Prolog

Kai

Nur ich habe die Erschütterung in meinem Bruder gespürt, an jenem Tag, als er das rothaarige Mädchen verschonte, und ich habe nie jemandem davon erzählt. Manchmal bilde ich mir ein, dass es keinen Unterschied macht, dass sich nichts in ihm verändert hat, doch an anderen Tagen spüre ich, dass alles anders ist. Er hat einen Menschen verschont und ich verstehe bis heute nicht weshalb.

Doch ich kann spüren, dass etwas in ihm … verwirrt ist. Mein Bruder war noch nie ganz wie wir anderen Assassinen, da war immer … etwas. Ein winziger Unterschied, den ich nie ganz benennen konnte. Ein Unterschied, von dem ich weiß, dass er seinen Tod bedeuten könnte, sollte jemand es je herausfinden. Loyalität steht bei uns über allem anderen.

Und es ist Loyalität, die mich schweigen lässt. Loyalität, die mich meinen Bruder trotz allem schätzen lässt, die mir die Kraft gibt, jeden Tag aufs Neue zu versuchen ihm zu helfen. Es muss einen Weg geben, diesen Unterschied auszumerzen oder unsichtbar zu machen. Obwohl ich unserem Volk und dem Kel gegenüber loyal sein sollte, ist da etwas, das sicherstellt, dass stets mein Bruder an erster Stelle steht. Ein … Gefühl. Etwas, worüber ich ungern zu lange nachdenke, da ich nicht wissen will, was es über mich aussagt.

Mein Bruder ist natürlich sehr gut darin, seinen Fehler zu verstecken, ebenso wie er in allem anderen gut ist. Er ist der Anführer unserer Legion, obwohl er nur zwei Jahre älter ist als ich, und jedes Mal, wenn ich seine goldenen Augen sehe, bin ich überrascht angesichts der Weisheit, die ich darin erkenne.

Doch das Gefühl der Andersheit bleibt. Es ist meine Aufgabe, ihm zu helfen und sie verschwinden zu lassen. Und als ich das rote Haar des Mädchens in der Menge entdecke, beschließe ich, dass es einen Versuch wert ist.

Nur ich weiß, dass sich mein Bruder noch nie eine Hure genommen hat und er sich stets nur angewidert abwendet, wenn ich eine nur für ihn oder für uns beide bestelle, um der Welt etwas anderes vorzugaukeln. Obwohl er sich bereits seit Jahren das Recht auf eine Haremsfrau verdient hat, ist sein Apartment leer und ich gebe mein Bestes, das Gerücht in die Welt zu streuen, dass er kein Spielzeug lange genug intakt halten kann, als dass es sich lohnen würde, ihr den Platz einer Haremsfrau zu geben. Es ist besser, wenn die Welt den Grund in seiner Grausamkeit sieht als in seiner Weichheit.

Nur ich weiß von der Szene vor zehn Jahren und außer mir bemerkt auch keiner, wie Aidan stets aufhorcht, wenn ein anderer Assassine von einer rothaarigen Frau erzählt.

»Siehst du die Rothaarige?«, frage ich meinen Bruder, der hinter mir steht und wachsam die Menge mustert. Sofort spüre ich, wie er sich anspannt, wie sich seine Aufmerksamkeit schärft, als er in meine Richtung blickt.

Ich gebe ihm nicht die Chance, das Mädchen zu erblicken und zu prüfen, ob sie es ist. Statt auf seine Antwort zu warten, trete ich einen Schritt nach vorne und lasse mich von unserem Aussichtsposten auf dem Hochhaus fallen. Einen Moment lang spüre ich Schwerelosigkeit, den ungebremsten Fall. Freiheit ohne Schwerkraft. Nicht zum ersten Mal beneide ich meinen Bruder um seine Flügel, vor allem als ich schwer auf dem Boden aufschlage. Nur jahrelanger Übung ist es zu verdanken, dass ich gerade stehend aufkomme, die Beine zum Abfangen des Falls einknicke, die Hand auf dem Boden abstütze. Doch ich würdige die kleine Delle im Asphalt, die ich hinterlassen habe, keines Blickes, ignoriere auch die Menschen um mich herum, die erschrocken rufen und zurückweichen. Meine Aufmerksamkeit liegt nur auf der rothaarigen, jungen Frau, die gerade in die Straße am Ende des Platzes einbiegt.

Ich höre meinen Bruder fluchen, als ich mich erhebe und die Verfolgung aufnehme. Die Menschen auf dem Platz weichen mir aus, schaffen Raum, dass ich ungehindert durch sie hindurchrennen, über Marktstände springen, die wenigen Objekte in meinem Weg zur Seite schieben kann. Ich höre ihre Schreie, ihre Rufe, doch mein Jagdtrieb lässt mich meine Sinne nur auf eine einzelne Person fokussieren: Die Frau, die inzwischen entsetzt bemerkt hat, dass sie meine Beute ist. Wie in Zeitlupe dreht sie sich um und beginnt zu rennen, vor mir zu fliehen, ich höre ihr bestürztes Keuchen, das Stolpern in ihren Schritten. Die Angst in ihrem Geruch steigert das Adrenalin, das durch meine Venen schießt. Obwohl ich das hier für meinen Bruder mache, genieße ich es mehr, als ich vor ihm zugeben würde. Die Jagd, ihre Angst, meine Gewissheit, dass sie keinen Ausweg hat. Hinter mir vernehme ich die Flügelschläge meines Bruders, der sich verzweifelt anstrengt schneller als ich zu sein, doch in den engen Gassen bietet seine Flugfähigkeit wenig Vorteile. Es dauert nur Sekunden, bis ich die Frau eingeholt, sie gepackt und zu Boden geworfen habe. Sie reißt die Augen auf und schluchzt unwillig, als sie hart auf dem Boden aufprallt, obwohl ich ihren Fall mit dem anderen Arm bereits gebremst habe. Ihr weicher Körper windet sich in meinem Griff, als ich mich langsam erhebe und sie mit mir hochziehe.

»Was haben wir denn da?«, schnurre ich und mustere das Mädchen, das angsterfüllt versucht sich mir zu entziehen. Natürlich ist es nicht die, die mein Bruder gesucht hat, das Rot ihrer Haare ist nicht kupferfarben, sondern rotblond und die Augen blau, nicht grün. Aber sie ist hübsch, hat eine gute Figur und was noch viel wichtiger ist: Ihr Armband ist braun, nicht schwarz.

Hinter mir höre ich meinen Bruder landen und ich zerre das Mädchen herum, in seine Richtung.

»Ein Geschenk für dich«, sage ich und schubse sie so heftig zu ihm, dass sie stolpert. Mein Bruder ignoriert ihr Missgeschick und hilft ihr auf, nimmt sanft ihr Gesicht in seine Hand, um es zu sich zu drehen.

Was er sieht, lässt ihn jegliches Interesse verlieren. Abrupt lässt er sie los und versetzt ihr einen Stoß in meine Richtung.

»Du kannst sie behalten«, meint er schroff, schlägt mit einem abschätzigen Blick auf mich mit den Flügeln und erhebt sich in die Luft, um unsere Patrouille fortzusetzen. Ohne mich.

