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Doris Paas

Dünndarmfehlbesiedelung

© 2016 Doris Paas (1. Auflage)

© 2017 Doris Paas (2. überarbeitete Auflage)

© 2020 Doris Paas (3. überarbeitete und aktualisierte Auflage)

Satz, Umschlag und Illustrationen: Doris Paas

Herstellung und Verlag:

BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN 978-3-7412-1932-0

Inhalt

Hinweise zum Buch:

Bestandsaufnahme

Von einer gesunden Verdauung merken wir im Allgemeinen so gut wie gar nichts. Unser Bauch fühlt sich gut an, der Toilettengang erfolgt idealerweise meist zur selben Tageszeit, und das Ergebnis ist wohlgeformt, zufriedenstellend und im wahrsten Sinne des Wortes erleichternd.

Wir entfernen uns jedoch immer weiter davon, mit unserer Ernährungs- und Lebensweise eine solche gesunde Verdauungsfunktion zu ermöglichen. Wir verzehren weniger natürliche, verträgliche Lebensmittel und nehmen stattdessen eher industriell bearbeitete Nahrung, Medikamente und die verschiedensten zusätzlichen Substanzen und damit immer mehr Chemikalien zu uns. Unser Darm hat es schwer, dieses Gemisch noch ohne Schwierigkeiten verdauen zu können. Darüber hinaus verbringen wir immer mehr Zeit im Sitzen und bewegen uns zu wenig, so dass auch unser Darm immer träger wird und die Darmbewegungen, die für den Transport des Stuhls erforderlich sind, erlahmen. Kommen nun noch eine oftmals falsche Atmung und Stresseinwirkungen hinzu, sind nicht nur Verdauungsprobleme vorprogrammiert. Auch unsere Darmflora leidet darunter.

Kaum noch jemand kann von sich sagen, dass seine Verdauung immer reibungslos funktioniert. Auch wenn man über Verdauungsprobleme heute noch nicht offen spricht, so ist doch die Werbung für Präparate zum Abführen auf der einen Seite oder aber auch gegen Durchfall auf der anderen Seite im Fernsehen und in Zeitschriften inzwischen salonfähig geworden, und diese frei verkäuflichen Mittel bescheren den Apothekern einen reichen Gewinn.

Auch Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten, die zu erheblichen Unannehmlichkeiten führen können, sind heutzutage sehr viel mehr Menschen bekannt als noch vor zehn Jahren – fast jeder kennt jemanden, der Probleme mit Laktose, Fruktose oder mit Gluten hat. Die Nahrungsmittel-Industrie hat sich auf diese lukrative Käufergruppe eingestellt und bietet entsprechende Produkte an, die nicht nur im Fachhandel, sondern mittlerweile in jedem Supermarkt erhältlich sind. Diese Spezialprodukte sind für die Betroffenen tatsächlich sehr hilfreich, aber ich wage zumindest infrage zu stellen, ob es von den Herstellern wirklich gänzlich unbeabsichtigt ist, dass diese Erzeugnisse auch von immer mehr gesunden Menschen gekauft werden.

Darüber hinaus sind die mit »gesunden« Bakterien – den sogenannten Probiotika – angereicherten Nahrungsmittel seit einiger Zeit regelrechte Verkaufsschlager. Kaum ein Joghurt kommt noch ohne diese Zusätze daher. Inwieweit solche Produkte sinnvoll und tatsächlich verdauungs- und sogar gesundheitsfördernd sind, sollte kritisch hinterfragt werden. Bis vor noch gar nicht so langer Zeit durften vorgeblich gesundheitsfördernde Wirkungen willkürlich beworben werden. Die im Jahr 2006 vom Gesetzgeber erlassene Health-Claims-Verordnung (Verordnung zu Gesundheitsversprechen) legt nun strengere Maßstäbe an, so dass ein Gesundheitsmehrwert nicht mehr ohne Weiteres versprochen werden darf.

Die Regale in den Buchläden sind voll mit Titeln, die die verschiedenen Themen rund um Verdauungsprobleme bearbeiten – teils als Ratgeber, teils als Einkaufsführer oder aber auch als Rezeptsammlungen, die überwiegend gut informieren und hilfreich sind. Auch im Internet kann man in zahlreichen Foren Informationen über die verschiedensten Beschwerden finden. Hier sind es in der Regel individuelle Erfahrungen, die meist von Laien stammen. Sie bieten zwar oft erste Anhaltspunkte, sind jedoch nicht immer zu verallgemeinern. Als Ratschlag für den eigenen Fall sind sie deshalb meist nur eingeschränkt brauchbar. Vor allem aber ist es schwierig, die Spreu vom Weizen zu trennen.

