Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek 3te neu gefasste Auflage 2020/ ©2011 Henning Mueller-Rech Herstellung und Verlag: Books on Demand GmbH, Norderstedt Umschlaggestaltung, Satz & Layout: France Mediendesign Coverfoto & Seite → © Ulrike Schanz (Canaletto's P-Wurf) andere Bilder: Henning Mueller-Rech/Rhonda Rapp/MCO-Archiv Gesetzt in der Franklin Gothic Book

ISBN 9783752613902

Dieses Buch ist vor allem als Hilfe und Ratschlag

für Zuchteinsteiger gedacht,

die diese grossartige Rasse züchten wollen

Gewidmet ist es der wundervollsten Maine Coon,

die ich jemals erleben durfte:

AngelFire's HappyEnd

und der Crew, die ihr Erbe antrat

GIC/GIP (FIFé) Canaletto's RoanokeBlueBelle

SC(FIFé)/CH(CFA) Canaletto's YankeeDoodleDandy DVM und

SC (FIFé)/CH (CFA)/CH (TICA) Canaletto's ZuniTrail

INHALT:

„Ich war auf der Suche nach einem sachlich gestalteten Fachbuch, einem Wissensspeicher, zur Rasse Maine Coon. Meine Erwartungen wurden durch zu viele subjektive Wertungen des Autors schon zu Lesebeginn stark enttäuscht."

Vorwort zur 3. Auflage

...es ist jetzt - 2020 - dreissig Jahre her, dass ich mich mit den Maine Coons auf meine Reise zu den vier Säulen der Katzenzucht – Gesundheit, Charakter, Stammbaum und Standard - aufgemacht habe. Damit gehöre ich nicht zur „ersten Generation" der Züchter, die ihre Arbeit mit den Rasseanerkennungen in den 1970ern krönten. Aber sicherlich darf ich mich zu der darauffolgenden Generation zählen, den „Alten", da ich viele der "ganz Alten" noch persönlich kennenlernen und von ihnen lernen durfte.

Das was ich auf dieser „Reise" lernen konnte, das was wir als Freundeskreis von Züchtern zusammen erlebt, gelernt, entwickelt haben - das, was ich wichtig genug finde um es weiterzugeben - hatte ich 2012 zum ersten Mal niedergeschrieben. Inzwischenhat sich einiges verändert, ich habe weiterhin „geforscht", gelernt, erfahren – also wurde es an der Zeit das Ganze etwas „aufzuarbeiten" und auf den neuesten Stand zu bringen. Man hat mir Ironie, Zynismus und subjektive Wertungen vorgeworfen - ich muss gestehen, ja, dieses Buch ist streckenweise auch eine sehr persönliche Reise (und möglicherweise noch persönlicher geworden) - also sozusagen ein autobiographisches Sachbuch, wenn es denn so etwas gibt. Ich hoffe, dass damit viele Anfänger in der Maine Coon Zucht neben dem vermittelbaren Wissen etwas von dem Geist und dem moralischen, ethischen Kompass, der die vergangenen Züchtergenerationen antrieb, mitnehmen können.

In der letzten Version habe ich sehr kurz abgehandelt, wer und was ich bin – da stand also schlicht:

Über den Autor:

Henning Müller-Rech befasst sich seit vielen Jahren unter dem Zwingernamen Canaletto's mit der Zucht von Maine Coons.

Er ist Past-Präsident der Maine Coon Association MCA, im Vorstand seines Münchner Heimatclubs 1.BKC e.V. und der momentane Sekretär des „Breed Councils" der Rasse Maine Coon in der FIFé. Er ist der Autor des augenblicklichen Artikels (2010) über die Maine Coon in der deutschsprachigen Wikipedia und veranstaltet/leitet Zuchtanfänger- und Genetikseminare.

Aber vielleicht hilft es weiter zu erkennen warum ich mich genötigt gefühlt habe dieses Buch zu schreiben und all das, was viele andere Züchter und ich in all diesen Jahren miteinander gelernt haben weiterzugeben, wenn ich einmal etwas ausführlicher meine letzten 30 Jahre mit den Maine Coons „erzähle".

Ich habe meine erste Maine Coon als Zuchttier 1989 gekauft – und wie der Teufel so will war diese Dame („ihr passt gut zueinander, die ist genauso verrückt wie du") unfruchtbar, zickig und unnahbar (und hatte eine ganz spezielle und lange Lebensgeschichte) und damit gar keine so sehr untypische Vertreterin der frühen Maine Coons in Deutschland. Ihre Züchterin, eine Tierärztin und deren Freundeszüchterkreis (wenn ich damals nur schon gewusst hätte, was ich heute weiss...) haben mich unter ihre Fittiche genommen und mir beigebracht, was SIE wussten und waren nicht sonderlich erfreut, dass ich über das Ausstellen, denn ausstellen kam für mich vor dem ersten Wurf, neben ihnen noch andere Züchter kennenlernen durfte - die mir das beibrachten, was meine Mentoren damals schon nicht wussten. Leider habe ich in diesen frühen Jahren nie die Simons (Nonsuch) kennengelernt, dafür aber Erika und Guido Gautschi (von Anatolien) mit denen der Kontakt gut war (Simons und Gautschis waren diejenigen, die die Maine Coon in der FIFé, der ich ja lange verbunden war, zur Anerkennung gebracht haben) und die ich, obwohl „seltsame Schweizer", kenntnisreich und hochinteressant fand. Erika Gautschis Datenbank über die Rasse, viele Ordner voller Stammbäume und Unterlagen - denn das war ja schon bevor es „personal computer" und Internet gab - war lange eine der wichtigsten Quellen für Stammbaum-Aficionados neben der amerikanischen Hibou-Datenbank und der sich langsam im digitalen Raum entwickelnden Pawpeds-Datenbank. Ich lernte Nina Weigel-Tichy kennen - die Vorsitzende der damals grossen IG Maine Coon in der die FIFé-Züchter aus Deutschland, Österreich und der Schweiz organisiert waren - die es schaffte mich so zu „beflügeln" dass ich, wenn auch nur SEHR am Rande, doch auch mit in die Neufassung des FIFé-Standards von 1992 eingebunden war. Wegen Nina wurde ich auch Mitglied der IG Maine Coon - und später deren letzter Präsident um sie aufzulösen, nachdem ja ihre Hauptaufgabe: die Etablierung von Rasse und Standard in DEKZV und FIFé erledigt war. Von den damals in Deutschland, Österreich und der Schweiz existierenden Züchtern sind fast alle inzwischen im „Ruhestand" – und ihre Namen vergessen.

