sportliche Leistungen zu verstehen und zu verbessern. Ich denke, dass dieses Buch eine Hilfe für Trainer und Läufer darstellt, da es Theorie und Praxis auf sehr verständliche Weise miteinander verbindet.“
Anmerkungen
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit haben wir uns entschlossen, durchgängig die männliche (neutrale) Anredeform zu nutzen, die selbstverständlich die weibliche mit einschließt.
Das vorliegende Buch wurde sorgfältig erarbeitet. Dennoch erfolgen alle Angaben ohne Gewähr. Weder die Autoren noch der Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch vorgestellten Informationen resultieren, Haftung übernehmen.
aus dem Englischen übersetzt von SILKE SCHMIDT
Der englischen Version "The Secret of Running" liegen die beiden niederländischen Werke von Hans van Dijk und Ron van Megen: Hardlopen met Power!, een hardlooprevolutie
© 2016 NedRUN publisher, Leusden und
Het Geheim van Hardlopenl
© 2014, NedRun, Leusden zugrunde.
Der Übersetzung ins Deutsche liegt die englische Version
Hans van Dijk und Ron van Megen: „The Secret of Running” zugrunde.
© 2017 Meyer & Meyer Sport (UK) Ltd.
Übersetzung: Silke Schmidt, Leiden
Das Geheimnis des Laufens
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Details sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar.
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie das Recht der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form – durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren – ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, gespeichert, vervielfältigt oder verbreitet werden.
© 2017 by Meyer & Meyer Verlag, Aachen
Auckland, Beirut, Dubai, Hägendorf, Hongkong, Indianapolis, Kairo, Kapstadt, Manila, Maidenhead, Neu-Delhi, Singapur, Sydney, Teheran, Wien
Member of the World Sport Publishers’ Association (WSPA)
ISBN 978-3-8403-3648-5
E-Mail: verlag@m-m-sports.com
www.dersportverlag.de
Warum dieses Buch?
Teil I Die Grundlagen des Laufens
1 Laufen ist gesund!
2 Laufen macht Spaß!
3 Sportphysiologie
4 Trainingsprinzipien
5 Trainingspläne
6 Sporternährung
Teil II Die Physik des Laufens
7 Energie
8 Leistung
9 Leistungsvoraussetzungen für verschiedene Sportarten I
10 Leistungsvoraussetzungen für verschiedene Sportarten II
11 Das Laufmodell
12 Die Energiekosten für das Laufen auf einer flachen Strecke
13 Die Energiekosten zur Überwindung des Luftwiderstands
14 Die Energiekosten zur Überwindung von Steigungen
15 Das Laufmodell und die Standardbedingungen
Teil III Die Leistung des menschlichen Motors
16 Der Zusammenhang zwischen Leistung und Belastungsdauer
17 Die Grenzen menschlicher Leistungsfähigkeit
18 Die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max)
19 Die Funktionsleistungsschwelle (FTP)
20 Der Zusammenhang zwischen FTP und VO2max
Teil IV Wie schnell kann ich laufen?