Und trotz all dieser doch scheinbar so gesunden Nahrungsmittel und trotz der schier unüberschaubaren Informationsmenge leiden immer mehr Menschen an Verdauungsbeschwerden. Was stimmt da nicht?

Natürlich tragen ungesunde, unbekömmliche Nahrungsmittel, zu wenig Bewegung und viele andere Umstände des täglichen Lebens einen sehr großen Teil dazu bei, dass Verdauungsprobleme immer mehr zunehmen. Aber auch die Zusammensetzung der Darmflora kann dafür (mit) verantwortlich sein.

Wenn Sie wiederkehrende Verdauungsbeschwerden haben und vermuten, dass Sie an einer bakteriellen Fehlbesiedelung Ihres Darms leiden, ist es zuerst einmal wichtig, sich umfassend zu informieren, damit Sie verstehen können, welche möglichen Ursachen für Ihre Verdauungsbeschwerden in Frage kommen könnten. Bitte erschrecken Sie nicht über den Umfang dieses Buchs, aber es ist tatsächlich vorteilhaft, wenn Sie sich über alle Hintergründe und Zusammenhänge informieren.

Eine Dünndarmfehlbesiedelung geht so gut wie immer auch mit einer bakteriellen Veränderung des Dickdarms einher. Es ist erforderlich, Symptome und Beschwerden korrekt zuordnen zu können, denn dies trägt wesentlich zu einer korrekten Diagnose und Behandlung und damit zur Wiederherstellung Ihrer Gesundheit bei. Das Buch thematisiert aus diesem Grund neben der Dünndarmfehlbesiedelung auch bakterielle Verschiebungen im Dickdarm und deren Behandlung.

Bevor die Wege zu einer sicheren Diagnose der Dünndarmfehlbesiedelung und ihre Behandlungsmöglichkeiten beleuchtet werden, schauen Sie sich zunächst einmal genauer an, wie eine gesunde Verdauung funktioniert. Dabei lernen Sie auch unsere kleinen Mitbewohner näher kennen. Mögliche Ursachen für eine Dünndarmfehlbesiedelung werden beschrieben und die spezifischen Beschwerden, die eine solche Erkrankung kennzeichnen. Und last, but not least finden Sie Hinweise zur Vorbeugung, damit es möglichst gar nicht erst oder zumindest nicht wieder zu einer Fehlbesiedelung kommt.

Nach der Lektüre empfehle ich Ihnen auf jeden Fall einen Arzt aufzusuchen, um eine belastbare Diagnose stellen zu lassen und Behandlungsmöglichkeiten zu besprechen – am besten einen Facharzt für Gastroenterologie. Auch auf diese Thematik spezialisierte Heilpraktiker und/oder Berater für Ernährungs- und/oder ganzheitliche Gesundheit können weiterhelfen. Auf jeden Fall werden Sie mit den vorliegenden Informationen mit Ihren Gesprächspartnern auf Augenhöhe sprechen und so eine solide Diagnose und die für Sie passende Therapieform erhalten können.

Streng genommen sind sowohl die Dünndarmfehlbesiedelung als auch die Entgleisung der Darmflora im Dickdarm Fehlbesiedelungen, sogenannte Dysbiosen1. Da sich jedoch unter Medizinern die Trennung der Begriffe »Fehlbesiedelung« ausschließlich für die Dünndarmfehlbesiedelung und »Dysbiose« ausschließlich für die Entgleisung der Dickdarmflora etabliert hat, werden diese Bezeichnungen entsprechend durchgehend im gesamten Text verwendet.


1 entgleiste Balance der Bakterienflora im Dickdarm (dys = schlecht, fehlerhaft; bios = Leben, gr.)

Beschwerden

In unserem Verdauungssystem sind alle beteiligten Organe fein aufeinander abgestimmt. Wenn eine der Komponenten an irgendeiner Stelle nicht richtig funktioniert, kommt es zu mehr oder weniger ausgeprägten Problemen.

Auch die Darmflora ist ein zu uns gehörendes Organ – und eine aus der Balance geratene Zusammensetzung der verschiedenen Mikroorganismen2 kann gravierende Beschwerden verursachen.

