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© Christine Fößmeier
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Redaktion und Layout: Christine Fößmeier
Bildmotive Umschlag: „Franzosenbrunnen“, Moosburg (Fotos: Christine Fößmeier)
Herausgeber: Stadt Moosburg
© 2018
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 9783748188445
Den Kriegsgefangenen Antoniucci Volti und Alfred Gaspart gewidmet.
Das frühere Kriegsgefangenenlager Stalag VII A ist ein wesentlicher Bestandteil der Moosburger Stadtgeschichte. Menschen aus vielen Ländern der Welt haben ihre jungen Jahre hier verbracht, gelebt und gelitten. Den Kriegsgefangenen des Lagers ein Gesicht zu geben, eine Identität, diese Idee verfolgt die Kunsthistorikerin Frau Christine Fößmeier seit einigen Jahren mit diversen Projekten.
Im vorliegenden Buch stellt Frau Fößmeier den französischen Künstler Antoniucci Volti vor und seine Werke, die er während seiner Gefangenschaft im Lager geschaffen hat. Hierzu zählt auch der Reliefstein für den Stalag-Gedenkbrunnen, der zur Erinnerung an die französischen Kriegsgefangenen im Jahr 1963 am heutigen Stalag-Gedenkplatz aufgestellt wurde. Weitere Zeichnungen des Künstlers Volti aus seiner Zeit im Kriegsgefangenenlager sind ebenfalls im Besitz der Stadt Moosburg, zudem birgt das Archiv der Stadt Moosburg noch einen Schatz an Werken weiterer Künstler aus dem ehemaligen Lager.
Die Geschichte des Lagers aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten, nämlich aus der Sichtweise der Kunst, ist ein sehr interessanter Aspekt, der bisher nur am Rande aufgegriffen wurde. Aus diesem Grund hat der Stadtrat in seiner Sitzung am 11.06.2018 beschlossen, dieses Buchprojekt finanziell zu unterstützen.
Mein großer Dank geht an dieser Stelle an die Autorin Frau Fößmeier für die Recherchen und die fundierte Arbeit sowie an Frau Inge Wachsmuth mit ihren ehemaligen Schüler/-innen des Gymnasiums Moosburg, die dafür sorgen, dass dieses Buch zweisprachig deutsch-französisch erscheint. Ich wünsche diesem Buch viel Interesse und Beachtung, hier in Moosburg, aber auch in Frankreich, dem Heimatland des Künstlers Volti.
Anita Meinelt
Erste Bürgermeisterin
Die Geschichte des Dritten Reichs scheint gut erforscht. Doch gerade auf lokaler Ebene tun sich mancherorts verblüffende Lücken auf. So befand sich in Moosburg a.d. Isar mit dem Stalag VII A eines der größten Kriegsgefangenenlager des Zweiten Weltkriegs. Trotz einer sehr guten Quellenlage begann hier eine ernsthafte wissenschaftliche Auseinandersetzung erst 2015.
Zu den eher ungewöhnlichen Quellen gehören rund 180 im Stadtarchiv Moosburg befindliche Kunstwerke, darunter 14 Zeichnungen des französischen Künstlers Antoniucci Volti, kurz „Volti“. Obwohl Volti in Frankreich künstlerische Anerkennung fand, ist sein Œuvre ebenfalls überraschend wenig untersucht. Dies gilt umso mehr für alle Werke, die im Zusammenhang mit seiner Kriegsgefangenschaft im Stalag VII A stehen.
Abseits der ausführlichen Danksagungen sei an dieser Stelle auf die Unterstützung der Stadt Moosburg hingewiesen. Nur durch sie ist es nun möglich, erste Forschungsergebnisse zu Voltis künstlerischem Wirken in Moosburg vorzulegen. Ebenfalls zu danken ist Frau Inge Wachsmuth vom Karl-Ritter-von-Frisch-Gymnasium Moosburg und ihren ehemaligen Schüler/-innen sowie Frau Beate Wagensonner-Wisheu vom Fremdspracheninstitut der LH München (FIM) und ihren Student/-innen, die die Übersetzung ins Französische besorgten. Nicht zuletzt gilt der Dank Frau Rafaèle Antoniucci, einer Enkelin Voltis, ohne die dieses Buch nicht wäre, was es ist.