Seufzend blicke ich auf die Hure, die wimmernd vor mir kniet. Ich hatte recht, was die roten Haare angeht, doch mein Bruder scheint sehr feste Vorstellungen zu besitzen, wem diese roten Haare zu gehören haben. Seine Faszination für dieses Mädchen verblüfft mich immer wieder. Ich verstehe ihn einfach nicht. Da ist ein Teil von ihm, den ich vermutlich nie nachvollziehen werden kann.

»Es … es tut mir leid, dass ich meinen Zweck nicht erfüllen konnte, mein Herr«, wispert das Mädchen vor mir und blickt mich nicht an. Ihr braunes Armband macht deutlich, dass sie Allgemeingut ist, und ihre Angst, mich enttäuscht zu haben, ist offensichtlich. Ein Mensch hat niemals das Recht, einen Assassinen zu verärgern, und sie weiß, dass ich sie innerhalb eines Sekundenbruchteils töten könnte.

Ja, sie hat mich enttäuscht, aber als ich ihren fragilen Körper mustere, stelle ich fest, dass mir nicht der Sinn danach steht, sie zu töten. Es gibt andere Wege, meine Laune zu verbessern.

»Du kannst einen anderen Zweck erfüllen«, sage ich schroff.

Das Mädchen ist schlau genug, nicht zu schreien, als ich sie grob am Arm packe und in die nächste Gasse ziehe.

1. Kapitel

Esme – 310 Jahre zuvor

Es ist das erste Mal, dass ich den UN-Headquarters so nahe komme, aber nicht zum ersten Mal wundere ich mich über den fehlenden Sinn für Ästhetik der Menschen vor hundert Jahren. Die UN-Headquarters sind ein Betonkomplex, zwar voller Fenster, aber rechteckig und mehr klobig als elegant. Die hohen Zäune und Mauern um mich herum demonstrieren, dass es sich um einen Hochsicherheitstrakt handelt. Einen, der uns hoffentlich helfen wird zu überleben.

Der Soldat, der mich an der vordersten Mauer begrüßt hat, führt mich an ihr entlang zum Eingang des schwer bewachten Komplexes. Dort nimmt mich eine junge Frau namens River in Empfang, die sich scheinbar freiwillig gemeldet hat Neuankömmlinge zu begrüßen.

»Aber es wird immer seltener, dass Menschen vor unseren Toren auftauchen«, meint sie traurig, nachdem sie sich vorgestellt hat, »meistens sind es nur die Assets, oder Assassinen, wie sie sich jetzt nennen. Ich freue mich, dass du hier bist.«

»Ich mich auch«, erwidere ich ehrlich.

Mit einem Lächeln legt sie mir mitfühlend eine Hand auf den Arm. Sie wird sich denken, dass ich in den letzten Tagen Schreckliches durchgemacht habe – so war es ja auch, aber anders, als sie und die anderen Menschen vermuten.

»Gut, zuerst werde ich dich zu einem Arzt bringen, Esme«, erklärt River, »dann zeige ich dir die Speisesäle, die Quartiere und auch die hygienischen Anlagen. Vor der Führung müssen wir dich aber noch einem Mitglied des Rats vorstellen, der überprüft, dass du keine Spionin oder so bist. Nicht dass irgendjemand das denken würde, aber sie sind hier sehr vorsichtig.«

»Der Rat?«, frage ich nach.

»Wir haben hier eine Art Übergangsregierung gebildet«, erklärt sie, »nichts Demokratisches bisher, aber es funktioniert gut. Die Ersten, die hier waren – also nicht die Abgeordneten der UN, sondern die Generalin des Militärs hier und einige weitere, die Gruppen hierherführten –, haben sich selbst dazu berufen.«

Heißt das, jeder kann sich spontan zum Anführer machen? Das klingt nicht wirklich nach dem demokratischen Geist Amerikas, aber momentan ist es vermutlich besser als nichts. Die Zuflucht scheint sehr gut organisiert und es gibt wichtigere Sorgen als Neuwahlen. Wie um diese Erkenntnis zu unterstützen, ertönt in der Ferne das Rattern eines Maschinengewehrs.

Als ich River erschrocken anblicke, legt sie mir beruhigend eine Hand auf den Arm.

»Keine Sorge, wir sind hier sicher«, meint sie, »zumindest vorerst. Die Männer an der Mauer sind gut ausgebildet und bisher haben die Assassinen noch keine Offensive gestartet, sondern testen unsere Kraft nur mit gelegentlichen Scharmützeln.«

Die unausgesprochene Aussage entgeht mir nicht: Sobald die Assassinen ihre Kräfte bündeln und uns gezielt angreifen, ist es mit der Sicherheit vorbei.

River lächelt schwach und ich frage mich, was sie in diesem Krieg bisher erlitten hat. Äußerlich scheint sie noch voller Leben und ungebrochen, doch in ihren Augen sehe ich Schrecken und Grauen. Ich bin beeindruckt, dass sie noch so selbstsicher wirkt, während sie mich in das Hauptgebäude führt.

Obwohl durch die großen Fenster die Sonne hereinscheint, brennt Licht im Foyer, dessen Rezeption unbesetzt ist.

Bevor ich nachfragen kann, erklärt meine Begleiterin: »Wir besitzen hier einen eigenen Generator, dadurch können wir die Annehmlichkeiten der Elektrizität genießen. Dennoch wird dazu geraten, möglichst wenig zu benutzen, zum einen um die Assassinen nicht noch mehr auf uns aufmerksam zu machen als ohnehin schon, zum anderen weil unsere Benzinvorräte nicht endlos sind.«

Gerade als sie das sagt, erlischt das Licht und ein junger Mann erhebt sich hinter der Rezeption. Als er River entdeckt, fängt er sofort an zu grinsen.

»Guten Tag, meine Schöne«, begrüßt er sie. River verdreht nur die Augen.

»Verschwendest du mal wieder Strom, Lee?«, fragt sie pikiert, während der Mann auf uns zukommt, die Augen nicht von River nehmend. Wow. Selbst während der Apokalypse sind Flirterei und Gefühle nicht weit.

Mir fällt auf, dass ich dies am eigenen Leib erfahren habe, und mich durchzuckt ein Gefühl des Verlusts, als ich an Atair denke.

»Ich habe etwas für Dr. Clarke gesucht«, erklärt Lee und kommt vor uns zum Stehen. Fragend mustert er mich.

»Das ist Esme, sie ist soeben zu uns gestoßen«, stellt River mich vor und lächelt heimlich, während Lees Blick auf mir ruht. Aha, seine Avancen scheinen sie also gar nicht so sehr zu stören, wie sie vorgibt.

»Hallo. Ich bin Lee«, stellt er sich noch einmal formell vor und streckt mir die Hand hin, die ich schüttle.

»Wir wollten zu einem Arzt?«, meine ich fragend mit einem Blick auf River.

Scheint, als wäre mein Anteil an Lees Aufmerksamkeit vorbei, denn er sieht ebenfalls wieder zu meiner Begleiterin und lächelt, als wäre ihr Anblick die Sonne, die hinter den Wolken hervorbricht.

River gibt sich allerdings ungerührt. Sie wirft ihr blondes Haar nach hinten, bevor sie sich nach rechts dreht.

