Ich danke euch so sehr: Karen Solem, Kara Cesare, Claire Zion, Kara Welsh, Rose Hilliard.
Mein Exekutivausschuss: Sue Grafton, Dr. Jessica Andersen, Betsey Vaughan. Mit euch allen das Internet, die Telefonleitungen und die Wege um den Hutchins and Seneca Park herum zum Kochen zu bringen, hat mir wache Gedanken, die geistige Gesundheit und das Lächeln bewahrt.
In Liebe zu meiner Familie.
J. R. Ward begann bereits während ihres Studiums mit dem Schreiben. Nach ihrem Hochschulabschluss veröffentlichte sie die BLACK DAGGER-Serie, die in kürzester Zeit die amerikanischen Bestseller-Listen eroberte. Die Autorin lebt mit ihrem Mann und ihrem Golden Retriever in Kentucky und gilt seit dem überragenden Erfolg der Serie als neuer Star der romantischen Mystery.
Besuchen Sie J. R. Ward unter: www.jrward.com
»Das Anwesen bei der Gruft. Ich sage euch, dahin sollten wir ziehen«, sagte Tohr, während er sich Roastbeef von einem Silbertablett auftat, das Fritz ihm anbot. »Danke, Mann.«
Beth sah zu Wrath hinüber. In dem Monat, der seit dem Kampf vergangen war, hatte er sich vollständig erholt. Er war gesund und stark. In Hochform. Arrogant. Liebevoll. Unmöglich und unwiderstehlich.
Er lehnte sich auf seinem Stuhl am Kopfende des Tisches zurück und strich mit dem Daumen über ihre Hand.
Sie lächelte ihn an.
Während seiner Genesung hatten sie im Haus ihres Vaters gewohnt und Pläne für die Zukunft geschmiedet. Und jeden Abend kam die Bruderschaft zum Essen. Fritz war außer sich vor Freude über all das lebhafte Treiben.
»Weißt du was, das ist eine verdammt gute Idee«, bestätigte V. »Ich könnte alles wasserdicht verkabeln. Die Lage oben auf dem Berg ist abgelegen genug. Und das Gebäude ist aus Stein, also feuerfest. Wenn wir noch Klappläden aus Metall vor alle Fenster montieren, könnten wir uns sogar tagsüber im Haus bewegen. Was ja in diesem Haus eine schwere Sicherheitslücke war, als …« Er brach ab. »Und gibt es dort nicht sogar ausgedehnte Kellerräume? Die könnten wir zum Trainieren benutzen.«
Rhage nickte. »Groß genug ist das Haus auch. Wir könnten alle dort wohnen, ohne uns gegenseitig an die Gurgel zu gehen.«
»Das hängt allerdings mehr von deinem Schandmaul ab als vom Grundriss«, meinte Phury grinsend. Der Krieger rutschte auf dem Stuhl herum und machte auf seinem Schoß Platz für Boo.
»Was meinst du dazu?«, fragte Tohr Wrath.
»Das habe ich nicht zu entscheiden. Alle Gebäude und das Land um sie herum haben Darius gehört und sind nach seinem Tod auf Beth übergegangen.« Wrath sah sie an. »Lielan? Könntest du dir vorstellen, die Brüder eines deiner Häuser benutzen zu lassen?«
Eines ihrer Häuser. Ihre Häuser. Früher hatte sie noch nicht mal eine Wohnung besessen, weswegen es ihr immer noch schwer fiel, sich an ihre neuen Besitztümer zu gewöhnen. Und es waren ja nicht nur die Immobilien. Auch die Kunstwerke. Grundstücke. Autos. Schmuck. Und das viele Bargeld. Einfach Wahnsinn.
Glücklicherweise halfen ihr V und Phury mit ihren fundierten Kenntnissen über die Finanzwelt. Wertpapiere. Obligationen. Gold. Handelsobjekte. Sie wussten so gut Bescheid über Geld.
Und sie waren so gut zu ihr.
Sie sah die Männer am Tisch an. »Die Bruderschaft soll alles bekommen, was sie braucht.«
Ein dankbares Raunen erhob sich, und Weingläser wurden auf ihre Gesundheit erhoben. Zsadist ließ zwar sein Glas auf dem Tisch stehen, nickte aber in ihre Richtung.
