„Kulturschock Thailand!“ Gibt es so etwas? Das werden sich vielleicht manche Leser fragen.
Auf viele Besucher wirkt Thailand verwestlicht, mehr als die meisten anderen Länder Südostasiens, und lediglich umhüllt mit einem tourismuswirksamen exotischen Touch. Wer in den ersten Tagen nach der Ankunft in Bangkok durch die bombastischen Einkaufspaläste, die neonbeleuchteten Vergnügungsviertel und entlang der hochhausgesäumten Straßen schlendert, könnte in der Tat den Eindruck bekommen, er befände sich in der westlichen Hemisphäre.
Die ureigenste thailändische Kultur findet ihr Refugium in den Hunderten von Schreinen und Tempeln und entlang der holzhausflankierten Klongs oder Kanäle. Sie alle wirken wie bunte Farbtupfer in einer nüchternen Städtelandschaft.
Doch erstens ist Bangkok noch längst nicht Thailand und zweitens und wichtiger noch ist nicht alles so, wie es auf den ersten Blick scheint. Erste Eindrücke täuschen oft, besonders in Thailand.
Wie wir im Verlaufe des Buches sehen werden, haben die Thais ein „Gesicht“, das sie nach außen präsentieren, aber was sich dahinter verbirgt, ist oft etwas gänzlich anderes. Wer Thais sofort nach diesem äußeren Anschein beurteilt, wird manchem Trugschluss erliegen. Dasselbe gilt allgemein für das ganze Land und seine Kultur. Auf den ersten Blick mögen uns die Thais tatsächlich verwestlicht vorkommen, doch das ist nur die Fassade, die Kulisse für dieses Abenteuer namens Thailand. Hinter dieser Fassade, die sich alles andere als leicht durchschauen lässt, wartet so manche Überraschung.
Wer sich mit Thailand auseinandersetzt, wird feststellen, dass kaum etwas so ist wie im Westen. Es gelten andere Spielregeln und Verhaltensmuster. Die in der thailändischen Gesellschaft vorhandenen Hierarchien wirken sich auch auf das Verhalten der Menschen untereinander und gegenüber den farang, den Westlern, aus und prägen bestimmte Verhaltensmuster. Es kostet Ausländer eine geraume Zeit, diese zu durchschauen, schließlich sind sie selber an eine „klassenlose“, demokratische Gesellschaft gewöhnt, mit all dem daraus resultierenden Selbstbewusstsein und Gleichheitsdenken. Dazu kommen zahlreiche andere Verhaltensmuster, die historische, soziologische oder anderweitige „verdeckte“ Gründe haben. Das alles macht es nicht leicht, Thailand zu verstehen.
Beim Erforschen einer fremden Kultur ist der Blick in die Vergangenheit eine große Hilfe. Die gegenwärtige Mentalität eines Volkes, seine Denk- und Handlungsweise, erklärt sich oft aus historischen und soziologischen Zusammenhängen. Die Reisebeschreibungen westlicher Autoren, die Thailand in vorangegangenen Jahrhunderten besucht hatten, geben einen Einblick in das thailändische Leben der damaligen Zeit. Sie sind so etwas wie die Vorläufer der „KulturSchock“-Reihe. Die Lektüre dieser alten Bücher ist oft amüsant – dann nämlich, wenn die Beschreibungen nichts mit der heutigen Realität zu tun haben und bizarr wirken – oder aber sie ähneln den Beobachtungen, die Reisende zu Beginn des 21. Jh. machen.
Allen Kapiteln des Buches sind Zitate aus einer solchen Reisebeschreibung vorangestellt. Sie enthalten Ansichten und Urteile der betreffenden Autoren zum angeschnittenen Thema. Manche Zitate wirken heute bestenfalls kurios und treffen nicht mehr auf das moderne Thailand zu, andere sind bis heute gültig. Einige sind gar zynisch bis gehässig (siehe z. B. „Die Thai-Farang-Ehe“). Diese aber sind nichts als der Ausdruck des Kulturschocks, den die damaligen Autoren durchlitten haben müssen, die ja anders als wir ohne Reiseführer oder sonstige Überlebenshilfen in der Fremde zurechtkommen mussten. Der gelegentliche Zynismus sei ihnen verziehen.
Um besser verstehen zu können, was Thailand ist, wie seine Bewohner denken und warum, bedarf es eines „Mentalitätsführers“. Das vorliegende Buch soll helfen, Thailand besser zu verstehen, den „Kulturschock“, der Europäer dort erwartet, verständlich zu machen und abzumildern. Viel Spaß bei der Abenteuerreise durch die thailändische Mentalität!
Rainer Krack
Vorwort
Verhaltenstipps von A bis Z
Die drei Grundpfeiler der Gesellschaft – oder vier?
Der Buddhismus: allumfassender Einfluss
Zauber, Amulette und Aberglaube: der Buddhismus auf der Volksebene
Vereinender Faktor: die Monarchie
Die Nation: eine einzige große Familie?
Denk- und Lebensweise
Ein fester Platz für jeden: die soziale Hierarchie
Die Kunst des rechten Grußes: der wai
Tham bun: Pluspunkte für die Wiedergeburt
Die Mönche: Stellvertreter Buddhas auf Erden
Sanuk, sabai und suay: die thailändische Lebensphilosophie
Das thailändische Lächeln: Oh, was soll es bedeuten?
Verletzt, entehrt und unversöhnlich: „Verlust des Gesichts“
Wenn das Lächeln gefriert: Gewalt kontra Sanftmut
Wie gewonnen, so zerronnen? Thais und das Geld
Die Familie: Loyalität bis ans Lebensende
Frau und Mann: mit Selbstbewusstsein gegen Machotum?
Sex, Bordelle und Prostitution: Garten der Gelüste?
Korruption: Hilfst du mir, so helf ich dir!
Land und Stadt: die Beschaulichkeit und der Moloch
Die Höflichkeit: ein Zeichen von Charakter
Die Gestik: alles unter Kontrolle
Thais und farang
Tourismus und Einwanderung: Agenten des Wandels
„Hey, you!“: die Kontaktaufnahme
Wärme auf Distanz: Freundschaften
Kulturschock hautnah: die Thai-farang-Ehe
Die farang und die Arbeitswelt: Plackerei kontra sanuk
Zu Gast: Essen, Trinken und sanuk
Auf Markt, Straße und Klong: Handeln und Feilschen
Unterwegs in Thailand: Reisen leicht gemacht
Auf der Lauer: Ganoven, Schurken & Konsorten
Anhang
Glossar
Literaturtipps
Internettipps
Register
Übersichtskarte
Der Autor
Extrainfos im Buch
ergänzen den Text um anschauliche Zusatzmaterialien, die vom Autor aus der Fülle der Internet-Quellen ausgewählt wurden. Sie können bequem über unsere spezielle Internetseite www.reise-know-how.de/kulturschock/thailand19 durch Eingabe der jeweiligen Extrainfo-Nummer (z. B. „#1“) aufgerufen werden.