»Hier entlang, bitte«, verkündet sie und marschiert los, ohne Lee weiter zu beachten. Der Mann seufzt enttäuscht auf, folgt uns aber wortlos, als River mich durch eine Tür auf der rechten Seite führt, über der behelfsmäßig »Krankenstation« geschrieben steht.

Hinter der Tür erwartet uns ein nichtssagender Politikergang mit graublauem Teppich auf dem Boden und weiß gestrichenen Wänden, an denen in regelmäßigen Abständen ein möglichst wenig aufdringliches Kunstwerk hängt. Doch die Umstände haben diesen Ort offensichtlich verändert – alle Türen, die abgehen, sind geöffnet und ich höre das Piepen von EKGs und die Geräusche von Menschen. Auf dem Gang stehen einige leere Betten an der Seite und ein Mann sitzt direkt neben dem Eingang, ein Maschinengewehr über die Schulter gelehnt.

»Solltest du nicht draußen Wache halten, Bob?«, fragt River den Mann neckend, der aus der Betrachtung des Gemäldes ihm gegenüber schreckt.

»Als ob jemand an unseren Eingangsposten vorbeikäme, wenn nicht schon alles verloren wäre«, grummelt dieser, erhebt sich aber, um hinter uns hinauszugehen.

Zwei in Weiß gekleidete Männer, offensichtlich Pfleger, treten aus einem der Krankenzimmer und werfen dem Wachmann einen amüsierten Blick hinterher, bevor sie im nächsten Raum verschwinden.

»Komm«, sagt River und zupft an meinem Oberteil, damit ich ihr folge, »das Wartezimmer ist dort hinten.«

Gemeinsam gehen wir den Flur entlang und durch die letzte offene Tür, die davon abgeht. Daneben folgt noch eine weitere geschlossene Tür, über der »Behandlungsraum – Bitte nicht stören« geschrieben steht. Was diejenigen, die diese Konferenzsäle häufiger nutzten, wohl zu dieser kreativen Umgestaltung sagen?

Das Zimmer, das River, Lee und ich nun betreten, hat große Ähnlichkeit mit dem echten Wartesaal eines Hausarztes. An allen vier Wänden sind Stühle aufgestellt, nur unterbrochen von zwei Lücken für die Türen. Durch die Fenster hat man Blick auf einen schlichten Garten und auch hier hängen einige Bilder an den Wänden. Dennoch erkennt man, dass dies ursprünglich kein Wartezimmer war – der graublaue Teppich auf dem Boden und auch die Schreibtischstühle verraten, dass hier umfunktioniert wurde, ebenso wie die Wartezeitschriften, die ungewöhnlicherweise Titel wie Politics today und Economy tragen.

Auch hier ist die Tür zum angrenzenden Raum geöffnet, vermutlich weil sich kein einziger Patient im Wartezimmer befindet. Zielstrebig geht River darauf zu.

»Hallo, Dr. Clarke«, begrüßt sie die Frau, die darin an einem Schreibtisch mitten im Raum sitzt und konzentriert in ein Notizbuch schreibt. Wie jemand analog schreibt, habe ich bereits seit Jahren nicht gesehen. Ihre grauen Haare fallen ihr aus dem Gesicht, als sie aufblickt und lächelt.

»Hallo, River«, grüßt sie. »Lee, hast du meine Stifte gefunden?«

Lee schiebt sich an meiner Begleiterin vorbei und winkt mit drei Kugelschreibern, die er Dr. Clarke in die Hand drückt.

»Danke«, meint sie und bedeutet uns mit einer Handbewegung uns auf die drei Stühle zu setzen, die vor ihrem Schreibtisch stehen. Nachdem ich mich gesetzt habe, streckt sie mir die Hand hin.

»Hallo, ich bin Lucinda, obwohl mich hier alle nur Dr. Clarke nennen«, stellt sie sich vor.

»Esme, ich bin gerade angekommen«, erwidere ich und schüttele ihre Hand.

»Wie ungewöhnlich«, bemerkt sie und mustert mich. »Ich nehme an, ihr seid für die Eingangsuntersuchung hier?«

Ich nicke bestätigend und die Frau erhebt sich, nachdem sie ihr Notizbuch zugeklappt hat.

»Dann will ich dich mal nicht warten lassen.«

Lee und River bleiben sitzen, während Dr. Clarke eine Tür hinter sich öffnet und dann abwartend zu mir sieht. Scheinbar wird das ein privates Gespräch. Ich folge ihr in den vorhin bereits ausgewiesenen Behandlungsraum, in dem nicht nur ein Feldbett wie beim Hausarzt, sondern auch ein gynäkologischer und sogar ein zahnärztlicher Untersuchungsstuhl sowie einige Geräte zur Diagnose bereitstehen. Zu meiner Erleichterung zeigt Dr. Clarke jedoch nur auf das Feldbett, auf das ich mich setze, und zieht für sich selbst einen Stuhl heran.

»Eigentlich bin ich Chirurgin, aber ich und die acht anderen hier anwesenden Ärzte wechseln uns mit dem Dienst ab, deshalb werde ich heute für dich Allgemeinmedizinerin spielen«, erklärt sie, während sie ein weiteres Notizbuch von einem Beistelltisch nimmt, das bereits ziemlich voll zu sein scheint.

Als sie meinen Blick auf das Buch bemerkt, meint sie: »Das Risiko, dass uns der Strom ausgeht und wir digitale Aufzeichnungen verlieren, ist zu groß.«

»Okay?«, erwidere ich und lege mich auf das Feldbett. Scheinbar ist das mit den ausgehenden Benzinvorräten weniger weit hergeholt, als River es vorhin hat klingen lassen.

»Wie ist dein voller Name und Geburtsdatum?«, erkundigt sich Dr. Clarke.

»Esmeralda Lolita Saragoza, 8. Dezember 2101.«

Sie nickt und notiert sich meine Daten.

»Beruf und Familienstand vor der Rebellion? Blutgruppe?«

»Menschenrechtlerin der Human Rights Foundation, ledig. AB, glaube ich.«

»Verwandte oder Bekannte, deren Daten ich hier für Sie einholen könnte?«

Nach kurzem Zögern zucke ich mit den Schultern. Ganz ehrlich, so viele Bekannte habe ich nicht, bei denen ich Hoffnung auf Überleben hätte. Dennoch nenne ich die Namen meiner beiden ehemaligen Mitbewohnerinnen und den meines Chefs, der schließlich zur Zeit des Angriffs zu Hause war, aber Dr. Clarke schüttelt nur den Kopf.

Als sie offensichtlich noch auf mehr wartet, fahre ich fort: »Meine Familie lebt in Spanien und meine beste Freundin kam während der ersten Schlacht ums Leben.«

»Das tut mir leid«, entgegnet die Ärztin.

Sie legt das Notizbuch beiseite, um mich prüfend anzusehen.

»Kommen wir zum eigentlichen Thema«, meint sie, »ist es für dich in Ordnung, wenn ich die Ergebnisse später notiere, damit auch die anderen Ärzte eine mögliche Behandlung an deinen Gesundheitszustand anpassen können?«

Seltsame Frage, wieso sollte es für mich nicht in Ordnung sein? Ich nicke.