Beth warf Wrath einen Blick zu. »Aber meinst du nicht, wir sollten auch dort leben?«
»Das würdest du tun?«, fragte er. »Die meisten Frauen würden ein eigenes Haus bevorzugen.«
»Es ist ja mein Haus. Und das sind deine engsten Berater, die Menschen, denen du am allermeisten vertraust. Warum solltest du von ihnen getrennt sein?«
»Moment mal«, wandte Rhage ein. »Ich dachte, es wäre geklärt, dass wir nicht mit ihm zusammenwohnen müssen? «
Wrath warf ihm einen finsteren Blick zu und wandte sich dann wieder Beth zu. »Bist du dir ganz sicher, Lielan?«
»Gemeinsam sind wir stark, oder etwa nicht?«
Er nickte. »Aber auch auffälliger.«
»Aber wir wären in bester Gesellschaft. Von niemandem würde ich mich lieber beschützen lassen als von diesen großartigen Männern.«
»Wenn ich mal kurz unterbrechen darf«, warf Rhage ein. »Ist sonst noch jemand hier im Raum in sie verliebt?«
»Aber klar«, ließ sich V vernehmen und tippte sich an die Baseballkappe. »Total.«
Phury nickte. »Und wenn sie bei uns wohnt, dürfen wir die Katze behalten.«
Wrath küsste seine Frau und sah Tohr an. »Ich schätze mal, wir haben ein neues Zuhause gefunden.«
»Und Fritz kommt auch mit«, erklärte Beth, als der Butler wieder hereinkam. »Nicht wahr? Bitte.«
Der Butler strahlte über das ganze Gesicht, dass man ihn dabeihaben wollte. »Für Euch und den König gehe ich überallhin, Herrin. Und je mehr von Euch ich versorgen darf, desto besser.«
»Wir werden dir wohl eine Hilfe besorgen müssen.«
V wandte sich an Wrath. »Hör mal, was willst du eigentlich mit Butch machen?«
»Fragst du, weil er ein Freund von dir ist oder weil er eine Bedrohung für uns darstellt?«
»Beides.«
»Irgendwie habe ich das dumpfe Gefühl, als ob du einen Vorschlag machen möchtest.«
»Stimmt genau. Er sollte mit uns kommen.«
»Aus einem bestimmten Grund?«
»Ich habe von ihm geträumt.«
Alle am Tisch versanken in Schweigen.
»Beschlossene Sache«, sagte Wrath dann. »Aber Träume hin oder her, wir müssen ihn im Auge behalten.«
V nickte. »Diese Verantwortung nehme ich auf mich.«
Als die Brüder untereinander begannen, weitere Pläne zu schmieden, blickte Beth auf die Hand ihres Mannes, die in ihrer eigenen lag. Sie hatte plötzlich Tränen in den Augen.
»Lielan?«, fragte Wrath sanft. »Alles okay?«
Sie nickte, immer wieder erstaunt, dass er so gut ihre Gedanken lesen konnte.
»Alles ist sehr okay.« Sie lächelte ihn an. »Weißt du, kurz bevor ich dich traf, habe ich nach einem Abenteuer gesucht. «
»Ach wirklich?«
»Und ich habe mehr als das bekommen. Ich habe jetzt eine Vergangenheit und eine Zukunft. Ein ganzes … Leben. Manchmal weiß ich gar nicht, was ich mit all dem Glück anfangen soll. Ich weiß einfach nicht, wohin damit.«
»Komisch, mir geht es ganz genauso.« Wrath nahm ihr Gesicht in seine Hände und legte seine Lippen auf ihren Mund. »Und genau deswegen küsse ich dich so oft, Lielan. «
Sie schlang ihm die Arme um die breiten Schultern und knabberte an seinen Lippen.
»O Mann«, ließ sich Rhage vernehmen. »Müssen wir denen jetzt die ganze Zeit beim Knutschen zusehen?«
»Du bist ja nur neidisch«, murmelte V.
»Stimmt«, seufzte Rhage. »Alles, was ich will, ist eine gute Frau. Aber bis ich die gefunden habe, muss ich eben auf Masse statt Klasse setzen. Das Leben ist schon hart, was?«
Tosendes Gelächter brandete auf. Jemand warf mit einer Serviette.
In diesem Moment kam Fritz mit dem Dessert herein.
»Ich muss doch sehr bitten, nicht mit dem guten Leinen zu werfen«, ließ sich der Butler streng vernehmen. Dann blickte er lächelnd in die Runde: »Möchte jemand Pfirsiche? «
Kurz vor sechs hielt Butch vor Beths Haus. Irgendwann würde er den Dienstwagen abgeben müssen, aber suspendiert hieß noch nicht gefeuert. Sie müssten schon um das verdammte Auto bitten, um es zurückzubekommen.
Er war bei beiden Kampfkunststudios gewesen und hatte mit den Leitern gesprochen. Einer war widerlich gewesen, ein durchgeknalltes Selbstverteidigungs–Arschloch, der sich wohl für einen echten Asiaten hielt, obwohl er so weiß wie Butch war.
Der andere Mann hatte schlicht und ergreifend unheimlich gewirkt. Er hatte ausgesehen wie ein Milchmann aus den 50er Jahren, mit blonden, pomadisierten Haaren und einem strahlenden, nervigen Lächeln wie in einer Zahnpasta-Werbung. Der Kerl hatte sich diensteifrig über seinen Schreibtisch gebeugt, doch irgendetwas stimmte mit ihm nicht. Butchs eingebauter Bullshit-Detektor hatte Alarm geschlagen, sobald Mr Mayberry nur den Mund aufgemacht hatte.
Butch sprang die Stufen zu Beths Haus hinauf und drückte auf die Klingel.
Er hatte ihr im Büro und zu Hause auf die Mailbox gesprochen, dass er vorbeikommen wolle. Gerade wollte er noch mal klingeln, als er sie durch die Glastür in die Eingangshalle kommen sah.
Herr im Himmel.
Sie trug ein schwarzes Etuikleid, von dem er sofort wieder Kopfschmerzen bekam, so perfekt passte es zu ihr. Der V-Ausschnitt war tief und ließ den Brustansatz erkennen. Der schmale Schnitt brachte ihre schlanken Hüften wunderschön zur Geltung. An der Seite war das Kleid hoch geschlitzt, so dass bei jedem Schritt ein blasser Oberschenkel aufblitzte. Sie trug hohe Absätze, wodurch ihre Fesseln zart und elegant wirkten.
Als sie aufhörte, in ihrer Handtasche zu kramen und aufblickte, schien sie überrascht zu sein, ihn zu sehen.