Aberglaube: Die meisten Thais sind sehr abergläubisch, vor allem die Menschen in den weniger gebildeten Schichten. Zahlreiche Männer tragen Amulette, die Unheil fernhalten sollen. Manche dieser Talismane, die von angesehenen Mönchen gesegnet oder sogar verkauft und vermarktet werden, können ausgesprochen teuer sein. Der Glaube an Geister ist weitverbreitet, nicht wenige Thais fürchten sich beispielsweise vor einer Übernachtung in einer fremden Umgebung, da dort u. U. Geister hausen könnten. Die Geister werden in zahlreiche Unterklassen eingeteilt, denen jeweils besondere Eigenschaften und Untaten zugeordnet werden. An Häusern werden für die in der Umgebung lebenden Geister – bzw. diejenigen, die durch den Hausbau vertrieben wurden – kleine Schreine oder „Geisterhäuser“ angelegt, in denen diese Wesen mit Opfergaben besänftigt werden sollen. Beim Vorbeigehen an Tempeln legen viele Thais die Hände zum wai (s. S. 69) zusammen, da man annimmt, dass es Unglück heraufbeschwört, wenn man Buddha nicht den erforderlichen Respekt zollt. Zudem gibt es zahlreiche weitere Handlungen (bzw. das Unterlassen von bestimmten Handlungen), die angeblich Unheil nach sich ziehen können (siehe das Kapitel „Aberglaube“ ab Seite 46).
Alkohol: In Statistiken bezüglich des weltweiten Alkoholkonsums belegt Thailand regelmäßig einen der vordersten Plätze. Es wird reichlich gezecht und Abstinenzler sind eher die Ausnahme. Auch unter Frauen ist der Konsum von Alkohol weitverbreitet. Abgesehen von der muslimischen Minderheit, stellt das Trinken von Alkohol keinen Tabubruch dar. Selbst Totenfeiern oder Mönchsweihen bieten Anlass, zur Flasche zu greifen, und es kann unerwartet heiter zugehen. Die ärmeren Bevölkerungsschichten auf dem Lande konsumieren gerne billigen, aber hochprozentigen Reisschnaps oder preiswerte Biermarken; die „besseren“ Kreise bevorzugen u. a. importierten Whisky, dessen Konsum als Statussymbol gilt. Alkoholische Getränke werden oft Geistern in deren eigens angelegten Häusern geopfert, siehe Stichwort „Aberglaube“.
Amulette, Tätowierungen: Das „richtige“ Amulett zu finden, das den Träger vor Unheil (Unfälle, böse Geister, Angriffe oder Mordanschläge von Feinden etc.) beschützt, ist eine Kunst für sich: Auf speziellen Amulettmärkten kann man beobachten, wie potentielle Käufer die Talismane fachmännisch mit der Lupe begutachten. Es gibt sogar Zeitschriften, die ausschließlich Amuletten gewidmet sind. Als besonders wirkungsvoll gelten Amulette, die von einem hoch angesehenen Mönch gesegnet oder gar nach dessen Anweisungen hergestellt wurden. Solche Talismane können mehrere hunderttausend oder gar Millionen von Baht kosten.
Die gleiche Schutzwirkung wird bestimmten Tätowierungen zugesprochen. Deren Motive sind oftmals magische Symbole und Schriftzeichen. Häufig stammen sie aus dem kambodschanischen Kulturkreis; gerade der kambodschanischen Magie wird eine hohe Wirksamkeit zugesprochen. Tätowierungen sollen u. a. unverwundbar machen, auch gegen Pistolenkugeln oder Messer. So mancher Tätowierte, der die Schutzwirkung gleich ausprobieren wollte und einen Freund auf sich schießen ließ, erhielt eine bittere – oft tödliche – Lektion.
In der jüngeren Generation gibt es heute auch reine Mode-Tätowierungen, die aber eher in den unteren Gesellschaftsschichten vorkommen. Thailändische Frauen mit Tätowierungen werden häufig automatisch der Prostituiertenszene zugerechnet.
Als kultureller Verstoß gilt es, wenn (offenbar nicht-buddhistische) Ausländer Tätowierungen mit Bildnissen Buddhas zur Schau stellen, wodurch Buddha zum Modeaccessoire degradiert erscheint. Wer solche Tätowierungen hat, sollte sie unbedingt verdeckt halten.
Anrede: Die generell übliche höfliche Anrede lautet Khun. Sie wird dem Vornamen der angesprochenen Person vorangestellt (also „Khun Klaus“, „Khun Gerda“ etc.). Dazu gibt es zahlreiche weitere Anreden, die eine Art „Anrede-Hierarchie“ bilden. Ein Ausländer braucht diese nicht zu beherrschen – Khun genügt (s. S. 187).
Ansehen, Gesicht wahren: Das Wahren des „Gesichtes“ oder des Ansehens einer Person ist in Thailand von großer Bedeutung. Das Verhalten der Menschen ist so angelegt, dass niemand in seiner Würde, seinem Ansehen und seiner Ehre verletzt wird. Kritik wird nicht geübt, und wenn doch, dann nur „durch die Blume“. Man vermeidet es, Menschen seine wahre Meinung zu sagen oder sie zu maßregeln, denn Kritik an einer Person wird nicht als konstruktiv empfunden, sondern als eine Herabsetzung der Persönlichkeit. Tadelnde Äußerungen können Racheakte zur Folge haben. Die Unfähigkeit, Kritik zu verdauen, deutet auf ein mangelndes Selbstwertgefühl und Minderwertigkeitskomplexe hin.
In der Tat gibt es in der thailändischen Gesellschaft, die äußerst hierarchisch strukturiert ist und in der Geld und (Macht-)Position meist über den „Wert“ einer Person entscheiden, genügend Anlass, sich vielen Menschen gegenüber „minderwertig“ zu fühlen. Statt Gefahr zu laufen, jemandes Würde zu verletzen, werden besser keine unangenehmen Themen angeschnitten, dafür wird ordentlich geschmeichelt (s. S. 104).
Arbeitskollegen: Das Thema „Gesicht wahren“ ist auch am Arbeitsplatz von großer Bedeutung. Kritik gegenüber Vorgesetzten ist tabu, kritisiert ein Höhergestellter einen Untergebenen, so sollte dies relativ schonend und sanft vor sich gehen.
Aufgrund der strikten Hierarchien am Arbeitsplatz werden sich Vorgesetzte abseits des Arbeitsplatzes nur selten mit normalen Angestellten abgeben. Sind letztere unter sich, werden sie alles daran setzen, ein gutes Arbeitsklima zu schaffen und auch außerhalb des Büros viel Spaß miteinander zu haben. Private Treffen und Freundschaften unter Angestellten sind eher die Regel als die Ausnahme. Der unter Thais auch am Arbeitsplatz sehr ausgeprägte Sinn für Spaß steht der Effizienz oft im Wege.