Der mit Abstand größte Teil der Darmflora (diese Bezeichnung wurde zu einer Zeit gewählt, als man glaubte, dass Bakterien im Pflanzenreich anzusiedeln seien) lebt im Dickdarm. Der gesunde Dünndarm ist im Vergleich nur relativ spärlich besiedelt.

Die Bakterien haben verschiedene Funktionen, und im Dünndarm sind dies ganz andere Aufgaben als im Dickdarm. Deshalb leben auch in den einzelnen Darmabschnitten unterschiedliche Bakterienarten (Spezies) oder zumindest einige Arten in sehr unterschiedlicher Dichte, um diesen Anforderungen gerecht zu werden. Mit diesem koordinierten System fördern die kleinen Lebewesen unsere Gesundheit – oder können bei einer Dysbiose im Dickdarm oder einer Fehlbesiedelung im Dünndarm auch Beschwerden verursachen.

Die typischen Symptome bei einer Fehlbesiedelung des Dünndarms sind häufig Völlegefühl und Luftansammlungen, die den Bauch schmerzhaft und deutlich sichtbar aufblähen können und schon kurze Zeit nach dem Essen auftreten – meist unabhängig von den verzehrten Lebensmitteln. Über Nacht werden die Gase in das Blut aufgenommen (absorbiert3), und der aufgeblähte Bauch wird wieder flach. Nach dem Frühstück beginnen die Beschwerden erneut. Sodbrennen und häufiges Aufstoßen können ebenfalls infolge einer Dünndarmfehlbesiedelung auftreten, denn durch die Gasansammlungen im Dünndarm, die nicht bzw. nur schwer entweichen können, kann ein großer Druck im Magen-/Darm-Raum entstehen. Dies begünstigt, dass Magensäure in die Speiseröhre zurückfließen kann (Reflux4) und/oder auch Luft durch häufiges Aufstoßen (»Rülpsen«) nach draußen befördert wird.

Bei einer Entgleisung der Dickdarmflora sind ebenso Blähungen typisch, diese entweichen jedoch als Flatulenzen5 mit teilweise unangenehmschwefligem Geruch. Weiterhin können Durchfälle oder das Gegenteil, Verstopfung (Obstipation), auftreten, zeitweilig sogar im Wechsel. Jede länger andauernde Störung in Bezug auf die Konsistenz des Stuhls kann auf eine Dysbiose der Dickdarmflora hindeuten. Auch eine erhöhte Infektanfälligkeit, die zu häufigen Erkrankungen wie u.a. Erkältungen führt, ist charakteristisch für eine mangelhafte Darmflora im Dickdarm

Die Spezifika der Beschwerdemuster, wie z.B. der Zeitpunkt, wann die Beschwerden auftreten, können also schon die ersten Hinweise darauf geben, ob eher der Dünndarm oder der Dickdarm betroffen ist.

Bei jeder Fehlbesiedelung und Dysbiose können die verschiedensten diffusen Beschwerden hinzukommen, die man zuerst gar nicht mit der Ernährung in Verbindung bringt. Diese reichen von Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Reizbarkeit, depressiven Verstimmungen oder auch Kopfschmerzen, Schwindel und Sehstörungen bis hin zu verschiedenen Haut- und Haarproblemen und vielem anderen mehr.

Nicht jede Verdauungsstörung ist aber immer auf eine unausgeglichene Darmflora zurückzuführen. Es gibt Lebensmittel, die bei den meisten Menschen Probleme hervorrufen können. Dies sind z.B. Kohl oder Zwiebeln, nach deren Genuss sehr häufig Blähungen auftreten. Auch Hülsenfrüchte wie Bohnen, Erbsen und Linsen sind, so gesund sie auch sind, für viele schwer verdaulich (»Jedes Böhnchen gibt ein Tönchen …«). Dies liegt u.a. daran, dass die zur Verdauung bestimmter Inhaltsstoffe erforderlichen Enzyme entweder komplett fehlen oder aber nur in zu geringer Menge von unserem Organismus gebildet werden.

Auch bei Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten kann es zu Verdauungsproblemen kommen, weil bestimmte Enzyme oder Transportproteine fehlen oder nicht ausreichen. Obwohl die Symptome denen der bakteriellen Fehlbesiedelungen und Dysbiosen ähneln, haben solche Verdauungsstörungen nichts mit diesen Erkrankungen gemein (siehe Seite →).