Sie trug ihr Haar hochgesteckt. Er stellte sich vor, wie es wohl wäre, die Haarnadeln herauszuziehen und sich die Strähnen über die Finger fallen zu lassen.
Sie öffnete die Tür. »Butch.«
»Hi.« Er brachte kein Wort heraus, wie ein schüchterner Schuljunge.
»Ich habe deine Nachrichten bekommen«, sagte sie leise.
Er trat zurück, damit sie herauskommen konnte. »Hast du kurz Zeit?«
Er wusste schon, was sie antworten würde.
»Jetzt ist es gerade schlecht.«
»Wohin gehst du?«
»Ich habe eine Verabredung.«
»Mit wem?«
Sie sah ihm so betont ruhig in die Augen, dass er wusste, sie würde ihn gleich anlügen.
»Niemand Besonderes.«
Ja, klar.
»Was ist mit dem Mann von letzter Nacht, Beth? Wo ist er?«
»Ich weiß es nicht.«
»Du lügst.«
Ihre Augen hielten seinem Blick stand. »Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest –«
Er griff nach ihrem Arm. »Geh nicht zu ihm.«
Das leise Geräusch eines Motors durchbrach die angespannte Stille zwischen ihnen. Ein großer schwarzer Mercedes mit getönten Scheiben hielt neben ihnen an. Ein richtiges Drogenbaron-Gefährt.
»Ach, Scheiße, Beth.« Er hielt sie am Arm fest, verzweifelt versuchte er, sie zu überzeugen. »Mach das nicht. Das ist Beihilfe zu einem Verbrechen.«
»Lass mich los, Butch.«
»Er ist gefährlich.«
»Du etwa nicht?«
Er ließ sie los.
»Morgen«, sagte sie und machte einen Schritt rückwärts. »Wir reden morgen. Komm nach der Arbeit hierher.«
Panisch verstellte er ihr den Weg. »Beth, ich kann dich nicht –«
»Willst du mich verhaften?«
Als Polizist konnte er das nicht tun. Nicht, solange er nicht wieder im Dienst war.
»Nein.«
»Vielen Dank.«
»Das ist kein Gefallen«, sagte er bitter, als sie um ihn herumging. »Beth, bitte.«
Sie blieb stehen. »Nichts ist so, wie es scheint.«
»Ich weiß nicht. Für mich ist das Bild ziemlich klar und eindeutig. Du schützt einen Killer, und die Chancen stehen nicht schlecht, dass du selbst bald in einer Holzkiste landest. Begreifst du denn nicht, was das für ein Typ ist? Ich habe sein Gesicht von nahem gesehen. Als seine Hand um meinen Hals lag, und er mir das Leben aus dem Leib gequetscht hat. Einem Mann wie dem liegt das Töten im Blut. Es liegt in seiner Natur. Wie kannst du zu ihm gehen? Verdammt, wie kannst du ihn auf die Menschheit loslassen?«
»Er ist nicht so.«
Doch die Worte klangen eher wie eine Frage.
Die Autotür ging auf, und ein kleiner alter Mann im Frack stieg aus.
»Herrin, gibt es irgendwelche Schwierigkeiten?«, fragte der Mann dienstbeflissen, während er gleichzeitig Butch einen bösen Blick zuwarf.
»Nein, Fritz. Kein Problem.« Sie lächelte, aber es geriet etwas schief. »Morgen, Butch.«
»Wenn du dann noch lebst.«
Sie wurde bleich, ging aber schnell die Stufen hinunter und stieg in den Wagen.
Wenig später setzte sich Butch in sein eigenes Auto. Und folgte ihnen.
Als er in den Salon trat, lauschte er. Die Stille war vermutlich für alle gut. Er musste sich zusammenreißen.
Ruhelos schlich er im Haus herum, blieb vor dem Esstisch stehen. Er war so gedeckt worden, wie er es gewollt hatte. Zwei Gedecke an einem Ende. Kristall und Silber. Kerzen.
Und er hatte seinen Bruder erbärmlich genannt?
Wäre das nicht alles Darius’ unbezahlbarer Krempel gewesen, er hätte mit einer Armbewegung alles vom Tisch gewischt. Seine Hand schoss nach vorn, als wollte sie dem Impuls einfach trotzdem nachgeben, aber die Jacke bremste ihn. Gerade packte er das Revers mit beiden Händen und wollte sich den edlen Zwirn einfach vom Leib reißen und ihn verbrennen, da öffnete sich die Eingangstür. Er drehte sich um.
Da war sie. Sie kam über die Schwelle und schritt in die Eingangshalle.
Wraths Hände sanken nach unten.
Sie trug Schwarz. Ihr Haar war aufgesteckt. Sie duftete … wie eine nachtblühende Rose. Er atmete durch die Nase ein, sein Körper wurde hart, seine Instinkte verlangten, sie unter sich zu spüren.
Doch da trafen ihn ihre Gefühle. Sie war argwöhnisch, nervös. Er konnte ihr Misstrauen eindeutig spüren und empfand eine perverse Befriedigung, als sie zögerte, ihn anzusehen.
Seine Wut kehrte zurück. Mit aller Wucht.