Armut und Bettelei: Thailand kennt (fast) keine Armut, die mit der Not in südasiatischen Ländern wie Indien oder Bangladesch vergleichbar wäre. Die meisten Menschen haben Familienmitglieder, die Landwirtschaft betreiben und auf deren Scholle man sich im Notfall zurückziehen könnte. Die Ausnahme bilden Menschen aus Familien, die seit Generationen in Bangkok leben. Zudem wäre die Mehrheit der Thais zu stolz, um zu betteln; und tun sie es doch, dann sehr unaufdringlich und zaghaft. Der Großteil der Bettler, den Touristen zu sehen bekommen (in erster Linie in Bangkok), stammt aus Kambodscha und wird von professionellen Schlepperbanden eingeschleust. Oft sind es Frauen, die zur Erzeugung von Mitleid noch ein Kleinkind oder ein Baby mit sich führen. Der Obolus, den der gutgläubige Tourist abdrückt, endet dann zum großen Teil in den Taschen der Schleppersyndikate.
Ausländer/Touristen (generelles Verhältnis zu ~, Ansehen): Ausländer sind im Allgemeinen gut angesehen, zumindest die weißhäutigen farang aus westlichen Gefilden. Es hat sich eine Art Hierarchie gebildet, in der bestimmte Landsleute anderen vorgezogen werden – so sind z. B. russische Touristen in Pattaya und Phuket weniger angesehen als Westeuropäer. Japaner und Koreaner sind weit beliebter als Inder und Araber. Schwarzhäutige Afrikaner stehen in der Rangliste ziemlich weit unten. Sowohl Hautfarbe als auch Verhalten (tatsächliches und vermeintliches) beeinflussen den Status einer ganzen Nationalität oder Ethnie.
Generell wäre es übertrieben zu sagen, dass Thais Ausländer lieben oder besonders schätzen – in den meisten Fällen werden Ausländer eher toleriert als gemocht. Geliebt wird jedoch, zweifelsohne, das Geld, das sie im Lande ausgeben. Kein Wunder, dass die thailändische Tourismusbehörde unermüdlich um Besucher aus dem Ausland wirbt (weitere Informationen zum Thema Ausländer ab Seite 178).
Baden/Nacktbaden: Wenn sich Thais überhaupt am Strand aufhalten, machen sie das wohlbekleidet. Männer tragen Badehosen, Frauen setzen sich oft mit voller Montur in die Brandung. Bikinis werden nur von sehr wenigen Frauen getragen.
Nacktbaden, selbst Sonnenbaden ohne Oberteil, ist ein Affront gegenüber der traditionellen thailändischen Kultur, in der der nackte Körper nicht zur Schau gestellt wird. In den einschlägigen Badeorten hat man sich allerdings beinahe schon an das busenfreie Sonnenbaden gewöhnt – was nicht heißt, dass „frau“ es betreiben sollte.
Begrüßung/Verabschiedung: Die allgemeingültige Begrüßungs- und Abschiedsformel lautet Sawatdii Kh(r)ap (gesprochen von Männern) bzw. Sawatdii Khaa (gesprochen von Frauen). Sie stammt aus dem Sanskrit und bedeutet frei übersetzt „Möge es Ihnen wohlergehen“.
Bekleidung: Die Kleidung wirkt wie eine Art Spiegel der Persönlichkeit und gibt einen Hinweis auf den sozialen Stand des Trägers. Folglich achten Thais auf eine auffallend saubere und ordentliche Kleidung. Niemand möchte durch seine Kleidung arm oder ungepflegt wirken. Ausländische Touristen, die sich lässig oder schludrig anziehen, wirken auf Thais unattraktiv, eventuell sogar abstoßend. Schmutzige Kleidung kann auch als „unhöflich“ aufgefasst werden und gilt als „visueller Affront“ (s. S. 68). Das gilt unter anderem auch bei Tempelbesuchen. In manchen Tempeln sind Hinweisschilder aufgestellt, die auf den Kleiderkodex hinweisen – Shorts, Badeschlappen, tiefe Ausschnitte bei Frauen etc. sind nicht erwünscht. Aber selbst mache junge Thais verstoßen gegen diese Regeln.
Beleidigungen: Beleidigungen sind genau das Gegenteil des „Gesichtwahrens“ (s. S. 103), das die Thais praktisch von klein auf verinnerlichen. Wer jemanden bewusst beleidigt, muss u. U. mit einer rabiaten Gegenreaktion rechnen. Diese kann im Extremfall bis zum Mord führen, wobei der Täter das drohende Gefängnis als weniger schwerwiegend empfindet als die Beleidigung – zumindest im Moment des Affekts. Thais können sehr dünnhäutig sein und unter der jovialen, heiteren Oberfläche schlummert oft ein Vulkan.
Berührungen/Zärtlichkeiten: Öffentliche Berührungen unter Paaren gelten bzw. galten in der traditionellen thailändischen Gesellschaft als unschicklich. In den letzten Jahrzehnten hat sich jedoch im Hinblick darauf ein Wandel vollzogen. Teilweise kann man diesen auf eine Art „Verwestlichung“ zurückführen. Ein ebenso wichtiger Grund ist aber sicher die Binnenmigration oder Landflucht, durch die sich viele Menschen ihrem alten, sie „überwachenden“ Kulturkreis entziehen und stattdessen in die Anonymität der Großstadt eintauchen – und damit in die Freiheit. Je nach Umfeld sollte man einschätzen, wie weit man/frau mit Berührungen in der Öffentlichkeit gehen kann. Im Zweifelsfall gilt: je weniger, desto besser.
Beschwerden: Eine Beschwerde ist nach thailändischem Empfinden eine Art „Gesichtsverletzung“, also ein mehr oder weniger schwerwiegender agressiver Akt. Die Person oder Institution, die man kritisiert, wird bloßgestellt, wodurch eine brenzlige Situation entstehen kann. Beschwerden sind so behutsam wie möglich vorzubringen, am besten so, dass sich niemand persönlich angegriffen fühlt, also höflich, aber mit subtilem Nachdruck, um von vorneherein der thailändischen Nonchalance entgegen zu wirken. Viele Thais umgehen das Dilemma, beschweren sich nie und ertragen stattdessen alle Misslichkeiten mit buddhistischem Gleichmut.
Wenn sich nie jemand beschwert, kann sich auch nichts verbessern. Dadurch ist es verständlich, dass die thailändische Gesellschaft in mancher Hinsicht als „eingefroren“ und unbeweglich erscheint.
Bestattung/Leichenverbrennung: Thailändische Buddhisten verbrennen ihre toten Angehörigen. Die Totenfeiern stellen – für Westler – oft eine seltsame Mischung aus Trauerfeier und Trinkgelage dar. Die Riten der Thailänder chinesischer Abstammung im Lande unterscheiden sich etwas von denen der „gewöhnlichen“ Thais. Muslime, die knapp 5 % der thailändischen Bevölkerung ausmachen, begraben ihre Toten.