Dr. Clarke steht auf, um eine Blutdruckmanschette um meinen Arm zu legen, sie aufzupumpen und die Luft wieder abzulassen. Als Nächstes misst sie meine Temperatur und leuchtet mir kurz in die Augen und in den Mund.

»Gut. Hast du irgendwelche Schmerzen oder körperliches Unwohlsein, das ich genauer untersuchen sollte?«, will sie wissen.

»Nein«, erwidere ich.

»Du scheinst körperlich völlig gesund«, erklärt sie. »Die Frage ist, willst du, dass …« Sie macht eine Kopfbewegung zum gynäkologischen Untersuchungsstuhl.

»Ähm, wieso?«, frage ich verwirrt. »Ich war erst vor einem Monat bei meiner Frauenärztin.«

Dr. Clarke scheint erleichtert, seufzt aber und sagt dann sanft: »Ich meine keine Vorsorgeuntersuchung, sondern möchte mögliche Verletzungen erkennen und gegebenenfalls behandeln.«

»Verletzung?«, frage ich irritiert.

»Esme, ich mache mir keine Illusionen. Ich kenne deine Geschichte nicht, aber jede einzelne Frau, die nach dem dritten Tag der Belagerung noch hier eintraf, musste behandelt werden.«

Erst da verstehe ich entsetzt, was sie meint.

»Achso«, wehre ich vehement ab, »nein, mich hat niemand angerührt.«

Erleichterung und Erstaunen mischen sich in Dr. Clarkes Blick.

»Das ist ebenfalls sehr ungewöhnlich«, bemerkt sie und mustert mich noch einmal prüfend. Ich erwidere ihren Blick, bis sie schließlich entscheidet, dass ich tatsächlich die Wahrheit sage.

»Darf ich dich dann fragen, wie es dir ergangen ist?«

Ich zögere und erinnere mich daran, dass ich niemandem erzählen darf, dass Atair mich freigelassen hat. Bis auf diesen Umstand gibt es jedoch nicht wirklich etwas, das ich geheim halten müsste … Außer vielleicht der gegenseitigen Anziehung zwischen Atair und mir.

»Ich habe im Empire State Building gearbeitet«, erzähle ich, »und aß gerade zu Mittag, als wir Schüsse hörten. Der Ausgang war blockiert und so habe ich mich stundenlang unter einem Schreibtisch versteckt, bis ich dachte, es wäre vorbei. Als ich dann fliehen wollte, entdeckte mich ein Assassine, der zuvor ebenfalls im Empire State arbeitete und mich täglich kontrollierte. Er nahm mich gefangen und brachte mich in sein Quartier, wo er mich festhielt. Allerdings schadete er mir nicht, sondern behauptete, er wolle mich … beschützen.«

»Bemerkenswert«, sagt die Ärztin erstaunt. »Beschützen? Einen Menschen?«

Ich nicke und eine plötzliche Welle der Sehnsucht macht sich in mir breit, als ich an Atair denke.

»Er hat Gefühle für mich«, erkläre ich wehmütig.

Dr. Clarke hebt beide Augenbrauen. »Ich wusste nicht, dass diese Wesen überhaupt Gefühle außer Blutdurst kennen.«

»Doch«, entgegne ich leise. Atair kannte sie offensichtlich.

»Aber ich wollte mein Leben nicht in Gefangenschaft verbringen und als der Assassine mich zu einem Außeneinsatz mitnahm, floh ich hierher«, ende ich.

Dr. Clarke scheinen die Worte zu fehlen, sie sieht völlig verblüfft aus. Dann nimmt sie wieder ihr Notizbuch zur Hand und schreibt meine Geschichte nieder – jedoch knapper, als ich sie erzählt habe, wie ich bemerke.

»Ich würde dir empfehlen deine Sympathie für den Assassinen besser zu verstecken«, meint sie schließlich, als sie fertig ist. Sie blickt mich an und in ihren Augen lese ich Mitgefühl neben ihrer Verwunderung.

»Der Hass auf die Assassinen ist zu groß. Viele würden dich verurteilen.«

Ich nicke und denke daran, wie einfach es doch mit Atair war. Wie realistisch die Vorstellung wirkte, mit einem Assassinen in Frieden leben zu können – eine Vorstellung, die offensichtlich nicht nur an den Assassinen, sondern auch an den Menschen scheitern würde.

2. Kapitel

Als Dr. Clarke und ich wieder in den Vorraum des Behandlungszimmers zurückkehren, sind River und Lee in ein angeregtes Gespräch vertieft, währenddessen River mit ihren langen Haaren spielt. Als Dr. Clarke sich jedoch verhalten räuspert, springt sie auf und würdigt Lee keines weiteren Blickes. Sie bedeutet mir mit einer Kopfbewegung zu gehen und geht voraus aus dem Zimmer, einen ihr sehnsüchtig nachblickenden Lee zurücklassend.

»Schon süß«, meine ich, als ich sie auf dem Gang wieder eingeholt habe. Sie scheint es sehr eilig zu haben, sich von dem Arzthelfer zu entfernen.

»Was?«, fragt sie unschuldig. »Wer? Dr. Clarke?«

»Lee sieht ziemlich gut aus«, stelle ich fest. Es ist die Wahrheit – Lee ist vielleicht etwas schlaksig, aber attraktiv mit den stahlblauen Augen und dem blonden Haar, das ihm in sein markantes Gesicht fällt.

»Lee?«, hakt sie erschrocken nach, die Stimme eine Oktave höher. Sie mustert mich irritiert – Moment, macht sie sich Sorgen, ich könnte ihn ihr ausspannen? Ist ja nicht so, als wäre mein Herz derzeit nicht anderweitig beschäftigt. Lee ist definitiv nicht mein Typ, stattdessen träume ich von dunklen Haaren, silbernen Augen und unwiderstehlichen Grübchen.

Ach, Atair. Wenn mein Assassine wüsste, was er mit mir gemacht hat …

River scheint zu dem Schluss zu kommen, meine Aussage zu ignorieren, und führt mich stattdessen zurück ins Foyer, um die Treppe auf der anderen Seite zu nehmen. Als wir im sechsten Stock ankommen, verfluche ich meine Kurzsichtigkeit, vor dem Aufstand nicht mehr Sport getrieben zu haben. Sogar River ist außer Atem, obwohl sie der Figur nach regelmäßig ins Fitnessstudio gegangen sein muss.

»Da entlang«, keucht sie und geht mit mir an mehreren Soldaten vorbei in den nächsten nichtssagenden Flur, diesmal deutlich langsamer als zuvor.

»Das sind die Büros der Ratsmitglieder«, erklärt sie, als wir uns wieder etwas erholt haben, »es gibt derzeit insgesamt dreiundzwanzig. Zu jeder Zeit hat einer von ihnen Sprechstunde, falls ein Notfall auftritt und auch um Neuankömmlinge zu begrüßen.«

Wir bleiben an einer Tür stehen, über der »Waters« geschrieben steht. Ein Zettel mit der Aufschrift »Sprechstunde« wurde mit Klebeband auf sie geheftet. River klopft vorsichtig und öffnet, nachdem von drinnen ein »Herein« ertönt.