Das Buch erscheint anlässlich des 75. Jahrestages der Repatriierung Voltis, der Zerstörung seines Pariser Ateliers durch eine Fliegerbombe und der Geburt seines ersten Sohnes – allesamt Ereignisse des Jahres 1943. 20 Jahre später wurde in Moosburg ein von ihm gestalteter Reliefstein in Form des sog. „Franzosenbrunnens“ aufgestellt. Insofern möchte sich „Kunst besiegt den Krieg“ auch als Versöhnungsarbeit begreifen und in seiner bewusst zweisprachigen Form für Verständnis über Ländergrenzen und ein geeintes Europa stehen.
Krieg bedeutet nicht das Ende der Kultur. Krieg kann das künstlerische Schaffen sogar befeuern. Kunst entsteht nicht nur wegen des Krieges, sondern trotz des Krieges. Mögen die Mittel auch eingeschränkt sein, der Wille zum schöpferischen Tun bricht sich seine Bahn.
Ausgerechnet mit dem schlimmsten der Kriege des 20. Jahrhunderts, dem Zweiten Weltkrieg, geht nicht nur die Zerstörung von Kulturgütern und der Verlust und das heute oft noch unaufgeklärte Verschwinden von Kunstwerken einher. Vielmehr entsteht eine schier unüberblickbare Menge von Kunstwerken gerade aufgrund des Krieges.
Bislang widmen sich kunstwissenschaftliche Untersuchungen immer nur Einzelaspekten oder einzelnen Künstlerpersönlichkeiten. Eine Übersicht über die verschiedenen Aspekte des Kunstschaffens im Zweiten Weltkrieg und unmittelbar vom Krieg beeinflussten Kunstschaffens scheint zu fehlen. Die Einzelaspekte, die es hervorzuheben gilt, sind m.E. jedoch:
Trotz oft widrigster Bedingungen und Widerstände bleibt eine große Anzahl von Kunst-2 werken sogar aus den KZs und den Camps in Asienerhalten. Die Kunst der in den KZs Inhaftierten hat spätestens seit den 1980er Jahren Aufmerksamkeit gefunden und ist seit-3 dem Gegenstand (populär-)wissenschaftlichen Interesses.Sie dient aber in Beschreibungen des KZ-Wesens wie in entsprechenden Ausstellungen oft der Illustrierung der grausamen Verhältnisse. Dieses Herausgreifen einzelner Werke der Kunst zur Illustrierung eines Arguments ist kritisch zu betrachten.4 Dies gilt für jegliche Darstellung von Gefangenschaftsaspekten, die ohne Einordnung des jeweils vorliegenden konkreten Zusammenhangs erfolgt. Der Blick sollte insofern weggehen von der „schönen“ oder „schlimmen“ Darstellung hin zum zu Grunde liegenden Zusammenhang und einer historischen wie künstlerischen Einordnung. Dadurch eröffnen sich sogar neue Erkenntnisse, die einem bislang eher pauschalisierten Bild der Zeit widersprechen können.5
Im Krieg der Alliierten gegen Nazi-Deutschland sticht die Gruppe der französischen Kriegsgefangenen hervor. Zwar haben sich ebenso Aufzeichnungen britischer oder US-amerikanischer Gefangener oder solcher weiterer Nationen erhalten und sind später in etlichen Fällen veröffentlicht worden oder zumindest privat zusammengestellt worden. Bei den US-Amerikanern spielen hierbei die sog. „wartime logs“ eine große Rolle. Doch auffällig ist die große Anzahl von Kunstwerken aus französischer Hand, die in Zusammenhang mit verschiedensten Kriegsgefangenenlagern, insbesondere den Stalags, den Kriegsgefangenenmannschaftsstammlagern, entstanden.6
Dabei muss betont werden, dass Stalags keine KZs sind. Hier gelten die Regeln des Kriegsrechts, der Genfer und der Haager Konvention. Eine einigermaßen gute Behandlung Kriegsgefangener aus den Ländern, welche die Konventionen unterzeichnet hatten, ist damit zumindest theoretisch sichergestellt. Sie ist allerdings auch abhängig von den Möglichkeiten der jeweiligen Zeit und Umgebung. Um einem „Lagerkoller“7 oder Plänen zu Sabotage und Flucht vorzubeugen, werden den Gefangenen, die nicht außerhalb des Lagers in Arbeitskommandos tätig waren, zahlreiche Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung angeboten.
