Bienvenidos al Peru!

Willkommen in Peru, einem Land, dessen 7000-jährige Geschichte ebenso abwechslungsreich ist wie seine Landschaften. Von den Wellen des Pazifik, die jedes Surferherz höher schlagen lassen, sind es nur wenige Stunden bis zu den schneebedeckten Gletschern der Anden. Vielfältig sind auch die Vegetation und das Klima. Während die Temperaturen in den Anden schon einmal unter Null Grad Celsius sinken, kann die Hitze im tropischen Regenwald, der sich im Osten an das Hochland anschließt, sogar nachts unerträglich sein. Innerhalb kürzester Zeit gelangt man in unterschiedliche Klimazonen, was wie eine Abfolge der Jahreszeiten im Zeitraffer wirkt. Nahezu alles gedeiht an vielen Orten und man kann eine Vielfalt an Lebensmitteln ganzjährig auf den Märkten kaufen.

Peru gehört zu den Ländern mit der größten Pflanzen- und Tiervielfalt der Erde. 28 der insgesamt 32 Klimatypen weltweit kommen hier vor.

Zur Ernährung der Erdbevölkerung hat Peru einige seiner über 100 Kartoffelsorten beigesteuert, auch Getreide mit hochwertigen Eiweißen wie Amaranth, der in Peru kiwicha heißt, und die „Andenhirsen“ Quinoa und Cañihua. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon erklärte 2013 zum „Jahr der Quinoa“, weil die Pflanze mithelfen könne, den Welthunger zu bekämpfen. Der maiz gigante („Riesenmais“), eine der 50 peruanischen Maissorten, wächst nur im „Heiligen Inka-Tal“ bei Cusco. Aromatische Paprikaschoten, in Peru ají genannt, geben den Speisen eine besondere Würze. Seit 4000 Jahren bauen die Peruaner Maniok (yuca) und pallar, die riesige Mondbohne, an. Die Vielfalt der peruanischen Küche haben nicht nur die peruanischen Sterneköche neu entdeckt, Peru wurde für seine Gastronomie auch im Ausland prämiert. Durch erstklassige Restaurants ist Lima zur kulinarischen Hauptstadt Lateinamerikas aufgestiegen.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde hier der „Pisco Sour“ erfunden, ein Aperitif aus Traubenbranntwein, Limettensaft, Rohrzuckersirup und Eiweiß, den ein Spritzer Angosturabitter oder eine Messerspitze Zimt verfeinert. Auf Empfängen wird kein „Vin d‘ honneur“, sondern „Pisco de Honor“ serviert.

Die 31 Millionen Peruaner gehören 77 Ethnien an und sprechen 68 verschiedene Sprachen; ihre Vorfahren waren Amerikaner, Europäer, Asiaten, Afrikaner oder Südseebewohner.

Einen Kulturschock erlebt man nicht direkt bei der Ankunft, sondern vielmehr während des Aufenthalts im Land. In den Parks der modernen Stadtviertel von Lima scheint es Wasser im Überfluss zu geben. Wer in einer auf Wüstensand erbauten Hütte am Stadtrand lebt, leidet dagegen permanent unter Wassermangel. Die Wohlhabenden arbeiten in modernen Geschäfts- und Bankenvierteln, treffen sich in renommierten Privatklubs, ihre Söhne und Töchter studieren an privaten Universitäten. Über die Armut in den Gebirgs- und Urwalddörfern wissen sie wenig. Ihrer harten Lebensbedingungen im Hinterland überdrüssig, strömen ehemalige Bauern in Massen nach Lima und werden dort von Alteingesessenen als Bedrohung wahrgenommen.

Die Modernisierung wird immer rasanter. Die Peruaner integrieren sich mit bewundernswertem Geschick in die fortschreitende Globalisierung. Gleichzeitig bewahren sie ihr kulturelles Erbe, das beispielsweise aus rituellen Praktiken und Glaubensvorstellungen aus der Inka- und Vorinkazeit stammt und insbesondere eine Vielfalt an Tänzen, Kostümierung und musikalischen Genres umfasst, die auf dem Kontinent ihres Gleichen sucht. Kein religiöses Fest wird ohne traditionelle Tänze gefeiert. Tanzgruppen begleiten Jesus Christus, die Muttergottes und die Heiligen. Das musikalische Erbe der afrikanischen Sklaven kann man in von Afro-Amerikanern betriebenen Tanzlokalen erleben. Das staatliche Folkloreballett zeigt dem städtischen Publikum moderne Kompositionen traditioneller Tänze. Liebhaber klassischer Musik können Konzerte des Nationalen Symphonieorchesters und mit etwas Glück einen Auftritt des peruanischen Tenors Juan Diego Florez genießen.

Perus Gegensätze faszinieren und schockieren. Die ethnische Vielfalt ist Bereicherung und führt zu spannungsgeladenen Konflikten, die sich teilweise in Protesten und Auseinandersetzungen mit vielen Verletzten und manchmal mit Toten entladen.

Trotz aller Gegensätze fühlen viele Peruaner sich inzwischen als Teil einer Nation und sind stolz auf ihr Land, das Fremden so viel zu bieten hat. Gern laden sie Ausländer zu lokalen Festen oder Familienfeiern ein. Es gibt keine bessere Gelegenheit, das peruanische Lebensgefühl zu spüren, als mit Einheimischen zu trinken, zu essen und zu tanzen. Und es gibt keine bessere Lektion fürs Leben, denn die Peruaner trotzen den Problemen des Alltags mit ausgelassener und ansteckender Lebensfreude.

Nach 20 Jahren Leben und Arbeiten in Peru ist das Land für mich zur zweiten Heimat geworden. Das Umfeld und die Menschen sind mir tief vertraut und Teil meiner Sicht auf die Welt geworden. Es scheint mir aber, dass Menschen aus „entwickelten Ländern“ Peru manchmal vorschnell als „unterentwickelt“ oder „hinterwäldlerisch“ abqualifizieren. Wem es während seiner Reise gelingt, das Land und die Leute nicht von außen mit mitgebrachten Maßstäben zu beurteilen, sondern es von innen heraus und aus der Sicht der Peruaner zu verstehen, der wird anschließend gewiss um vieles reicher sein.