Von meiner züchtenden Tierärztin hab ich auch Katze Nummer zwei (die 1995 meine ersten lebenden Kitten warf, denn bis dahin war ich „Trockenlerner", wusste aber zum Zeitpunkt der Geburt mehr über Rasse, Standard, Zucht und Show wie meine einstmaligen Mentorinnen) und Nummer drei gekauft (und, wenn mich einer fragt, warum ich dann doch da noch gekauft habe - Nostalgie, „Freundschaft"?, Anhänglichkeit und auch bestimmt, weils einfacher war - also die „Standard-Anfängersachen"). Nummer drei jedenfalls ist ein klassisches Beispiel für die enge Zucht am Ende der frühen Jahre, bevor deutlich mehr Tiere aus Amerika nach Europa kamen und die Züchter sich rasant vermehrten, und über ihren Sohn Beaulieu dann in viele Stammbäume gekommen.

In den ersten Jahren dieses Jahrtausends dann landete ich – nach „angemessener Probezeit" - als einer der wenigen Europäer als Vollmitglied, „breeder member", in der MCBFA, konnte dadurch viele der berühmten „grossen amerikanischen Züchter" wie Lynn Sherer (Calicoon) und Beth Hicks (Tanstaafl) und interessante Leute quer durch Europa kennenlernen, wurde als zweiter Europäer nach der Belgierin Misha Peersmans (The Dorsai) ins Direktorium gewählt und wurde damit „Direktor" für die „überseeischen" sprich nicht amerikanischen Gebiete. Auch für die MCBFA gilt, was Jahre zuvor schon für die IG Maine Coon galt: der Vereinszweck war erfüllt - und übererfüllt, also hat sich die MCBFA ebenfalls 2015 aufgelöst. Nur ihr Archiv mit den digitalen Ausgaben der Mitgliederzeitschrift „Scratch Sheet" von 1969 bis 2013 sind noch verfügbar und eine reiche Quelle für Wissen um die Maine Coon.

Die meisten meiner Weggefährten aus dieser Zeit haben ebenfalls aus den diversesten Gründen - und die wenigsten davon waren erfreulich oder einfach – das Züchten aufgegeben über die Jahre - wer kennt noch Ad Montem, Athabaske, Auchentoshan, Beaverscove, Doublebee, Morningsun, Opeldienst, Schindetal oder Wildwillows, um nur ein paar „einheimische" zu nennen? Geblieben sind ein paar wenige und die Zuchtfabriken.

Das Lernen in der Zucht, habe ich mal geschrieben, hört nie auf. Das galt auch für meine Mitarbeit in den Vereinen (und mein Scheitern an manchen). Stolz bin ich trotzdem auf die Jahre als Chef des Breedcouncils für unsere Rasse in der FIFé - zumindest ein paar Jahre haben wir den Kampf gegen die immer beliebter werdenden Extreme aufgehalten, den um die Polys aber verloren. Und Ulrika Olsson (S'Ylletrollet/Pawpeds) und ich mussten uns bei unserem gleichzeitig zur FIFé-Generalversammlung - auf der in der FIFé die Polycoons verboten wurden - abgehaltenen Richterseminar zur Maine Coon dann von Sekretär der FIFé vor allen Richtern dafür beschimpfen lassen, dass wir nicht „Weiterentwicklung" sondern „bewahren" als wichtiges Zuchtziel, nicht „extrem" sondern immer noch „Harmonie" anstrebten. Auch in meiner Zeit als Leiter des Zuchtausschuss des 1.DEKZV e.V. waren wir mit der Neufassung der nationalen Zuchtrichtlinen im Rahmen der Fife jedenfalls nicht erfolglos. (man frage mich nicht über meine Präsidentenzeit in der Schweizer MCA, die abrupt damit endete, dass man mir erklärte, man sei „in der Schweiz, nicht in Deutschland, Österreich oder gar Europa"- und man haben mich zwar für Veränderung und Internationalisierung geholt, aber doch bitte nicht wirklich... - das hatte ich wohl dann doch zu wörtlich und ernsthaft genommen, die Rasse vor die lokalen Befindlichkeiten gesetzt.) Im Moment bin ich, von allen Lasten der Vereinsarbeit befreit, nur noch als Kursleiter in den internationalen Pawpeds-Kursen (G1, G2 und G3) aktiv - und lerne im Umgang mit den Züchtern und Liebhabern der verschiedensten Rassen und aus der ganzen Welt immer wieder etwas hinzu.

Ich habe in der Zucht von höchster Freude bis hin zum tiefsten Tal fast „alles durch". Der lange mühsame Anfang, tote Kitten, Herpes im Bestand, HCM/HCM Tiere, missglückte Kaiserschnitte, andere Katastrophen - und auf der anderen, der „guten" Seite unendlich viel Freude und Spass. Und letztendlich sollte der Spass an der Zucht, an der Rasse, überwiegen. Aber je länger ich züchte, je länger Katzenkinder hier zur Welt kommen, desto eher weiss ich, was alleine schon bei einer Geburt schiefgehen kann. Und ja, inzwischen bin ich in den Tagen davor ein nervliches Wrack.

Seit 1995 sind bei uns in 59 Würfen 199 Kitten zur Welt gekommen die den Familiennamen Canaletto's haben. 90 kleine Kätzinnen, 109 Katerkinder. Nur 7 davon sind in anderen Zuchten gelandet. Und 17 davon habe ich zumindest solange behalten biss ich wusste: ja oder nein. Ich find das ist keine schlechte Bilanz für all die Jahre – und definitiv weit weniger wie man in die Zucht abgeben hätte können. Aber „Masse" und unbedingter Zuchtverkauf war nie mein Zuchtziel. Ich mag Kitten. Im Standard, mit Harmonie, gutem Charakter und gesund so gut es eben geht und das Ziel das ich mir in der Zucht gesetzt hatte - Maine Coons zu züchten die in allen wichtigen Associationen „im Standard" sind und daher da auf Shows reüssieren können - das habe ich erreicht.

Und wenn ich mit diesem Buch erreiche, dass nur einer von Ihnen ein bisschen bewusster an das Abenteuer Maine-Coon-Zucht herangeht, dann habe ich auch erreicht, was ich Ihnen mit diesem Buch näherbringen wollte.

München, im August 2020

Henning Mueller-Rech

Teil I

Die Geschichte der Maine Coon

Die Maine Coon ist eine natürliche Rasse mit liebenswertem Charakter, die ihren Ursprung in den „working cats"" der Farmen von Nordost-Amerika hat.