Neben Sport und Spiel ist eine Förderung des kulturellen Lebens selbst in Kriegsgefangenschaft nicht ungewöhnlich. Theateraufführungen dürfen bis hin zur Gestaltung von Bühnenbildern, aufwändigen Kostümen und Programmen ebenso wie Sportwettbewerbe oder Kunstausstellungen geplant und durchgeführt werden. Es ist insofern nicht verwunderlich, dass bereits in ihren Heimatländern tätige Künstler in Gefangenschaft Zeichnungen und Gemälde anfertigen und sogar Laien das Leben im Lager skizzenhaft festzuhalten versuchen.
Für sowjetische Kriegsgefangene gilt all dies normalerweise nicht und das nicht nur wegen der nicht erfolgten Unterzeichnung der Genfer und Haager Konvention. In der Ideologie des Dritten Reichs gelten die Sowjets als zu bekämpfende Bolschewiken und zu verdrängende, oft sogar zu vernichtende Untermenschen. Deshalb werden sowjetische Kriegsgefangene schlechter versorgt als jede andere Gefangenengruppe.
Spannend sind in diesem Zusammenhang neben Beschreibungen all jene Kunstwerke, die sowjetische Kriegsgefangene abbilden. Sie ergänzen die Geschichte dieser speziellen Gefangenengruppe. Normalerweise sind solch offenbarende, vor allem fotografische Einblicke nicht erlaubt. Insbesondere aus dem Stalag VII A bleibt aber eine Reihe von Kunstwerken erhalten, die allen Anschein nach eine realistische Wiedergabe des Lebens wie Leidens sowjetischer Kriegsgefangener in Moosburg darstellen.
Neben dieser Besonderheit, die andeutungsweise auch anderswo vorhanden gewesen sein scheint,8 fällt jedoch eine den heutigen Betrachter möglicherweise erstaunende Wiederholung bestimmter Themen auf. Diese sind zudem verblüffend banal: Die Künstler halten schlicht das Offensichtliche fest: das Leben im Lager mit der alltäglichen Routine oder ihren wenigen Besonderheiten und oft alles, was sich um das Thema Essen und Ernährung dreht. Parallel dazu existiert aus allen Kriegsgefangenenlagern eine unüberschaubare Anzahl von Porträts. Meist sind Mitgefangene dargestellt, manchmal aber auch das Lagerpersonal – Letzteres wahrscheinlich sogar auf Wunsch.
Allein das Stadtarchiv Moosburg besitzt rund 180 Kunstwerke9, die im Stalag VII A Moosburg entstanden sind. Mit Ausnahme der Werke des polnischen Künstlers Wladislaw Miller und des Deutschen Georg Hummitzsch und weniger unbezeichneter Blätter sowie eines derzeit im Heimatmuseum Moosburg befindlichen Buches mit Karikaturen des Briten Robert Royden Briggs sind diese französischen Kriegsgefangenen zuzuordnen. Bekannt ist zudem, dass Alfred Gaspart hier 1840 Zeichnungen geschaffen hat, von denen die Öffentlichkeit bislang nur einen Ausschnitt kennt.10
Der bekannteste in Moosburg inhaftierte Künstler ist Antoniucci Volti oder nur „Volti“. Einen Namen hat sich Volti vor allem in seinem Heimatland Frankreich gemacht. Dort zieren Großskulpturen zahlreiche Plätze – so in Paris oder Nizza.