»Ich warte draußen«, verkündet sie mir und winkt mich dann hinein. Schon wieder lässt sie mich allein – welche unangenehmen Fragen erwarten mich diesmal? Doch ich straffe die Schultern und betrete das Büro, das tatsächlich so aussieht, als hätte es mit seinem ausladenden Schreibtisch und den zahlreichen Bücherregalen vor der Rebellion demselben Zweck gedient.

Als ich jedoch die Person hinter dem Schreibtisch sehe, reiße ich ungläubig die Augen auf. Den dunkelhäutigen Mann, dessen erstaunter Gesichtsausdruck meinen widerspiegelt, hätte ich unter Hunderten wiedererkannt. Schließlich hat er versucht mein Leben zu retten.

»Cade?«, frage ich mit vor Überraschung hoher Stimme und frage mich, ob ich vielleicht noch träume.

»Du … Ich weiß nicht einmal deinen Namen«, erwidert er fassungslos, »aber ich bin froh, dass du es geschafft hast!«

Er grinst breit und bedeutet mir mich ihm gegenüberzusetzen.

»Ich dachte, du wärst tot«, meine ich und kann immer noch kaum glauben, dass er hier ist, »schließlich hast du dich von einem Balkon im hundertdritten Stock gestürzt.«

Cade erhebt sich, um hinter sich aus einem Schrank zwei Tassen zu nehmen und uns darin Kaffee einzuschenken. Der geliebte Geruch verstärkt nur noch den Eindruck, dass ich träume.

»Es tut mir leid, dass ich dich zurückgelassen habe«, entschuldigt er sich ernst, als er mir die Tasse in die Hand drückt, »ich sah keine andere Möglichkeit. Ich wusste, dass sich unter dem Balkon eine Plattform befindet, auf die ich mich gerade so retten konnte.«

Wow. Selbst wenn ich von so etwas gewusst hätte, nie hätte ich mich getraut einen derartigen Fluchtweg anzutreten.

Cade schaut mich noch immer zerknirscht an und erst jetzt fällt mir auf, dass er echte Schuldgefühle zu haben scheint. Dabei bin ich ihm nicht im Geringsten böse – es schien, als wären wir dank Atair beide dem Tod geweiht, ich kann es ihm nicht verdenken, dass er sich selbst gerettet hat.

»Schon in Ordnung«, nehme ich aber seine Entschuldigung an, damit er sich besser fühlt, »ich habe es überstanden.«

»Das erfüllt mich mit großer Erleichterung«, gesteht Cade.

Einen Moment lang schweigen wir und genießen den Kaffee, bevor er fragt: »Was ist mit dir geschehen, ähm …?«

»Esme«, stelle ich mich vor und überlege, wo ich anfangen soll. Dr. Clarkes Warnung, meine Gefühle für Atair nicht offen zu zeigen, hallt mir noch in den Ohren und da mein Assassine versucht hat Cade umzubringen, wird dieser womöglich zu den Menschen gehören, die das weniger toll finden.

Also schule ich meine Stimme und meinen Gesichtsausdruck in Neutralität und blicke in meinen Kaffee, damit auch meine Augen nichts verraten können.

»Der Assassine, der uns angriff, wollte mich nicht töten, sondern nahm mich gefangen«, erkläre ich, »bei einem Außeneinsatz, auf den er mich mitnahm, entkam ich ihm heute Morgen allerdings.«

Cade schweigt. Als ich aufblicke, um seine Reaktion zu sehen, kämpfen in seinem Gesicht Mitgefühl, Sorge und Bewunderung miteinander.

»Es tut mir so leid«, entschuldigt er sich noch einmal.

Ich kann nicht länger mit ansehen, wie er das schlechteste von Atair denkt, also sage ich: »Er hat mir keine Gewalt angetan, keine Sorge. Eine Gefangene zu sein, war nicht unbedingt angenehm, aber zumindest war ich in dieser Hinsicht sicher.«

Cade atmet überrascht und erleichtert auf, doch die Schuldgefühle in seinen Augen bleiben.

»Gut«, entgegnet er nur. Es ist fast unerträglich, wie leid es ihm tut – vielen anderen erging es in den letzten Tagen deutlich schlimmer als mir. Atair war kein schlechter Beschützer und ein Teil von mir bereut es nicht im Geringsten, von ihm gefangen genommen worden zu sein und ihn besser kennengelernt zu haben. Nicht dass ich das irgendjemandem hier erzählen könnte, ohne für verrückt gehalten zu werden.

»Ja«, meine ich und um das Thema zu wechseln, frage ich: »Und bei dir?«

Cade erwacht aus seiner Schuldspirale und lächelt schwach.

»Nachdem ich eine gute Stunde auf der Plattform ausgeharrt habe, bin ich zurück ins Gebäude gegangen und habe mich nach draußen geschlichen, auf der Treppe habe ich sogar vier weitere Mitarbeiter eingesammelt. Gemeinsam schlugen wir uns durch die Stadt – na ja, wir gingen jeder möglichen Konfrontation aus dem Weg und gelangten unbemerkt an den Assassinen vorbei, wobei die Gruppe immer weiter wuchs. Als wir endlich hier ankamen, waren wir etwa dreißig Leute. Weil die anderen mich als Anführer ihrer Rettungsmannschaft sahen, haben sie mich zum Ratsmitglied gemacht.«

Es ist erstaunlich. Dreißig Menschen durch New York an den Assassinen vorbeizuschleusen – ich kann mir vorstellen, dass die Menschen zu Cade aufsehen. Sein Mut, gegen Atair zu bestehen, hat mich bereits bei unserer ersten Begegnung beeinflusst.

»Ich kann sie verstehen«, gebe ich also zu und lächle.

»Danke«, meint er, »auch wenn ich dich nicht retten konnte.«

»Ich bin hier, oder etwa nicht?«

Nach einem kurzen Moment nickt er. Damit er nicht länger darüber nachdenken kann, will ich wissen: »River sagte, ich solle hier eigentlich ein Willkommensgespräch führen, bei dem überprüft wird, ob ich eine Spionin oder so bin.«

Cade lacht.

»Eine reine Formalität. Es wird behauptet, dass manche Menschen den Assassinen noch freundlich gesinnt wären, sogar freiwillig bei ihnen lebten, aber das ist einfach absurd.«

»Ja, absurd«, echoe ich und versuche nicht zu sehr an meinen Assassinen zu denken. Ich kann nicht leugnen, dass ich Atair mehr als nur freundlich gesinnt bin. Auch Layla und ihr Assassinenfreund Lion kommen mir in den Sinn – sie wären ein Beispiel für die letztere Aussage, aber das sollte ich vielleicht nicht unbedingt erwähnen.

»Offiziell willkommen geheißen hat dich River vermutlich bereits, aber ich kann mich gerne einklinken: Herzlich willkommen im letzten menschlichen Bollwerk des Bundesstaats New York!«

Es hört sich traurig an, wie er das sagt. Aber wahrscheinlich ist es wahr – die Assassinen sind zu stark und zu zahlreich, als dass sich noch viele Stützpunkte hätten halten können. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie auch gegen diesen Ort ausrücken. Es ist eine so unangenehme Wahrheit, dass ich nicht weiß, was ich darauf erwidern soll.