Annette Holzapfel

Inhalt

Verhaltenstipps A–Z

Geschichte

Die ersten Einwanderer und ihre Siedlungsformen

Kulturen vor dem Inkareich

Das Imperium der Inka

Die spanische Eroberung

Die Kolonialzeit

Vom Vizekönigreich zur Republik

Das 20. Jahrhundert und der Indigenismo

Das 21. Jahrhundert – Frauen und Indigene drängen an die Macht

Der „Ort der Erinnerung“ und die „Kommission der Wahrheit“

Völker und Kulturen Perus

Peru – ein Vielvölkerstaat

Urbevölkerung oder Indigene

Identität und Patriotismus

Das Hinterland

Einwanderer aus Europa und Amerika

Juden

Afro-Peruaner

Chinesen und Tusan

Maori

Nisei – die Nachkommen der japanischen Einwander

Araber, Iraner, Pakistanis

Zuwanderer aus deutschsprachigen Ländern

Natur und Umwelt

Landschaften und Klima, Berggötter und „Christkind“

Das Christkind und die Rache der Natur

Umweltschutz und Umweltzerstörung

Koka, geliebte und heilige Pflanze der Anden

Die peruanische Gesellschaft heute

Wirtschaftliche und soziale Unterschiede

Politik und Parteien

Die Guerillabewegungen der 1980er- und 1990er-Jahre

Terrorismus und Bürgerkrieg in der Volkskunst

Gegen das Vergessen

Medien und soziale Netzwerke

Das Bildungssystem

Das Gesundheitssystem

Ethnien, Stereotype, Vorurteile

Lebenswelten

Musik und Tänze

Revolution in der Küche

Deutsche Präsenz

Geschlechter und Familie

Frauen in Peru

Homosexualität

Stationen des Lebens

Religion und Magie

Die Christianisierung Perus

Das Christentum im heutigen Peru

Evangelikale Glaubensgemeinschaften

Die sakrale Welt

Christus in Peru

Die sakrale Bedeutung der Koka: Opfer und Orakel

Drogen für spirituelle Visionen und schamanistische Sitzungen

Magier und traditionelle Priester

Magie im Geschäft

Wirtschaft

Lateinamerikanischer Tiger mit divergierenden Wachstumsideologien

Regionale Produkte für den Export

Baubranche, Tourismus, Banken und Emigration

Armut, Wohlstand und Wirtschaftswachstum

Aufsteigen um jeden Preis – von der Schattenwirtschaft zum Kleinunternehmer

„La empleada“ – die Arbeit im Haushalt als Tor zur Bildung

Kinderarbeit – Ausbeutung oder eine Chance, Armut und Gewalt zu entkommen

Bergbau und Prostitution

Handel mit Koka oder Kokain – der schnelle Weg zu Reichtum

„Sag, ich kann das!“ – Arbeit und Kreativität

Der Alltag von A bis Z

Arbeitsleben

Behörden

Essen und Trinken

Feste und Feiern

Freizeit

Infrastruktur, Transport und Verkehr

Kommunikation

Korruption

Kriminalität

Müll

Polizei

Sprache

Zeit und Ort

Als Fremder in Peru

Das Verhältnis der Peruaner zu Ausländern

Armut und Tourismus

Das Deutschlandbild der Peruaner

Bei Peruanern zu Gast

Anhang

Glossar

Quellenangaben

Literaturtipps

Peru im Internet

Register

Übersichtskarte Peru

Die Autorin

Exkurse zwischendurch

Dilma und Eufronio

Der „Herr der Wunder“ und der „Herr der Erdbeben“

Guanakirma, die blutsaugende Göttin

Yaku Raymi – das Fest des Wassers

Das Wichtigste ist die Bildung

Abseits der Touristenroute

Peruanische Volkstänze an einer Elite-Universität

Der fünfte Sohn wurde auf einem Kartoffelfeld geboren

Die Kinder vor Gefahren schützen

Catalina

Adelina

Die Schreckenskrankheit

Friedhöfe im urbanen Peru

Eine wilde Horde bringt eine neue Religion ins Land der Inka

Santa Rosa de Lima

San Martín de Porres

Die eigentlichen „Besitzer“ des Ackerlandes

„Pariapunko“ – der Wasserspender

Vom Blitz Getroffene

„Pachamama“ – die Mutter Erde

Der Berggott „Wamani“ verkörpert sich im „Scherentänzer“

Der „Herr vom Sternglanzschnee“ und die Eroberung der Kathedrale

Produkte für den Weltmarkt

Eisern sparen und über sich selbst hinauswachsen – Maria

Traditionslokale in Lima: Antigua Taberna Queirolo und El Cordano

Einige Redewendungen

Extrainfos im Buch

ergänzen den Text um anschauliche Zusatzmaterialien, die vom Autor aus der Fülle der Internet-Quellen ausgewählt wurden. Sie können bequem über unsere spezielle Internetseite www.reise-know-how.de/kulturschock/peru17 durch Eingabe der jeweiligen Extrainfo-Nummer (z. B. „#1“) aufgerufen werden.

Verhaltenstipps A–Z

  Adresse: Wer Peruaner zu Hause besucht, braucht eine genaue Wegbeschreibung. Man sollte wissen, wo man abbiegen muss und welche auffallenden Gebäude sich in der Nähe befinden. Das Erdgeschoss gilt in Peru als „erste Etage“ (primer piso). Auch die Apartmentnummer sollte man kennen oder wissen, auf die wievielte Klingel von unten/oben, links/rechts man drücken muss. An den meisten Hauseingängen gibt es keine Namensschilder neben den Klingeln. Damit man notfalls noch einmal anrufen und nachfragen kann, sollte man sich eine Festnetz- oder Mobilfunknummer geben lassen. Es ist gut möglich, dass man die Festnetznummer nicht im Telefonbuch findet. Jedenfalls sollte man nicht darauf vertrauen, auskunftsbereite Nachbarn anzutreffen. Das resultiert keineswegs aus Unhöflichkeit, sondern dient dem Schutz vor Einbrechern. Gibt es in dem Haus einen Hausmeister, weiß dieser in der Regel, wo der Gesuchte wohnt, und er wird es dem Fragenden verraten, wenn der ihm vertrauenswürdig erscheint.

In den Armenvierteln gibt es keine Straßennamen, sondern Häusergruppen, die mit Nummern und Buchstaben bezeichnet werden. Innerhalb dieser Gruppen erhält jeder Block und innerhalb eines Blocks jede Wohnung einen Buchstaben bzw. eine Nummer. Ohne diese Angaben lässt sich eine Familie bei Einwohnerzahlen von 5000 oder 10.000 Bewohnern pro Viertel schwer finden. Klingeln gibt es in den asentamientos humanos nicht. Man ruft oder rasselt mit dem metallischen Türschloss so lange, bis eine Stimme aus dem Innern antwortet.

In den reichen Vierteln, wo Villen sich hinter hohen Mauern verbergen, dient die Gegensprechanlage zur Identifikation des Besuchers. Nur wenn dieser bekannt und angekündigt ist, wird nach einigem Warten – der Weg vom Innern des Hauses bis zum Eingang ist weit – die Pforte geöffnet.