Diese erste kunsthistorische Betrachtung der von Volti in Moosburg geschaffenen Kunstwerke versteht sich als Würdigung der Künstlerperson anlässlich des 75. Jahrestages seiner Repatriierung, der Zerstörung seines Ateliers mit dem gesamten dort aufbewahrten bisherigen künstlerischen Schaffen im September 1943 durch eine Fliegerbombe, aber auch des Neuanfangs als Künstler wie als junger Vater. Zwanzig Jahre später wurden die maßgeblich von ihm im Stalag VII A geschaffenen Reliefs für ein Denkmal der Kriegsgefangenen als Brunnen auf dem ehemaligen Lagergelände aufgestellt. Zwar waren viele französische Kriegsgefangene eingeladen. Einer jedoch fehlte: Volti.
Voltigero Antoniucci, der sich später Antoniucci Volti oder nur Volti, nennt, wird am 1. Januar 1915 im italienischen Albano geboren. Die eigentlich in Villefranche-sur-Mer bei Nizza ansässige Familie besitzt bereits die französische Staatsangehörigkeit. Doch der Vater kehrt wegen seiner Kriegsteilnahme nach Italien zurück. 1920 zieht man endgültig nach Frankreich um, und Volti wird eingeschult. Von 1928 bis 1932 studiert er an der „Ecole des Arts décoratifs“ in Nizza. Nach der Auszeichnung mit einer Gold-Medaille beim „Foire de Marseille“ für zwei farbig gefasste Flachreliefs geht Volti nach Paris. Dort schreibt er sich an der „Ecole des Beaux-Arts“ ein und wird Student im Studio von Jean Boucher. Nach zwei erfolgreichen Teilnahmen am „Grand Prix de Rome“ gewinnt er 1936 den 2. Preis, obwohl er parallel zum Studium für seinen Lebensunterhalt arbeiten muss.
Im Oktober 1936 wird Volti zum Militärdienst nach Avignon einberufen, sechs Monate später nach Paris verlegt. Nach der Entlassung im Oktober 1938 heiratet Volti. Die erneute Einberufung erfolgt im März 1939. Nach der Kriegserklärung der Deutschen geht es an die Front in die Rheinregion. Einer Auszeichnung folgt am 22. Juni 1940 die Gefangennahme durch die Deutschen. Volti kommt ins Kriegsgefangenenlager Stalag VII A Moosburg. Trotz Gefangenschaft widmet er sich der Kunst.
Aufgrund von Krankheit wird Volti am 20. März repatriiert.12 Er kehrt in sein Pariser Atelier in der Rue Jean-Ferrandi 5 zurück. Eine Fliegerbombe zerstört das Atelier jedoch am 2. September.13 Dies bedeutet die Auslöschung seines bisherigen Werkes und aller dort befindlichen Aufzeichnungen und Kunstwerke, die in Kriegsgefangenschaft entstanden sind.
Die Volti-Literatur spricht in diesem Zusammenhang davon, dass Volti seine Karriere als Bildhauer noch einmal neu beginnen musste. Von da an würde er seine Kunstwerke nur mehr mit „Volti“ signieren. Tatsächlich sind bereits Zeichnungen aus dem Stalag VII A mit dem knappen „Volti“ bezeichnet, während andere in uneinheitlicher Schrift sowohl „Volti“ wie „Antoniucci“ nennen. Der Übergang zum Künstler „Volti“ findet also bereits in Moosburg statt und ist damit unter dem Einfluss des Erlebnisses von Krieg und Gefangenschaft zu sehen.
Das macht auch eine knappe Aussage Voltis verständlicher: „Die Gefangenschaft ließ einen zu sich selbst finden...“14 Das Erlebnis der Kriegsgefangenschaft, die das Leben des Betroffenen einschränkt, ihm Freiheit und Privatleben nimmt, ihn zum Teil unter schlechter Versorgung und Krankheit leiden lässt sowie strengen Regeln unterwirft, führt dazu, dass sich der Einzelne intensiv mit sich selbst auseinandersetzen muss. Bei vielen kommt es zum „Lagerkoller“. Deshalb bieten die deutschen Kriegsgefangenenlager vor allem den Alliierten, wenn diese nicht im Arbeitseinsatz sind, Gelegenheit zu Sport und Spiel, Kultur und Bildung. Künstler dürfen künstlerisch tätig sein, obwohl die Zeichen- und Malutensilien eher von Angehörigen, dem Roten Kreuz oder dem YMCA kommen.