Warum über dem Standard der FIFé dieser Satz steht ist klar: er versucht den Bezug der von Züchtern „geschaffenen" Rasse Maine Coon mit den angenommenen Ahnen, den langhaarigen Maine Katzen, herzustellen. Allerdings - um ein Beispiel aus der Botanik zu nehmen: die Wildblume Tulpe ist ungefähr genauso weit von der Gartenpflanze Tulpe entfernt wie die anerkannte, stammbaumversehene, austellungs- und titelwürdige Maine Coon, die seit den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts gezüchtet wird, von der „Urform" Maine Cat des 19. Jahrhunderts. Beide beruhen aber auf einem Ursprung, der zumindest bei der Maine Coon für viele Züchter, Aussteller, Richter und Halter als das „Reale", das „Echte" gesehen wird und daher nahtlos auf die durchgezüchtete Rasse übertragen wird.

Das ist natürlich nicht so einfach umzusetzen, denn diese Idealvorstellung einer Rassekatze kann durch kein nicht durchgezüchtetes Lebewesen erfüllt werden. Das „Ideal" ist vielmehr ein Abbild, ein von Menschen geschaffener Standard - etwas, das eben das geforderte „Bild" beschreibt und das das Ziel erfolgreicher Zuchtbestrebungen sein soll. Die „Gründungstiere" der „Rasse", die so nah an dieser Vorstellung, wie eine Maine Coon auszusehen hat, wie – damals - möglich sein sollten, kamen daher auch aus allen möglichen Bereichen der US-amerikanischen Ostküste, nicht nur aus Maine.

Von der Maine Coon wird also behauptet, sie sei die „ursprüngliche", also „autochthone" Katzenrasse der Nordoststaaten der USA, vor allem des Bundesstaates Maine, nach dem sie benannt ist und der sie 1985 auf Betreiben einer Gruppe von Züchtern rund um Carol Pedley (Le Beau Minu) zur „Official State Cat" ernannt hat. Ältere Bezeichnungen oder besser Vorläuferbezeichnungen der Rasse sind „Maine Cat", „Shag Cat" oder „Maine Shag". Wegen ihres Wesens und ihrer Größe wird sie oft auch als „Gentle Giant" („sanfter Riese") bezeichnet. Sie ist eine der sogenannten „nordischen" oder „Waldkatzenrassen", zusammen mit den Norwegischen Waldkatzen und den Sibirischen Katzen. Allen gemeinsam ist ein halblanges, stabiles „Allwetter"-Fell. Genetisch ist die Maine Coon nahe mit den Hauskatzen der Region um New York verwandt. Dies fanden Forscher heraus, die versuchten, genetische Ähnlichkeit zwischen Rassekatzen und regionalen Hauskatzenpopulationen zu finden. (Lipinski 2008). Die Maine Coon ist nach dieser Untersuchung nur recht weitläufig mit den Norwegischen Waldkatzen und Sibirischen Katzen, die miteinander und mit den Hauskatzen Europas wiederum in einem engeren genetischen Zusammenhang stehen, verwandt. Das könnte tatsächlich das Indiz dafür sein, dass es die Rasse und ihre Vorläufer, die Maine Cat schon eine ganze Weile im nordöstlichen Nordamerika gab und sie, also die „Vorläufer" als auch die darauf aufbauende, gezüchtete Rasse, in der Tat echte Amerikaner sind.

Schauen wir also einmal auf das, was wir über die Geschichte dieser Rasse wissen - oder auch nur zu wissen glauben. Wie Maine Coons sich zu den grossen felligen Tieren entwickelten die wir heute kennen weiss man nicht. Es gibt aber mehrere Theorien dazu, denn um den Ursprung der Maine Coon ranken sich verschiedene Geschichten und Mythen. Die vier wichtigsten davon sind diese hier:

Die rein technisch unmöglichste dieser Theorien ist, dass sich eine Katze aus Maine mit einem Waschbären gepaart haben soll. Das Aussehen der frühen Maine-Katzen, das Tabby und speziell der buschige, geringelte Schwanz, erinnerte die Einwohner der Neuengland-Staaten stark an einen Waschbären (engl. coon oder racoon). So entstand der Mythos, dass die Maine Coon aus der Verpaarung Katze und Waschbär hervorgegangen sein soll - was allerdings eben biologisch unmöglich ist.

Eine andere Variante der Entstehungsgeschichte der Maine Coon geht davon aus, dass es sich bei den Maine-Coon-Katzen um Nachkommen von Norwegischen Waldkatzen - oder genauer, wohl von deren Vorfahren - handelt, die um das Jahr 1000 n. Chr. mit dem Wikinger Leif Eriksson als Schiffskatzen nach Neuengland gelangt waren und sich dort vermehrten. Alle drei Waldkatzenrassen, Maine Coon, Norwegische Waldkatzen und Sibirische Katzen sind sich ja in der Tat optisch relativ ähnlich. Festzuhalten wäre allerdings, dass es offensichtlich vor den frühen englischen Siedlern nach der „Entdeckung" Amerikas 1495 die Anfang der Neuzeit mitder Mayflower und anderen Siedlerschiffen nach Amerika kamen - im Gegensatz zu den Hunden - keine Tiere der Gattung „catus felix", sprich Hauskatze, bei der indigenen Bevölkerung in Nordamerika gegeben hat. Auch keine Wildkatzen wie in Europa. Die einzigen Katzenartigen die es vor der Besiedlung durch Europäer in Amerika gegeben hat sind anscheinend Puma und Luchs, die sich ebenso offensichtlich nicht zum Haustier eignen. Und auch wenn die Nordmänner um Leif Erikson Katzen auf ihren Langschiffen bei ihren Landungen – und ihrer nur kurzlebigen Siedlung - in L'Anse aux Meadows auf Neufundland - gehabt haben: diese waren voraussichtlich zu wenige um ohne einheimische Paarungspartner eine stabile Population aufzubauen. (Wir unterschlagen jetzt einmal, dass diese „Wikinger" aus den Siedlungen auf Grönland und nicht aus Norwegen kamen.)

Eine weitere Ursprungstheorie lautet, dass sie aus der Kreuzung langhaariger Katzen der französischen Königin Marie Antoinette (von der man weiss, dass sie langhaarige und flauschige Tiere liebte und von der in der Tat viele Privatsachen wie Möbel und eben angeblich auch sechs Angorakatzen in einem Schiff, mit dem die Königin aus Frankreich fliehen wollte, nach Amerika - genauer nach Wiscasset in Maine - kamen) mit einheimischen Katzen entstanden sind und der Nachwuchs daraus langhaarig und gross wurde. Obwohl diese Theorie sehr schön - und ziemlich romantisch - ist und in Maine immer noch voller Stolz die Möbel der Königin als „family heirlooms" weitergegeben werden, auch - wie bei den angeblichen Katzen der Wikinger - diese sechs Angorakatzen dürften in den 100 Jahren von 1793 ab als einmaliger Startimpetus keinen wirklichen Einfluss auf die Katzenpopulation der amerikanischen Ostküste gehabt haben.