Fritz schloss diensteifrig die Tür, der Doggen strahlte eine Heiterkeit aus, die glänzte wie Sonnenschein. »Ich habe Wein im Salon bereitgestellt. In etwa dreißig Minuten werde ich den ersten Gang servieren, wenn es Euch recht ist.«
»Nein«, befahl Wrath. »Wir setzen uns sofort an den Tisch.«
Fritz schien irritiert, erkannte dann aber offensichtlich Wraths Gefühlslage.
»Wie Ihr wünscht, Herr. Sofort.« Der Butler verschwand so rasch, als würde es in der Küche brennen.
Wrath starrte Beth unverwandt an.
Sie machte einen Schritt zurück. Wahrscheinlich wegen seines wütenden Blicks.
»Du siehst … anders aus«, sagte sie. »In diesen Sachen.«
»Falls du glaubst, sie hätten mich gezähmt, dann täuschst du dich.«
»Tu ich nicht.«
»Gut. Dann bringen wir das jetzt hinter uns.«
Wrath ging ins Esszimmer. Sie würde ihm schon nachkommen, wenn sie wollte. Und wenn nicht? Verflucht, dann wäre es vermutlich für alle Beteiligten besser. Er hatte es sowieso nicht eilig, am Tisch festzusitzen.
Beth sah Wrath nach. Er schlenderte in den Salon, als gäbe er einen Dreck darauf, ob sie mit ihm essen würde oder nicht.
Hätte sie nicht selbst schon Bedenken gegen diesen Plan gehabt, wäre sie zutiefst gekränkt gewesen. Er hatte sie zum Essen eingeladen. Warum war er dann jetzt so miserabel gelaunt, als sie auftauchte? Sie war in Versuchung, sich einfach wieder aus dem Staub zu machen.
Doch sie folgte ihm ins Esszimmer, weil sie das Gefühl hatte, keine Wahl zu besitzen. Es gab so viele Dinge, die sie erfahren wollte, Dinge, die nur er ihr erklären konnte.
Obwohl sie – Gott war ihr Zeuge – diese Informationen liebend gern von jemand anderem bekommen hätte.
Als sie hinter ihm herlief, konzentrierte sie sich auf seinen Hinterkopf und versuchte, seinen kraftvollen Gang zu ignorieren. Sie scheiterte kläglich. Er bewegte sich einfach zu perfekt. Bei jedem Aufsetzen seiner Ferse verlagerten sich seine Schultern unter dem teuren Jackett, um den Schub der Beine auszugleichen. Seine Arme schwangen zwar entspannt an seiner Seite, aber sie wusste, dass seine Oberschenkel sich bei jedem Schritt anspannten. Sie stellte ihn sich nackt vor, das Spiel seiner Muskeln unter der Haut.
Butchs Stimme ertönte in ihrem Kopf. Einem Mann wie diesem liegt das Töten im Blut. Es liegt in seiner Natur.
Und doch hatte Wrath sie letzte Nacht weggeschickt, als er eine Gefahr für sie dargestellt hatte.
Es hatte einfach keinen Zweck, diese Widersprüche miteinander vereinen zu wollen. Genauso gut hätte sie versuchen können, die Zukunft aus Kaffeesatz zu lesen. Sie musste sich einfach auf ihre Intuition verlassen, und die sagte ihr, dass Wrath momentan die einzige Unterstützung war, die sie hatte.
Als sie ins Esszimmer trat, versetzte sie der wunderschön gedeckte Tisch in Erstaunen. In der Mitte standen Blumen, weiße Nachthyazinthen und Orchideen. Elfenbeinfarbene Kerzen brannten in silbernen Leuchtern zwischen schimmerndem Porzellan und kostbarem Besteck.
Wrath kam um den Tisch und zog einen Stuhl für sie heraus. Er ragte über dem Stuhl auf, während er wartete, bis sie sich setzte.
Gott, er sah wirklich fantastisch aus in diesem Anzug. Der offene Hemdkragen gab seinen Hals frei, und durch die schwarze Seide wirkte seine Haut leicht getönt. Schade eigentlich, dass er so stinksauer war. Sein Gesichtsausdruck war unnahbar, und das zurückgebundene Haar betonte noch das aggressiv vorgestreckte Kinn.
Etwas hatte ihn geärgert. Und zwar ernsthaft.
Da hab ich mir ja genau den richtigen ausgesucht, dachte sie. Ein Vampir mit dem Gemüt eines Amokläufers.
Vorsichtig kam sie näher. Als er den Stuhl für sie zurechtschob, hätte sie schwören können, dass er sich heruntergebeugt und den Duft ihrer Haare eingeatmet hatte.
»Warum kommst du so spät?«, wollte er wissen, als er sich selbst ans Kopfende des Tisches setzte. Als sie keine Antwort gab, zog er eine Augenbraue hoch, ein schwarzer Bogen über dem Rand der Sonnenbrille. »Musste Fritz dich überreden mitzukommen?«
Um ihre Hände zu beschäftigen, faltete sie die Serviette auf und legte sie sich auf den Schoß. »Damit hatte es nichts zu tun.«
»Womit dann?«
»Butch ist uns gefolgt. Wir mussten ihn erst abschütteln. «
Sie spürte, wie es um Wrath herum dunkler wurde, als ob sein Zorn das Licht aus der Luft saugen würde.
Fritz kam mit zwei kleinen Salattellern herein und stellte sie vor ihnen ab. »Darf ich Euch Wein eingießen?«
Wrath nickte.
Als der Butler sich wieder entfernt hatte, nahm Beth die schwere Silbergabel auf und zwang sich zum Essen.