21 Der Einfluss der funktionellen Schwellenleistung (FTP)
22 Die Weltrekorde der Männer und Frauen
23 Der Einfluss des Alters
24 Die Weltrekorde der Master
25 Die Leistung der Frauen
26 Der Leistungsindex
27 Der Einfluss des Körpergewichts
28 BMI, Körperfettanteil und Laufgewicht
29 Wie man Körperfett verliert und fit wird
30 Der Einfluss des Trainings
31 Wie schnell sollte man im Training laufen?
32 Der Einfluss der Herzschlagfrequenz
33 Der Zusammenhang zwischen HF und Lauftempo
34 Der Einsatz eines Pulsmessgeräts in Training und Wettkampf
35 Wie zuverlässig und nützlich ist die Software einer Laufuhr?
36 Der Einfluss der Laufökonomie (RE)
37 Laufdynamik I: Laufstil
38 Laufdynamik II: Schrittlänge und -frequenz
39 Laufdynamik III: Laufökonomie
40 Der Einfluss des Ermüdungswiderstands
41 Der Einfluss von Höhentraining
42 Der Einfluss der Streckenbedingungen
43 Der Einfluss des Laufschuhs
44 Der Einfluss fehlenden Luftwiderstands
45 Wie schnell könnte Usain Bolt die 100 m in Mexiko-Stadt laufen?
46 Der Einfluss von Windschatten
47 Der Einfluss von Wind
48 Der Einfluss von Steigungen
49 Der Einfluss der Höhe
50 Wie lange braucht man für den Anstieg nach Alpe d’Huez?
51 Was ist schwieriger: Nach Alpe d’Huez hochlaufen oder gegen Windstärke 7 ankämpfen?
52 Der Einfluss von Temposchwankungen
53 Der Einfluss der Temperatur
54 Die Gefahren bei Hitze
55 Der Foster-Kollaps: Wenn Läufer zum Ziel kriechen
56 Der Einfluss von Regen, Wind und Kälte
57 Der Marathon I: Der Mann mit dem Hammer
58 Der Marathon II: Der Einfluss von Carboloading
59 Der Marathon III: Der Einfluss von Sportgetränken
60 Der Marathon IV: Tipps und Tricks
61 Wie schnell kann man radfahren, eislaufen oder eine Treppe hochlaufen?
62 Die maximale Leistung von Sprintern und Langstreckenläufern
Teil V Die Verwendung von Laufleistungsmessern
63 Laufleistungsmesser: Eine Revolution im Laufsport
64 Wie zuverlässig sind Laufleistungsmesser?
65 Wie lässt sich die Laufökonomie mit einem Laufleistungsmesser messen und verbessern?
66 Wie lassen sich FTP und Trainingszonen mit einem Laufleistungsmesser bestimmen?
67 Warum sollte ich im Training einen Laufleistungsmesser verwenden?
68 Warum sollte ich im Wettkampf einen Leistungsmesser verwenden?
69 Tipps für den täglichen Gebrauch
70 Labortests
Teil VI Laufmythen
71 Ein Marathon unter zwei Stunden?
72 Ernährung, Nahrungsergänzungsmittel und Rote-Bete-Saft
73 Vitamin-D-Mangel
74 Nicht zu viele Pillen!
75 Jack Daniels’ Laufformel
76 Unsere Vorfahren waren Langstreckenläufer!
77 Warum sind Sprinter auch gute Springer?
78 Die unglaublichen Leistungen des Ed Whitlock
79 Haile Gebrselassie – der größte Läufer aller Zeiten
Literaturnachweis
Silke Schmidt
Bildnachweis
„In der Theorie gibt es keinen Unterschied zwischen Theorie und Praxis. In der Praxis schon!“
Unsere vorigen, auf Niederländisch erschienenen Bücher1,2,3, waren in niederländischen und belgischen Läufer- und Radfahrerkreisen sofort ein Erfolg. Offensichtlich teilen Tausende von Läufern und Radfahrern unsere Leidenschaft, das Leistungsvermögen unseres „menschlichen Motors” zu verstehen, zu messen und zu optimieren und unsere erreichbare sportliche Leistung zu berechnen und vorherzusagen. Mehr als 10.000 Exemplare unserer Bücher wurden auf dem relativ kleinen niederländischen Markt bereits verkauft. Wir erhalten bergeweise begeisterte Reaktionen von Lesern, die unseren quantitativen Ansatz „eine Offenbarung unter den Sportbüchern” nennen. Die Wettkampf-Prognose-Rechner auf unseren Webseiten www.thesecretofrunning.com und www.thesecretofcycling.com werden von vielen Tausend Läufern und Radfahrern benutzt, die Freude daran haben, auszurechnen, wie sie ihre Leistung optimieren können.
Die Autoren dieses Buches teilen ihre Leidenschaft für den Laufsport und die Wissenschaft. Nachdem Hans van Dijk 2011 mit 57 Jahren als Professor an der TU Delft emeritiert wurde, widmete er sich noch einmal mit voller Energie dem Laufsport und der damit verbundenen Wissenschaft. Er wollte herausfinden, ob er auch in seinem Alter noch fitter und schneller werden kann. Hans war seit 1980 ein engagierter Läufer, doch wie in der unten stehenden Grafik zu erkennen ist, hatten sich seine Laufzeiten über die Jahre hinweg langsam verschlechtert. Natürlich wird der altersbedingte Leistungsabfall unsere Leser nicht überraschen, die Tatsache, dass Hans nach 2011 erheblich schneller wurde, dagegen schon. Seit 2013 gelang es ihm sogar, mehrfacher niederländischer Meister (Altersklasse M60) zu werden. Die Gründe für diese erstaunliche Verbesserung sind Thema dieses Buches. Der Leser erhält Einsichten in die Faktoren, die seine eigene Leistung bestimmen, und erfährt, wie er fitter und schneller werden kann.
Da wir beide Wissenschaftler und Ingenieure sind, waren wir mit den traditionellen Laufbüchern, die meist auf den Erfahrungen von Läufern und Trainern basieren, nicht zufrieden. Sie beschreiben die leistungsbestimmenden Faktoren nur qualitativ. Wir waren an Zahlen und Formeln interessiert, die es uns ermöglichen, die Leistung exakt zu bestimmen. Außerdem wollten wir eine klare Trennung zwischen wissenschaftlichen Beweisen und der Meinung von Läufern und Trainern. Deshalb haben wir wissenschaftlich fundierte Modelle für alle, die Laufleistung bestimmenden Faktoren entwickelt und sie an Messdaten überprüft.
Ein einfaches Beispiel ist der Einfluss des Körpergewichts auf die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2 max) und die daraus resultierende Laufleistung. 2012 beschloss Hans, abzunehmen. In sechs Monaten verlor er 15 % seines Körpergewichts (von 67,5 kg auf 57,5 kg). Wie die folgende Abbildung zeigt, steigerte sich seine VO2max in dieser Zeit beständig und proportional zu seinem Gewichtsverlust (zum Schluss um dieselben 15 %). Das bestätigt, wie später noch näher erläutert, den theoretischen Zusammenhang zwischen Körpergewicht und Laufleistung. Wer fitter und schneller werden will, wird also schon erste Erfolge verbuchen, indem er sich von überflüssigem Körperfett verabschiedet.
Wir haben ein neues und vollständiges Laufmodell entwickelt, das auf den Gesetzen der Physik und der Physiologie beruht. Mit unten abgebildetem Modell lässt sich die Laufzeit genau berechnen.
Das Modell beruht darauf, dass Muskulatur und Herz-Kreislauf-System zusammen den „menschlichen Motor” bilden. Dieser hat ein bestimmtes Leistungsvermögen, das traditionell durch die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max) oder besser die maximale Leistung P (in Watt) charakterisiert wird. Natürlich hängt die Leistung P von Talent, Training, Belastungsdauer oder Streckenlänge, Höhe, Tapering und anderen Faktoren ab.
Im Gleichgewicht wird die Leistung P des menschlichen Motors genutzt, um den Laufwiderstand Pr, den Luftwiderstand Pa sowie den Steigungswiderstand Pc zu überwinden. Folglich können wir Lauftempo und Wettkampfzeit berechnen, wenn die Wettkampfbedingungen (Streckenlänge, Streckenprofil, Wind, Temperatur, Höhe etc.) bekannt sind.
Wir halten unser Laufmodell im Vergleich zu anderen, etwa dem bekannten VDOT-Modell von Jack Daniels8, für einen wesentlichen Fortschritt. Die früheren Modelle gingen nicht von den Gesetzen der Physik und der Physiologie aus, wodurch sie ungenauer sind und keine exakten Berechnungen zum Einfluss verschiedenster Größen erlauben.
Einen weiteren Fortschritt stellt unser Modell der menschlichen Physiologie dar. Anhand der Biochemie der vier Energiesysteme der menschlichen Muskulatur gelang es uns, die absoluten Grenzen menschlicher Leistung als Funktion der Belastungsdauer zu berechnen (siehe unten stehende Abbildung).
Unsere Berechnungen zeigen, dass die absolute Grenze menschlicher Leistung mit den aktuellen Weltklasseleistungen im Laufen, Radfahren und anderen Sportarten genau übereinstimmt.
