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Differenzierung zwischen der weiblichen und männlichen Form.
Copyright Stefan Schurr – Winterbach 2018
Herstellung und Verlag:
Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN-13: 978-3-7528-3713-1
Im Ausdauersport gibt es viele unterschiedliche Trainingsphilosophien und damit verbundene Planungsstrategien. Relativ neu ist das Konzept des polarisierten Trainings, das sich vor allem im Hochleistungssport immer größerer Beliebtheit erfreut. Das Prinzip das dahinter steckt kann man auf eine einfache Formel herunterbrechen:
Trainiere „entweder richtig hart“
oder „richtig langsam“!
Dadurch unterscheidet es sich vom ebenfalls weit verbreiteten Konzept des Laktatschwellentrainings, das vermehrt auf Trainingsinhalte in mittlerer bis moderat hoher Intensität setzt. Beim polarisierten Training verzichtet man weitestgehend auf diesen Intensitätsbereich, so dass es damit einen recht konträren Ansatz darstellt.
Laut einer Studie von Stöggl und Sperlich aus dem Jahr 2014 führt ein polarisiertes Training bei bereits hoch trainierten Ausdauersportlern zu deutlich größeren Leistungssteigerungen als ein Training, das vor allem im mittleren Intensitätsbereich an der anaeroben Schwelle stattfindet. Auch die Konzepte des hochintensiven Intervalltrainings sowie des stark umfangorientierten Grundlagentrainings in niedriger Intensität erwiesen sich in dieser Studie als unterlegene Trainingsvarianten. Stöggl und Sperlich beziehen sich bei den Verbesserungen auf die für Ausdauersportler wichtigen Parameter der maximalen Sauerstoffaufnahme, der Leistung an der 4mmol-Schwelle sowie der maximal erreichten Leistung im Rampentest. In allen Bereichen war das polarisierte Training den drei anderen Varianten nach 9 Trainingswochen deutlich überlegen.
Weitere Studien von Esteve-Lanao et al (2007), Neal et al (2012) und Munoz et al (2014) kommen zu ähnlichen Ergebnissen.
Daraus lässt sich schlussfolgern, dass ein umfangreiches Training an der Laktatschwelle, zumindest bei bereits gut ausdauertrainierten Athleten, nicht mehr zu den gewünschten Steigerungsraten in den erwähnten Ausdauerparametern führt. Auch die deutliche Priorisierung von niedrig intensivem Grundlagentraining, beziehungsweise Präferenz des hochintensiven Intervalltrainings, scheinen nicht die optimalen Lösungen darzustellen. Wobei sich in den Studien aber auch zeigte, dass sich das hochintensive Intervalltraining gegenüber den beiden anderen Varianten dennoch als überlegen erwies. Vor allem für Athleten mit begrenztem Zeitbudget bietet sich damit ein Schwerpunkt auf hochintensivem Training -möglichst ergänzt durch gelegentlich ruhiges Grundlagentraining- an und ist einem ausgeprägten Laktatschwellentraining in mittlerer bis moderat hoher Intensität vorzuziehen.
Zu beachten ist dabei allerdings auch, dass die Studien mit bereits gut trainierten Athleten durchgeführt wurden. Ob das polarisierte Trainingskonzept auch auf niedrigerem Leistungsniveau sinnvoll eingesetzt werden kann werden wir im nächsten Kapitel erörtern.
Sportliches Training und damit verbundene Anpassungsreaktionen folgen gewissen Gesetzmäßigkeiten. Um die Leistungsfähigkeit kontinuierlich weiterzuentwickeln sollten Trainingsinhalte und -intensitäten sowohl im Wochen- als auch im Jahresverlauf systematisch variiert werden. Eine entscheidende Frage ist dabei auch, in welchem Verhältnis das Training in unterschiedlichen Intensitätsbereichen ablaufen sollte. Dies ist eng mit der Frage nach den konträren Trainingskonzepten „Polarisiertes Training versus Laktschwellentraining“ verbunden.
Eine Einteilung der Trainingsintensität aufgrund physiologisch festgelegter Bereiche erfolgt im einfach gehaltenen Dreizonenmodell. Zur differenzierten Trainingssteuerung werden wir im weiteren Verlauf noch eine weitere Unterteilung vornehmen, dazu später mehr im Kapitel „Trainingsanpassungen“. Das Dreizonenmodell unterscheidet zwischen geringer (Belastungszone 1), mittlerer (Belastungszone 2) und hoher Belastungsintensität (Belastungszone 3).
Wie bereits in der Einleitung dargelegt „konkurrieren“ im Leistungssport heutzutage vor allem zwei unterschiedliche Konzepte der Trainingssteuerung über die Belastungsintensität. Zum einen das des polarisierten Trainings. Zum anderen das des Laktatschwellentrainings. Im polarisierten Trainingsmodell findet der Großteil der Belastung in Zone 1 statt und wird vor allem durch Training in Belastungszone 3 ergänzt. Eine Belastung im mittleren Intensitätsbereich wird gemieden. Demgegenüber findet beim Laktatschwellentraining ein wesentlicher Teil genau in diesem mittleren Belastungsbereich statt. Darstellen lässt sich dies anschaulich im nachfolgend angeführten Schaubild.
Und wie sieht es in der Praxis von Ausdauersportlern aus? Ein Blick auf das Training von Profiathleten ist in diesem Zusammenhang interessant und aufschlussreich. Betrachtet man die Untersuchungen von Seiler & Kjerland [2006], so zeigt sich eine Belastungsverteilung, die ziemlich genau dem des polarisierten Trainingsmodells entspricht: Etwa 80-85% des Trainings wird in niedriger Belastungsintensität unterhalb der aeroben Schwelle (Belastungszone 1) absolviert. Die restlichen 15-20% verteilen sich vor allem auf die sehr hohe Belastungsintensität in Zone 3. Das Training in Belastungszone 2 spielt so gut wie keine Rolle.
In den letzten Jahren herrscht im Ausdauertraining von Spitzensportlern eine klare Tendenz hin zu polarisiertem Training!
Warum ist das so?
Welchen Vorteil bietet die „polarisierte“ Herangehensweise?
Das polarisierte Konzept vereint die Vorteile eines umfangbetonten lockeren Grundlagentrainings mit denen des (hoch-)hochintensiven Intervalltrainings. Dabei werden in den jeweiligen Belastungszonen grundsätzlich unterschiedliche Adaptionsmechanismen im Organismus ausgelöst, die sich in ihrer Wirkung optimal ergänzen. Der zusätzliche Effekt des abwechslungsreichen Trainings fördert die Motivation und reduziert durch die geringere Belastung des Hormon- und Nervensystems die Gefahr von Übertraining.
Gerade ein umfangreiches Training knapp unter und im Bereich der anaeroben Schwelle wirkt sehr belastend. Neben der großen muskulären Erschöpfung werden zusätzlich durch den sehr aktiven Kohlenhydratstoffwechsel auch die Glykogenspeicher in Muskulatur und Leber stark erschöpft. Wird ein großer Teil des Trainings in diesem mittleren Bereich absolviert, so geht das meist zu Lasten der sehr hohen Intensitäten in den Trainingseinheiten oberhalb der anaeroben Schwelle. Denn zum einen ist die Muskulatur von diesen submaximalen Einheiten sehr stark ermüdet. Zum anderen fehlt der wichtige Brennstoff Glykogen, da die Speicher nach dem vorausgegangenen Training nicht wieder vollständig aufgefüllt sind.