  Ahnen und Vorfahren: An Allerheiligen sowie an Geburts- oder Todestagen versammeln sich die Familien an den Gräbern ihrer Angehörigen. Sowohl im Hochland als auch unter andinen Zuwanderern in Lima ist es üblich, am Grab eines Verstorbenen Koka zu kauen, Schnaps oder Bier zu trinken und einen Friedhofsmusikanten zu engagieren. Gräber von Kindern werden an ihren Geburtstagen mit Luftballons und anderen Lieblingsgegenständen des Kindes geschmückt. Im Hochland fürchten die Bauern sich noch heute vor den in Form von Skeletten oder Knochen noch präsenten Ahnen aus vorchristlicher Zeit, den sogenannten gentiles, denn diese sind in ihren Augen immer noch Besitzer der Felder. Sie können zornig werden und Menschen krank machen und sollten durch Opfergaben beschwichtigt werden. So kann es durchaus vorkommen, dass auch Fremde vor vermeintlichen Aufenthaltsorten von gentiles gewarnt werden.

  Aids: Seit Bekanntwerden der Krankheit führt das Gesundheitsministerium landesweite Aufklärungskampagnen durch. Die Zahl der AIDSKranken steigt zwar weiter, aber nur geringfügig. 2015 gab es 34.836 bekannte Fälle von HIV; Anfang 2017 gab das Gesundheitsministerium die Anzahl mit 35.847 an. Betroffen sind vor allem die 25- bis 30-Jährigen. 70 Prozent leben im Raum Lima-Callao. Ungefähr drei Viertel von ihnen sind Männer. Anders als beispielsweise für Brasilien gibt das Auswärtige Amt für Peru keine Warnung vor einer Infektion heraus. Vor einer Ansteckung sollte man sich in Peru auf dieselbe Weise schützen wie in Deutschland oder anderen Ländern.

  Ansehen und Gesichtsverlust: Wer einen Peruaner offen kritisiert oder bei ihm Schamgefühle provoziert, bringt ihn in eine Situation, in der er sein Ansehen verliert. Selbst wenn kein Dritter dabei ist, wird dieser Gesichtsverlust als so gravierend empfunden, dass eine Beziehung von dauerhaften Ressentiments geprägt sein oder sogar zerstört wird. Anstelle von Kritik können aber behutsame Andeutungen gemacht werden, durch die der andere in der Regel schnell selbst entdeckt, was einen an seinem Verhalten oder seiner Haltung stört.

  Alkohol: Trotz des Anbaus von Weintrauben im eigenen Land trinken Peruaner lieber Bier als Wein. Die Oberschicht trinkt gern Whisky. Ein Glas des Nationalgetränks Pisco Sour gehört als Aperitif zu jedem Empfang. Im Norden von Peru trinkt man zum Essen als Erfrischungsgetränk chicha, ein selbstgebrautes Maisbier mit sehr geringem Alkoholgehalt.

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Am Nationalfeiertag wird mit Pisco Sour angestoßen

Wein wird gelegentlich zum Essen angeboten, oft erst im Anschluss. Peruaner bevorzugen lieblichen oder halbtrockenen Wein. Bei Dorffesten, Geburtstagen, Strandausflügen, Open-Air-Konzerten und Totenfeiern gibt es Bier. Bei traditionellen Festen und in Wochenendkneipen macht eine Bierflasche nach der anderen die Runde, dazu gibt es ein Glas für alle. Man steht oder sitzt im Kreis, schenkt seinem Nachbarn ein und reicht das Glas weiter. In den Andendörfern gibt es auch schon mal selbst hergestellte chicha (Maisbier) und im Amazonastiefland masato (Maniokbier). Dieses Trinken kann sich über einen ganzen Tag und sogar über mehrere Tage hinziehen. Das angebotene alkoholische Getränk abzulehnen, wäre unhöflich und würde von der Gemeinschaft übel genommen. Bei städtischen Familienfeiern oder im Restaurant hingegen ist es inzwischen kein Problem mehr, keinen Alkohol zu trinken.

  Anrede und Hierarchie: In der Küstenregion sind die Mittel- und Oberschicht schnell beim „Du“, auch in Geschäftsbeziehungen. Amtspersonen, Priester und Menschen, die viel älter sind als man selbst, spricht man mit „usted“ an, selbst wenn man von ihnen geduzt wird. Ähnliches gilt für die Beziehung zwischen Vorgesetzten und Angestellten, Professoren und Studenten sowie Ärzten und Patienten. Die asymmetrische Anrede in Abhängigkeitsverhältnissen muss aber nicht mit einer Geringschätzung in Verbindung stehen. Oft artikuliert sich darin eine vertrauensvolle Beziehung. Als Fremder sollte man abwarten, bis das „Du“ einem angeboten wird. Wenn man mit dem Vornamen angesprochen wird, bedeutet dies nicht automatisch ein Duzen. Der Vorname kann in Verbindung mit usted („Sie“) verwendet werden. „Señora“, „Señor“ und bei unverheirateten Frauen jeden Alters „Señorita“ sind übliche Anreden, die ohne den Zusatz des Namens keineswegs unhöflich wirken. In den Anden sind auch „Don“ für Männer und „Doña“ für Frauen in Kombination mit dem Vornamen gebräuchlich. Ärzte und Rechtsanwälte werden generell mit „Doctor“ angeredet, Ingenieure mit „Ingeniero“. Junge Frauen und Männer mit „mi amor“ („meine Liebe“) anzusprechen, ist keineswegs anzüglich, sondern freundlich. Das Gleiche gilt für „flaquita“ („kleine Schlanke“) oder „gordita“ („Dickerchen“). „Gringuita“ ist eine freundliche Anrede, die für junge Frauen aus Europa oder den USA ebenso verwendet wird wie für hellhäutige Peruanerinnen.

  Armut und Bettelei: Armut gehört in Peru zum Alltag. Viele Peruaner sind an die Armut gewöhnt und empfinden ausschließlich das Betteln als störend. Sie verscheuchen Bettelnde, die umso aufdringlicher werden, wenn sie eine Chance wittern, doch ein Almosen zu bekommen. In Peru gibt es keine Sozialhilfe, daher gehen Arme kreativ bei der Sicherung ihres Überlebens vor. Als Türsteher locken sie Passanten in Restaurants oder passen auf parkende Autos auf. Sie singen in Bussen oder verkaufen Bonbons. Dabei weisen sie die Passagiere darauf hin, dass sie sich ja auf ehrliche Weise ihr Geld verdienen, anstatt zu stehlen. Schuhputzer ist ein Männerberuf, den manche ihr ganzes Leben lang ausüben. Schüler verdienen sich mit diesem Job in den Ferien Geld für Schulutensilien und die Einschreibegebühr. Während Schuhputzer in der Regel feste Preise verlangen, bleibt die Höhe des Trinkgelds (propina) für Autowächter den Kunden überlassen. Bei Männern, die an Ampeln ungefragt die Frontscheiben der Autos waschen, sollte man vorsichtig sein; es können auch Diebe sein, die Wertgegenstände im Auto ausspähen.