Und letztendlich gibt es noch die Geschichte von einem Kapitän Coon, der als Handelskapitän die Neuengland-Staaten bereiste. Wenn der Kapitän von Bord ging, folgten ihm seine langhaarigen Schiffskatzen, und während er Handel trieb, paarten sich seine Katzen mit den Hafenkatzen. Und wenn nach neun Wochen wieder irgendwo eine langhaarige Katze in einem Wurf lag, so lautete der Kommentar: „Wieder eine Coon-Katze!"

Wenn man den guten Kapitän als Sinnbild für die vielen Neuengland-Kapitäne sieht, die bestimmt auf ihren Handelsfahrten (nicht alle waren Walfänger wie Kapitän Ahab) auch langhaarige Katzen als Luxusgeschenk für ihre Familien mitbrachten, finden wir hier möglicherweise den wahren Kern der Rasse. So ein länger wirkender, stetiger Einfluss könnte durchaus eine gewisse Grundlage für die Maine Coon, wie wir sie kennen, geschaffen haben. Viele Quellen behaupten übrigens, dass Seeleute häufig polydaktile Katzen bevorzugten, weil sie glaubten, dass sie besser klettern können und daher überlegene Mauser sind. Nachdem geschätzt wird, dass polydaktile Katzen abhängig von den verschiedenen Gebieten Maines zwischen 25 und 40% der Maine-Cat-Population ausmachten, können wir auch hier vielleicht erkennen, wo die Ursprünge der Rasse liegen.

Ich sage oben „eine Grundlage", denn die wahrscheinlichste Möglichkeit ist, analog zu den oben erwähnten Norwegischen Waldkatzen und Sibirischen Katzen, die ja aus ähnlichen klimatischen Bedingungen auf etwas nördlicherer geographischer Breite entstanden sind, dass sich die Maine Katzen umweltbedingt durch natürliche Selektion zu den grossen, imposanten und felligen Tieren entwickelt haben die wir kennen: grösser und felliger bedeutet, dass es leichter ist, den Körper warmzuhalten, da es im Verhältnis zur Masse weniger Körperoberfläche gibt, das lange dichte Fell wärmend wirkt und damit die Katze in rauhen Klimazonen wie dem sehr kalten, harschen Winter in Neuengland überlebensfähiger ist. Allerdings reden wir hier nicht von polaren Regionen: Maine liegt nämlich noch in der sogenannten kühlgemäßigten Zone, mit einem Binnenland in dem das sogenannte Kontinentalklima, mit vergleichsweise warmen Sommern, aber eben auch sehr hartem Wintern, herrscht und einen etwa 30 km ins Land gehenden Küstenbereich in dem aufgrund der Meeresnähe die Temperaturen gemäßigter als im Binnenland sind. Wirbelstürme sind in Maine die Ausnahme, selten gibt es Orkane, häufig sind aber die „Küstenstürme", die starken Regen und Wind bringen, mitunter auch Schnee im Winter. Andererseits liegt Maine ungefähr auf dem gleichen Breitengrad wie zum Beispiel der Comer See und Jesolo in Italien. Das vergisst man gern, weil das kontinentale und Küstenklima des amerikanischen Kontinents anders sind als das Klima auf der „Halbinsel" Europa. Wie dem auch sei: Nur die stärksten, größten und an die Klimabedingungen am besten angepassten Katzen konnten und können hier gut überleben und sich fortpflanzen. Alle diese Katzen waren allerdings auch, auch wenn sie wahrscheinlich die meiste Zeit „draussen" verbrachten, doch eng mit den Menschen in ihrer Umgebung assoziiert und keine „Wildkatzen".

Vor 1900 – erste Blüte

Diese Vorfahren der Maine Coon wurden erstmals regional in den 1850er Jahren erwähnt, bekannt und unter dem Namen Maine-Cat sehr beliebt. Auf Landwirtschaftsmessen wie der „Skowhegan Fair" wurde die schönste Maine-Katze gekürt, die dann den Titel „Maine State Champion Cat" führen durfte. Mrs. E.R. Pierce, die die Mitbesitzerin eines schwarzweißen Maine-Katers namens „Captain Jenks of the Horse Marines" war, dokumentierte diese frühe Geschichte der Hauskatze inden Staaten und damit auch der Maine Coon. So tauchten nach ihrer Chronik die Maine Cats, wie sie damals noch genannt wurden, schon um 1870 auch auf Shows weit im Westen ihrer Heimat wie zum Beispiel den Gebieten um Chicago herum auf.

Auf einem Flyer des „Eastern Maine State Fair" das in der Concert Hall in Bangor im August 1884 stattfand wird speziell auf Maine-Katzen hingewiesen: „Zu den Attraktionen des „Eastern Maine State Fair" gehören eine Katzenausstellung bei der es viele Preise zu gewinnen gibt. Es gibt jeweils fünf Prämien für Angora- oder Coonkatzen, „tiercats", Malteserkatzen, weiße Katzen, Schildpattkatzen, bestausgebildete Katzen, größte Katzen, Perserkatzen und schwarze Katzen sowie drei Prämien für die schönsten Kitten."

Die erste wirkliche Beschreibung der Rasse – und damit auch viele der Legenden die sich um ihre Entstehung ranken findet man in einem Buch von 1892, Harrison Weirs „Our Cats" - und zwar im Vorwort der zweiten Ausgabe seine Werkes - ich zitiere mal unübersetzt:

"Among the numerous letters I have received from America is one from Mrs. Mary A. C. Livermore, of Cambridge, Mass., U.S.A., who writes: "I have just come possessed of a black long-haired Cat from Maine. It is neither Persian, Angora, nor Indian. They are called here 'Coon' Cats, and it is vulgarly supposed to be a cross between a common Cat and a 'Coon.' Mine is a rusty bear-brown colour, but his relatives have been black and white, blue and white, and fawn and white, the latter the gentlest, prettiest Cat I know. His tail is very bushy and a fine ruff adorns his neck. A friend of mine has a pair of these Cats, all black, and the female consorts with no one but her mate. Yet often she has in her litter a common short-haired kitten."