Wir haben noch nie einen Läufer getroffen, der nicht schneller werden wollte. Außerdem möchten die meisten von uns wissen, welche Faktoren ihre Laufleistung beeinflussen. Deshalb haben wir sie im vorliegenden Buch systematisch analysiert. In 79 Kapiteln findet der Leser Antworten auf Fragen wie diese:
»Wie groß ist die Leistung des eigenen menschlichen Motors?
»Wie schnell kann man mit seinem menschlichen Motor laufen?
»Wie viel langsamer wird man mit zunehmendem Alter?
»Wie viel schneller wird man durch den Verlust von Körperfett?
»Wie viel schneller wird man durch Training?
»Wie schnell sollte man trainieren?
»Wo liegen die menschlichen Leistungsgrenzen? Wo liegt die absolute Grenze bei Weltrekorden?
»Ist es möglich, einen Marathon unter zwei Stunden zu laufen?
»Wie viel Energie verbraucht man auf einem flachen Parcours?
»Wie beeinflusst der Luftwiderstand die Wettkampfzeit?
»Wie viel Zeit verliert man durch Wind?
»Wie groß ist der Einfluss von Tempomachern? Wie viel Zeit gewinnt man, wenn man in einer Gruppe läuft?
»Wie viel schneller könnte Usain Bolt die 100 m in Mexiko-Stadt laufen?
»Wie viel langsamer läuft man bergauf, wie viel schneller bergab?
»Welche Rolle spielt die Laufökonomie?
»Wie groß ist der Einfluss von Laufrhythmus und Schrittlänge, der sogenannten Laufdynamik?
»Wie viel schneller läuft man mit Rennschuhen?
»Welchen Einfluss hat die Ernährung, zum Beispiel das Speichern von Kohlenhydraten vor einem Marathon?
»Wie gut und zuverlässig sind Laufleistungsmesser?
»Kann man seine Laufökonomie mit Laufleistungsmessern verbessern?
Jüngst wurden die ersten Laufleistungsmesser entwickelt4. Damit gehört der Leser dieses Buches zur ersten Läufergeneration, die tatsächlich jeden Tag die Leistung ihres menschlichen Motors in Echtzeit messen kann. Wir haben die Zuverlässigkeit der Leistungsmesser der Marke Stryd geprüft und waren beeindruckt. Unten stehende Abbildung zeigt, dass die Stryd-Daten genauso gut waren wie die der VO2max-Messungen aus einem Labor, die bis jetzt immer als Goldstandard physiologischer Forschung galten.
Aufgrund unserer Untersuchungen glauben wir, dass Leistungsmesser den Laufsport ähnlich bahnbrechend beeinflussen werden wie bereits den Radsport. Anhand der mit ihnen gewonnenen Daten können Läufer ihr tägliches Training sowie ihre Rennen optimieren. Außerdem ist es endlich möglich, die eigene Laufökonomie quantitativ zu bestimmen und sie anhand von Daten über den spezifischen Energieverbrauch beim Laufen zu verbessern.
Hans van Dijk ist Läufer und Wissenschaftler mit Leib und Seele. Nach seiner Emeritation als Professor für Wasserwirtschaft an der TU Delft widmete er sich sportwissenschaftlichen Fragestellungen. Er entwickelte neue Konzepte und Modelle für Ausdauersportarten, insbesondere für den Lauf- und Radsport, und schrieb Bücher und Beiträge darüber. Zu seiner Freude führte seine Forschungsarbeit auch zu einer eindrucksvollen Verbesserung seiner eigenen Wettkampfzeiten im Alter von 60 Jahren. Hans hat auch die Wettkampfrechner für den Lauf- und Radsport entwickelt, mit denen der Leser seine eigene Leistung analysieren und berechnen kann.
Ron van Megen ist ebenfalls ein begeisterter Läufer, Ingenieur sowie selbstständiger Unternehmer. Seit mehr als 30 Jahren ist er Hans’ Freund und Laufpartner. Er liebt es, seine Wettkampfergebnisse quantitativ zu bestimmen und alle neuen Technologien für den Laufsport zu nutzen, zum Beispiel Laufleistungsmesser. Natürlich möchte auch er seine Laufleistungen verbessern, und so war er hocherfreut, als er sie mit 55 Jahren um 20 % steigern konnte. Ron ist für die Produktion des Buches verantwortlich, viele der Fotos stammen von ihm.
Die Autoren unterhalten die Webseite www.thesecretofrunning.com. Dort findet der Nutzer viele Artikel, Kolumnen, Presseberichte, Fragen von Lesern, unsere Antworten darauf sowie unsere Laufzeitrechner, mit denen sich die von vielen Variablen abhängige Wettkampfzeit berechnen lässt. Die Autoren begrüßen Reaktionen von Lesern weltweit. Wir hoffen, dass Sie Gefallen an den Laufzeitrechnern finden und uns über Ihre Erfahrungen damit berichten.
Hans van Dijk and Ron van Megen
Leusden, Niederlande, September 2016
„Ich habe zwei Ärzte, mein linkes und mein rechtes Bein.“ – George M. Treveyan
Eine niederländische Zeitschrift fasste die Vorteile des Laufens einmal unter der Überschrift Wundermittel in Reichweite! zusammen. Tägliche Bewegung, vor allem Laufen, ist tatsächlich ein Wundermittel. Wer etwas für seine Gesundheit und Fitness tun will, wird am besten Läufer.
Tägliches Lauftraining hat unglaublich positive Auswirkungen auf die körperliche und geistige Gesundheit. Umgekehrt stellt Bewegungsmangel das allergrößte Gesundheitsrisiko in westlichen Gesellschaften dar, mehr noch als das Rauchen. Ein Artikel in The Lancet vom Juli 20125 kam zu dem Schluss, dass momentan eine von 10 Personen an Bewegungsmangel stirbt. Weltweit sind das jährlich 5,3 Millionen gegenüber 5,1 Millionen Rauchertoten.