»Warum hast du jetzt Angst vor mir?« Wraths Stimme klang süffisant, als langweile ihn ihre Furcht.
Sie stocherte in dem Grünzeug auf ihrem Teller herum. »Hm. Könnte es daran liegen, dass du aussiehst, als wolltest du jemanden erwürgen?«
»Du hattest bereits Angst vor mir, als du dieses Haus betreten hast. Noch bevor du mich gesehen hast, hattest du Angst. Ich will wissen, warum.«
Ihr Blick blieb auf den Teller geheftet. »Vielleicht war mir ja wieder eingefallen, dass du gestern Nacht beinahe einen Freund von mir umgebracht hättest.«
»Oh, das schon wieder?«
»Du hast gefragt«, gab sie zurück. »Also reg dich nicht auf, wenn dir meine Antwort nicht gefällt.«
Wrath wischte sich ungeduldig den Mund ab. »Ich habe ihn aber nicht umgebracht, oder?«
»Nur, weil ich dich aufgehalten habe.«
»Und das stört dich? Die meisten Menschen sind doch gerne Helden.«
Sie legte die Gabel auf den Tisch. »Weißt du was? Ich will gar nicht hier bei dir sein.«
Er aß scheinbar ungerührt weiter. »Warum bist du dann gekommen?«
»Weil du mich hierher gebeten hast!«
»Glaub mir, ich kann es ertragen, wenn jemand ›Nein‹ zu mir sagt« meinte er, als ob sie überhaupt keine Rolle für ihn spielen würde.
»Das Ganze war ein Fehler.« Sie legte die Serviette neben den Teller und stand auf.
Er fluchte. »Setz dich wieder hin.«
»Sag mir gefälligst nicht, was ich zu tun habe.«
»Lass mich das weiter ausführen. Setz dich hin und halt den Mund.«
Ihr Kiefer klappte herunter. »Du arrogantes Arsch–«
»Das hat mir heute Abend schon mal jemand gesagt, vielen Dank.«
Genau in diesem Moment schwebte Fritz mit warmem Baguette herein.
Beth funkelte Wrath wütend an und gab vor, nur zu stehen um an die Weinflasche zu kommen. Sie würde nicht vor Fritz aus dem Zimmer rauschen. Außerdem hatte sie plötzlich Lust, noch zu bleiben.
Damit sie Wrath noch ein bisschen anschreien konnte.
Als sie wieder allein waren, zischte sie: »Was fällt dir ein, so mit mir zu sprechen?«
Er nahm einen letzten Bissen von dem Salat, legte die Gabel auf den Tellerrand und tupfte sich die Mundwinkel mit der Serviette ab. Als hätte er bei Knigge persönlich Unterricht genommen.
»Lass uns mal eine Sache klären«, begann er. »Du brauchst mich. Also beruhig dich endlich wieder darüber, was ich beinahe mit diesem Bullen angestellt hätte. Dein guter Kumpel Butch steht doch noch aufrecht, oder? Also, wo liegt das Problem?«
Beth starrte ihn an. Sie versuchte, durch die Sonnenbrille in seinem Gesicht zu lesen, suchte etwas Weiches, etwas, womit sie eine Verbindung herstellen konnte. Doch die dunklen Gläser schlossen sie vollständig aus, und die harten Gesichtszüge gaben ihr keinen Grund, weiterzusuchen.
»Wie kann dir das Leben so wenig bedeuten?«, überlegte sie laut.
Sein Lächeln war kalt. »Wie kann dir der Tod so viel bedeuten? «
Beth sank zurück in ihren Stuhl. Schreckte vor ihm zurück, traf es vielleicht eher. Sie konnte nicht fassen, dass sie mit diesem Mann geschlafen – nein, Sex gehabt hatte. Er war vollkommen gefühllos.
Ganz plötzlich hatte sie Kopfschmerzen. Nicht, weil er sie gekränkt hatte, sondern weil sie enttäuscht war. Sie hatte sich wirklich gewünscht, er wäre anders, als er schien. Sie hatte glauben wollen, dass die Wärme, die er ihr manchmal entgegengebracht hatte, ebenso Teil von ihm war wie die rauen Kanten.
Sie rieb sich die Haut über ihrem Brustbein. »Ich würde jetzt wirklich gerne gehen, wenn du nichts dagegen hast.«
Ein langes Schweigen entstand.
»Ach Mist …«, murmelte er und stieß hörbar seinen Atem aus. »Das ist alles nicht richtig.«
»Nein, ist es nicht.«
»Ich dachte, du verdienst … ich weiß auch nicht. Einen schönen Abend. Oder so was. Etwas Normales.« Er lachte schroff, als sie ihn überrascht ansah. »Eine idiotische Idee, ich weiß. Ich hätte bei dem bleiben sollen, was ich kann. Es wäre leichter für mich, dir das Töten beizubringen.«
Unter seinem zähen Stolz spürte sie ein Körnchen von etwas anderem. Unsicherheit? Nein, das war es nicht. Das wäre bei ihm intensiver.
Selbsthass.
Fritz kam herein und räumte ihre Teller ab, dann kehrte er mit Suppe zurück. Kalter Gazpacho. Interessant, dachte sie zerstreut. Normalerweise kam doch die Suppe vor dem Salat, oder? Andererseits hatten Vampire sicher ihre eigenen Sitten und Gebräuche. Zum Beispiel, dass ein Mann mehrere Frauen haben konnte.