Since the above reached me, I have received from another correspondent in the United States a very beautiful photograph of what is termed a "Coon" Cat. It certainly differs much from the ordinary long-haired Cat in appearance; but as to its being a cross with the Racoon, such a supposition is totally out of the question, and the idea cannot be entertained. The photographs sent to me show that the ears are unusually large, the head long, the length being in excess from the eyes to the tip of the nose, the legs and feet are large and evenly covered with long, somewhat coarse hair, the latter being devoid of tufts between and at the extremity of the toes; there are no long hairs of any consequence either within the ears or at their apex. The frill or mane is considerable, as is the length of the hair covering the body; the tail is rather short and somewhat thick, well covered with hair of equal length, and in shape like a fox's brush. The eyes are large, round, and full, with a wild staring expression. Certainly, the breed, however it may be obtained, is most interesting to the Cat naturalist, and the colour, as before stated, being peculiar, must of course attract his attention independently of its general appear-ance. Since the above was written, I have received the following from Mr. Henry Brooker, The Elms, West Midford, Massachusetts, United States of America. After asking for information respecting Cats of certain breeds, he says: "I have had for a number of years a peculiar strain of long-haired Cats; they come from the islands off the coast of Maine, and are known in this country as 'Coon' Cats. The belief is that they have been crossed with the 'Coon.' This, of course, is untrue. The inhabitants of these islands are seafaring people, and many years ago some one on his vessel had a pair of longhaired Cats from which the strain has sprung. There are few short-haired cats on the island as there is no communication with the mainland except by boat. I want to improve my strain and get finer hair than the Cats now have. Yellow Cats are the most popular kind here, and I have succeeded in producing Cats of a rich mahogany colour with brushes like a fox. They hunt in the fields with me, and my Scotch terriers and they are on the most friendly terms." This, as a corroboration of the foregoing letters and the photographs, is, I take it, eminently satisfactory. (man beachte: hier werden sowohl "fawnfarbige" als auch kurzhaarige Nachkommen erwähnt: Anathema in "unserer" Maine Coon.)

Harrison Weir war übrigens der Veranstalter der ersten, 1871 in England abgehaltenen, Katzenshow. Ausserdem war er der erste, der Standards für verschiedene Rassen verfasste – allerdings in unserem Fall eben nicht spezifisch für die Maine Cat, denn diese wurde zusammen mit allen anderen langhaarigen Katzen nach ein und demselben Standard gerichtet. (Ein später Nachfahre dieser Methode ist das bei CFA und TICA übliche Trennen zwischen Kurzhaar- und Langhaarkatzen während FIFe und WCF in vier Klassen aufteilen.)

In diesem System wurden also auch die frühen Maine-Katzen beurteilt: zusammen mit importierten Langhaarkatzen und unabhängig von ihrer Herkunft alle gemeinsam beurteilt. Da das „alle gemeinsam" nicht nur beim Ausstellen so war, sondern auch im Rahmen der – noch nicht allzu zielgerichteten - Zucht so gehandhabt wurde, verschwand der Maine Cat als eigenständige Rasse, verdrängt durch importierte Rassen langsam nach 1900 aus den Annalen der Shows und der entstehenden amerikanischen Katzenvereine. „Sie verschwanden" stimmt dabei nicht wirklich denn viele der alten Maine-Katzen sind immer noch weit hinten im Hintergrund der modernen Perser zu finden - aber sie wurden eben mit den anderen langhaarigen Tieren verpaart, um letztendlich die Rasse zu bilden, die wir heute Perser nennen und nur noch sehr selten als Maine Cat ausgestellt.. Wie wir weiter unten sehen können ist die Maine Cat als eigenständige Rasse trotzdem nicht – eben nur beinahe - ausgestorben.

Weirs Langhaarstandard – hier für weisse Katzen - 1889 unter dem auch die Maine Cat gerichtet wurde, liest sich wie folgt:

WHITE. LONG-HAIRED CAT.

QUALITY OF FUR 10 points Fine, silky, and very soft in the Persian, with a slightly woolly texture in the Angora, and still more so in the Russian.

TAIL 10 points

In the Persian the hair long and silky throughout, but somewhat longer at the base. Angora more like the brush of a fox, but much longer in the hair. Russian equally long in hair, but full tail, shorter and more blunt, like a tassel.

Dieses Bild übrigens zeigt "Cosey", logischerweise eine Maine Cat, und der Gewinner der Madison Square Garden Show 1895. Ein bisschen Ähnlichkeit mit unseren, im Standard harmonischen, zeitgenössischen Tieren sieht man schon, oder? Mit den extremen Katzen, die gerade so modern sind allerdings hat dieses damalige hochdekorierte Gewinnertier so gar nichts zu tun. Aber: das ist sozusagen der Ursprung. Das sollte man immer bedenken, wenn man sich überlegt diese Rasse zu züchten: wie weit will ich mit meinen Tieren von diesen Ursprüngen weg sein?

1900 bis 1950 - Die Jahre des Niedergangs

Spätestens um 1900 begann nach dem grossen Erfolg der Shows in England endgültig sowohl in Amerika als auch in Europa das große Cat-Fancy-Fieber. Für die Maine Cat interessiert uns aber erst einmal nur Nordamerika. Überall in den Vereinigten Staaten gründeten sich Zuchtvereine und wurden Katzenshows organisiert.

Im Jahr 1901 präsentiert eine Zeitung die Rasse in einem Artikel über Katzenzucht und -verkauf und schrieb folgendes: „Coon-Katzen sind als eigenständige Rasse in Maine so lange vorhanden, dass sie selbst in den Erinnerungen der ältesten Einwohner schon immer da waren. Man findet mehrere von ihnen in fast jedem Dorf in diesem Teil der Welt."

Und 1906 gründeten Katzenliebhaber die Cat Fanciers' Association (CFA), die heute weltweit vertreten ist. Im ersten Zuchtbuch der CFA waren 28 Maine-Katzen registriert, z. B. Nummer 5, Molly Bond. Dazu muss man sich allerdings noch einmal ins Gedächtnis rufen, dass damals Katzen nicht explizit nach Rasse eingetragen wurden, sondern nach Langhaar oder Kurzhaar. Molly Bond, eine "tortoiseshell" aus Maine, wurde also als Langhaar eingetragen. Mit dabei lag eine eidesstattliche Versicherung des Züchters, dass diese Katze „Langhaar" ist und beide Eltern ebenfalls langhaarig sind. Das führte dazu, dass auch die Perserzüchter Molly Bond als erste „Parti-Color Perser" im Zuchtbuch der CFA für sich beanspruchen. Wie ich oben schon ausgeführt habe - einige frühe Maine Cats sind eben in den Genpool der Perserkatzen mit eingeflossen – und die Grenzen waren anscheinend damals noch fliessend.