»Na ja, ich will nicht mehr von deiner Zeit beanspruchen«, meine ich schließlich, nachdem wir einen Augenblick geschwiegen haben, und erhebe mich, »danke für das Gespräch.«

»Immer wieder gern«, erwidert Cade und lächelt. Als er mir die leere Tasse abnimmt, berühren seine Finger fast zärtlich meine Hand.

»Vielleicht sehen wir uns ja heute beim Abendessen?«, fragt er. »Du kannst mich auch jederzeit besuchen.«

Moment, flirtet er gerade mit mir? Ich fühle mich geschmeichelt, aber vermutlich sind das nur seine anhaltenden Schuldgefühle, die durchkommen. Und selbst wenn er mit mir flirten würde, würde ich das wollen?

»Ja, vielleicht, bestimmt«, erwidere ich daher unsicher, »bis dann.«

Ich verlasse den Raum, ohne auf eine Antwort zu warten, und schließe die Tür hinter mir. Bevor ich tief durchatmen kann, belagert mich auch schon River, die auf einem Stuhl im Flur gewartet hat.

»Und?«, fragt sie. »Wie war es? Cade ist toll, oder?«

»Ja«, entgegne ich nichtssagend, »er ist nett.«

Rivers Augenbrauen schnellen in die Höhe.

»Nett?«, echot sie. »Meinst du nicht eher gut aussehend, sexy, attraktiv, zum Anschmachten?«

Hm. Vielleicht sollte sich Lee doch nicht so große Hoffnungen machen.

Als ich sie stirnrunzelnd betrachte, zuckt River mit den Achseln.

»Ich war in der Gruppe, die er hierhergebracht hat«, erklärt sie, »mehr als einmal hat er uns vor den Assassinen gerettet.«

Armer Lee. Wenn Cade ihr Held ist …

»Lee war auch dabei«, fährt sie fort, ohne auf meine fast traurige Miene zu achten, »wenn ich ehrlich bin, war er mir gegenüber fast noch heroischer. Er hat die Aufmerksamkeit eines Assassinen auf sich gelenkt, damit ich nicht entdeckt werde, und hätte das fast mit dem Leben bezahlt …«

Also doch Lee als großer Held? So behandelt sie ihn aber definitiv nicht. Versteh einer die Frauen … Etwas verspätet fällt mir auf, dass ich auch zu diesem verwirrenden Geschlecht gehöre. Na ja, meine Gefühle für Atair sind definitiv nicht einfacher.

»Egal, jetzt werde ich dich auf jeden Fall erst einmal herumführen«, wechselt River das Thema und zieht mich am Arm zurück zur Treppe.

3. Kapitel

Die Organisation des UN-Hauptquartiers ist besser, als ich zu hoffen gewagt hätte. River zeigt mir den Speisesaal, die Lagerräume, die Wohntrakte und das Trainingsgelände. Außerdem gibt es noch eine Bibliothek und einen Aufenthaltsraum mit Brettspielen. In der ehemaligen Überwachungsstation des Gebäudes, das jetzt nur noch IT-Zentrum genannt wird, werden nicht nur mittels Kameras alle Eingänge überprüft, sondern auch von professionellen Technikern Kontakt mit der Außenwelt gehalten. Laut River haben wir in Europa bereits Hilfe angefordert, während die Antarktis Funkstille hält, Afrika und Australien mit ähnlichen Problemen wie wir zu kämpfen haben und Asien seine Assassinen ebenfalls kaum unter Kontrolle halten kann und vorerst versucht diese zu liquidieren.

Bei dem Gedanken, dass ein riesiger Kontinent wie Asien seine Assassinen nun systematisch umbringt, erschauere ich, obwohl ich die drastische Maßnahme ein wenig verstehen kann.

In ganz Nord- und Südamerika laufen die Assassinen laut River Amok. Noch gibt es zahlreiche menschliche Verteidigungsstützpunkte, vor allem in den Staaten sieht es außer in New York und Washington ganz gut aus, schließlich war die Assassinendichte in allen anderen Bundesstaaten geringer. Es ist erleichternd zu hören, dass wir trotz allem Anschein nicht die letzten Menschen auf der Welt sind. Ebenso ist es eine Erleichterung zu wissen, dass Europa nach wie vor sicher ist. So verrückt wir Amerikaner die europäischen Länder in den letzten Jahrzehnten auch hielten, weil sie auf den Schutz gentechnisch manipulierter Sklaven verzichteten, so weise und voraussehend wirken die Europäer plötzlich.

River führt mich weiter durch einen kleinen Garten, der von einer Wand begrenzt wird, die voller Vermisstenanzeigen ist. Mit Sharpie direkt auf den Beton gekritzelt oder auf Papier, das daraufgeklebt wurde, stehen hier zahlreiche Namen und Botschaften. Einige wenige sind durchgestrichen, doch die meisten sind noch immer mit Datum und Zimmernummer des Suchenden versehen.

»Hier leben inzwischen mehrere Tausend Menschen und jeder hofft seine Freunde und Verwandten unter den Anwesenden zu finden«, erklärt River und nimmt sich Zeit, die Nachrichten durchzusehen. Obwohl ich nicht annehme meinen Namen hier zu finden, tue ich es ihr nach und lese einen Namen nach dem anderen. So viele Vermisste – so viele Menschen, die wahrscheinlich tot oder gefangen sind. Letzte Woche hatte New York noch dreißig Millionen Einwohner, doch hier befinden sich keine dreißigtausend, wie River mir erzählt.

Da ich die Nachrichten zu deprimierend finde, betrachte ich stattdessen River, die noch immer eine nach der anderen liest. Ihr sonst so fröhliches und starkes Wesen ist verschwunden, stattdessen wirkt sie niedergeschlagen, als sie den Finger hebt und über eine Nachricht an der Wand streicht.

»Harper Leyton«, steht da, »gesucht von River Leyton«.

Ihre Schwester? Mutter? Cousine? Mitgefühl steigt in mir auf. Obwohl ich neugierig bin, frage ich nicht nach – River hat mich bisher auch noch mit keinen Fragen bedrängt.

»Eigentlich lebt meine Schwester in Ontario, aber ich dachte mir, es kann nicht schaden«, meint River nach einer Weile des Schweigens, »sie ist alles, was von meiner Familie noch übrig ist – meine Eltern wurden ermordet, als sie die Assassinen von unserem Haus weglockten, um mich zu beschützen.«

Sie sagt es, als würde sie über das Wetter sprechen, ohne jegliches Gefühl in der Stimme, ohne zu zeigen, was ihr diese Geste bedeutet. Aber ich kann spüren, wie schwer es ihr fällt, darüber zu sprechen, also lege ich tröstend den Arm um sie. Wir kennen uns erst seit wenigen Stunden und dennoch wallt der Beschützerinstinkt in mir auf. Verspätet fällt mir auf, dass sie mich wohl an Livy erinnert, mit ihrem starken Charakter und der Begeisterungsfähigkeit.