Ihr Magen rebellierte. Daran wollte sie gar nicht denken. Sie weigerte sich einfach, diesen Gedanken zuzulassen.
»Hör mal, nur damit du Bescheid weißt«, sagte Wrath und nahm seinen Löffel auf. »Ich kämpfe, um meine Leute zu beschützen und nicht, weil ich mordlüstern bin. Trotzdem habe ich schon tausende getötet. Tausende, Beth. Verstehst du mich? Wenn du also willst, dass ich so tue, als wäre der Tod mir fremd – den Gefallen kann ich dir leider nicht erweisen. Es geht einfach nicht.«
»Tausende?«, murmelte sie erschüttert.
Er nickte.
»Gegen wen, um Himmels Willen, kämpfst du denn?«
»Gewissenlose Mörder, die dich töten würden, sobald du die Transition überstanden hast.«
»Vampirjäger?«
»Lesser. Menschen, die ihre Seele bei Omega gegen eine uneingeschränkte Schreckensherrschaft eingetauscht haben. «
»Wer – oder was – ist Omega?« Als sie das Wort aussprach, flackerten die Kerzen wie wild, als würden sie von unsichtbaren Händen geschüttelt.
Wrath zögerte. Das Thema schien ihm tatsächlich unangenehm zu sein. Ihm, der nie vor etwas Angst hatte.
»Der Teufel?«, fragte sie weiter.
»Schlimmer. Man kann sie nicht vergleichen. Der eine ist einfach eine Metapher. Der andere ist sehr, sehr real. Glücklicherweise hat Omega einen Gegenspieler, die Jungfrau der Schrift.« Er lächelte trocken. »Na ja, vielleicht ist glücklicherweise ein zu großes Wort. Aber es gibt ein Gleichgewicht. «
»Gott und Luzifer.«
»Nach eurem Sprachgebrauch. Unsere Legende berichtet, dass die Vampire von der Jungfrau der Schrift erschaffen wurden, als einziges Vermächtnis, als ihre auserwählten Kinder. Omega ärgerte sich über ihre Fähigkeit, Leben zu schaffen, und verabscheute die besonderen Kräfte, die sie unserer Spezies verlieh. Die Gesellschaft der Lesser war seine Antwort darauf. Er benutzt Menschen, weil er nicht fähig zur Schöpfung ist, und weil sie leicht zugängliche Quellen der Aggression sind.«
Das ist alles so surreal, dachte sie. Seelen eintauschen. Untote. In der wirklichen Welt gab es das alles doch überhaupt nicht.
Andererseits saß sie mit einem Vampir am Tisch. Gab es wirklich etwas, das unmöglich war?
Sie dachte an den hinreißenden blonden Mann, der sich selbst den Arm wieder zusammengenäht hatte.
»Du hast Mitstreiter in deinem Kampf, stimmt’s?«
»Meine Brüder.« Er nahm einen Schluck Wein. »Sobald die Vampire begriffen hatten, dass sie belagert wurden, fing man an, die kräftigsten und mächtigsten Männer auszusondern. Man bildete sie zu Kämpfern gegen die Lesser aus. In der Folge wurden diese Krieger über Generationen hinweg mit den stärksten Frauen vereint, bis daraus eine spezielle Subspezies von Vampiren entstanden war. Die Stärksten dieser Klasse wurden in die Bruderschaft der Black Dagger eingeführt.«
»Seid ihr durch Blut verbrüdert?«
Er lächelte etwas schief. »Sozusagen.«
Sein Gesichtsausdruck wurde verschlossen, als sei das eine Privatangelegenheit. Sie spürte, dass er nicht mehr über die Bruderschaft erzählen würde, doch sie war immer noch neugierig, was für einen Krieg er führte.
Besonders, da sie kurz davor zu stehen schien, sich in eine seiner Schutzbefohlenen zu verwandeln.
»Also tötet ihr Menschen.«
»Ja, obwohl sie im Prinzip bereits tot sind. Um seinen Kämpfern die Langlebigkeit und die Stärke zu verleihen, die sie brauchen, um uns entgegenzutreten, muss Omega ihnen ihre Seelen nehmen.« Widerwille huschte über seine harten Gesichtszüge. »Nicht, dass der Besitz einer Seele je einen Menschen davon abgehalten hätte, uns zu verfolgen. «
»Du … magst uns nicht besonders, was?«
»Erstens stammt die Hälfte deines Blutes von deines Vaters Seite. Und zweitens, warum sollte ich Menschen mögen? Sie haben mich halb totgeschlagen vor meiner Transition, und der einzige Grund, warum sie mich jetzt in Ruhe lassen, ist dass ich ihnen eine Höllenangst einjage. Was wäre wohl los, wenn bekannt würde, dass es Vampire gibt? Sie würden uns gnadenlos jagen, egal, ob sie Lesser sind oder nicht. Menschen fühlen sich von allem bedroht, was anders ist, und ihre Reaktion darauf ist Widerstand. Sie sind Herdentiere, die die Schwachen ausgrenzen und vor den Starken kriechen.« Wrath schüttelte den Kopf. »Außerdem ärgern sie mich. Sieh dir doch nur an, wie sie im Volksglauben unsere Art darstellen. Dracula, meine Güte, ein bösartiger Blutsauger, der sich auf wehrlose Opfer stürzt. Miserable Schrottfilmchen und Pornos. Und fang bloß nicht von diesem ganzen Halloween-Schwachsinn an. Plastikgebisse. Schwarze Umhänge. Das Einzige, was diese Idioten richtig verstanden haben, ist dass wir Blut trinken und nicht in die Sonne dürfen. Alles andere ist totaler Quatsch, erfunden, um uns auszugrenzen und die Angst der Massen zu schüren. Oder diese Geschichten werden benutzt, um eine geheimnisvolle Parallelwelt für gelangweilte Menschen zu schaffen, die glauben, die dunkle Seite wäre ein amüsanter Ort. Auch nicht besser.«
»Aber du jagst uns eigentlich nicht, richtig?«
»Nicht dieses Wort. Nicht wir und uns, Beth. Sie. Du bist nur zur Hälfte Mensch, und bald wirst du überhaupt kein Mensch mehr sein.« Er zögerte. »Und nein, ich jage sie nicht. Aber wenn sie mir in die Quere kommen, haben sie ein ernsthaftes Problem.«
Sie dachte über das nach, was er ihr eben erzählt hatte. Krampfhaft versuchte sie, die Panik in den Griff zu bekommen, die sie jedes Mal beim Gedanken an diese angeblich bevorstehende Wandlung beschlich.