Durch die Zerstörung des künstlerischen Werkes 1943 lassen sich die Brücken vom frühen zum späteren, durch die Erlebnisse des Zweiten Weltkriegs geprägten Volti lediglich rekonstruieren. Militärdienst, Kriegseinsatz und Kriegsgefangenschaft stellen aber einen Einschnitt nicht nur Voltis Leben, sondern auch in dessen künstlerischer Entwicklung dar. Da es ihm dennoch möglich ist, Zeichnungen und sogar Reliefs anzufertigen, stellt diese Phase keinen echten Bruch dar. Vielmehr ergibt sich durch die „freie Zeit“ in Gefangenschaft die Gelegenheit, sich vor allem in der Kunst der Zeichnung auszuprobieren und weiterzuentwickeln. Zwar sind bislang nur wenige Zeichnungen aufgetaucht, doch diese zeigen, dass gerade die Zäsur der Kriegsgefangenschaft und der Zerstörung des Ateliers zur Ausprägung eines eigenen Stils sorgt. Die mit dem stalag verbundenen Zeichnungen und die Reliefs des „Franzosenbrunnens“ führen somit eine künstlerische Suche vor Augen, die in diesen frühen 1940er Jahren ein Ende wie einen Neuansatz findet. Volti findet in Gefangenschaft zu sich! Konsequent arbeitet er weiter.
Am 26. November 1943 kommt sein erster Sohn Pierre auf die Welt, am 27. Dezember 1945 der zweite Sohn Nicolas. Dies macht den erzwungenen Neuanfang in Frankreich komplett: Volti wird zum Gestalter einer sinnlich aufgefassten Frau, aber auch der Mutter. Zeichnungen, Druckgrafik und Skulptur sind trotz Ausnahmen fortan dominiert vom Weiblichen.
Öffentliche Aufträge und Einzelausstellungen folgen mit Ende des Krieges. 1950 wird er zum Professor für Holzschnitzerei an der Pariser „Ecole des arts appliqués“ berufen. Immer weitere Einzel- und Gruppenausstellungen und Aufträge auch in anderen Ländern kommen hinzu, ebenso die Berufung in verschiedene Jurys. 1963 erhält er zwei wichtige Orden, den „Chevalier de la Légion d'honneur“ und den „Officier de l'ordre des Arts et des Lettres“. Im selben Jahr wird in Moosburg der „Franzosenbrunnen“ mit vier im Stalag VII A gestalteten Reliefs, für deren Gestaltung Volti maßgeblich verantwortlich zeichnet, aufgestellt. Ob Volti davon Kenntnis hat, ist unklar.
Der frühe Einfluss insbesondere durch Aristide Maillol weicht in späteren Jahren dem durch Henry Moore. Voltis Skulpturen werden abstrakter.
1981 erfolgt die Gründung der „Fondation Musée Volti“ in Villefranche-sur-Mer. Am 14. Dezember 1989 verstirbt der Künstler im Alter von 74 Jahren in Paris. Großskulpturen finden sich im öffentlichen Raum von Paris, Angers, Orléans oder Nizza.
1 Alle Übersetzungen aus dem Französischen durch das „Übersetzer-Team“ (s. Anhang 5) und die Autorin.
2 Vgl. beispielsweise Searle, Ronald: To the Kwai – and Back. War Drawings. London, 1986.
3 Vgl. u.a. Blatter, Janet/Milton, Sybil: Art of the Holocaust, London, 1982 sowie Constanza, Mary S.: The Living Witness. Art in the Concentration Camps and Ghettos, New York, 1982, das im Folgejahr auch deutsch erschienen ist: Constanza, Mary S.: Bilder der Apokalypse. Kunst in Konzentrationslagern und Ghettos. München, 1983.