Bestechung/Schmiergelder: Schmiergelder sind das Getriebeöl, das praktisch in jedem Amt die Räder ins Rollen bringt. Als Tourist wird man mit dem Phänomen allerdings kaum in Berührung kommen, außer vielleicht als Auto- oder Motorradfahrer, wenn die Polizei aus heiterem Himmel ein Vergehen erfindet und versucht, ein Bußgeld einzutreiben. Es versteht sich von selbst, dass man für die Geldstrafe keine Quittung erhält.
Blickkontakt: Intensiver Blickkontakt zu Fremden – also Anstarren – wird als Akt der Aggression gewertet und kann unangenehme Gegenreaktionen nach sich ziehen. Besonders unter Jugendlichen aus der Unterschicht wird das Anstarren als Provokationsmittel genutzt und kann einen spontanen Kleinkrieg auslösen.
Drogen: Drogen sind weit verbreitet, vor allem die sogenannten yaa baa („Verrückte Medizin“), d. h. Amphetamine. Diese werden von Schülern und Hausfrauen ebenso geschluckt wie von Lkw- und Busfahrern. Unter Einfluss der euphorisierenden und muntermachenden Droge sind schon zahllose Gewalttaten verübt worden und so mancher Dauerkonsument hat seinen Verstand verloren, daher rührt auch die thailändische Bezeichnung. Die Verbreitung ist trotz hoher Strafen, die bis zur Todesstrafe reichen können, sehr groß.
Einkaufen/Märkte/Handeln: Einkaufen kann man in protzigen Shoppingpalästen, die oft die Shoppingcenter Europas in den Schatten stellen, in kleinen Tante-Emma-Läden oder auf lebhaften Märkten, die zweifellos das meiste Lokalkolorit bieten. In den moderneren Geschäften sind die Preise ausgewiesen und es kann nicht gefeilscht werden; auf Märkten jedoch kann der Preis ausgehandelt werden. Dabei ist der Preisnachlass manchmal nur minimal (z. B. auf Obst- oder Gemüsemärkten), andernorts lässt sich der anfangs genannte Preis allerdings oft auf die Hälfte drücken (z. B. auf Kleidermärkten, an Souvenirständen u. Ä.).
Einladungen: Thais sind Fremden gegenüber generell zurückhaltend, Einladungen an Touristen sind nicht üblich. Erst nach dem Heranwachsen einer Freundschaft wird man eventuell nach Hause eingeladen – bei den einfachen Leuten auf dem Lande weit eher als in großen Städten wie Bangkok. Viele Ausländer leben jahrelang in Thailand, ohne jemals die Wohnung einer thailändischen Familie zu betreten. Aus diesen Gründen ist bei Einladungen durch wildfremde Menschen Vorsicht angebracht.
Bei Einladungen von Freunden sollte man etwas mitbringen, ansonsten könnte man den Gast für unhöflich oder geizig halten. Etwas Essbares macht sich immer sehr gut. Speisen oder Leckerbissen, die sich die Gastgeber vielleicht selbst nicht leisten können, sind eine gute Wahl; ebenso teure Süßigkeiten und Konfekt aus dem Ausland. Unter Thais ist es üblich, Freunden und Verwandten von einer Reise ein paar lokale Leckereien mitzubringen.
Ess- und Trinksitten: Thais essen häufig und gerne. Aufgrund der relativ leichten thailändischen Kost kann man es sich auch leisten, oft zu speisen. Gegessen wird meist mit Löffel und Gabel, wobei die Gabel lediglich dazu dient, das Essen auf den Löffel zu schieben. Aufgespießt wird damit eher selten. Viele Thais greifen auch zu Essstäbchen, insbesondere – aber nicht nur – Thais mit chinesischen Wurzeln, vor allem bei bestimmten Gerichten – z. B. Nudeln – bei denen Essstäbchen effizienter sind.
Fahrer/Guides: Das Hauptproblem bei Fahrern und Fremdenführern ist meist die Kommunikation: Nur wenige verfügen über gute Englischkenntnisse. Bei vielen Guides hapert es zudem am Hintergrundwissen – die Informationen zu historischen Bauwerken sind oft lückenhaft oder gar falsch. Zertifikate, die jemanden als „offiziellen“ oder „examinierten“ Guide o. Ä. ausweisen, haben oft keine Bedeutung. Praktisch jedes Zertifikat oder Dokument lässt sich „unter dem Tisch“ kaufen.
Feiern: Thais sind Frohnaturen, die keine Gelegenheit zum Feiern auslassen. Aus diesem Grund werden auch Feste wie beispielsweise Weihnachten (nur 0,7 % der Bevölkerung sind Christen) oder Halloween begangen, zu denen eigentlich gar kein kultureller Bezug besteht.
Fotografieren: Beim Fotografieren von Personen sollte man vorher um Erlaubnis fragen. Viele Thais sind Fremden gegenüber etwas fotoscheu.
Frau und Mann: Im Vergleich zu manch anderen asiatischen Ländern sind thailändische Frauen sehr emanzipiert und selbstbewusst. Die meisten gehen einer Arbeit nach und oft zeigen sie mehr Fleiß und Verantwortungsbewusstsein als die Männer. Manche kleinen ausländischen Unternehmen in Thailand beschäftigen ausschließlich Frauen, da diese „pflegeleichter“ und fleißiger sind als Männer (s. S. 140).
Fremdenfeindlichkeit ist keine Haltung, die in Thailand verbreitet ist. Zwar sind einige Nationalitäten beliebter als andere (siehe Stichwort „Ausländer/Touristen“), eine direkte Feindseligkeit gegenüber Ausländern ist jedoch selten zu verzeichnen – wenn doch, dann zumeist in touristischen Gebieten wie der Khao San Road in Bangkok, Pattaya u. a., in denen regelmäßig Touristen durch Fehlverhalten auffallen.
Freundschaften: Als Ausländer mit einem/r Thai eine echte und dauerhafte Freundschaft zu schließen, ist nicht einfach. Die kulturellen und sprachlichen Hindernisse sind groß, hinzu kommt die Zurückhaltung vieler Thais, insbesondere gegenüber Ausländern. Nicht selten werden Scheinfreundschaften geschlossen, bei denen nur auf den eigenen Vorteil geschaut wird (s. S. 190).
Füße sind das „Unterste“ des menschlichen Körpers und gelten daher als unrein. Füße oder Fußsohlen sollten niemals auf einen Menschen oder auf eine Buddha-Figur zeigen. Zum Beten knien die Thais sich so hin, dass die Fußsohlen genau in die der Buddha-Figur entgegengesetzten Richtung zeigen. Mit dem Fuß auf eine Person zu zeigen gilt als schwere Beleidigung und kann (besonders bei Männern) heftige Gegenreaktionen hervorrufen. Selbst auf Tiere oder Gegenstände sollte man nicht mit dem Fuß zeigen. Wer es dennoch tut, wirkt auf die Thais wie ein unzivilisierter Grobian.