Relativ schnell dann aber, ich habe es ja schon erwähnt, kam die Maine Cat sozusagen „aus der Mode", als die langhaarigen Katzen anderer damals schon bekannter Rassen wie zum Beispiel eben die Perserkatzen immer beliebter wurden. Die Maine Cat begann immer schneller aus den Katzenshows und aus dem Bewusstsein des Publikums zu verschwinden. Der letzte Showgewinn für eine lange Zeit, der für eine Maine Cat registriert wurde war der Tag an dem eine „langhaarige blaue Katze aus Maine" die beste Katze der Show wurde: 1911 an der Westküste der USA in Portland, Oregon. Danach verschwand die Maine Cat im Hintergrund und wurde nur noch gelegentlich als Hauskatze ausgestellt.

Interessant fand ich in diesem Zusammenhang auch einen kurzen Artikel einer englischen Katzenzeitung der aus den späten 1920er Jahren stammt:

„Die amerikanischen Zeitungen machen ständig Verweise auf die" Coon Cats" aus Maine, von der viele Autoren behaupten, dass sie aus einer Kreuzung mit dem Waschbären abstammen. Dieses Tier ist so verschieden von den Katzen, dass eine solche Kreuzung wohl unmöglich ist, und selbst wenn es passieren würde, wären die resultierende Nachkommen echte Hybriden und steril. Wir können uns jedoch vorstellen, dass es möglich ist, dass es vielleicht eine sehr stark ausgeprägte lokale Rasse gibt, dies sich von gewöhnlichen Katzen so unterscheidet, wie zum Beispiel die Abessinier von der britischen Katze.

Wir haben daher unsere Kollegin, Frau Taylor, von „The Cat Courier", konsultiert die uns freundlicherweise antwortet: "Über die Coon Cat: Wir glauben nicht an ein solches Tier. Einige Leute nennen fälschlicherweise unsere langhaarigen Katzen in Maine „Coon Cats", aber sie sind in Wirklichkeit nichts anderes als freilaufende Perserkatzen und schlechte Mischlinge in braun tabby und allen möglichen Farben". Dies ist das, was wir erwartet hatten. Es ist sonderbar, dass einige Leute, sobald sie etwas ein wenig Ungewöhnliches zu sehen bekommen, sofort versuchen müssen es mit dem Hinweis auf eine seltsame und wunderbare Kreuzung zu erklären: Vor vielen Jahren wurden Manx-Kitten zum ersten Mal ernsthaft ausgestellt und in der Presse als Hybriden zwischen Katze und Kaninchen beschrieben!"

„Und sie existiert doch" möchte man im nach hinein sagen. Aber schliesslich wurde die „Maine Cat" erst viel später als Maine Coon „offiziell" zur Rassekatze.

1950 bis 1980 - Die formativen Jahre

In die frühen 1950er Jahre war es dann so ruhig um die Rasse, dass man schon behauptete, sie wäre ausgestorben. Im Jahr 1959 wurde die Maine Cat im CFA-Jahrbuch in einem Artikel mit dem Titel „Cats of Yesteryear" erwähnt und vermerkt: "The popularity of the Maine Cats began to wane shortly after the turn of the century and few were seen in shows subsequent to 1904. Cats, preferably imports, with lengthy ancestral backgrounds, were fashionable. The fact that the Maine Cat failed to thrive in warmer climates also contributed to its extinction as a breed."

Um zu zeigen, dass dem nicht so sei und damit die Maine Coon als Rassekatze wieder anerkannt werden konnte, begannen Liebhaber und Züchter in dieser Zeit mit sogenannten „Show-In's", d. h. auf jeder Katzenshow wurden Maine Cats gezeigt, denn obwohl die Maine-Katzen aus den Ausstellungshallen verschwunden waren, liebten die Menschen ihre Maine Cats und hatten sie sozusagen „bewahrt" – wenn auch nicht unbedingt auch planmässig gezüchtet..

Anfang der 1950er Jahre gründeten zwei Damen, (die ich mir gar nicht anders als grauhaarig und lockig vorstellen kann, auch wenn sie wahrscheinlich beides nicht waren) namens Alta Smith und Ruby Dyer den „Central Maine Coon Cat Club". Dieser Club veranstaltete seine erste Show am 21. Juni 1953 in Skowhegan, Maine, auf der 40 Katzen gezeigt wurden. Dass über 200 Besucher kamen zeigt auch, wie populär die Katzen abseits der grossen Zuchtverbände noch waren. Da zu diesem Zeitpunkt praktisch noch keine „Zuchtkatzen" der Rasse verfügbar waren, wurden so genannte „Foundation"-Tiere - aus der natürlichen Population geholte Katzen mit den rassetypisch erwünschten Merkmalen - als Grundstock für den „Wiederaufbau" mit herangezogen. Etwas anders hatte man ja nicht, denn man hatte ja lange Jahre – bis auf sehr wenige Ausnahmen - nicht planmässig gezüchtet.

Drei Jahre später, 1956, erstellte Dr. Rachel Salisbury den ersten bekannten Standard für die Beurteilung von Maine-Cats, der noch im selben Jahr bei einer Katzenschau verwendet wurde. Nichts was der Punkteverteilung von Dr. Salisbury ähnelt wird sich jemals wieder in zukünftigen Maine-Coon-Standards niederschlagen - und auch die für sie noch vollkommen normalen polydaktilen Tiere werden - nachdem die MCBFA beschlossen hat den Versuch der Anerkennung dieser Variante auf „später" zu verschieben - lange nicht mehr in den „offiziellen" Standards der stammbuchführenden Vereine auftauchen. Interessant ist dabei, dass sie auch noch eine kurzhaarige Variante der Rasse sieht - und wenn man heute schaut, wie kurzhaarig manche Tiere gegenüber den „Fellmonstern" meiner Anfangszeit 1989 sind ist das fast prophetisch. Und dass sie „bobbed tails", also verkürzte

Schwänze anmerkt ist heute ebenfalls nicht mehr korrekt. Das alles übrigens findet man in der relativ neuen Rasse PixieBob.

Leider hatte der CMCCC nicht die Wirkung, die die Gründerinnen sich erhofft hatten, er löste sich schon 1963 wieder auf und versank im Vergessen. Nur einige der Züchter, zum Beispiel Ethelyn Whittemore, die sich hier zusammengeschlossen hatten, machten erst einmal ohne Organisation weiter.