Da jedoch häufig – ja, sogar in den meisten Fällen – bei einer Dünndarmfehlbesiedelung auch Dysbiosen und auch Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten gleichzeitig auftreten, ist das Auseinanderhalten der typischen Beschwerden oft nicht so ganz einfach.

Es gibt aber auch Verdauungsfunktionen, die eigentlich ganz normal sind, aber gerade von empfindlichen Menschen oft als Störung interpretiert werden. Dies ist z.B. der Entleerungsmechanismus, der morgens nach dem Frühstück auftritt (Magen-Darm-Reflex, siehe Seite →) oder auch der Stuhldrang bei Stress.

In diesem Buch lernen Sie alle diese Zusammenhänge und Funktionen näher kennen und verstehen, so dass Sie selbst einschätzen können, ob und ggf. welche Störung vorliegt.

Tabellarische Übersicht der Beschwerden
Sodbrennen
Aufstoßen
Reflux
Süßhunger
Bauchgrummeln
Bauchschmerzen
Krämpfe
Völlegefühl
Druck im Bauch
Luftansammlungen im (Ober)Bauch
aufgeblähter Bauch
Blähungen
häufige Stühle
Durchfälle
Verstopfung
Müdigkeit
Abgeschlagenheit
Reizbarkeit
depressive Verstimmungen
Kopfschmerzen
Schwindel
Sehstörungen
Haut- und Haarprobleme

2 Kleinstlebewesen, hier: Darmbakterien (mikros = klein, gr.) und Pilze

3 aufnehmen (absorbere = einsaugen, verschlingen, lat.)

4 Rückfluss von Magensäure in die Speiseröhre (refluxus = Rückfluss, lat.)

5 Blähung, Pups (flatus = Wind, lat.)

Verdauung

Auch wenn man bei dem Begriff »Verdauung« immer erst an den Darm und seine Ausscheidungen denkt, ist Verdauung doch sehr viel mehr. Die Verdauung beginnt auch nicht erst im Mund – schon mit den Augen und der Nase nehmen wir unser Essen wahr, wodurch bereits jetzt die Verdauungssäfte angeregt werden: Es läuft uns im wahrsten Sinne des Wortes »das Wasser im Mund zusammen«. Neben der Speichelproduktion wird auch die Absonderung der Verdauungssekrete in Magen und Bauchspeicheldrüse angeregt. Wenn wir die Speise zum Mund führen und einen Happen abbeißen, zermahlen ihn die Zähne, und Speichel wird aus den Speicheldrüsen hinzugegeben – die ersten Schritte der eigentlichen Verdauung. Dann schlucken wir die Speise hinunter, und sie gleitet durch die Speiseröhre in den Magen (siehe auch Abbildungen auf Seite → und →). Dort wird der Speisebrei mit der Magensäure vermischt. Diese starke Säure tötet die meisten mit der Nahrung verschluckten Bakterien ab. Um nicht selbst geschädigt zu werden, schützt sich die Magenwand mit einer widerstandsfähigen Schleimschicht.

In kleinen Portionen wird nach und nach die so vorbereitete Nahrung in den obersten Teil des Dünndarms, den Zwölffingerdarm (Duodenum), abgegeben. Am Übergang zwischen Magen und Zwölffingerdarm wird die Magensäure durch Hinzugabe von bikarbonathaltigen, basischen Verdauungssäften aus der Bauchspeicheldrüse neutralisiert, damit die empfindliche Darmschleimhaut nicht geschädigt wird.

Im etwa fünf Meter langen Dünndarm werden die Bestandteile der Nahrung wie Eiweiße, Fette und Kohlenhydrate u.a. mit Enzymen zerlegt und aufgespalten, denn nur ganz kleine Nahrungsbausteine passen durch die Zellzwischenräume und die Zellen der Darmschleimhaut selbst hindurch und können ins Blut transportiert werden. Mit dem Blut gelangen die Nährstoffe zum Teil zur Weiterverarbeitung in die Leber, zum anderen Teil aber auch direkt zu den Körperzellen oder ins Gehirn, wo sie als Energie genutzt werden.