  Aguantar („Aushalten“, „Durchhalten“) und andere Fähigkeiten: Die indigene Bevölkerung hat durch Jahrhunderte währende menschenunwürdige Lebensbedingungen eine extreme Zähigkeit und ein nahezu grenzenloses Durchhaltevermögen entwickelt. Diese Fähigkeit des aguantar hilft ihr, sich durchzubeißen, Ziele zu verfolgen, ohne aufzugeben und bei der Selbstausbeutung im Arbeitsleben bis an die eigenen Grenzen zu gehen. Dabei spielt der „Raubbau“, der am eigenen Körper betrieben wird, keine Rolle.

Darüber hinaus braucht man in vielen Situationen Durchsetzungsvermögen und Beharrlichkeit. „El que no llora no mama“, pflegt man in Peru zu sagen: „Wer nicht weint, bekommt keine Muttermilch.“ Abgemindert wird der Eindruck übertriebener Beharrlichkeit durch Höflichkeitsfloskeln wie „disculpe“ („Entschuldigen Sie bitte!“) oder „pérmitame“ („Erlauben Sie mir bitte!“). Der spanische Imperativ klingt ohne das Wort bitte genauso höflich wie der deutsche Imperativ mit dem Wort bitte.

Eine gewisse Portion „Gewieftheit“, die man in Peru mit den Adjektiven criollo oder vivo (schlau, gerissen) bezeichnet, ist keineswegs nur negativ besetzt, sondern gilt als eine Fähigkeit, die man braucht, um sich gegen harte Alltagsanforderungen erfolgreich durchzusetzen. Andenbewohner unterstellen der europäischstämmigen Oberschicht eine „kreolische“ Verhaltensweise und sehen darin eine wichtige Voraussetzung für den sozialen Aufstieg und eine Fähigkeit, die es sich anzueignen lohnt.

Während es für Peruaner selbstverständlich ist, immer auf der Hut zu sein und die eigene Umgebung im Blick zu haben, um sich vor Diebstahl zu schützen, spiegeln Vertrauensseligkeit, Unvorsichtigkeit oder gar Wagemut in ihren Augen die Naivität von manchen Fremden wider.

  Ausländer/Touristen: Der Tourismus wird als Beweis für die internationale Bedeutung Perus sowie seines kulturellen und historischen Erbes gewertet. Peruaner sind Fremden gegenüber aufgeschlossen und extrem tolerant. Unkenntnis oder Verstöße gegen einheimische Sitten werden jedem Fremden gern verziehen. Fremde sind willkommen, man hilft ihnen gern, nimmt sie gastfreundlich auf und lädt sie zu traditionellen Feiern ein, manchmal auch, um durch den Kontakt das eigene Ansehen zu steigern. Taufpate eines peruanischen Kindes zu werden, ist eine große Ehre. Aber nicht immer steht dabei die Sympathie im Vordergrund. Manche Eltern haben es nur auf den vermeintlichen Reichtum des Fremden abgesehen.

Bei Eintrittskarten für Sehenswürdigkeiten sowie Tickets für Inlandflüge gibt es leider große Preisunterschiede und mitunter müssen Touristen ein Vielfaches mehr zahlen als Einheimische.

  Baden: Peru hat viele wunderbare Sandstrände, die in den Sommermonaten (Dezember–Februar) ausgiebig genutzt werden. Dabei ist Nacktbaden in Peru generell nicht möglich. Vielerorts empfiehlt es sich auch nicht, weit ins Meer hinauszuschwimmen, weil die Küste rasch sehr steil abfällt und der Sog des Ozeans stark ist. Obwohl es gesetzeswidrig ist, deklarieren wohlhabende Hausbesitzer angrenzende Strandabschnitte gern als „private Strände“. Von sich reden machte die Bucht von Asia, in der sogar den Hausangestellten das Baden verboten wurde. Eine Demonstration, angeführt von der Schauspielerin Gisela Valcarcel, bereitete dieser Regel ein Ende. Seitdem ist der Strand allgemein zugänglich, aber die Bungalowbesitzer sind geschickt genug, Ärmere dennoch auszugrenzen. An anderen Küstenabschnitten beanspruchen Freizeitklubs Strände exklusiv für ihre Mitglieder.

  Begrüßung: Für die Tagesbegrüßung gibt es drei Varianten. Am Morgen sagt man „buenos días“, am Nachmittag „buenas tardes“ und am Abend „buenas noches“ – auch wenn dies in wörtlicher Übersetzung „gute Nacht“ bedeutet. Die anschließenden Fragen nach dem Wohlbefinden – „¿Cómo está?“, „¿Cómo le va?“, „¿Qué tal?“ oder ¿Todo bien?“ können mehrmals wiederholt werden. Wie ausführlich man antwortet, hängt davon ab, wie gut man sich kennt. Kennt man sein Gegenüber noch nicht so lange und nicht so gut, sollte die Antwort eher knapp sein, zum Beispiel „bien“ („gut“), „todo bien“ („alles im grünen Bereich“) oder „todo tranquilo“ („nichts, was beunruhigt“). Kennt man sich jedoch länger und gut, sollte man ausführlich antworten. Wird man nach seiner Familie gefragt, werden Informationen zu den Familienmitgliedern erwartet. Die Antwort muss allerdings nicht allzu ausführlich sein.

  Bekleidung: Aufreizende Kleidung, die viel Haut frei lässt, tragen Frauen in der heißen Jahreszeit gern bei Geburtstagsfeiern, Hochzeiten oder Spaziergängen. Unangebracht ist solche Kleidung jedoch bei offiziellen und geschäftlichen Anlässen, bei denen man eher ein Kostüm oder einen Hosenanzug trägt. Männer tragen in der Firma und bei Feierlichkeiten einen Anzug, im Büro auch Krawatte. Kurze Hosen tragen sie ausschließlich am Strand oder im Freizeitbereich eines Klubs. Bei Familienfeiern oder offiziellen Anlässen könnten die Gastgeber eine kurze Hose als Beleidigung auffassen. Für Frauen der Mittel- und Oberschicht gilt zusätzlich ein absolut gepflegtes Äußeres in der Öffentlichkeit als Muss. Sie lassen sich deshalb regelmäßig in Friseur- und Kosmetiksalons pflegen.

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Frauen in Lima: knappe Kleidung ist durchaus üblich und nichts Besonderes

  Bestechung/Schmiergelder: Bestechung und Schmiergeldzahlungen gibt es – wie überall auf der Welt – in der großen Politik. Im Alltag kann sie in vielen Bereichen vorkommen. Unaufgefordert sollte man als Ausländer kein Schmiergeld anbieten, weil man schwer einschätzen kann, ob man dadurch jemanden beleidigt oder sich gar selbst in Gefahr begibt. Wird man aufgefordert, ein Schmiergeld zu zahlen, kann es unter Umständen günstiger sein, dies dem Bittsteller auszuhändigen (wenn es nicht allzu hoch ist), um weiteren Problemen aus dem Weg zu gehen.