Die ersten - auch heute noch bekannten – „richtigen" Züchter etablierten ihre Zwingernamen dann, aufbauend auf der Arbeit ihrer 50er-Jahre-Vorgänger, Ende der 1960er bis Anfang der 1970er Jahre. Um ihre Arbeit zu dokumentieren und die Rasse auch in den Zuchtvereinigungen zu etablieren versuchten sie sich neu zu organisieren, aber diese Arbeit begann sich erst mit der Gründung der „Maine Coon Breeders And Fanciers Association" (MCBFA) im Jahr 1968 auszuzahlen. Die MCBFA wurde zum Zweck der Anerkennung als „Rassekatze" durch die Züchtervereinigungen in Amerika mit dem erklärten Ziel die „Rasse zu schützen und zu fördern" ins Leben gerufen. Ich denke übrigens, es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass es hier darum ging und immer noch geht, die Rasse zu erhalten und nicht in etwas anderes zu verwandeln.

„Summer of 69" – nein, wir machen hier keinen Ausflug in musikalische Gefilde oder gar Politik. Aber 1969 ist das Jahr in dem sich für die Rasse Entscheidendes tut: Ethelyn Whittemore (Whittemores) registriert endlich offiziell ihre Katzen, deren Linien sie schon lange züchtet. Sonja Stanislaw (Tati Tan) erschafft für ihren eigenen Verein einen ersten Maine Coon Standard, der dann als eine von drei Säulen in den sogenannten „Unified

Standard", den ersten allgemeinverbindlichen, aufgehen wird. Conny Condit (Heidi Ho) findet eine schwangere Katze, behält das eine langhaarige Kitten aus diesem Wurf und nennt ihn „Andy Katt". Und ihre Freundin Bonnie Rich (Richelieu), die ebenfalls in Maryland lebt, bringt eine langhaarige Schildpattkätzin aus einem Urlaub in Florida mit und überlässt sie ihrer Freundin. Sie nennen diese Kätzin „Bridget Katt". Kommen Ihnen diese zwei Katzennamen irgendwie bekannt vor? Jede klassisch gezogene Maine Coon hat sie im Stammbaum - ganz am Anfang, man muss nur weit genug, bis zu den ersten Foundationtieren der registrierten Zucht, zurückgehen. Diese beiden werden im Lauf der Zeit zusammen mit drei Tieren von Sonja und Ethelyn zu den sogenannten TOP5-Katzen der Maine Coon werden. Und Ethelyn, Sonja und Conny sozusagen zur ersten heiligen Trias der Maine Coon Geschichte.

Bis 2017 war die MCBFA die wohl bedeutendste internationale Maine-Coon-spezifische Vereinigung. Der Standard der hier entwickelt wurde - zuerst inclusive der Polys - ist die Grundlage aller heute gebräuchlichen Standards. Da sich allerdings der Vereinszweck in den Jahren nach 2000 erfüllt – und übererfüllt – hat, hat sie sich inzwischen aufgelöst. In einem der ersten „Scratch Sheet", der MCBFA-Mitgliederzeitung, von Januar 1969 gibt es bereits eine Liste von kleineren

Verbänden, die schon in der Zeit davor die Maine Coon für den Championship-Status anerkannt hatten: CCA (Canadian Cat Association), ACA (American Cat Association) und ACFA (American Cat Fancier's Association). In den späten 1960er Jahren war der Meisterschaftsstatus der CFA jedoch am wichtigsten, und die CFA zögerte noch, die Maine Coon zu akzeptieren. Die ständigen Aktionen von MCBFA-Mitgliedern, die ihre Maine Coon Cats auf jeder verfügbaren Katzenausstellung zeigten, führten allerdings dazu, dass immer mehr der kleineren Verbände die Rasse akzeptierten. Und so war es dann letztendlich im Mai 1976, dass die CFA - ironischerweise der Verband, in dem als erster die Rasse ausgestellt wurde, als letzter und größter der amerikanischen Verbände die Maine Coon offiziell als vollwertige Rassekatze anerkannte. Die 1979 gegründete TICA (The International Cat Association), die andere grosse amerikanische Vereinigung, akzeptierte sie von ihrer Gründung an. Die Anerkennung in der Fédération Internationale Féline d'Europe (FIFé) hingegen gelang auch nur mit Mühen. Erst 1983 wurde die Maine Coon, dank der Bemühungen von Gido & Erika Gautschi aus der Schweiz und der Familie Simon aus Deutschland auch in der FIFé in die Liste der Rassekatzen aufgenommen. Die WCF, die World Cat Federation, die sich vor über 30 Jahren von der FIFé abspaltete und inzwischen ebenfalls weltweit vertreten ist, hat dann die Maine Coon als Rasse von Anfang an ohne Probleme als „titelwürdig" akzeptiert. Aus diesen mühsamen, teilweise engen Anfängen der Zucht hat sich -auch dank der vielen inzwischen halbvergessener „kleiner Linien", die neben den „grossen Zwingern" einflossen - die Rasse entwickelt, die wir züchten. Viele heute halb und ganz vergessenen Züchter haben mit ihrer Zuchtarbeit der Maine Coon, wie wir sie heute kennen, den Weg bereitet. Viele Zwingernamen dieser Frühzeit sind heute ausser bei Stammbaumforschern längst vergessen. Andere hingegen sind auch heute noch jedem Maine Coon Züchter auf der Welt geläufig.

Ganz am Anfang von dreien der bekanntesten Ursprungslinien der späten 60er und frühen 70er Jahre standen als Foundationtiere die Tiere, die jetzt als „Top 5" bezeichnet werden und die in keinem Stammbaum einer „klassischen" Maine Coon fehlen.

Diese Top 5-Tiere sind:

Andy Katt of Heidi Ho

geboren 1969 in Maryland

Bridget Katt of Heidi Ho

geboren 1969 in Florida

Tatiana of Tati-Tan

geboren 1965 in New York

Dauphin de France of Tati-Tan

geboren 1967, ebenfallls in New York – und

Smokie Joe of Whittemore

der einzige echte „Mainer".