Geld: Thailand ist ein von der Natur gesegnetes Land, in dem bis in die jüngere Vergangenheit fast jeder Einwohner von den Früchten des Landes üppig satt werden konnte. Hungersnöte waren und sind unbekannt. Wer hungrig war, konnte sich ein paar Früchte pflücken, einen Fisch angeln und mit dem Gemüse und dem Reis aus Eigenanbau ein köstliches Mahl zelebrieren. Selbst so manches Gemüse oder essbare Kraut wächst unvermittelt in der freien Natur. Folglich war das Rationieren und Planen mit Ressourcen den Thais unbekannt. Diese Mentalität findet sich heute noch weitgehend in Bezug auf das Geld: Wenn es da ist, wird es ausgegeben; wenn nicht, dann muss man eben improvisieren, ein wenig für die schlanke Linie hungern, sich etwas leihen oder das Pfandhaus aufsuchen. Besser mit dem Geld umgehen und Planen können die im Lande ansässigen chinesisch-stämmigen Thais, die folglich fast das gesamte Geschäftsleben kontrollieren (s. S. 89).
Gestik und Mimik: Die Thais kommen mit wenigen Gesten aus, denn eine ausgeprägte Gestik oder Mimik lassen eine Person als „unbeherrscht“ erscheinen. Sie steht durch derartiges Verhalten im Konflikt mit dem buddhistischen Ideal der inneren Ruhe. Eine temperamentvolle Gestik wirkt aggressiv und einschüchternd und sollte folglich vermieden werden.
Glücksspiel: Das Glücksspiel ist die Passion vieler Thais, obwohl es gesetzlich verboten ist. Gespielt wird in illegalen Kasinos oder im trauten Heim, nicht wenige Glücksritter zocken sich in den Ruin. Legal ist lediglich die staatliche Lotterie. An den Tagen, an denen die Gewinnzahlen gezogen werden (am 1. und 16. Tag des Monats), sind die Straßen relativ leer, denn zahlreiche Spieler verfolgen die Ziehung vor dem Fernseher. Sobald die Zahlen bekannt sind, werden sie aufgeregt per Handy an Freunde und Bekannte weitergegeben. Meist heißt es dann: „Verdammt, wieder nichts mit dem Reichtum! Aber nächstes Mal …“
Grüßen: Der traditionelle thailändische Gruß ist der wai (s. S. 69), bei dem die Handflächen vor der Brust zusammengelegt werden. Die Höhe, in der die Hände gehalten werden, richtet sich nach dem Status der zu grüßenden Person – je höher der Status, desto weiter oben die Hände. Höhergestellte nehmen den wai einer Person oft entgegen, ohne selbst zurück zu „waien“. Beim „hohen“ wai wird der Kopf etwas gesenkt oder der Oberkörper gebeugt. Der richtige wai ist eine Kunst für sich. Als Ausländer tut man gut daran, ihn gar nicht erst zu versuchen. Die Gefahr, sich lächerlich zu machen (z. B. in dem man eine niedrig gestellte Person wie einen Kellner, eine Kassiererin etc. „wait“), ist groß. Wer „gewait“ wird, sollte den Gruß einfach ohne Erwiderung hinnehmen. Eine Ausnahme besteht u. U. in allerhöchsten Kreisen, innerhalb der Elite der thailändischen Gesellschaft, in der man sich allesamt mit dem allerhöchsten, allerrespektvollsten wai begrüßt. Die Chance, als Ausländer in diese Kreise vorzudringen, ist aber sehr gering.
Hierarchien/Höhergestellte: Die thailändische Gesellschaft ist hierarchisch strukturiert. Im Grunde ist sie immer noch „feudal“ geprägt, so wie in den alten Zeiten, in denen König und Adel das Sagen hatten.
Der soziale Stand und das Geld entscheiden über das Ansehen. In einem von Korruption durchdrungenen Staatsgefüge bietet Geld unter anderem die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen, beispielsweise um die Gesetze zu eigenen Gunsten zu beugen oder außer Kraft zu setzen. Die Thais wissen sehr wohl, dass reiche Mitbürger nur sehr selten ins Gefängnis wandern. Deren Insassen sind meist Mittellose, die weder über Geld noch über Beziehungen zu Leuten mit Geld verfügen (s. S. 66).
Menschen aus der Oberschicht werden im Volksmund mit der englischen Abkürzung Hi-So (von High Society) bezeichnet, die Leute unten, die „Proletarier“, mit Lo-So (von Low Society).
Homosexualität: Ein buddhistisches Prinzip, das in Thailand sehr wichtig ist, ist es, Mitmenschen nicht vorschnell zu verurteilen, sondern generell Toleranz und Milde walten zu lassen. Davon profitieren unter anderem Homosexuelle. Die Zahl der Homosexuellen ist dem Augenschein nach sehr hoch. Vielleicht liegt dies aber auch nur an der Tatsache, dass thailändische Homosexuelle nicht das Gefühl haben, sich verstecken zu müssen. Auffällig ist auch die hohe Zahl der sogenannten „Ladyboys“ (gathoey), Transsexuellen und Transvestiten, die von Thais oft als „schöner als die richtigen Frauen“ bezeichnet werden. Lesben, auf Thai tom/tomboy (männlich geprägt) oder dii (weiblich geprägt), erfahren die gleiche Toleranz und scheinen ebenso offen ihre Sexualität auszuleben.
Hygiene: Thailand ist ein für asiatische Verhältnisse relativ sauberes Land. Die Thais legen sehr großen Wert auf persönliche Hygiene. Mann duscht sich mehrmals täglich und die Kleidung wird ebenso oft gewechselt. Wer ungepflegt daherkommt, erniedrigt sich selbst und wird weniger Respekt erfahren als derjenige, der frisch gewaschen und in adrett gebügelter Kleidung auftritt – aber das ist ja nicht nur in Thailand so (s. S. 96).
Kinder: Die Thais lieben Kinder. Kaum ein Ehepaar wird bewusst kinderlos bleiben wollen. Selbst vor der Ehe kommt es heute häufig zu Geburten. Thailand hat nach Laos den zweithöchsten Anteil an Schwangerschaften im Teenager-Alter in Südostasien. Aus finanziellen Gründen wird so manches Baby ausgesetzt, aber ebenso leicht findet sich meist eine Ziehmutter, die ein fremdes Kind als das ihre aufzieht. Kinder von farang, mit ihrer weißen Haut und eventuell blonden Haaren, rufen bei Thais – vor allen bei weiblichen – ganz besondere Begeisterung hervor. Die Nachkommen aus gemischt thailändischwestlichen Ehen werden auffällig oft Schauspieler oder Sänger, da ihr „exotisches“ Aussehen ihnen beim Publikum einen Bonus verschafft.