  Bürokratie: Je niedriger die soziale Schicht, desto mühevoller der Aufstieg in der Hierarchie öffentlicher Ämter. Wer aus einfachen Verhältnissen nach oben gelangt ist, spielt manchmal die eigene Machtposition aus, indem er Bittsteller mit unnötigen Sonderauflagen schikaniert. Dieses Verhalten bezeichnet man als joder, was soviel wie „plagen“, „ärgern“, „jemandem absichtlich etwas vermasseln“, unter Umständen auch „völlig kaputt machen“ bedeuten kann. Um dem vorzubeugen, legen manche Peruaner im Zusammenhang mit Ämtern ein unterwürfiges Verhalten an den Tag oder sie engagieren einen sogenannten „Tramitador“, der gegen Bezahlung behördliche Angelegenheiten erledigt (siehe auch den Abschnitt „Behörden“ auf Seite 279).

  Chile: Wenngleich es mit Chile keine offene Feindschaft mehr gibt, lebt die Erfahrung der Erniedrigung durch den gegen Chile verlorenen Krieg in der Erinnerung der Peruaner aller Schichten bis heute fort. An diesen Krieg erinnern wichtige Feiertage sowie Nationalhelden und in den Dörfern der Anden Folkloretänze. In den Schulen lernen die Kinder von ihren Geschichtslehrern, dass bis heute „eine gewisse Feindschaft“ existiere. Immer noch greifen Medien die Schäden auf, die Peru im Krieg durch Chile zugefügt wurden. Besonders bei Fußballspielen flammt die Feindschaft wieder auf. Angesichts chilenischer Investitionen im Einzelhandel beklagen Peruaner den vermeintlichen Wirtschaftsimperialismus des Nachbarlandes. Als die Supermarktkette E.Wong an einen chilenischen Investor verkauft wurde, zog dies heftige Kritik nach sich. Bei dem aus Pisco hergestellten Nationalgetränk Pisco Sour streiten sich Peruaner und Chilenen bis heute, ob der Traubenbranntwein peruanischen oder chilenischen Ursprungs ist.

  Distanzzonen: In der Küstenregion ist der physische Abstand zwischen Personen bei der Begrüßung und Verabschiedung für deutsche Verhältnisse gering. Es kommt rascher zu sichtbaren Sympathiebekundungen. Körperkontakt von Personen gleichen Geschlechts ist unter Freunden ebenso üblich wie im Geschäftsbereich. Bei Geschäftskontakten wird die erste Begrüßung noch mit einem festen Handschlag vollzogen. Beim nächsten Treffen ist ein kräftiger Schlag auf die Schulter oder sogar eine Umarmung von Mann zu Mann möglich. Beides dient dem Ausdruck gegenseitigen Vertrauens. Frauen werden stets zuerst begrüßt, spätestens beim zweiten Mal mit einem Wangenkuss, der erwidert werden sollte. Frauen berühren einander am Oberarm und küssen sich auf die Wangen. Berührungen im Gespräch sind häufig. Angeboten von Nähe sollte man nicht ausweichen, es könnte als Affront wahrgenommen werden. Häufige und liebenswürdige Berührungen bei der Begrüßung und während einer Unterhaltung sind im Amazonastiefland bei Personen verschiedenen Geschlechts durchaus üblich und keineswegs anzüglich gemeint. Im kalten Andenhochland hingegen begrüßt man sich lieber mit Handschlag und kommt sich auch im Verlauf eines Gesprächs körperlich nicht näher als in Deutschland.

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So herzlich sieht die Begrüßung aus, wenn man sich auf der Straße trifft (Amazonastiefland)

  Diebstahl: Dieb zu sein, ist in Peru ein „Beruf“, der sogar innerhalb von Familien weitergegeben wird. Peruanische Diebe beobachten scharf und so entgeht ihnen kaum eine Gelegenheit. Deshalb sollte man noch wachsamer sein als jene, seine Sachen nicht aus den Augen verlieren und keine Wertsachen tragen, die einen Dieb provozieren könnten. Taschendiebe machen sich vor allem das Gedränge auf Märkten, in überfüllten Bussen oder Zügen, in der Nähe von Busstationen oder Bahnhöfen zunutze. Ihr Repertoire an Ablenkungsmanövern scheint unerschöpflich zu sein. Die gängigsten sind das Anrempeln und die Verwicklung in ein Gespräch. Mit Rasierklingen werden Löcher in Handtaschen oder Rucksäcke geschnitten. Häufig sind das schnelle Wegreißen von Taschen oder Wertgegenständen und das anschließende Wegrennen oder aber das sofortige Einsteigen in ein bereitstehendes Diebesauto. Nach Einbruch der Dunkelheit sollte man besonders vorsichtig sein. Einsame Straßen sowie Viertel, die normalerweise nicht von Touristen besucht werden, meidet man am besten. Sofern möglich, sollte man nur eine Kopie des Reisepasses und nicht das Original sowie wenig Geld mitnehmen, es dort verstauen, wo es kein Dieb vermutet, und nicht in der Öffentlichkeit hervorziehen. Seit 50 Jahren gibt es in Peru eine Touristenpolizei. Sie bietet Schutz in Vierteln, in denen Touristen sich aufhalten, sowie bei Festen und Veranstaltungen, an denen Touristen teilnehmen.

  Drogen: Die gängigsten und legalen Drogen sind Zigaretten und alkoholische Getränke. Bei den illegalen Drogen steht Marihuana an erster Stelle, gefolgt von pasta básica (Kokainpaste) und Kokain. Der Handel mit Drogen wird in Peru mit Gefängnis bestraft.

Kokain ist teuer und wird eher von Jugendlichen der Oberschicht konsumiert. Pasta básica ist zwar für weniger Geld zu bekommen, führt aber die Konsumenten rasch in die Beschaffungskriminalität, weil die Droge extrem schnell abhängig macht und der Rausch lediglich 30 bis 70 Sekunden andauert. Schmerzen und Krampfzustände lassen sich nur durch erneuten Konsum unterdrücken, so dass viele Abhängige täglich 100 bis 300-mal konsumieren. Das Kokainsulfat hat kurzzeitig die gleiche Wirkung wie „reines“ Kokain: Stimmungsaufhellung, Euphorie und gesteigerte Aktivität. Die Droge schädigt Gehirn, Herz, Lunge und Leber. Junkies – in Peru fumones genannt – erkennt man an ihrer abgemagerten Figur und ihrem entrückten Gesichtsausdruck. Das Hungergefühl setzt dauerhaft aus. Die Blätter der Kokapflanze, die bei Ritualen gekaut werden, haben dagegen keinerlei berauschende Wirkung. Zur rituellen Verwendung der Kokapflanze siehe auch „Die sakrale Bedeutung der Koka: Opfer und Orakel“ ab Seite 238.