Der dünnflüssige Brei mit den unverarbeiteten Nahrungsresten wird weiter in den ca. 1,5 Meter langen Dickdarm transportiert. Dort wird – wie die Bezeichnungen bereits vermuten lassen – der bis dahin dünnflüssige Speisebrei eingedickt, indem Flüssigkeit entzogen und diese der Wiederverwertung zugeführt wird. Gleichzeitig werden letzte brauchbare Nährstoffe aufgenommen. Hierbei hilft das große Heer von Darmbakterien, die auch eigentlich unverdauliche Bestandteile wie z.B. Pflanzenfasern noch aufschlüsseln können. Etwa 10% unserer Energie können wir nur mit Hilfe dieser bakteriellen Zersetzung (Fermentierung) aus der Nahrung gewinnen. Der wirklich unverdauliche Rest gelangt in den Enddarm und wird als Kot ausgeschieden.

Dieses Wunder insgesamt nennt sich Verdauung – das, was Sie auf der Toilette hinterlassen, ist lediglich das sichtbare Endprodukt eines phantastischen Vorgangs in unserem Körper. Im Allgemeinen merken wir von unserer Verdauung bis zum Stuhlgang so gut wie gar nichts. Erst, wenn etwas nicht richtig funktioniert, wenn wir Bauchschmerzen, Blähungen, Durchfall oder Verstopfung haben, nehmen wir unsere Verdauung zur Kenntnis. Es ist deshalb gut, sich einmal intensiver mit den Vorgängen bekannt zu machen und zu verstehen, wenn etwas nicht so richtig funktioniert und welche Maßnahmen helfen können, damit unser Verdauungssystem wieder ohne Probleme für uns arbeiten kann.

Darmbarriere

Aus der Nahrung müssen die verwertbaren Substanzen herausgefiltert und dem Stoffwechsel zugeführt werden. Noch unverdaute, unaufgespaltene Bestandteile und alle anderen Stoffe wie z.B. Gifte, Krankheitserreger und viele unverdauliche Substanzen müssen im Darm aussortiert und zurückgehalten werden. Sie dürfen nicht in den Blutkreislauf geraten, denn sie würden schädlich auf den gesamten Organismus wirken. Somit muss es im Darm die Möglichkeit geben, auf der einen Seite Nützliches aufzunehmen und auf der anderen Seite eine möglichst undurchlässige Barriere für Schädliches bilden zu können. Und tatsächlich gibt es im Darm für diese sich eigentlich widersprechenden Aufgaben ein perfektes System: die sogenannte Darmbarriere.

Die Darmbarriere besteht aus dem Darmimmunsystem (siehe auch Seite →), der Darmschleimhaut (Epithelschicht6) und dem Darmnervensystem, auch »Bauchhirn« genannt. Zusätzlich muss auch die Darmflora gesund sein, denn nur eine gesunde Bakterienbesiedelung kann einen wirksamen Sperrgürtel für Krankheitserreger darstellen. So wird in manchen wissenschaftlichen Publikationen die Darmflora ebenfalls mit zum System der Darmbarriere gerechnet.

Das Darmimmunsystem tastet den Darminhalt ständig auf Krankheitserreger ab und kann diese bereits hier unschädlich machen. Ein geschwächtes Darmimmunsystem bildet eine offene Schranke für schädliche Keime. Unterstützt wird das Darmimmunsystem durch die Bakterien der Darmflora. Ist schon die Darmflora mangelhaft, können schädliche Mikroorganismen freie Plätze auf der Darmschleimhaut besetzen und sich überproportional vermehren.

Die Darmschleimhaut bildet eine dichte Absperrung zwischen außen und innen. Wenn man sich den Darm wie einen eingestülpten Handschuhfinger vorstellt, wird klar, dass auch die gesamte Fläche des Darmhohlraums (Lumen7) eine Außenfläche ist. Erst dahinter beginnt das Körperinnere. Ist die Darmschleimhaut insbesondere des Dünndarms löcherig und durchlässig (Leaky-Gut-Syndrom8, siehe Seite →), kann sie unerwünschte Substanzen ins Körperinnere hindurch- und hineinlassen. Sind die einzelnen Zellen alt und schlecht durchblutet, oder verstopfen Ablagerungen von alten und sogar abgestorbenen Zellen die obere Zellschicht, können nicht genügend Verdauungsenzyme gebildet werden oder mit dem Speisebrei in Berührung kommen, so dass die Zerlegung der Nahrungsbestandteile nicht korrekt erfolgen kann. Einerseits können unerwünschte Bestandteile so in das Körperinnere gelangen und u.a. zu Allergien und Krankheiten führen. Andererseits können auch unaufgespaltene Bausteine in untere Darmabschnitte gelangen, wo sie mehr oder weniger heftige Probleme hervorrufen können.