»Ich bin sehr froh, dass meine Familie in Europa lebt«, sage ich, »obwohl ich sie womöglich nie wiedersehen werde.«

»Danke«, meint River. Sie lächelt, bevor sie das Thema wechselt: »Komm, dort entlang geht es zu den Sanitäranlagen.«

Ich nehme meinen Arm wieder zurück und wir gehen weiter, um wie versprochen die Duschen zu begutachten. Toiletten gibt es in den Wohntrakten in jedem Stockwerk, wie River mir auch noch einmal zeigt, als wir dorthin zurückgehen, um mir mein Zimmer zuteilen zu lassen.

»Toiletten und Waschbecken werden täglich von einem Freiwilligendienst gereinigt«, erklärt River, »um die Zimmer müssen sich die Bewohner aber selbst kümmern und der Flurdienst rotiert.«

Sie führt mich zu einem Raum, über dem »Hausmeister« geschrieben steht. Auf ihr Klopfen öffnet eine ältere Frau, die lächelt, als sie River erblickt.

»River«, grüßt sie, »wieder Probleme mit der Nachttischlampe?«

River erwidert ihr Grinsen.

»Nein, zum Glück nicht. Ich habe eine Neue mitgebracht, die noch ein Bett braucht.«

Nun bemerkt die Dame auch mich und mustert mich kritisch von oben bis unten.

»Ihr solltet beide mehr essen«, verkündet sie River, bevor sie sich umdreht und in ihrem Zimmer nach etwas sucht. Durch die offene Tür sehe ich eine Mischung aus Schlaf- und Arbeitszimmer: Auf der einen Seite stehen ein Bett, neben dem über einen Stuhl Kleider geworfen sind, während auf der anderen ein Schreibtisch vor Zetteln und Post-its nur so überquillt. In diesem Chaos sucht die Frau nun nach etwas und verschlimmert es dabei nur, indem sie Papiere auf Haufen schiebt, diese wieder zerstört und Post-its scheinbar zufällig von einem Zettel auf den anderen klebt.

»Maeve war mal Hausmeisterin und kümmert sich hier um alles«, flüstert River mir zu, während die ältere Frau beschäftigt ist, »sie kann ein wenig sonderbar sein, aber eigentlich ist sie sehr lieb.«

Schließlich findet Maeve ein DIN-A3-Blatt, auf dem mit Bleistift mehrere Flurpläne eingezeichnet sind. Sie mustert ihn kurz, bevor sie das nächste Blatt hervorzieht, das genau gleich aussieht. Erst bei genauerem Hinsehen erkenne ich, dass in den einzelnen Zimmern Namen notiert sind.

O je, wie viele Pläne muss sie haben, wenn sie für die Unterbringung von mehreren Tausend Menschen verantwortlich ist?

Nachdem Maeve den vierten Plan beiseitegelegt hat, scheint sie ungeduldig zu werden.

»River, wie viele Menschen schlafen in deinem Zimmer?«, will sie von meiner Begleiterin wissen.

»Drei.«

»Wieso fragst du mich dann überhaupt?«, grummelt die ältere Frau. »Nehmt euch eine weitere Matratze und legt sie dazu, vier sind noch nicht zu viel für ein Zimmer.«

»Ist gut, Maeve«, entgegnet River, »du kannst es ja später eintragen.«

Bevor die ältere Frau antworten kann, zieht River mich bereits mit sich zu einer nahe gelegenen Treppe.

»Vielleicht hätten wir doch bei Kayla im anderen Wohngebiet nachfragen sollen«, meint sie, »dort teilen sie sich angeblich nur zu zweit ihre Zimmer. Aber gut, so muss ich nicht so viel mit Lee allein sein.«

»Lee?«, frage ich überrascht nach. Ich habe nicht erwartet, den Arzthelfer ganz so schnell wiederzusehen.

»Ist es für dich in Ordnung, in einem gemischten Zimmer zu schlafen?«, will River wissen. Sorge schleicht in ihre Stimme und mir fällt wieder ein, dass alle hier annehmen, ich hätte bei den Assassinen weit Schlimmeres erlebt, als es tatsächlich der Fall ist.

»Natürlich«, entgegne ich, »für mich macht es keinen Unterschied.«

River seufzt erleichtert.

»Als wir hier ankamen, war ich noch ziemlich verstört von allem, was geschehen ist. Deshalb habe ich nichts eingewendet, als Lee ein gemeinsames Zimmer vorschlug.«

»Also, ich will auch nicht eure Zweisamkeit stören«, meine ich zwinkernd. River verdreht die Augen.

»Wohl eher störe ich die Zweisamkeit von Lee und Shannon.«

»Shannon?«, hake ich nach.

River seufzt.

»Ein anderes Mädchen, das kurz nach uns ankam. Sie ist unglaublich nett, aber manchmal fast … zu nett zu Lee.«

»Eifersüchtig?«, frage ich grinsend.

»Niemals!«, wehrt River ab. »Nur … peinlich berührt dabei zuzuschauen.«

Ich hebe eine Augenbraue. Das scheint ja interessant zu werden – fehlt nur noch, dass ich mich mit in den Ring um Lees Aufmerksamkeit werfe. Allerdings kann er mit Atair nicht mithalten …

River und ich laufen diesmal zum Glück nur ins zweite Stockwerk, in dem sie mich zuerst an einen Schrank bringt, wo ich mir ein Set Wechselkleidung aussuchen darf. Die Auswahl ist nicht gerade berauschend.

»Wir haben nicht viel, nur, was die Sammlertrupps mitbringen, deshalb darf auch jeder nur eine Garnitur zum Wechseln haben«, informiert sie mich, »es gibt auch keine Waschmaschine, sondern jeder muss seine Kleidung so oft wie nötig von Hand waschen.«

Spaßig. Bei dem Gedanken vermisse ich Atairs Schrank voller viel zu großer Hemden, die alle nach ihm rochen.

»Komm«, meint sie, nachdem ich mir meine Kleider genommen habe, und führt mich zu einem Raum, in dem einige Isomatten und Luftmatratzen herumliegen. Sie schnappt sich eine und bringt mich dann drei Türen weiter.

»Tada!«, macht sie. »Willkommen in deinem neuen Zuhause.«

Sie öffnet die Tür und gibt den Blick frei auf ein kleines Zimmer, in dem ein Einzelbett, ein kleines Sofa und bisher eine Luftmatratze herumliegen. Auf Letzterer sitzt ein junges Mädchen, vielleicht sechzehn Jahre alt, und liest ein Buch.

»Hallo, Shannon«, begrüßt River sie sanft. Shannon sieht auf und lächelt verträumt, ohne River direkt anzusehen.

»Guten Abend, River.«

»Das ist Esme«, stellt River mich vor, »sie wird sich ab jetzt das Zimmer mit uns teilen.«

»Willkommen, Esme.« Nun fokussiert sich ihr Blick, sie sieht mich neugierig an, bevor sie ihre Luftmatratze ein wenig zur Seite schiebt, damit River meine daneben ausbreiten kann.

»Hi«, erwidere ich, aber Shannon hat sich bereits wieder in ihr Buch vertieft.