Der San-Pedro-Kaktus (Echinopsis pachanoi), der in der nordperuanischen Küstenregion von traditionellen Heilern, sogenannten curanderos eingesetzt wird, enthält Meskalin und kann Bewusstseinsverzerrungen sowie Veränderungen der Wahrnehmung verursachen, die der Wirkung von LSD sehr ähneln. Fatale Langzeitwirkungen kann die international geächtete Ayahuasca-Liane haben. Wenn sie nicht in einen kulturellen Kontext eingebunden ist, kann sie Psychosen auslösen und eine zu hohe Dosis kann sogar tödlich sein. Nimmt man als Fremder an Ayahuasca-Ritualen im Amazonastiefland teil, so können akute oder Langzeitschäden nicht ausgeschlossen werden. Im Amazonastiefland wird bei Ritualen auch die Engelstrompete (huantuq) verwendet.

Der Handel mit Drogen innerhalb des Landes sowie die Mitnahme ins Ausland enden für Touristen wie Einheimische im Gefängnis, wenn die Straftat entdeckt wird.

  Ehrlichkeit oder Höflichkeit: Auf die Frage, ob es wichtiger ist, dass man ehrlich oder dass man höflich ist, würde mancher Peruaner sicher antworten, dass die Höflichkeit der Ehrlichkeit vorzuziehen ist. Ehrlichkeit oder Offenheit dürfen auf keinen Fall mit einer Direktheit einhergehen, die andere verletzt. Nichts ist so schlimm, wie einem anderen emotionalen Schaden zuzufügen oder seine patriotischen Gefühle zu verletzen. Peruaner sehen es ungern, wenn man ihnen ihre Fehler krass vor Augen führt oder ein nationales Problem ungeschminkt anspricht.

  Einkaufen auf Märkten: Lebensmittelmärkte finden in Peru an sechs oder sieben Wochentagen statt. Oft wird man bereits beim zweiten Einkauf mit „casera“/„casero“ („Stammkundin“/„Stammkunde“) angeredet und darf die Marktfrau mit demselben vertrauensvollen Wort ansprechen. Bei Lebensmitteln gelten Festpreise; Handeln ist hier nicht üblich. Marktfrauen schaffen es, mehrere Kunden gleichzeitig zu bedienen. So verübeln sie es Kunden nicht, wenn sie Fragen stellen oder etwas verlangen, während noch jemand anderes bedient wird. Unüblich ist es, sich in eine Reihe zu stellen und zu warten, bis man drankommt. Besonders günstig kann man auf den städtischen Großmärkten einkaufen, wo Produzenten ihre Waren anbieten. Vorsicht ist bei der Anfahrt geboten, weil solche Märkte sich manchmal in Gegenden befinden, in denen Diebe ihr Unwesen treiben. In Lima gibt es an den Wochenenden Biomärkte (bioferia), auf denen man ökologische Produkte kaufen kann. Auch auf dem Großmarkt von Cusco werden ökologisch angebaute Produkte verkauft.

  Einladungen: Wer ins Restaurant oder Café einlädt, zahlt. Bereits der Vorschlag, ein Café oder Restaurant aufzusuchen, wird als Einladung verstanden, verbunden mit der Erwartung, dass der Vorschlagende zahlt. Treffen sich Bekannte oder Freunde zum gemeinsamen Essen, kann dagegen ein „Kampf“ darum entbrennen, wer die anderen einladen und zahlen „darf“. Wer sichergehen möchte, dass er am Ende tatsächlich der Einladende ist, sollte vorher den Oberkellner unauffällig bitten, ihm die Rechnung zuüberreichen. Eingeladen – auch ins eigene Haus – wird oft kurzfristig und spontan. Freunde, Bekannte und Geschäftspartner werden gern in Klubs eingeladen, die über Cafés und Restaurants verfügen. Liegt eine Einladung lange zurück, sollte noch einmal daran erinnert werden. Bei Einladungen um die Mittagszeit darf man von einer Einladung zum Mittagessen ausgehen. Am Abend muss es sich nicht zwangsläufig um eine cena (ein Abendessen) handeln. Fällt das Wort nicht, werden vielleicht eher selbst zubereitete, landestypische Snacks und Getränke angeboten.

In ländlichen Regionen muss keine Einladung ausgesprochen werden. Freunde und Bekannte werden einfach besucht und falls gerade gekocht wurde, wird jedem Gast ein Teller mit Essen serviert. Es ist nicht üblich, weitere Personen mitzubringen, wenn man eingeladen ist. Möglicherweise reichen auch die Plätze am Tisch nicht aus.

  Erdbeben: Als temblor (Zittern) bezeichnet man in Peru schwache Beben der Stärke 2 oder 3 auf der Richterskala. Meist bemerkt man diese gar nicht. Peruaner sagen, dass die Erde sich entlädt und stärkere Beben verhindert werden. Erdbeben sind sowohl in der Küsten- als auch in der Andenregion theoretisch immer möglich, weil eine seismisch aktive Zone parallel zur Küstenlinie verläuft. Allerdings erreichten seit der spanischen Eroberung vor über 500 Jahren nur 20 Erdbeben eine hohe Magnitude von 7,0 oder mehr. Dabei lagen fast alle Epizentren unter dem Pazifischen Ozean und lösten kleine Tsunamis aus. Erdbeben dauern wenige Sekunden bis Minuten. Wer sich außerhalb von Gebäuden befindet, hat meist die besten Chancen. Man sollte möglichst eine große Freifläche aufsuchen und die Nähe von Häusern meiden. Befindet man sich mitten in einem Gebäude, sind die besten Plätze im Zentrum eines Raumes oder unter einem Türrahmen. Ein stabiler Tisch kann vor herabfallenden Trümmern schützen. Bei den einmal im Jahr stattfindenden Prozessionen zu Ehren der Christuserscheinungen „Senor de los Temblores“ in Cusco und „Senor de los Milagros“ in Lima bringen die Gläubigen ihre Dankbarkeit dafür zum Ausdruck, dass sie verschont blieben und erbitten Gottes Schutz vor zukünftigen Beben.