»Als du so auf Butch losgegangen bist … Er ist doch sicher nicht so ein … was auch immer, Lesser.«
»Er hat versucht, mich von dir fernzuhalten.« Wraths Kinn spannte sich an. »Ich werde jeden aus dem Weg räumen, der das versucht. Und ob er jetzt dein Liebhaber ist oder nicht, wenn er es noch mal versucht, dann –«
»Du hast mir versprochen, ihn nicht zu töten.«
»Ich lasse ihn schon am Leben. Aber ich werde ihn sicherlich nicht mit Samthandschuhen anfassen.«
Vielleicht sollte sie Ironman einen dezenten Wink geben, dachte sie.
»Warum isst du nichts?«, fragte Wrath. »Du brauchst Nahrung. «
Sie sah auf den Teller. Essen? Ihr Leben war plötzlich zu einem Stephen-King-Roman mutiert, und er machte sich Sorgen um ihren Appetit?
»Iss.« Er deutete mit dem Kopf auf ihren Suppenteller. »Du musst für deine Transition so kräftig wie möglich sein.«
Beth nahm den Löffel in die Hand, damit er sie endlich in Ruhe ließ. Die Suppe schmeckte wie Klebstoff, obwohl sie sicher perfekt zubereitet und gewürzt war.
»Du bist jetzt auch bewaffnet, oder?«, fragte sie.
»Ja.«
»Legst du deine Waffen jemals ab?«
»Nein.«
»Aber als wir …« Sie schloss den Mund, bevor die Worte uns geliebt haben herauskommen konnten.
Er beugte sich vor. »Ich habe immer eine Waffe in Reichweite. Auch wenn ich dich nehme.«
Beth schluckte. Heiße Fantasien stritten in ihrem Kopf gegen den grauenhaften Gedanken an, dass er entweder paranoid war, oder das Böse wahrhaftig immer nah war.
Und verdammt, dachte sie. Wrath war vieles, aber ganz sicher nicht der hysterische Typ.
Ein langes Schweigen senkte sich über den Raum, bis Fritz die Suppenteller abräumte und das Lamm servierte. Sie bemerkte, dass Wraths Fleisch in mundgerechte Stücke geschnitten worden war. Seltsam, dachte sie.
»Nach dem Essen möchte ich dir etwas zeigen.« Er brauchte zwei Anläufe, bevor er mit seiner Gabel ein Stück Fleisch aufgespießt hatte.
Da fiel ihr erst auf, dass er sich gar nicht die Mühe machte, auf seinen Teller zu sehen. Sein Blick war auf das Ende des Tisches gerichtet.
Ein kalter Schauer durchfuhr sie. Etwas stimmte hier nicht.
Eingehend musterte sie die Sonnenbrille.
Sie erinnerte sich, wie er in der ersten Nacht ihr Gesicht mit den Fingerspitzen abgetastet hatte, als hätte er versucht, sich ein Bild von ihr zu machen. Und dann wurde ihr bewusst, dass er immer diese Brille trug, als wollte er nicht nur das Licht dämpfen, sondern seine Augen verbergen.
»Wrath?«, fragte sie leise.
Er griff nach seinem Weinglas, die Finger krümmten sich erst, als seine Handfläche das Kristall berührte.
»Was?« Er hob das Glas an die Lippen, stellte es dann aber wieder ab. »Fritz? Wir brauchen roten.«
»Steht bereit, Herr.« Fritz kam mit einer anderen Flasche an. »Herrin?«
»O ja, vielen Dank.«
Als die Tür zur Küche wieder zuschlug, sagte Wrath: »Wolltest du mich noch was anderes fragen?«
Sie räusperte sich. Wahrscheinlich überinterpretierte sie das Ganze. Sie wollte unbedingt eine Schwäche an ihm finden, und deshalb redete sie sich ein, er wäre blind.
Wenn sie klug wäre, würde sie einfach schnell ihren Fragenkatalog abspulen. Und dann nach Hause fahren.