Kopf: Der Kopf ist der Sitz der Seele und damit der heiligste Teil des Körpers. Der Kopf eines fremden Menschen sollte niemals berührt werden. Eine Zuwiderhandlung käme einer großen Missachtung oder bewussten Beleidigung gleich. Bei vertrauten Personen, Intimpartnern etc. gilt diese Regel nicht, zumindest solange die Geste eindeutig liebevoll gemeint ist.
Korruption: Thailand gilt als eines der korruptesten Länder der Welt: Gemäß Transparency International, einer Organisation, die für mehr Transparenz und weniger Korruption kämpft, belegte Thailand 2017 unter 180 Ländern einen beklagenswerten 96. Platz – gleichauf mit Brasilien, Indonesien, Kolumbien, Panama und Peru. (je höher die Platzierung, desto geringer die Korruption). Die gute Nachricht lautet: Touristen werden von der Korruption meist nichts mitbekommen, schlimmstenfalls beim Fahren eines Leihfahrzeugs, wobei die Polizei gelegentlich für echte oder erfundene Vergehen Bußgelder abkassiert. Die Geldscheine landen selbstverständlich in der braunen Uniformtasche und werden nicht dem Staatshaushalt zugeführt (s. S. 159).
Kriminalität: Unter Thais ist die Zahl der Gewalttaten hoch, Thailand belegt weltweit einen der vorderen Plätze in Sachen Mord und Schusswaffengebrauch. Schusswaffen sind weit verbreitet, aber auch davon werden Touristen so gut wie nie etwas mitbekommen. Die meisten Vergehen gegen Touristen sind Betrugsfälle, z. B. beim Mieten von Jetskis, wo nach der Rückgabe des Gefährts Unsummen für einen angeblichen Schaden eingetrieben werden, oder beim Einkauf in Geschäften, zu denen man von einen „Guide“ oder Tuk-Tuk-Fahrer gelotst worden ist. Das gilt für allem für Schmuck- und Edelsteingeschäfte, in denen man bei fehlender Sachkenntnis mit ziemlicher Sicherheit über den Tisch gezogen wird.
In der Nähe von zahlreichen touristischen Sehenswürdigkeiten tummeln sich Schlepper, die Touristen mit allerlei Tricks und Lügengeschichten zu Käufen animieren wollen. Häufig wird behauptet, die Sehenswürdigkeit, die man besuchen will, sei „gerade heute“ zufällig geschlossen. Die Schlepper bieten dann an, die Touristen woanders hinzubringen. „Ganz zufällig“ steht dann auch schon ein Tuk-Tuk bereit, und ehe man sich versieht, wird man an einem Geschäft abgesetzt (s. S. 229).
Kritik (im Gespräch): Kritik anzubringen oder jemandem die Wahrheit direkt ins Gesicht zu sagen, ist „unthailändisch“ und wird so weit wie möglich umgangen. Wer Kritik vorbringt, riskiert unangenehme Gegenreaktionen. Folglich wird im täglichen Umgang viel mehr geschmeichelt als kritisiert und dadurch wird ein Klima der Toleranz geschaffen.
Kultstätten (Besuch von ~): Beim Besuch von buddhistischen (oder hinduistischen) Tempeln sind die Schuhe vor der Türschwelle auszuziehen. An den Schuhen, die von anderen Tempelbesuchern abgestellt wurden, erkennt man, wo der „heilige“ Bereich beginnt, der nicht mit Schuhen betreten werden darf. Manchmal weisen Schilder auf diese Regel hin. Wer auf einer Besichtigungstour vorhat, viele Tempel zu besuchen, sollte besser gleich Schuhwerk tragen, das sich leicht an- und ausziehen lässt.
Lächeln: Die Thais rühmen ihre Heimat als „Land des Lächelns“. Gelächelt wird tatsächlich viel, allerdings nicht unbedingt aus angeborener Glückseligkeit, sondern eher aus sozialer Konvention. Das Lächeln soll Konflikte verhindern und hält die Gesellschaft zusammen. Je nach Situation kann ein Lächeln viele Bedeutungen haben – sogar negative. Ein Lächeln kann eingesetzt werden, um Unwahrheiten zu überdecken, um „mit lächelnder Miene“ Absagen zu erteilen, oder um Unwissen und Hilflosigkeit zu kaschieren. Es umhüllt vielerlei Situationen mit einer Art Zuckerschicht.
Lebenseinstellung: Thais lieben es heiter und unbeschwert, „Spaß“ (sanuk) ist eines der zentralen Elemente des sozialen Lebens. Grübler und Pessimisten werden nicht gern gesehen. Tiefgründiges (Nach-) Denken ist vielen Thais ein Graus. Der ausgeprägte Sinn für Spaß und die Abneigung gegen „negative“ Gedanken sind aber auch die Grundlage für eine weit verbreitete Oberflächlichkeit. Der Versuch, mit Thais tiefschürfende Gespräche zu führen, endet oft erfolglos. Außer bei guten Bekannten sollte man besser darauf verzichten und selbst die heitere Seite des Lebens betonen.
Mönche: Buddhistische Mönche gelten als Vertreter von Buddha und haben dadurch eine Sonderstellung inne (s. S. 79). Den Gläubigen bringt es „Verdienst“ (buun) ein, den Mönchen auf ihren Almosenrundgängen Essen zu spenden. Mönche sind aber nicht automatisch „Übermenschen“ oder Heilige. Thailändische Zeitungen berichten regelmäßig über Mönche, die vom rechten buddhistischen Pfad auf den hedonistischen Stolperweg abgeglitten sind. Sex und Drogen sind die beliebtesten Mittel, sich ein wenig Abwechslung vom kargen Mönchsalltag zu gönnen.
Den Regeln des Mönchsstandes gemäß dürfen Mönche Frauen weder berühren noch von ihnen berührt werden. Selbst beim Almosengeben werden die Gaben so übergeben, dass keine Berührung stattfindet.
Monarchie/Majestätsbeleidigung: Thailand ist seit 1932 zumindest auf dem Papier eine konstitutionelle Monarchie. Der König gilt als das moralische Oberhaupt des Landes und insbesondere der verstorbene König Bhumipol genoss ein beinahe gottgleiches Ansehen (s. S. 53). Ein strenges Gesetz gegen Majestätsbeleidigung sorgt dafür, dass jegliche Kritik am König unterbunden wird – die Höchststrafe für dieses Vergehen beträgt 15 Jahre Gefängnis. Das Gesetz wird rigoros angewendet und gelegentlich sogar als politische Waffe oder als Druckmittel gegen Rivalen eingesetzt. Die Behauptung, jemand habe eine Majestätsbeleidigung begangen, bringt die beklagte Person umgehend in eine äußerst prekäre Situation. Touristen sollten es so handhaben wie die Thais: außer Lobeshymnen in der Öffentlichkeit keinerlei Meinung zum Thema Königshaus preisgeben. Auch Ausländer sind schon wegen majestätsbeleidigender Aussagen oder Taten (z. B. Vandalismus an einem Königsporträt) oder eines falschen Satzes in einem Buch ins Gefängnis gewandert. Nicht anders erging es thailändischen Webmastern, in deren Internetforen (vermeintlich) anti-monarchistische Beiträge gepostet wurden.