  Familiennamen: Peruaner haben einen oder zwei Vornamen und grundsätzlich zwei Nachnamen. An erster Stelle steht der erste Nachname des Vaters und an zweiter der der Mutter. Nach der Eheschließung behalten Frauen ihre beiden Zunamen. Kinder heißen also mit erstem Nachnamen immer anders als die Mutter. Problematisch ist es bei unehelichen Kindern. Erkennt ein Mann die Vaterschaft nicht an, bleibt der Mutter nichts anderes übrig, als das Kind mit ihren eigenen beiden Nachnamen (also dem jeweils ersten Nachnamen ihres Vaters sowie dem ihrer Mutter) registrieren zu lassen. Drei Vornamen hintereinander, wie es manchmal in Deutschland vorkommt, gibt es in Peru nicht. Bei Meldeformularen oder sonstigen Arten der Registrierung sollte man darauf achten, dass der dritte Vorname nicht für den ersten Nachnamen gehalten wird. Ansonsten ist man später unauffindbar. Die Nachnamen der reichen, angesehenen und mächtigen Familien der Oberschicht sind in Peru allgemein bekannt. Bis heute haben die Personen mit diesen Namen bei der Vergabe wichtiger Positionen in Wirtschaft oder Politik große Vorteile, weil man einander kennt und vertraut.

  Fotografieren: Die meisten Peruaner lassen sich gern fotografieren und seitdem überall Fotos mit dem Handy gemacht werden, kooperieren viele sogar, wenn sie fotografiert werden. Bei meiner letzten Reise bestanden nicht nur die Stadtpolizistinnen auf der Plaza San Martin in Lima darauf, dass ich sie mehrmals fotografierte, bis ein sehr gelungenes Foto entstand. Vorsichtiger sollte man beim Fotografieren von Angehörigen der Nationalpolizei sein, die sich noch an die Zeit des Terrorismus erinnern, als Sicherheitskräfte fotografiert wurden mit dem Ziel, sie später zu erschießen.

  Geschenke: Wer eingeladen ist, ohne dass bei der Gelegenheit etwas Besonderes gefeiert wird, muss kein Geschenk mitbringen. Selbstverständlich freuen peruanische Gastgeber sich über kleine Geschenke. Immer passend sind Blumen für die Gastgeberin sowie Pralinen, Schokolade, Whisky, Wein oder Pisco. Beim Pisco sollte es sich aber um eine renommierte Marke handeln, die das Zwei- oder Dreifache eines guten Weins kostet. Bücher, silberne Bilderrahmen oder wertvolle Schreibgeräte sind ebenfalls beliebt. Schmuck sollte man nur schenken, wenn man eine Person und ihren Geschmack sehr gut kennt. In Lima kann man kleine Snacks wie Oliven, Salami oder Nüsse mitbringen, eine Torte oder Gebäckteilchen. Auf keinen Fall darf man Messer schenken, da Peruaner überzeugt sind, dies führe zu Streit und zum Ende der Freundschaft. Unüblich ist das Schenken von Kleidungsstücken oder Parfüms. Bei Hochzeiten verschickt das Brautpaar zusammen mit der Einladung die Adresse des Geschäftes/Kaufhauses, in dem eine Liste ausliegt, aus der man sein Geschenk auswählen kann. Bei Taufen kann man kleine Gegenstände aus Silber wie Rahmen für Fotos oder Trinkbecher schenken, zur Kinderkommunion eine Bibel, Armbanduhr, ein wertvolles Schreibgerät oder ein Mobiltelefon. Häufig packt der Empfänger das Geschenk vor den Augen des Schenkenden nicht aus, damit man ihm eventuelles Missfallen nicht vom Gesicht ablesen kann. Sein Missfallen kundzutun, ganz gleich ob gewollt oder ungewollt, gilt als unhöflich und verletzend. Wer Freunde auf dem Land besucht, sollte überlegen, was man dort nicht kaufen kann. Dazu gehören manchmal Obst, frisches oder süßes Brot, Rosinen oder Oliven.

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Die Geranie ist das Geburtstagsgeschenk für den Schwiegersohn (Andendorf)

  Geburtstage: Auf dem Land feiern viele Menschen ihre Geburtstage nicht. In der Stadt beginnt die Feier am Vorabend und man feiert „hinein“. Geburtstagsfeiern beginnen mit selbst zubereiteten, köstlichen Snacks und Getränken, die den sitzenden Gästen gereicht werden. Später tanzt man. Oft wird bis zum Morgengrauen gefeiert. Dabei werden Stereoanlagen voll aufgedreht und manch einer verwendet sogar ein Megaphon, um die Ehefrau zu ehren. Nachbarn, die nicht eingeladen werden, wenn sie nicht zum Freundeskreis gehören, müssen dann eine schlaflose Nacht durchleiden. In den unteren Schichten ist der 15. Geburtstag eines Mädchens von besonderer Bedeutung, weil er den Übergang vom Mädchenzum Frausein symbolisiert. Eine Einladung zur Feier darf man als Ehre werten. Ein Briefumschlag mit Geld wird immer gern gesehen. Kinder erhalten Spielzeug und von ihren Taufpaten die Geburtstagstorte. Kleine Mädchen werden von Taufpaten gern mit Ohrringen oder einem Kleid beschenkt. In ländlichen Regionen wird nicht zum Geburtstag eingeladen. Verwandte und gute Freunde tauchen am frühen Morgen einfach auf. Als Geschenk stecken sie dem Geburtstagskind entweder eine frische Blume an den Hut oder sie bringen an die 50 Eier, Coca Cola und dunkles Bier mit. Man bittet sie in die Küche, wo sie aus geschlagenem Eiweiß, Coca Cola und Bier einen ponche zubereiten, der hervorragend schmeckt. Nach dem Anstoßen wird jedem Gast ein Teller mit warmem Essen serviert.

  Gesprächsthemen: Peruaner unterhalten sich gern und ausführlich über die Familie, die bei manchen Familienfeiern sogar das einzige Thema ist. Weitere beliebte Gesprächsthemen bei privaten und geschäftlichen Treffen sind Freizeit, Kultur und Sehenswürdigkeiten. Über Politik und Kirche zu sprechen, ist zwar nicht verboten, man sollte sich aber mit Kritik zurückhalten, insbesondere wenn man den Standpunkt des anderen nicht kennt. Wer als Ausländer den Drogenhandel oder die Kriminalität anspricht, kann seine Gesprächspartner in ihrem Nationalstolz verletzen, was eine Freundschaft beeinträchtigen oder unmöglich machen könnte.

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An einem Feiertag tauschen Andenbauern beim Kaffee Neuigkeiten aus

  Handeln/Feilschen: Gehandelt wird nicht im Geschäft, sondern ausschließlich auf Kunsthandwerksmärkten Auch dort haben die Händler feste Preise; man kann viele Waren jedoch 10 oder 15 Prozent günstiger bekommen, insbesondere, wenn man am frühen Morgen der erste Käufer ist, der dem Verkäufer nach dem Volksglauben Glück bringt. Man sollte das Feilschen nicht übertreiben, wenn Verkäufer ihre Waren selbst herstellen. Sie neigen dazu, ihre eigene Arbeitszeit nicht in Rechnung zu stellen.