Die Bedeutung körperlicher Fitness ist eine uralte Weisheit. Schon die alten Römer wussten, dass mens sana in corpore sano weilt, das heißt ein gesunder Geist in einem gesunden Körper. Gerade Laufen trägt auf vielfältige Weise zur Verbesserung von Gesundheit und Fitness bei:
1.Tägliches Training hat einen direkten positiven Effekt auf die körperliche Fitness. Allmählich verändert sich der Körper zu dem eines Athleten.
2.Die Lebensweise wird automatisch gesünder, indem man auf seine Ernährung achtet, keinen oder wenig Alkohol trinkt und nicht raucht.
3.Die Blutwerte sowie andere Gesundheitsparameter verbessern sich.
4.Das Immunsystem wird gestärkt, das Krankheitsrisiko sinkt.
Laufen hat auch einen positiven Effekt auf die geistige Gesundheit, wie Millionen Läufer jeden Tag erfahren. Näheres dazu im nächsten Kapitel.
Der positive Einfluss von Training auf die körperliche Fitness:
1.Die Sauerstoffkapazität des Herz-Lungen-Systems verbessert sich signifikant.
2.Die Herzschlagfrequenz sinkt unter Belastung wie in Ruhe.
3.Das Herz wird gestärkt und arbeitet effizienter.
4.Der Blutdruck sinkt, und die Blutgefäße werden elastischer.
5.Die Lungen werden gestärkt und arbeiten effizienter.
6.Die Muskulatur wird gestärkt (insbesondere von Herz, Lunge und Beinen).
7.Die Knochen werden gestärkt.
8.Die Gelenke werden beweglicher und elastischer.
9.Die Energieproduktion der Muskulatur wird effizienter.
10. Der Körper verliert Masse.
Sportmediziner und Trainer wissen um das enorme Vermögen des menschlichen Körpers, sich Trainingsreizen anzupassen. Durch tägliches Training können wir ihm schrittweise mehr Leistung bei weniger Anstrengung abverlangen. Sowohl die konditionellen Fähigkeiten (Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit, Beweglichkeit) als auch koordinative Aspekte sind trainierbar.
Wir haben zwar keine wissenschaftlichen Artikel gefunden, die sich damit befassen, warum Läufer automatisch ihren Lebensstil ändern. Es scheint jedoch eine Korrelation zu geben. So haben wir noch nie einen ernst zu nehmenden Läufer getroffen, der raucht. Die Kantinen von Leichtathletikvereinen waren schon lange rauchfrei, bevor es die Gesetzgebung vorschrieb. Fast alle Läufer ändern ihre Ess- und Trinkgewohnheiten nach einiger Zeit. Sie entwickeln ein größeres Körperbewusstsein und erkennen, dass sich Kondition und Leistung durch gesunde Ernährung verbessern. Du bist, was du isst.
Der positive Einfluss von Training auf verschiedene Gesundheitsparameter:
1.Die Cholesterinwerte verbessern sich (Abnahme von LDL, Zunahme von HDL).
2.Der Insulinspiegel sinkt.
3.Die Blutzuckerwerte sinken.
4.Die Knochendichte erhöht sich.
5.Der Körperfettanteil sinkt merklich.
6.Das Blutplasmavolumen steigt.
7.Die Hämoglobin- und Myoglobinwerte steigen.
8.Die Pufferkapazität des Bluts steigt.
9.Das Immunsystem arbeitet effektiver.
10. Die Hormonwerte im Gehirn verbessern sich (weniger Adrenalin, mehr Serotonin).
11. Die Muskelenzyme arbeiten effizienter.
12. Die Harnsäure im Blut nimmt ab.
Die positiven Auswirkungen des Laufens sind enorm. Wir werden fitter, und unser Körper wird athletischer. Außerdem beeinflusst die sportliche Aktivität allerlei körperliche Prozesse, in deren Folge sich Blutwerte und andere Gesundheitsparameter verbessern (siehe unten stehender Kasten).
Regelmäßige Bewegung schützt vor Krankheiten. Kein Wunder, dass, angesichts dieser Tatsache manche Krankenversicherungen in den USA Läufern bereits einen Rabatt anbieten. In den Niederlanden und in Deutschland beteiligen sich einige Krankenkassen am Mitgliedsbeitrag für Vereine und Sportschulen. Auch zur Therapie bei körperlichen wie psychischen Erkrankungen wird Laufen eingesetzt.
Training senkt das Risiko für:
1.Herz-Kreislauf-Erkrankungen,
2.Diabetes,
3.Osteoporose,
4.Schlaganfall,
5.verschiedene Krebsarten (Darm, Gebärmutter, Brust),
6.verschiedene Lungenkrankheiten (Bronchitis, Lungenemphysem, Asthma),
7.Depressionen, Angstzustände und Stress,
8.rheumatische Arthritis,
9.Mukoviszidose,
10. altersbedingte Probleme und
11. Gicht.
Natürlich darf Laufen nicht als Allheilmittel gesehen werden. Wir stellen jedoch an uns selbst und anderen fest, dass regelmäßiges Training die Lebensqualität enorm verbessert. Wir hoffen, dass der Leser dieselbe Erfahrung macht und den Laufsport ebenso genießt wie wir.
„Jeder Tag ist ein guter Tag, wenn man läuft!“
Läufer sind in positivem Sinn süchtig nach ihrem Sport, dem Training an der frischen Luft, am liebsten in freier Natur. So streifen Hans und Ron seit mehr als 30 Jahren fast jeden Sonntagmorgen zusammen durch die herrliche Umgebung rund um ihre niederländische Heimatstadt Leusden. Auf ihren langen Läufen genießen sie die Landschaft mit ihren prächtigen Heidefeldern, den geheimnisvollen Wäldern und historischen Wahrzeichen. Sie begegnen Rehen, Eichhörnchen, Spechten und Raubvögeln, während sie sich über ihre Arbeit und das Leben unterhalten. Wenn sie nach 20-30 km wieder nach Hause kommen, sind sie müde, aber glücklich und voller Energie.
Der positive Einfluss von Training auf die geistige Gesundheit und das Wohlbefinden:
1.Man fühlt sich besser.
2.Man schläft tief und fest und wacht am nächsten Morgen gut gelaunt auf.
3.Man wird ruhiger und gelassener.
4.Man ist stolz auf seine Leistung und seinen Körper.
5.Man fühlt sich jünger und fitter.