4 Gegen eine einseitige Instrumentalisierung dieser Bilder, die eben auch eigenständige Kunstwerke eines bestimmten Künstlers sind, wendet sich sehr deutlich Jürgen Kaumkötter, v.a. in: Kaumkötter, Jürgen: Der Tod hat nicht das letzte Wort. Kunst in der Katastrophe 1933-1945, Köln, 2015, S. 370-374.
5 Vgl. Fößmeier, Christine: Gelacht, gelitten, gelebt, gestorben. Gesichter sowjetischer Gefangener in Fotografie und Kunst, in: Reither, Dominik/Rausch, Karl/Abstiens, Elke/Fößmeier, Christine: Auf der Spuren verlorener Identitäten. Sowjetische Kriegsgefangene im Stalag VII A Moosburg, Moosburg 2018, S. 243302.
6 Frédéric Sabatini hat sich an einer Aufstellung der ihm zugänglichen französischen Künstler mit künstlerischer Ausbildung und der Anzahl der bekannten in Kriegsgefangenschaft entstandenen Kunstwerke versucht. Dabei sticht Gaspart mit 1840 Werken in fünf Jahren deutlich heraus. Der im Stalag II A inhaftierte Marcel Delaris hat demnach zwischen 235 und 250 Werke in drei Jahren und zwei Monaten angefertigt, Pierre Péron (Stalag XVII A) zwischen 200 und 250 Werke in zwei Jahren, Pierre Laville (Stalag XII A) 150 Werke in zwei Jahren und sieben Monaten, Félix Le Saint (Stalag XII A) 40 Werke in einem Jahr, Henri Simon (Stalag I B und IV B) zwischen 300 bis 400 Werke in einem Jahr, Jean-Louis Merle (Stalag IV C) zwischen 70 und 100 Werke in vier Jahren und Max Frérot (Stalag XII A) 19 in vier Jahren. (Vgl. Sabatini, Frédéric: Marcel Delaris, artiste peintre et prisonnier de guerre (1940-1943), in: Catherine, Jean-Claude (éd.): La captivité des prisonniers de guerre. Histoire, art et mémoire. Pour une approche européenne, Rennes, 2008, S. 185-197, S. 191).
7 Martin Lohmann beschreibt dies im Zusammenhang mit dem Offizierslager Oflag VII A Murnau in dem Kapitel „Stacheldrahtkrankheit“. (Vgl. Lohmann, Martin: Alpenblick hinter Stacheldraht. Das polnische Offiziersgefangenenlager VII A in Murnau 1939-1945, Herausgegeben vom Historischen Verein Murnau am Staffelsee e. V., München, 2017, S. 131ff.)
8 Beispielsweise bei Pierre Laville. Vgl. Catherine, Jean-Claude: Une vie quotidienne au Stalag – dessins de Pierre Lavile. Artiste réolais en captivité (1940-1943), Camiac/Saint-Denis 2004, 101.
9 Hinzu kommen die im Heimatmuseum Moosburg aufbewahrten Kunstwerke bis hin zu einem vollkommen vom Künstler Briggs selbst gestalteten Buch mit Karikaturen zur Kriegsgefangenschaft.
10 Vgl. Antoniucci, Rafaèle/Blay, Michel: Alfred Gaspart. Peindre en captivité. 1940 – 1945. Stalag VII A, Paris 2005.
11 Die biographischen Angaben orientieren sich an der sich in der Volti-Literatur wiederholenden Biographie, so bei Delahaut, Jean-Robert: Volti. Sculptures et dessins, Genf, 1968 sowie Volti. Préface Geneviève Testanière, conservateur des Musées du Havre. Texte et documentation biographique réunis par Jacques Ratier, Paris, 1979 oder Volti. Préface Geneviève Testanière, conservateur des Musées du Havre, Paris 1985.
12 Dieses Datum wird in allen nahezu identischen Volti-Biographien genannt. Lediglich Voltis Freund Alfred Gaspart gibt ein anderes Datum an, den 27. Februar 1943. (Vgl. Antoniucci, 2005, S. 106.) Wahrscheinlich erklärt sich die Diskrepanz mit dem Unterschied zwischen Entlassung aus dem Stalag VII A und der Ankunft in Paris bzw. bei seiner Frau.