Ein Darmnervensystem (siehe auch Seite →), das Reize aus dem Darm falsch interpretiert und nicht richtig umsetzt, behindert ebenfalls eine problemlose Verdauung: Es besteht die Möglichkeit, dass nicht genügend Verdauungssekrete an den erforderlichen Stellen zur Verfügung stehen, oder es kann zu viel oder auch zu wenig Flüssigkeit in den Darm abgegeben oder im Gegenteil zu viel oder zu wenig Flüssigkeit aus dem Speisebrei entzogen werden. Weiterhin kann die Motorik (Darmperistaltik9) gestört sein, die erforderlich ist, um den Speisebrei im Darm weiterzubefördern und so die reibungslose Verdauung sicherzustellen. Es können aber auch »einfach nur« Reize fehlinterpretiert werden und dem Kopfhirn Unwohlsein oder sogar Schmerzen signalisieren, wo ein korrekt funktionierendes System schlimmstenfalls ein Glucksen registrieren würde (Reizdarm-Syndrom).

Nur die gesunde Funktion aller Komponenten der Darmbarriere garantiert, dass die Verdauung einerseits zum Wohle ihres Menschen funktioniert und nur solche Stoffe hindurchlässt, die zum Überleben und Wachsen benötigt werden und die ihn andererseits davor schützt, dass unerwünschte und schädliche Substanzen ins Körperinnere gelangen. Alle Glieder der Darmbarriere stehen in engsten Wechselbeziehungen, wobei »äußere« Faktoren wie Ernährung, Bewegung, Atmung und Stresseinwirkungen und -empfinden das System zusätzlich positiv oder auch negativ beeinflussen können.

Darmschleimhaut und Darmbakterien

Der Darm hat – je nachdem, welchen Abschnitt man betrachtet, ganz verschiedene Aufgaben und demzufolge auch einen diesen Funktionen optimal angepassten Aufbau.

Um alle erforderlichen Verdauungsfunktionen ausüben zu können, ist die Oberfläche insbesondere des Dünndarms unbeschreiblich groß – würde man die Schleimhaut ausbreiten, könnte sie das Feld eines Tennisplatzes bedecken. Allein das »Darmrohr« aufzuschneiden und auseinanderzufalten, ergibt diese riesige Fläche natürlich noch nicht. Mit einem Trick macht sich die Darmschleimhaut des Dünndarms jedoch ganz groß: Sie hat sich zu den sogenannten Darmzotten aufgefaltet (siehe Abb. 5a, Seite →), deren Oberfläche selbst wiederum zu noch kleineren Mikrozotten, den Mikrovilli, aufgefaltet ist (siehe Abb. 5b auf Seite →).

Abb. 5: Darmzotten (a) und Mikrovilli (b)

Abb. 6: Darmschleimhaut mit kranken Zellen (c), gesunden Zellen (d), den Tight Junktions (e) und der Schleimschicht (f). Der Darminhalt ist mit (g) gekennzeichnet.

Unter dem Mikroskop erinnert die Dünndarmschleimhaut an eine Bürste mit zahlreichen Haaren oder Borsten und wird deshalb auch »Bürstensaum« genannt. Die Oberfläche des Bürstensaums kann nun mit all den Bestandteilen aus der Nahrung komplett in Berührung kommen und die Nährstoffe aus dem Speisebrei aufnehmen.

In den Zellen des Bürstensaums werden Enzyme und viele andere Stoffe gebildet, die erforderlich sind, um die großen Nahrungsbestandteile aufzuspalten. So verarbeitet können sie die Schleimhautbarriere durchdringen und ins Blut aufgenommen werden.

Um auf der anderen Seite aber die Darmschleimhaut gegen das Eindringen von unerwünschten Schadstoffen abzusichern, sind die Zellen des Epithels mit Verschlussstücken (Tight Junctions10, siehe Abb. 6e) versehen, die die Zellen eng aneinanderbinden und so ein Hindurchschlüpfen von schädlichen Stoffen verhindern.

Überzogen ist die Darmschleimhaut mit einer Schleimschicht, an der sich die Bakterien »festhalten« können und in der sie auch zum großen Teil leben (siehe Abb. 6f). Bestimmte Stoffwechselprodukte der Darmbakterien (kurzkettige Fettsäuren wie u.a. Buttersäure) und die Schleimschicht selbst versorgen aber auch die einzelnen Zellen der Darmschleimhaut mit Nährstoffen, denn diese sind aufgrund ihrer extrem kurzen Lebensdauer von nur wenigen Tagen nicht an den Blutkreislauf angeschlossen.