6.Die Konzentrationsfähigkeit steigt.
7.Man bekommt neue Ideen und sieht klarer.
8.Man freut sich am Leben und hat mehr Energie.
9.Man fühlt sich freier und hat mehr Kontrolle über sein Leben.
10. Die Willensstärke steigt.
11. Man wird stressbeständiger.
12. Die Lebensqualität steigt.
Das sind die Momente, in denen wir das Leben am intensivsten erfahren, Gefühle von Freiheit, Glück und Stärke empfinden. Wer weiß, vielleicht handelt es sich dabei noch um ein Erbe des Urmenschen, der, durch die Natur streifend, seiner Beute folgte. Die positiven Auswirkungen sportlicher Bewegung auf die geistige Gesundheit und unser Wohlbefinden sind vielfältig (siehe Kasten).
Wer nicht läuft und es noch nie am eigenen Leib erfahren hat, mag das vielleicht nicht glauben. Doch fast jeder, der einmal mit dem Laufen angefangen hat, wird es bestätigen. Man verlässt das Haus, stellt sich den Elementen und genießt die Bewegung in freier Natur. Nach einer Weile wird der eigene Körper zum Freund, man fühlt sich fitter und glücklicher. Selbst Anfänger werden schon bald zu Botschaftern dieses schönen Sports und beginnen, von seinen vielen Vorteilen zu schwärmen.
Wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass beim Laufen die Hormone Endorphin und Serotonin freigesetzt werden. Diese Hormone können Glücksgefühle hervorrufen, die Langstreckenläufer in Form des sogenannten Runner’s High erfahren. Leider produziert nicht jeder Mensch dieselbe Menge davon, und es kann eine Weile dauern, bis man sich statt müde glücklich fühlt. Forschungsergebnisse belegen jedoch einen signifikant höheren Endorphingehalt in Blut und Gehirn nach einem längeren Lauf. Unseren Vorfahren half es dabei, Raubtieren zu entkommen und in der Wildnis zu überleben. Wir können Glücksgefühle genießen, ohne Pillen zu schlucken. So verwundert es nicht, dass die meisten Läufer auf gesunde Weise süchtig nach ihrem Sport sind.
Laufen kann man jederzeit, überall und allein, entspannt oder meditierend, den Vögeln oder seiner Lieblingsmusik auf dem iPod® lauschend. Genauso viel Spaß macht es, gemeinsam mit Freunden zu laufen, zu plaudern und Ideen auszutauschen. Besonders ambitionierte Läufer schließen sich einem Leichtathletikverein oder einer Laufgruppe an. Zusammen mit Gleichgesinnten fahren sie zu Wettkämpfen, feiern gemeinsam ihre Erfolge oder trösten sich, wenn es nicht so gut lief. Das Schöne am Laufsport ist, dass man vor allem gegen sich selbst kämpft, indem man versucht, die eigene Leistung zu verbessern. So kann auch der noch stolzer Gewinner sein, der abgeschlagen am Ende des Feldes ins Ziel läuft.
Unter Athleten kursiert auch das Gerücht, Läuferehen seien glücklicher und würden seltener geschieden. Hierfür gibt es zwar keine wissenschaftlichen Beweise, bezogen auf unseren eigenen Freundeskreis, können wir es jedoch absolut bestätigen.
Nicht zuletzt kann Laufen Altersbeschwerden lindern und die Lebensqualität in fortgeschrittenem Alter erhöhen. So wird zum Beispiel vielerorts die Lauftherapie eingesetzt, um die seelische Gesundheit von Senioren zu fördern.
„Das Herz eines Läufers arbeitet besser und effizienter.“ – Kardiologe Dr. J. Wolffe, MD
In diesem Kapitel erhält der Leser einige Hintergrundinformationen zum „menschlichen Motor”. Kurz zusammengefasst, besteht er aus der Muskulatur und dem Herz-Kreislauf-System, das den Sauerstofftransport zu den Muskeln sowie die Abfuhr von Stoffwechselprodukten aus ihnen sicherstellt.
Welche Faktoren bestimmen nun das Leistungsvermögen des menschlichen Motors? Welcher Treibstoff wird von den Muskeln benutzt, wie viel Energie produziert? Und welchen Einfluss hat Training auf die Leistung? Wir wissen, dass Training zu zahlreichen Anpassungsprozessen im Körper führt, die uns fitter machen. In vielen Laufbüchern6,7,8,9 und Artikeln wurden diese Wunder des Trainings bereits beschrieben.
Im Folgenden fassen wir die wichtigsten Einflussfaktoren auf sportliche Leistungen kurz zusammen
Stetiges, ausgewogenes Training führt zur Adaption der Muskulatur und des Herz-Kreislauf-Systems.
1.Muskulatur
Die Muskeln werden größer und kräftiger. Es erfolgt eine Zunahme der
•Anzahl von Mitochondrien, der Energieproduzenten der Zellen;
•Anzahl und Größe von Muskelfasern;
•Anzahl von Kapillaren sowie deren Durchblutung;
•Reserven an ATP (Adenosintriphosphat) und Glykogen sowie
•Anzahl und Aktivität von Enzymen, wodurch der Abbau von Glykogen und Fettsäuren gefördert wird.
Neuere Untersuchungen haben gezeigt, dass Training sogar zu einer Veränderung des Anteils von schnellen (Fast Twitch, FT) zu langsamen Muskelfasern (Slow Twitch, ST) führen kann. Das heißt, sowohl Schnelligkeit als auch Ausdauer werden gefördert. Allerdings muss das Training kontinuierlich und zielgerichtet durchgeführt werden. Durch die Trainingsbelastung werden zunächst Muskelfasern geschädigt. Das ist zu spüren, wenn die Muskeln in den ersten Tagen nach dem Training schmerzen. Anschließend werden neue Muskelfasern aufgebaut und vorhandene gestärkt, damit sie einer weiteren Belastung besser gewachsen sind. Das Training der Laufmuskulatur ist ein langwieriger Prozess, für den viele Kilometer zurückgelegt werden müssen, um ein optimales Ergebnis zu erzielen. Ein Großteil des Trainings kann in ruhigem Tempo absolviert werden. Um die FT-Muskelfasern zu entwickeln, ist auch Schnelligkeitstraining erforderlich.