»Beth?«
»Ja … also, äh, stimmt es, dass du tagsüber nicht rausgehen kannst?«
»Vampire mögen kein Sonnenlicht.«
»Was würde passieren?«
»Bei Kontakt mit Sonnenlicht? Verbrennungen zweiten und dritten Grades sofort. Kurze Zeit später geht man in Flammen auf. Mit der Sonne ist nicht zu spaßen.«
»Aber ich kann jetzt rausgehen.«
»Du hast deine Wandlung noch nicht hinter dir. Aber wer weiß? Es könnte durchaus sein, dass du auch danach noch Tageslicht verträgst. Das ist unterschiedlich bei Leuten mit einem menschlichen Elternteil. Die Vampireigenschaften können abgeschwächt werden.« Er nahm einen Schluck aus dem Glas und leckte sich über die Lippen. »Andererseits ist Darius’ Blut in deinen Adern sehr stark, sonst würdest du nicht durch die Transition gehen.«
»Wie oft werde ich … trinken müssen?«
»Anfangs etwas häufiger. Vielleicht zwei bis drei Mal im Monat. Aber auch das kann unterschiedlich sein.«
»Wenn du mir beim ersten Mal geholfen hast, wie werde ich danach einen Mann finden, von dem ich trinken –«
Wraths Knurren ließ sie innehalten. Als sie aufsah, sank sie in ihrem Stuhl zusammen. Er war wieder wütend.
»Ich sorge schon dafür, dass du jemanden findest.« Sein Akzent trat stärker hervor als üblich. »Bis dahin wirst du mich benutzen.«
»Hoffentlich wird das nicht zu lange sein«, murmelte sie. Offenbar war er nicht besonders glücklich darüber, dass er sie auf dem Hals hatte.
Er kräuselte die Lippen, als er in ihre Richtung blickte. »Du kannst es wohl kaum erwarten, einen anderen zu finden? «
»Nein, ich dachte nur, dass …«
»Was? Du dachtest was?« Seine Stimme war hart, so hart wie wohl der Blick war, den er ihr durch die Sonnenbrille zuwarf.
Es war nicht so einfach zu formulieren, dass er sichtlich nicht an sie gebunden sein wollte. Die Zurückweisung schmerzte sie, obwohl sie wusste, dass es so besser war.
»Ich … also Tohr sagte, du wärest der König der Vampire. Ich könnte mir vorstellen, dass du einigermaßen beschäftigt bist.«
»Meine Jungs müssen lernen, ihre Klappe besser zu halten. «
»Stimmt das denn? Bist du der König?«
»Nein«, fauchte er.
Wieder einmal wurde ihr die Tür vor der Nase zugeschlagen.
»Bist du verheiratet? Ich meine, hast du eine Partnerin? Oder zwei?«, fuhr sie rasch fort. Jetzt war es auch egal. Seine Laune war sowieso schon wieder rabenschwarz, schlimmer konnte es nicht mehr werden.
»Himmel, nein.«
Das war wenigstens eine kleine Erleichterung. Auch wenn es gleichzeitig deutlich machte, was er von Beziehungen hielt.
Sie trank einen Schluck Wein. »Gibt es überhaupt eine Frau in deinem Leben?«
»Nein.«
»Und von wem trinkst du dann?«
Eine lange Stille entstand, was nicht gerade ermutigend war.
»Es gab jemanden.«
»Gab?«
»Gab.«
»Bis wann?«
»Vor kurzem.« Er zuckte die Achseln. »Wir standen uns nie nahe. Es war keine glückliche Verbindung.«
»Zu wem gehst du jetzt?«
»Meine Güte, du bist mit Leib und Seele Reporterin, was?«
»Zu wem?«, bohrte sie.
Er sah sie lange an. Und dann veränderte sich plötzlich seine Miene. Die Aggression schien aus ihm heraus zu fließen. Sanft legte er die Gabel auf den Teller und legte die andere Hand mit der Handfläche nach oben auf den Tisch. »Ach, verfluchter Mist.«
Trotz seines Fluchens kam ihr die Atmosphäre plötzlich viel entspannter vor.
Erst traute sie dem Stimmungswechsel nicht so ganz, doch dann zog er die Brille ab und rieb sich die Augen. Als er sie wieder aufsetzte, seufzte er, als wollte er sich sammeln.
»Gott, Beth, ich glaube, ich wollte, dass du es bist. Trotzdem ich nach deiner Wandlung nicht lange in der Nähe sein werde.« Er schüttelte den Kopf. »Mann, ich bin wirklich ein unglaublicher Idiot.«
Beth blinzelte, der Gedanke, dass er ihr Blut trinken würde, um zu überleben, erregte sie.
»Aber mach dir keine Sorgen«, sagte er. »Es wird nicht passieren. Und ich werde bald einen anderen Mann für dich finden.«
Er schob seinen halb leer gegessenen Teller von sich weg.
»Wann hast du zuletzt getrunken?« Sie musste an sein starkes Verlangen denken, gegen das er so verzweifelt angekämpft hatte.
»Letzte Nacht.«
Sie spürte einen Druck in der Brust, als wären ihre Lungen belegt. »Aber du hast mich nicht gebissen.«
»Nachdem du gegangen warst.«
Sie stellte sich ihn mit einer anderen Frau im Arm vor. Als sie nach ihrem Weinglas griff, zitterten ihre Hände.
Wow. Ihre Gefühlsachterbahn brach heute alle Geschwindigkeitsrekorde. Sie war nacheinander zu Tode geängstigt, wütend und eifersüchtig gewesen.
Was kam wohl als nächstes?
Sie hatte so eine Ahnung, dass es kein Glücksgefühl sein würde.