Müll/Industrieabfälle: Ein Umweltbewusstsein im westlichen Sinne existiert in Thailand kaum. Leichtfertig wird mit Müll und Abfällen aller Art umgegangen. Wenn Thais an einem malerischen Ort picknicken, so bleiben meist mengenweise Plastiktüten und Styropor-Verpackungen zurück, auch wenn der nächste Mülleimer nur zehn Meter weit entfernt steht. Bei Einkäufen werden die Waren oft doppelt oder dreifach in (kostenlosen) Plastiktüten verpackt. Kaum umweltfreundlicher verhält sich die Industrie mit ihren Abfällen und Abgasen. Der korrupte Staatsapparat erlaubt den Firmen, Gesetze und Auflagen zum Umweltschutz – so vorhanden – zu umgehen. Solange die Höhe der Zahlung stimmt, ist alles in bester Ordnung.
Extrainfo 1 (s. S. 7): Wissenswerte Hintergrundinformationen des Fernsehsenders Al Jazeera zum Gesetz gegen Majestätsbeleidigung
Patriotismus/Nationalismus: Das thailändische Erziehungswesen ist stark auf die eigene Nation ausgerichtet. Die Schüler werden dazu erzogen, sich als stolze Thais zu fühlen und sich voll und ganz mit dem Land und dessen Schicksal zu identifizieren. Der thailändische Geschichtsunterricht dient weniger der geschichtlichen Wahrheitsfindung als der Glorifizierung der Nation. Diese Erziehung führt dazu, dass sich so gut wie alle Thais als waschechte Patrioten bezeichnen würden.
Nicht selten macht sich ein Überheblichkeitsdenken bemerkbar, vor allem den Nachbarländern Myanmar und Kambodscha gegenüber, mit denen es in der Geschichte oft kriegerische Auseinandersetzungen gab. In der thailändischen Lesart der Geschichte sind die Thais stets die Guten und die Nachbarn die Aggressoren (wobei sie mit dieser Sichtweise auf der Welt natürlich nicht alleine dastehen). Die Tatsache, dass Thailand im Gegensatz zu allen Nachbarländern niemals kolonialisiert wurde, bietet ebenfalls Anlass zu Überlegenheitsgefühlen. Ein neutraler, distanzierter Blickwinkel ist in Diskussionen bestenfalls von hoch gebildeten und welterfahrenen Thais zu erwarten.
Prostitution: Zum Erstaunen vieler Touristen ist Prostitution gesetzlich verboten. Dennoch herrscht an Prostituierten bekanntermaßen kein Mangel (s. S. 149). Der Grund für die florierende Prostitution ist die Korruption, denn Gesetze können durch gezielte Geldzahlungen außer Kraft gesetzt werden. Würde die Prostitution legalisiert werden, verlören viele Personen in lukrativen Schlüsselpositionen ihre illegalen Einnahmen. Kunden von Prostituierten haben praktisch keine juristischen Probleme zu befürchten – außer beim Sex mit Minderjährigen, der auch in Thailand streng bestraft wird (zumindest, wenn Ausländer involviert sind). Als minderjährig gelten in diesem Fall Personen unter 18 Jahren.
Rauchen: Rauchen ist in Restaurants, Bars, öffentlichen Gebäuden, öffentlichen Verkehrsmitteln, am Arbeitsplatz (in Gebäuden), in Parks, auf Märkten und auf Sportplätzen untersagt. Sowohl die Raucher als auch die Betreiber der Lokale, in denen geraucht wird, können mit einer Geldstrafe belegt werden. Dennoch wird das Gesetz in zahlreichen Bars außer Acht gelassen.
Extrainfo 2 (s. S. 7): Beim bizarren Vegetarian Festival fallen viele Teilnehmer in Trance und lassen ihre Körper mit Messern, Eisenstangen und anderen Folterinstrumenten malträtieren.
Religion: So gut wie alle Thais sind religiös, Atheisten sind praktisch unbekannt. Es ist nicht sinnvoll, einem/einer Thai atheistische Prinzipien zu erklären oder die Unlogik bestimmter Glaubensaspekte, Gebräuche oder Riten nahebringen zu wollen. Thais hegen uneingeschränkten Respekt für die Religion ihrer Besucher, das Gleiche sollten auch sie erwarten können. Weniger gut zu sprechen sind die meisten buddhistischen Thais auf Muslime. Dies liegt zum Teil daran, dass im tiefen Süden des Landes (in den Provinzen Yala, Narathiwat und Pattani) seit Jahren muslimische Freischärlergruppen durch Terrorakte eine Loslösung von Thailand erzwingen wollen. Weitere Informationen zum Thema Religion im Kapitel „Der Buddhismus: allumfassender Einfluss“ ab Seite 32.
Sex: Die meisten Thais haben eine entspannte Beziehung zum Sex. Er unterliegt keinem Tabu, sondern wird als ganz natürlicher Akt angesehen (s. S. 146). Zudem hat der Großteil der Bevölkerung eine sehr hedonistische Ader. Sex ist für viele eine andere Art von „Spaß“ oder „Genuss“, was nicht bedeutet, dass „mann“ sich wie in einem Sexparadies fühlen sollte: Außerhalb der Rotlicht-Szene gilt es, bei dem Thema Vorsicht und Zurückhaltung walten zu lassen. Viele Frauen aus gut situierten Familien sind relativ konservativ. Ausländische Touristen, die meinen, alle thailändischen Frauen lägen ihnen zu Füßen, werden oft eines Besseren belehrt. Zwischen einer Prostituierten aus der Go-Go-Bar und einer gut verdienenden Büroangestellten oder Akademikerin liegen Welten – nicht anders als in Europa.
Sprache: Das öffentliche thailändische Schulsystem ist eines der rückständigsten in ganz Asien, folglich verfügen viele Thais nur über mangelnde Fremdsprachenkenntnisse und nur wenige sprechen passables Englisch. In Touristenorten dürfte es kaum Kommunikationsschwierigkeiten geben, abseits dieser Orte könnte das schon anders aussehen. Das Erlernen einiger Brocken Thai kann also sicher nicht schaden.