2.Herz
Die Anpassungsfähigkeit des Herzens an Trainingsbelastungen ist bemerkenswert. Dabei nimmt die Anzahl der Herzmuskelfasern zu, ebenso die Anzahl der Kapillaren sowie deren Durchblutung, vor allem in der linken Herzkammer. Infolgedessen arbeitet das Herz eines Sportlers viel effizienter als das eines Untrainierten. Faktisch ist das Herz eine Pumpe. Die Fördermenge dieser Pumpe, das sogenannte Herzzeit- oder Herzminutenvolumen, ist die Blutmenge (in Litern), die vom Herzen pro Minute in den Kreislauf gepumpt wird. Das entspricht dem Schlagvolumen (in Litern), multipliziert mit der Herzfrequenz (HF, in Schlägen pro Minute). Das Schlagvolumen kann bei einem Sportler doppelt so groß sein wie bei einem Nichtsportler. Demzufolge hat dieses sogenannte Sportlerherz im Ruhezustand eine große, ungenutzte Kapazität, und die Herzfrequenz ist sehr niedrig. Trainierte Ausdauersportler haben häufig einen Ruhepuls von nur 40 Schlägen pro Minute oder sogar weniger. Ferner ist ein gut trainiertes Herz bei Belastung in der Lage, viel mehr Blut zu pumpen, wodurch mehr Sauerstoff zu den Muskeln transportiert wird. Da die Muskeln Sauerstoff brauchen, um Energie zu produzieren, ist diese Sauerstofftransportfähigkeit der entscheidendste leistungsbestimmende Faktor bei Ausdauersportarten. Der Anstieg des Schlagvolumens und die entsprechende Senkung des Ruhepulses sind wichtige physiologische Anpassungen des Herzens an Trainingsreize. Durch sie steigert sich die Herzleistungskraft. Ein Sportlerherz kann die Pumpleistung bei Belastung von 5 l/min auf 40 l/min erhöhen, das heißt um einen Faktor 8. Das liegt an der Kombination von erhöhtem Schlagvolumen und gesteigerter Herzfrequenz. Die Adaptation des Herzens an Trainingsreize ist hauptsächlich von der Trainingsintensität abhängig. Für Anpassungsprozesse ist eine hohe Herzfrequenz, das heißt, eine hohe Trainingsintensität erforderlich. Messbare Ergebnisse sind schon nach relativ kurzer Zeit sichtbar. Eine signifikante Senkung des Ruhepulses lässt sich bereits nach sechs Trainingswochen beobachten.
3.Blut
Das Blutvolumen eines gut trainierten Läufers ist manchmal 10 % größer als das eines Nichtsportlers. Das liegt vor allem an einem erhöhten Plasmavolumen. Hieraus ergibt sich eine verbesserte Sauerstofftransportfähigkeit des Blutes. Eine weitere wichtige Trainingsanpassung besteht in der höheren Dehnbarkeit der Blutgefäße, die zu einem niedrigeren Blutdruck führt. Außerdem ändert sich die Zusammensetzung des Blutes. Der Cholesterinspiegel sinkt, insbesondere der „schlechte“ LDL-Spiegel sowie der Gesamtcholesterinspiegel. Der „gute“ HDL-Spiegel steigt.
Durch Höhentraining kann die Hämoglobinkonzentration angehoben werden. Hämoglobin ist unverzichtbar für den Sauerstofftransport im Blut. 1 g Hämoglobin kann 1,34 ml Sauerstoff (O2) transportieren, das heißt, eine durchschnittliche Hämoglobinkonzentration von 15 g/100 ml Blut führt zu einer Sauerstofftransportfähigkeit von 15 · 1,34 = 20 ml O2/100 ml Blut oder 20 % des Blutvolumens. Eine niedrige Hämoglobinkonzentration ist möglicherweise ein Indiz für eine zu geringe Eisenzufuhr über die Nahrung oder einen erhöhten Eisenverlust. Eine extrem hohe Hämoglobinkonzentration wird als Indiz für Blut- oder EPO-Doping gewertet.
Außerdem erweitern sich die Blutgefäße bei Belastung, wodurch der periphere Widerstand abnimmt und mehr Blut in die Muskulatur und weniger in nicht lebensnotwendige Körperfunktionen wie das Verdauungssystem fließt.
4.Lungen
Durch Training wird unsere Atemmuskulatur stärker, und das Atemzugvolumen beziehungsweise das funktionelle Lungenvolumen nimmt zu. Wie das Herz lässt sich auch die Lunge als Pumpe beschreiben. Die Kapazität dieser Pumpe, Atemminutenvolumen genannt, ist das Atemzugvolumen (in Liter) mal die Atemfrequenz (in Atemzügen pro Minute). Da wir in Ruhe ungefähr 10-15-mal pro Minute atmen und das Atemzugvolumen etwa 0,5 l beträgt, liegt das Atemminutenvolumen bei 5-7,5 l/min. Bei gut trainierten Sportlern kann das Atemzugvolumen um ein Vielfaches auf 180-200 l/min ansteigen. Dieses Wachstum resultiert aus der Zunahme von Atemfrequenz (bis 60 Atemzüge pro Minute) und Atemzugvolumen (bis 3-4 l). Die Lungenkapazität erhöht sich durch Training mehr als die des Herzens. Das heißt, im Allgemeinen sind nicht die Lungen der limitierende Faktor für eine gute Ausdauerleistung.
Aus dem Vorangegangenen lässt sich folgern, dass normalerweise die Sauerstofftransportfähigkeit des Herz-Kreislauf-Systems der bestimmende Faktor für sportliche Ausdauerleistungen ist. Wohl hat die Atemmuskulatur bei intensiven körperlichen Belastungen selbst einen beträchtlichen Sauerstoffbedarf, der auf etwa 10 % der maximalen Sauerstoffaufnahme beziehungsweise des VO2max ansteigen kann.