»Du bist leider zu spät dran, um ein echtes Bett zu bekommen«, sagt River mit einem Blick auf das Bett, »das gehört bereits mir, Lee schläft auf dem Sofa. Aber es gibt Schlimmeres als eine Luftmatratze, schätze ich.«

»Wenn Lee und River sich das Bett teilen würden, könnte ich auf dem Sofa schlafen«, bemerkt Shannon abwesend, ohne den Blick vom Buch zu nehmen. River schweigt, wirft Shannon aber einen bösen Blick zu. Ich merke schon, Shannon scheint sehr an Lee interessiert – oder auch nicht.

»Müsstest du nicht mal zur Arbeit?«, fragt River, nachdem sie Shannon noch ein wenig böse angestarrt hat. Das Mädchen schreckt auf und blickt auf die Uhr, die an der Wand hängt. Scheinbar lautet die Antwort auf die Frage Ja, denn sie wirft das Buch beiseite und drückt sich an mir vorbei aus der Tür, ohne sich zu verabschieden.

»Shannon ist auch recht sonderbar«, bemerkt River seufzend, »die Pubertät.«

Bei dieser Aussage muss ich grinsen. River wirkt selbst gerade mal wie zwanzig, da kann sie wohl kaum darüber urteilen. Wobei ich zugegebenermaßen ebenfalls nicht viel älter bin.

»Was arbeitet sie denn?«, will ich wissen.

River setzt sich aufs Bett.

»Das ist ohnehin mein nächstes und letztes Thema«, antwortet sie, »Arbeiten, meine ich. Fast jeder hier beteiligt sich am Widerstand, obwohl es natürlich völlig freiwillig ist und keiner dich verurteilen würde, wenn du erst einmal richtig ankommen und dich … äh, erholen willst. Shannon arbeitet bei der Essensverteilung, wir sehen sie gleich beim Abendessen wieder, Lee ist Arzthelfer, wie du gesehen hast, und ich mache beim Begrüßungskomitee mit. Wobei ich mehr und mehr bei den Sammlertrupps helfe, seit es weniger Menschen zum Begrüßen gibt.«

»Was sind diese Sammlertrupps genau?«, hake ich nach.

»Na ja, wie du siehst, benötigen wir hier einige Ressourcen«, erklärt sie, »Essen, Kleidung, Seife, Medikamente und so weiter. Deshalb gehen einige von uns täglich nach draußen, um mehr davon zu suchen und mitzubringen. Es ist natürlich gefährlich, sich in Assassinengebiet vorzuwagen, aber für solch eine Invasion hat auch die UN nicht langfristig geplant.«

Ich nicke. Mir ist bewusst, dass dieses Gespräch darauf hinausläuft, dass ich mir eine eigene Beschäftigung suche – was ich natürlich gern tue, denn mir ist bewusst, dass die sterbende Art der Menschen gerade jede Hilfe braucht, die sie bekommen kann. Diese Sammlertrupps klingen sinnvoll und ich habe noch immer die Assetgun, die Atair mir gegeben hat, bevor er mich gehen ließ.

»Braucht ihr noch Unterstützung?«, frage ich also. River wirkt etwas zögerlich, vermutlich denkt sie an mein nicht vorhandenes Trauma, das mich in Assassinengebiet womöglich beeinflussen könnte, aber dann hellt sich ihr Gesicht auf. Vielleicht schaffe ich es langsam, wenigstens sie zu überzeugen, dass ich überhaupt nicht gestört oder traumatisiert bin.

»Gerne«, meint sie aufrichtig, »kannst du schießen?«

Als ich Atairs Waffe unter meinem Hemd hervorziehe, werden ihre Augen groß.

»Woher hast du die?«, will sie wissen. »Wir haben in den gesamten Headquarters keine drei Stück davon. Kannst du sie bedienen?«

Erst jetzt erinnere ich mich daran, dass die Pistolen der Assassinen nur für wenige Personen freigeschaltet sind. Was soll ich ihr erzählen? Zögerlich nicke ich und antworte: »Der Assassine, der mich gefangen hielt, hat mir gezeigt, wie man sie benutzt. Als ich geflohen bin, konnte ich sie stehlen.«

River pfeift zwischen den Zähnen hindurch und berührt die Assetgun ehrfürchtig.

»Ich würde sie dir freischalten, wenn ich wüsste wie«, behaupte ich, obwohl ich eigentlich froh bin, dass ich sie behalten kann. Ebenso wie sein Hemd, das ich trage, erinnert sie mich an meinen Assassinen.

»Es wäre mir eine Ehre, dich in meinem Sammlertrupp willkommen zu heißen«, verkündet River. Vom anfänglichen Zögern ist nichts mehr zu spüren. Dann grinst sie und springt auf. »Aber lass uns erst einmal zu Abend essen.«

4. Kapitel

Gemeinsam kehren River und ich zu dem Speisesaal zurück, den sie mir zuvor gezeigt hat. Er ist bei Weitem nicht so atemberaubend wie jener der Assassinen auf Atairs Insel, war aber auch nicht für die Dinner von hochrangigen Generälen und Forschern gedacht, sondern eine einfache Kantine für die Mitarbeiter der UN-Headquarters. Reihen an Tischen und Stühlen stehen möglichst platzsparend aneinander, der Raum wird von schlichten Halogenlampen erleuchtet, große Fenster geben den Blick auf den Garten frei. An einer Seite befindet sich die Essensausgabe. Beim Anblick der metallenen Essensbehälter, die unter Infrarotlampen zum Wärmeerhalt auf zahlreichen Theken stehen, fühle ich mich stark an die Universitätskantine in Barcelona zurückerinnert.

Allerdings sah das Essen dort deutlich appetitlicher aus, bemerke ich, als ich den Kartoffelauflauf und die undefinierbare Suppe mustere. Was gäbe ich nicht alles für die Paella meiner Mutter …

Aber in der Apokalypse muss man beim Essen wohl Abstriche machen. Ich nehme mir den Teller, den River mir reicht, und lasse mir von der Frau, die hinter dem Kartoffelauflauf steht, Essen aufschöpfen. Die Suppe lasse ich trotzdem lieber in Ruhe.

»Das Essen ist rationiert, ich wäre an deiner Stelle nicht so pingelig«, meint River mit einem Blick zur Suppe.

Zwar rät auch die klein geratene Portion auf meinem Teller mir zur Suppe, aber noch bin ich nicht hungrig genug, obwohl ich kein Mittagessen hatte. River winkt Shannon zu, die gerade mit einem Behälter voller Essen aus einer geöffneten Tür hinter der Theke eilt, dann setzen wir uns beide an einen freien Tisch.

Unwillkürlich träume ich mich zurück zur Assassineninsel, auf der Atair gerade vermutlich ebenfalls zu Abend isst, falls sie doch schon heute von ihrem Einsatz zurückgekehrt sind. Ihm säße eine herumalbernde Layla mit Lion gegenüber und neben ihm Steve und Troy, die kaum die Augen voneinander lassen können. Bei dem Gedanken an meinen Assassinen durchzuckt mich ein Stich von Einsamkeit. Ob er wohl auch gerade an mich denkt?

Meine düsteren Gedanken werden jäh unterbrochen, als der Stuhl neben mir mit einem Quietschen zurückgezogen wird und sich Cade daraufsetzt.