In den oberen Darmabschnitten leben relativ wenige Bakterien, und es sind großteilig andere Arten als im Dickdarm. Die Hauptaufgaben dieser Dünndarmbakterien sind zum einen die Ernährung der Schleimhautzellen und zum anderen das Verhindern des Eindringens pathogener11 Keime durch die Schleimhaut ins Körperinnere. Noch nicht erforderlich ist an dieser Stelle die Mithilfe bei der Aufschließung bestimmter Nahrungsbestandteile – diese Aufgabe werden die Bakterienarten im Dickdarm übernehmen.

Im Dickdarm werden im Vergleich zum Dünndarm nur noch wenige Nahrungsbestandteile in den Blutkreislauf aufgenommen, folglich ist die Schleimhaut hier nicht mehr so stark aufgefaltet. Dafür ist der Dickdarm von kräftigen Muskelfasern umgeben, die den eingedickten Speisebrei in Richtung Ausgang, dem After, weiterbefördern.

Im Dickdarm lebt auch der wesentlich größere Teil der Darmflora. Im Gegensatz zum schwach besiedelten Dünndarm ist die Dickdarmschleimhaut mit einer unvorstellbar großen Menge Darmbakterien bedeckt, die viele wichtige Funktionen haben. Im Zuge ihres Stoffwechsels, bei dem sie noch unverdaute Nahrungsreste zersetzen (vergären), entstehen Säuren und Gase als Abfallprodukte. Neben einigen nützlichen Säuren wie der bereits erwähnten Buttersäure wirken sich andere Stoffwechselprodukte nachteilig auf die Verdauung aus. Da diese Substanzen zu einem großen Teil dann entstehen, wenn Nahrungsbestandteile unverträglich sind und nicht korrekt im Dünndarm verarbeitet werden, sollte es vermieden werden, unbekömmliche Nahrung zu verzehren (siehe auch Seite →).

Die Verdauungsdrüsen

Nicht nur der Magen und der Darm mit seiner Schleimhaut und seiner Darmflora sind wichtig für eine effektive Verdauung. Auch die Verdauungsdrüsen Leber, Galle und Bauchspeicheldrüse spielen ganz wichtige Rollen, ohne die die Verarbeitung der Nahrung nicht funktionieren würde. Vergleichen Sie hierzu bitte auch die Abbildungen auf Seite →/→.

Mit der Nahrung nehmen wir nicht nur wichtige Nährstoffe auf, sondern auch diverse Schad- und Giftstoffe, die für unseren Organismus abträglich sind. Darüber hinaus können auch bei den verschiedenen Stoffwechselvorgängen Zwischenprodukte entstehen, die schädlich wirken können. Die Leber (medizinisch Hepar, gr.) ist unser wichtigstes Entgiftungsorgan, das dafür sorgt, Schadstoffe immer wieder aus dem Blut zu filtern und unschädlich zu machen. Die meisten der Substanzen und Stoffwechselprodukte, die im Zuge der Verdauung ins Blut gelangen, werden durch die Leber geleitet, um dort entgiftet oder zumindest weiterverarbeitet und in Stoffe umgewandelt werden, die für unseren Organismus nützlich und förderlich sind.

Zur Fettverdauung ist Gallenflüssigkeit erforderlich. Fett aus der Nahrung liegt in größeren Tropfen oder Klumpen vor, die zu winzigen Tröpfchen zerkleinert (emulgiert) werden müssen. Die gelbgrüne Gallenflüssigkeit emulgiert das Fett und macht es so verdaubar. Die Galle (medizinisch Chole, gr.) hängt als kleiner Sack unten an der Leber (siehe auch Abb. 3 auf Seite →) – genauer gesagt, die Gallenblase, denn die Gallengänge befinden sich innerhalb der Leber, in der auch die Gallenflüssigkeit gebildet wird. Die Gallenblase speichert die kontinuierlich gebildete Gallenflüssigkeit, um sie bei erhöhtem Bedarf abgeben zu können. Über den Gallenblasengang, der mit einem kleinen Schließmuskel (Sphinkter oddi) nach unten verschlossen ist, gelangt der Gallensaft in den Zwölffingerdarm, wo er die Fettverdauung ermöglicht.