Um laufen zu können, brauchen wir Energie. Diese Energie wird in unseren Muskelzellen erzeugt, genauer gesagt, in den Mitochondrien. Dabei können die Zellen aus den vier Energiesystemen des Körpers Energie produzieren:
1. ATP
Adenosintriphosphat (ATP) ist der wichtigste Treibstoff für Sprinter. ATP kann sehr schnell in Adenosindiphosphat (ADP) umgesetzt werden, wobei viel Energie frei wird. Für die Umwandlung wird kein Sauerstoff benötigt. Der Vorrat an ATP in der Muskulatur ist allerdings schon nach etwa 10 Sekunden aufgebraucht und reicht nur für einen kurzen Sprint. Nach der Belastung können die Muskelzellen das ATP aus ADP wieder aufbauen. Dieser Vorgang erfordert Energie, die durch den aeroben, das heißt sauerstoffabhängigen Glykogenabbau geliefert wird. Damit entsteht nach einer intensiven körperlichen Belastung eine sogenannte Sauerstoffschuld.
Die Effizienz von Speicherung, Nutzung und Wiederaufbau von ATP kann durch Training verbessert werden. Hierfür eignet sich eine hohe Anzahl kurzer Sprints mit maximaler Geschwindigkeit.
2.Anaerober Abbau von Glykogen
Der anaerobe Abbau von Glykogen (Glykolyse) ist die wichtigste Energiequelle für Mittelstreckler (400-800 m). Glykogen besteht aus langen Ketten von Zuckereinheiten. Glykogen wird in der Muskulatur und in der Leber gespeichert. Daneben enthält auch Blut eine geringe Menge Glukose. Glykogen kann anaerob (sauerstoffunabhängig) zu Milchsäure abgebaut werden. Häuft sich Milchsäure an, spüren wir es in Form von Ermüdung und Muskelschmerzen. In der Erholungsphase wird die Milchsäure mittels Sauerstoff abgebaut, was zu einer erneuten Sauerstoffschuld führt.
Durch Training lässt sich die Effizienz der Glykolyse verbessern. Damit sich Milchsäure anhäuft, sind Belastungen mit hoher Intensität erforderlich. Dies tritt erst bei einer Herzschlagfrequenz (HF) von etwa 85-90 % der maximalen Herzschlagfrequenz (MHF) ein, der sogenannten anaeroben Schwelle. Der anaerobe Abbau von Glykogen liefert weniger Energie als der von ATP. Dafür können wir sie jedoch länger, das heißt einige Minuten, nutzen, abhängig von Geschwindigkeit und Trainingszustand.
3.Aerober Abbau von Glykogen
Der aerobe Abbau von Glykogen ist die wichtigste Energiequelle für Ausdauersportler. Glykogen wird mit Sauerstoff zu Kohlendioxid und Wasser verstoffwechselt. Das Kohlendioxid wird aus der Muskulatur über das Blut und die Lunge abtransportiert. Über denselben Weg wird ihr der benötigte Sauerstoff zugeführt. Das ist ein fortwährender Prozess, der lange aufrechterhalten werden kann, wenn die Sauerstofftransportfähigkeit des Herz-Kreislauf-Systems groß genug ist.
Die Sauerstofftransportfähigkeit kann durch Training mit einer Belastungsintensität unterhalb der anaeroben Schwelle verbessert werden. Belastungen bei geringerer Intensität (z. B. 70 % der MHF) sind ebenfalls sinnvoll, da sie die Muskulatur stimulieren. Der aerobe Abbau von Glykogen liefert weniger Energie als die Glykolyse. Der Glykogenvorrat reicht für mindestens anderthalb Stunden. Durch Training und optimierte Ernährung (Carboloading) lässt sich das Zeitfenster auf 2-3 Stunden verlängern.
4.Aerober Abbau von Fettsäuren
Der aerobe Abbau von Fettsäuren ist die Hauptenergiequelle für Ultraläufer und Triathleten. Fettsäuren werden mit Sauerstoff zu Kohlendioxid und Wasser verstoffwechselt. Demzufolge lässt sich dieses Energiesystem mit dem aeroben Abbau von Glykogen durchaus vergleichen. Sein größter Nachteil besteht in seiner geringeren Energieproduktion. Deshalb kann beim Marathon schon mal der sogenannte Mann mit dem Hammer zuschlagen. Zu dem bekannten plötzlichen Leistungsabfall nach circa 35 km kommt es, wenn die Glykogenvorräte erschöpft sind und die Muskulatur auf den Abbau von Fettsäuren umschalten muss. Der größte Vorteil der aeroben Energiegewinnung aus Fettsäuren besteht in den enormen Speichervorräten des Körpers, die für viele lange Läufe reichen. Auch in Ruhe und bei körperlichen Anstrengungen mit niedrigerer Intensität greifen wir auf dieses System zurück. Mit steigender Belastungsintensität schaltet die Muskulatur je nach Bedarf auf das folgende Energiesystem um: zuerst auf die Fettsäuren, dann das Glykogen, danach die Glykolyse und schließlich das ATP.
Die Effizienz des aeroben Abbaus von Fettsäuren lässt sich durch Training ebenfalls verbessern, und zwar durch lange Läufe bei niedriger Intensität (weniger als 70 % der MHF). Morgendliches Training vor dem Frühstück sowie eine reduzierte Kohlenhydrataufnahme können ebenfalls dabei helfen, das System zu trainieren. Bei allen Läufen bei niedriger und moderater Intensität spielt die Fettverbrennung eine Rolle. Laufen wir sehr langsam, kann der Anteil von Fettsäuren im „Treibstoffmix” unserer Muskulatur bis zu 90 % betragen. Beim Marathontempo sinkt er auf etwa 30 %, beim 3.000-m-Tempo auf 10 %.
1. ATP
ATP → ADP + Energie
Kleiner Vorrat für etwa 10 Sekunden, Sprint, maximale Leistung und maximales Tempo.
2. Glykolyse
Glykogen → Milchsäure + Energie
Begrenzter Vorrat für einige Minuten, Mittelstrecken, hohe Leistung und hohes Tempo.
3. Aerobe Glykogenumwandlung
Glykogen + 6 O2 → 6 CO2 + 6 H2O + Energie
Großer Vorrat für etwa 1,5 Stunden, Langstrecken, Ausdauerleistung und Ausdauertempo.