13 In den Aufzeichnungen von Ernst Jünger, der sich damals in Paris aufhielt, ist die Rede von zwei Bomben, die in der Rue du Cherche Midi fielen, „eine dicht neben dem Antiquariat von Morin, den ich sogleich anrief, und eine gegenüber der Wohnung der Doctoresse.“ (Jünger, Ernst: Sämtliche Werke. Erste Abteilung. Band 3, Strahlungen II. Das zweite Pariser Tagebuch. Kirchhorster Blätter. Die Hütte im Weinberg (Jahre der Okkupation), Stuttgart, 2008, S. 141.) Allerdings nennt Jünger das Datum 3. September 1943, obwohl es sich aufgrund der zeitlichen wie örtlichen Nähe zum Atelier Voltis eindeutig um dieselbe Situation handeln muss. Während die beiden von Jünger angesprochenen Gebäude knapp der Zerstörung entgingen, traf es jedoch Voltis Atelier.
14 „La captivité a permis de se trouver soi-même…“
Die einschränkenden Umstände von Krieg und Gefangenschaft sorgen dafür, dass sich inhaftierte Künstler oft auf das Zeichnen oder das Anfertigen von Aquarellen oder Gouachen beschränken. Die Zeichenmaterialien können von Familienangehörigen geschickt werden oder kommen vom Internationalen Roten Kreuz oder YMCA. In Notzeiten wird benutzt, was vorhanden ist, wie beispielsweise Verpackungskarton. Zu anderen Zeiten äußern Künstler sogar Wünsche, wenn etwas ausreichend vorhanden ist, anderes fehlt.15 Ölgemälde als besonders „hochwertige“ wie noch heute kostspieligere Kunst entstehen eher selten oder sind zumindest kaum bekannt. Hier fällt das in Moosburg entstandene und heute im Heimatmuseum aufbewahrte Gemälde eines deutschen Wachoffiziers von René Chancrin auf.
Freizeitbeschäftigungen Kriegsgefangener werden von deutscher Seite unterstützt. Wie weit das im künstlerischen Bereich im Stalag VII A gehen kann, offenbaren verschiedene Quellen.
Der Deutsche Josef Schmid, ehemaliger Abteilungsleiter in der Lagerkommandantur, schenkt 1978 der Stadt Moosburg zwei Fotoalben. Seine darin enthaltenen Fotos sind zwischen 1939 und 1945 entstanden und verstehen sich als Dokumentation verschiedenster Aspekte des Stalag VII A.
Vier Seiten im zweiten Album16 mit 11 Fotos zeigen die Ausstellungstätigkeit im Kriegsgefangenenlager sowie von sowjetischen Inhaftierten angefertigtes Spielzeug. Modelle und Dioramen sind zu sehen, sogar ganze Rauminstallationen wie eine „Bauernstube aus der Gegend von Bordeaux“ in der Art eines lebendigen Museums mit verkleideten Gefangenen. In einer „Museumsecke“ werden Reproduktionen bekannter und beliebter Kunstwerke aus den Museen der Ile de France ausgestellt. Dieses Foto zeigt unter anderem die „Pietà de Villeneuve-lès-Avignon“, Andrea Solarios „Madonna mit dem grünen Kissen“, Renoirs „Mademoiselle Romaine Lascaux“ und ein 1891 entstandenes Gemälde aus Monets Pappelserie. Solarios Madonna ist sogar liebevoll eingerahmt.
Doch es gibt noch mehr Möglichkeiten, sich mit Zeichnen und Präsentieren von Kunst auszudrücken. Das betrifft sogar speziell Volti. Alfred Gaspart notiert am 19. Oktober 1942 über drei weitere französische Künstler: „Bertrand, Volti, Palazzi in ihrer Baracke. Die beiden Letztgenannten arbeiten für einen Wettbewerb in Nizza, in dem es um Jeanne d’Arc-Statuen geht.“17 Am 30. Oktober schreibt er an seine Schwester: „Volti, wieder zu1819