Statussymbole: Geld und Status sind enorm wichtig in Thailand, folglich auch Statussymbole. Das meistverbreitete Statussymbol ist das Auto: Autos werden schon von Leuten erstanden, die nur ein paar hundert Euro im Monat verdienen. Oft werden sie auf Pump erworben, und nicht wenige Käufer müssen sich das Auto im wahrsten Sinne des Wortes vom Munde absparen. Teure Handys, iPhones, iPads etc. sind ebenso „in“. Thailändische Frauen schmücken sich gerne mit Handtaschen der Marke Louis Vuitton, in Thailand schlicht „Louis“ (Lui) genannt. Der gute Lui hat allerdings nichts von der Beliebtheit seiner Handtaschen, denn praktisch jede ist ein billiges Imitat.
Toilette: Praktisch alle Toiletten, die der Tourist aufsuchen wird, sind die uns bekannten „westlichen Toiletten“. Nur in ganz einfachen Unterkünften in ländlichen Gebieten findet sich noch das ein oder andere Klo, bei dem man sich über ein Loch im Boden hocken muss. Viele moderne Hotels verfügen über eine spray gun, eine Art Wasserschlauch, mit dem nach dem Stuhlgang das Hinterteil gereinigt wird. Danach wird aber auch Toilettenpapier benutzt. Letzteres wird in vielen einfachen Restaurants allerdings auch als „Serviette“ verwendet: Auf den Tischen stehen Rollen mit Klopapier, von denen man sich ein paar Blatt abreißt, um sich damit den Mund abzuwischen.
Trinkgeld: In besseren Restaurants werden Trinkgelder erwartet, 5–10 % der Endsumme sind angemessen. In preiswerten Restaurants oder an Essensständen wird kein Trinkgeld gegeben. Bei Taxis oder Tuk-Tuks sind Trinkgelder ebenfalls nicht üblich, in Taxis wird bestenfalls der Betrag auf dem Taxameter bis zum nächsten Fünfer oder Zehner aufgerundet.
Verkehr: Gemäß der Weltgesundheitsbehörde (WHO) ist Thailand nach Libyen das Land mit der höchsten Pro-Kopf-Rate an Verkehrstoten auf der Welt. Obwohl die Thais im direkten Umgang miteinander stets darauf erpicht sind, Harmonie walten zu lassen, entwickeln sie sich hinter dem Lenkrad oft zu gnadenlosen Egoisten und verkappten Rennfahrern. Viele der Verkehrstoten gehen auf das Konto von Alkohol. Führerscheine sind praktisch bedeutungslos, da sie für ein paar Euro gekauft werden können. Außerdem ist die Fahrprüfung so einfach, dass selbst ein Sechsjähriger sie bestehen könnte, wenn seine Beine bis zum Gaspedal reichen würden.
Zebrastreifen bieten nicht automatisch Schutz, denn kaum ein Verkehrsteilnehmer hält davor an. Thais benutzen Zebrastreifen meist in Gruppen, d. h. sie warten, bis mehrere Fußgänger versammelt sind, die dann im Pulk die Straße überqueren. So werden die Autofahrer mehr oder weniger zum Anhalten gezwungen.
Hat sich ein Unfall ereignet, bildet die Fahrerflucht eher die Regel als die Ausnahme. Ist der Fahrer schuldig, so will er sich der Strafe und dem Zorn der Umstehenden entziehen. Ist er unschuldig, so weiß er, dass er nicht auf die Gerechtigkeit und Unparteilichkeit von Polizei und Justiz vertrauen kann. Wer genügend Geld oder einen hohen Status und Beziehungen hat, weiß auch die Verkehrsregeln auf seiner Seite.
In Anbetracht obiger Ausführungen empfiehlt sich für ausländische Verkehrsteilnehmer eine sehr umsichtige Fahrweise. Aggressive Reaktionen auf vermeintliches Fehlverhalten anderer Verkehrsteilnehmer sind zur eigenen Sicherheit zu unterlassen – man weiß nie, ob das Gegenüber nicht im Handschuhfach eine Pistole hat.
Verkehrsmittel: Neben den auch bei uns bekannten Bussen und Zügen wird der Tourist häufig auf die sogenannten Tuk-Tuks zurückgreifen. Es handelt sich dabei um kleine dreirädrige Minitaxis, bei denen der Preis vor Antritt der Fahrt ausgehandelt werden muss. Für Ausländer setzen die Fahrer meist derart hohe Preise an, dass Fahrten mit den Tuk-Tuks teurer ausfallen als mit dem Taxi. Diese verfügen in Bangkok über Taxameter, die von den Fahrern meist auch eingeschaltet werden. Auf Festpreise sollte man sich nicht einlassen, denn von diesen profitiert mit Sicherheit nicht der Fahrgast. Außerhalb von Bangkok gibt es nur an wenigen Orten Taxis (z. B. Chiang Mai, Phuket, Ko Samui). Dort weigern sich die Fahrer zumeist, nach Taxameter zu fahren, und fordern einen stark überhöhten Festpreis.
Vegetarier/Ernährungsvorschriften: Es gibt nur relativ wenige Vegetarier in Thailand, dennoch finden sich auch in den meisten Kleinstädten ein oder zwei kleine vegetarische Restaurants. Manche Thais essen an bestimmten Tagen (den sogenannten, viermal im Monat stattfindenden „Buddha-Tagen“) aus religiösen Gründen vegetarisch. Ansonsten wird in Thailand fast alles, was schwimmt, läuft oder fliegt, verspeist, allerdings meist in relativ kleinen Portionen. Rindfleisch oder gar Steaks sind nicht sehr beliebt, das es den Thais zu schwer im Magen liegt. Muslime essen kein Schweinefleisch. Vegetarier sollten sich die Vokabeln mangaswirat/mangsawilat (vegetarisch) und raan-ahaan mangsawirat/mangsawilat (vegetarisches Restaurant) merken. Neben diesen fleischlosen Restaurants gibt es auch solche, die auf die Verwendung von Knoblauch und Zwiebeln verzichten, denn diese sollen der spirituellen Entwicklung abträglich sein. Solche Restaurants heißen raan-ahaan jää.
Zeitverständnis/Pünktlichkeit: Bei privaten Treffen hält man es mit der Pünktlichkeit nicht sehr genau. Ein Zuspätkommen von 15 bis 20 Minuten ist normal. In Bangkok lässt sich die Verspätung gut auf die berüchtigten Verkehrsstaus der Stadt schieben – die Entschuldigung „rot tit“ („Es staut“) ist eine wirksame Standardausrede.
In Büros und Fabriken wird Pünktlichkeit erwartet, die Stechuhr ist unbestechlich. Auch bei Geschäftstreffen sollte man pünktlich erscheinen. In Amtsstuben geht es laxer zu: Nach der Mittagspause wird u. U. gar nicht mehr richtig gearbeitet. Schon eine Stunde vor Arbeitsende beschäftigen sich die Damen mit ihrem Make-up, um zu Dienstschluss gut auszusehen. Wer zu später Bürostunde in einem staatlichem Amt vorspricht, wird dieses vielleicht relativ leer vorfinden und möglicherweise auf mangelnden Elan seitens der Beamten treffen.