4. Aerobe Fettsäurenumwandlung
Fettsäure + 23 O2 → 16 CO2 + 16 H2O + Energie
Sehr großer Vorrat für mehrere Tage, Ultraläufe, niedrige Leistung und niedriges Tempo, benötigt einen höheren O2-Umsatz.
„Hör auf deinen Körper!“
In vielen Laufbüchern6,7,8,9,10 werden Trainingsprinzipien und -praktiken beschrieben. Dabei ist es nicht einfach, wissenschaftliche Forschungsergebnisse und Fakten von rein praktischen Erfahrungen sowie der persönlichen Meinung von Läufern und Trainern zu unterscheiden. Außerdem haben die meisten wissenschaftlichen Studien nur einen begrenzten Geltungsbereich aufgrund der kleinen Probandengruppen (gewöhnlich nicht mehr als 20 Athleten) sowie des kurzen Untersuchungszeitraums (in der Regel nur einige Monate). Natürlich ist es schwer bis nahezu unmöglich, aussagekräftige statistische Schlussfolgerungen aus derart limitierten Studien zu ziehen. In der Praxis wollen wir wissen, wie sich unser Training durch kleine Veränderungen mit jeweils relativ geringer Wirkung langfristig, das heißt über viele Jahre, verbessern lässt. Das Problem wird zusätzlich erschwert, weil Training unterschiedlich wirkt. Was bei dem einen zum Erfolg führt, ist bei dem anderen vielleicht weniger effektiv.
Nichtsdestotrotz sind einige Trainingsprinzipien gut erforscht. Sie basieren auf Erkenntnissen der Sportphysiologie und besitzen allgemeine Gültigkeit. Trainer und Läufer sollten sie bei der Gestaltung eines Trainingsprogramms nutzen und, noch wichtiger, dem neuesten Erkenntnisstand anpassen. In diesem Kapitel geben wir einen Überblick über die grundlegendsten Trainingsprinzipien, einschließlich praktischer Anwendungsmöglichkeiten.
1.Das Prinzip des optimalen Verhältnisses zwischen Belastung und Erholung
Hierbei handelt es sich um das wichtigste Trainingsprinzip. Unser Körper hat die besondere Fähigkeit, durch sich abwechselnde Phasen von Belastung und Erholung stärker zu werden. Dieses Prinzip wurde zuerst von dem ungarischen Mediziner und Endokrinologen Hans Selye (1907-1982) entdeckt. Er beobachtete, dass ein Trainigsreiz zunächst zu Ermüdung, Stress und Zellschäden führt. Nach einer ausreichenden Erholungszeit verschwinden diese Erscheinungen, die beschädigten Zellen werden von Enzymen abgebaut und durch resistentere Zellen ersetzt, die neue Trainingsreize besser verkraften. In dieser Hinsicht sind die Schmerzen, die wir manchmal nach einer harten Belastungseinheit empfinden, eigentlich ein positives Zeichen. Sie zeigen, dass dieser Anpassungsprozess stattfindet. Für einen optimalen Trainingserfolg muss der Wechsel von Belastung und Erholung sorgfältig geplant sein (no pain, no gain). Geben wir dem Körper nicht genug Zeit, um sich zu erholen, wird er überlastet und der Läufer rutscht möglicherweise ins Übertraining. Erlauben wir ihm zu viel Erholungszeit, ist der Trainingseffekt gering. Ziel ist es also, das perfekte Zusammenspiel von Trainingsimpulsen und Erholungszeit zu finden, damit ein optimaler Leistungszuwachs erreicht werden kann (Superkompensation).
In der Praxis ergibt sich daraus eine Trainingsplanung, bei der sich harte und leichte Einheiten abwechseln. Ob es sich um eine schwere oder leichte Belastung handelt, hängt wiederum vom Leistungsniveau und Trainingszustand des Athleten ab.
2.Das Prinzip ausreichender Intensität und Variation
Leider wird dieser wichtige Grundsatz von vielen vernachlässigt. Für optimale Ergebnisse darf sich das Training nicht nur auf eine Trainingsform, zum Beispiel lange langsame Läufe, beschränken. Stattdessen muss für ausreichend Variation gesorgt werden, damit alle relevanten Muskeln trainiert und sämtliche Energiesysteme genügend entwickelt werden (when you do what you have always done, you will get what you have always gotten). Das heißt, sowohl Umfang (viele Kilometer) zur Entwicklung der Beinmuskulatur als auch Intensität (hohes Tempo) zur Verbesserung der VO2max sowie der vier Energiesysteme (aerober Abbau von Fettsäuren, aerober Abbau von Glykogen, anaerobe Glykolyse sowie anaerobe Umwandlung von ATP) gehören zu einem ausgewogenen Trainingsprogramm. Bedauerlicherweise vernachlässigen viele Langstreckenläufer die Tempoarbeit. Das ist nicht klug, da auf diese Weise nur die aeroben Energiesysteme angesprochen werden. Um eine Leistungssteigerung zu erzielen, ist Tempotraining mit hoher Intensität bei Weitem am effektivsten. Außerdem müssen immer wieder neue Trainingsreize gesetzt werden. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass effektive Trainingsimpulse immer außerhalb der Komfortzone liegen. Deshalb ist es notwendig, ab und zu im Training an seine Grenzen zu gehen.
3.Das Prinzip der progressiven Belastungssteigerung
Dieser Grundsatz spricht mehr oder weniger für sich. Wer die Trainingsbelastung zu schnell steigert, riskiert Verletzungen, die den Athleten schlimmstenfalls ernsthaft zurückwerfen. Konkret sollte die Trainingsbelastung um nicht mehr als 5-10 % pro Monat zunehmen. Hör auf deinen Körper!, ist hier die richtige Devise. Achte auf Symptome von Übertraining. Im Allgemeinen ist es sinnvoll, einen bestimmten Trainingsreiz etwa sechs Wochen beizubehalten. In dieser Zeit passt sich der Körper an und ist anschließend bereit für den nächsten Schritt, das heißt eine Steigerung von Umfang oder Intensität.
4.Das Prinzip des sich verringernden Leistungszuwachses