  Hausangestellte: Obwohl sich die Situation der Hausangestellten signifikant verbessert hat, werden sie für deutsches Empfinden immer noch nicht völlig gleichwertig behandelt. Man kann dieses Verhalten der Peruaner ablehnen, wird aber bei peruanischen Gastgebern auf heftigen Widerstand stoßen, wenn man ihren Umgang mit „ihren“ Angestellten in Frage stellt.

  Hexerei: Zauberei, Hexerei oder Liebeszauber sind in vielen Kreisen Bestandteil des Alltags. Ihre Wirkung anzuzweifeln, würde von mangelndem Taktgefühl zeugen. Manche Peruaner nutzen Hexerei zur Erfüllung ihrer Wünsche; andere hoffen, dadurch von schweren Krankheiten geheilt zu werden. Dass sich mit dem Beruf des Heilers (curandero) oder Hexers (brujp) Geld verdienen lässt, beweisen die Anschläge auf Laternenpfählen oder Anzeigen in Boulevardblättern. Auch für die Befriedigung von Rachegelüsten werden Hexer in Anspruch genommen. Die vermeintlichen Opfer solchen Schadenszaubers möchten auch von Fremden ernst genommen werden. Darüber hinaus sind viele Praktiken feste Bestandteile von Zeremonien bei traditionellen Dorffesten. Wird einem Fremden die Teilnahme an einer solchen Zeremonie gestattet, sollte er auf keinen Fall ungefragt Fotos machen.

  Hierarchien/Höhergestellte: Siehe den Verhaltenstipp „Anrede“ auf Seite 16.

  Hochzeit: Ist man zu einer Hochzeit eingeladen, so kann man der Einladungskarte entnehmen, ob man nur zur Messe und dem anschließenden Umtrunk im Pfarrsaal eingeladen ist oder aber auch zur anschließenden Feier. Im letzteren Fall sollte man im auf der Karte angegebenen Geschäft ein Geschenk aus der dort vorliegenden Liste auswählen. Dieses ist in der Regel nicht billig.

  Höhenkrankheit: Der soroche, wie die Höhenkrankheit in Peru heißt, bezeichnet Symptome, die ab 2500 m auftreten können. In Peru liegen viele Ortschaften und Städte auf über 3000 m Höhe, sodass man mit dem soroche rechnen muss, wenn man diese besucht. Die Ursache liegt darin, dass der Luftdruck mit zunehmender Höhe absinkt und damit auch der Sauerstoffgehalt. Das führt zur Verengung der Blutgefäße in der Lunge. Die Sauerstoffaufnahme in der Lunge verringert sich. Der Sauerstoffunterversorgung wirkt keine körpereigene Atemregulation entgegen. Das Auftreten der ersten Symptome ist individuell verschieden und nicht zwangsläufig konstitutionsabhängig; es kann also auch Personen betreffen, die viel Sport treiben. Typische Symptome sind Kopfschmerzen, Müdigkeit, Kreislaufbeschwerden und schneller Pulsschlag. In schlimmeren Fällen kommen starke Atemnot und Herzrasen dazu. Glücklicherweise ist der soroche meistens nicht lebensbedrohlich und die Symptome verschwinden nach einigen Tagen, wenn der Körper sich an die Höhe angepasst hat. Vorbeugen kann man, indem man den Aufstieg in große Höhen auf mehrere Tage verteilt. Vor Ort sollte man nichts Schweres tragen, am ersten Tag keine Wanderung unternehmen, am Abend nichts oder nur wenig essen – die Verdauung ist in der Höhe wesentlich langsamer – und keinen Alkohol trinken.

  Homosexualität: In den Medien, insbesondere im Fernsehen, wird Homosexualität seit Langem offen thematisiert. In Lima gibt es viele Lokale, in denen sich Homosexuelle treffen und in den Parks kann man die Regenbogenfahne wehen sehen. Gewalt gegen Homosexuelle gilt heute als schweres Delikt und wird bestraft. Transsexuelle haben das Recht, ihr Geschlecht und ihren Namen zu ändern, allerdings nicht in offiziellen Dokumenten. Seit 2010 veranstalten Lesben und Schwule in acht peruanischen Städten jedes Jahr Umzüge. An der „Marcha del Orgullo Gay“, die 2011 in Lima stattfand, nahmen auch Politiker teil. Seit Carlos Bruce, der als Minister hohe Ämter bekleidete, als erster Politiker in Peru seine Homosexualität bekannt gab, ist die Öffentlichkeit wesentlich toleranter geworden. Bruce brachte einen Gesetzesvorschlag ein, der gleichgeschlechtlichen Partnern die Ehe ermöglichen sollte. Ehen zwischen Homosexuellen werden in Peru jedoch noch nicht anerkannt. Der öffentliche Austausch von Zärtlichkeiten ist nach wie vor ein Tabu und kann sogar zu gewalttätigen Angriffen führen. Mehr zum Thema im Abschnitt „Homosexualität“ ab Seite 186.

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„Juanes“ (siehe Seite 282) sind eine Spezialität der Küche des Amazonastieflandes

  Hygiene: Der Ausbruch der Cholera im Jahr 1992 hat ein großes Erwachen ausgelöst. Im gesamten Land wurden Aufklärungskampagnen über Ansteckungsrisiken durchgeführt. Dies führte dazu, dass Hygienemaßnahmen wesentlich verbessert wurden. Auf den großen Märkten hat jede Garköchin fließendes Wasser und der Gast kann sich selbst davon überzeugen, dass das Geschirr gut gereinigt wird. Trotzdem werden Hygienevorschriften manchmal nicht beachtet. Auf Wochen- und Tagesmärkten werden beispielsweise Lebensmittel angefasst, die später jemand anders kauft. Deshalb wäscht man in Peru nicht nur das Obst, sondern auch den Käse, bevor man ihn isst. In der Küstenregion sowie im Tiefland kann es vorkommen, dass ein Fliegenansturm auf frisch zubereitetes Essen nicht aufzuhalten ist. Im Hochland kann eine Reihe von Krankheitskeimen nicht überleben. Dort erschweren aber einerseits Wassermangel und Kälte eine optimale Körperhygiene und andererseits ist die Vorstellung verbreitet, eiskaltes Wasser in Verbindung mit niedrigen Außentemperaturen könne zu Erkrankungen führen, deshalb sei es besser, die Hände am Abend nicht damit zu waschen. So haben die Menschen anderer Regionen häufig Vorurteile gegenüber den angeblich schmutzigen Andenbewohnern. Übrigens: Die regelmäßige Entfernung von Bein- und Schamhaaren gilt in Peru als selbstverständlicher Teil der Körperhygiene. Frauen, die dies nicht praktizieren, betrachtet die städtische Mittel- und Oberschicht als ungepflegt oder unsauber.

  Karneval:yunzayunza