Für viele ist diese massige Konzentration dieser fünf Tiere in der Rasse schon der Anfang eine genetischen „Bottlenecks", eine gefährliche Verengung des Genpools und damit das Grundproblem unserer Rasse. Allerdings hat sich die Maine Coon trotz dieser Konzentration gut und stabil entwickelt. Zweien von diesen fünf, „Andy Katt" und „Bridget Katt" sind wir oben schon begegnet und die anderen drei, „Tatiana of Tati Tan", „Dauphin de France of Tati Tan" und" Smokie Joe of Whittemore" lernen Sie jetzt auch kennen. Schätzungen zufolge sind diese „Top 5" zu folgenden Prozentzahlen im Stammbaum einer ohne „New Foundations" gezogenen Maine Coon vertreten:

  • 70 % Top 5 Katzen
  • 55 % Top 3 Katzen
  • 40 % Top 2 Katzen

Leider habe ich nie ein Bild von Smokey Joe gefunden, hier jedoch sind die anderen vier: Andi, Brigdet, Tatiana und Dauphin:

Wie Sie an den Herkunftsgebieten sehen kamen unsere vielgenannten „Top 5" Maine Coon-Tiere nicht nur aus Maine. Das ist eine der wenigen nachprüfbaren Tatsachen dieser Anfangszeit. Denn nur Smokie Joe of Whittemore war eine „originale" Mainer Katze: der Rest, stolze 80%, kam aus New York, Maryland und Florida. Tatiana und Dauphin waren Mutter und Sohn und ihre Züchterin, Sonya Stanislov (Tati-Tan), war instrumental und an zentraler Stelle mit daran beiteiligt, dass die Maine Coon anerkannt wurde. Smokey Joe, der meines Wissens der einzige war, über dessen Herkunft und Stammbaum man mehr weiss, weil seine Züchterin – ungewöhnlich für ihre Zeit - ihre gesamte Zuchtarbeit dokumentierte, wurde 1969 von seiner Züchterin, Ethelyn Whittemore, auf Drängen von Eugene Emhinizer, ab 1970 der erste offizielle Präsident der gerade erst gegründeten MCBFA, registriert. Obwohl Ms. Whittemore damals schon über 20 Jahre lang Maine Coons züchtete, liess sie ihre Tiere erst zu diesem Zeitpunkt, nachdem die Rasse schon in den ersten Associationen anerkannt worden war, registrieren - und so kam ihr schwarzer Kater in die TOP5. Insofern ist die Maine Coon wirklich eine "All American Cat". Aber wir wissen ja, dass man in den Jahren vor der Anerkennung durch die Vereinigungen phänotypisch korrekte Tiere ziemlich mühsam - und nicht nur in Maine, sondern an der gesamten Ostküste – zusammensammelte. Dass ausgerechnet diesen fünf Tieren dabei dann so prominente Rollen in unser Rasse zugefallen sind ist eigentlich Zufall.

Die Nachkommen des 1978 geborenen „Heidi Ho Sonkey Bill" (links) - der als vielfacher Nachkomme von Andy und Bridget einen Inzuchtkoeffizienten vom 37% hatte - mit „Tanstaafl Polly Adeline" (rechts) werden als „Clones" bezeichnet, da sie sich offensichtlich extrem ähnlich sahen: im April 1982 waren viele der frühen Maine Coon Züchter zusammen auf einer Show in New York. Während einer kleinen Feier telephonierte man mit Conny Condit, um ihr über das Abschneiden der von ihr gezüchteten Tiere zu berichten, als jemand dazwischen rief: "Tell Connie we know she is just cloning these cats and painting them different colors! - sag Conny, wir wissen dass sie diese Katzen nur geklont und verschiedenfarbig angemalt hat". Aufgrund der hervorragenden Ausstellungsqualität dieser Katzen wurden sie auch immer wieder in der Zucht eingesetzt und trugen erheblich zum Genpool der modernen Maine Coon bei. Im Großen und Ganzen sind die Clones zu 35 % im Stammbaum einer ohne „New Foundations" gezogenen Maine Coon vertreten. Dies sind die Katzen, die man als die „Clones" bezeichnet:

Heidi Ho Richard III of Charmalot,

Heidi Ho Aurora of MtKittery,

Heidi Ho Molly B. of Tanstaafl

Heidi Ho Canth of Tanstaafl

Heidi Ho Percival of Meunerie

Heidi Ho Just Plain Bill Katt

Heidi Ho Justin Morgan Katt

Heidi Ho Coon Victoria,

Heidi Ho Annabel Lee of Tycoon,

Heidi Ho Camille of Calicoon;

Heidi Ho Lovey Mero of Meunerie;

Heidi Ho Lady Arwen of Mary B,

Heidi Ho Sasquatch of Ktaadn;

Heidi Ho Portius of Olde Farm;

Heidi Ho Barnaby Katt

Wir finden hier in den Annexen zum Namen schon fast alle wichtigen Maine Coon Catteries des Beginns: Heidi Ho, Tanstaafl und Calicoon, Charmalot, Meunerie, OldeFarm, Tycoon und Mt.Kittery – alles Namen, die Sie, wenn man weit genug im Stammbaum nach hinten geht in praktisch jeder Maine Coon finden. Alleine von „Heidi Ho Canth of Tanstaafl" findet man 33 Nachkommen in der „Pawpeds"-Datenbank der Rasse, von seinem Sohn „Tanstaafl Yankee Doodle of Purricoon" 24 und von dessen Enkelin „Kayenta Sedona of Kanab" 21 Tiere - man kommt um diese Katzen und ihre Linien in den Stammbäumen als Maine Coon Züchter praktisch nicht herum. Tanstaafl ist übrigens der Zwingername von Beth Hicks, die zusammen mit ihrer Freundin Lynne Sherer (Calicoon) wohl die zwei letzten verbliebenen der Anfangszeit – sie haben beide 1973 mit züchten angefangen - sind. Beide waren lange sowohl als Züchter als auch international als Richter tätig – und viele ihrer Tiere sind über die Jahre in die Stammbäume „around the world" gewandert.

Nach 1980 - Die Neuzeit

Von diesen bescheidenen Anfängen, aus einem fast schon „ausgestorben und vergessen" Zustand erweckt, durch einige wenige Züchter „neu erfunden" erfuhr die Rasse - nachdem das Eis gebrochen war und die „Bauernhofkatze" in immer mehr Zuchtvereinigungen anerkannt wurde - international einen rasanten Aufschwung. Viele Liebhaber erlagen dem dezenten Charme der bärigen, gutmütigen Riesenkatze und auch die skeptische europäische Züchtergemeinde der Rassekatzen erkannte die „neue" alte Rasse aus den Staaten als gleichberechtigt an. Seit den neunziger Jahren füllte sie die Ausstellungshallen und Zuchtbücher mehr als jede andere Katzenrasse und ist inzwischen wahrscheinlich weltweit die bekannteste und populärste Katzenrasse.

Diese ungebrochene Popularität sorgte dafür, dass immer mehr Züchter Tiere aus Amerika nach Europa importierten. Gerade hier in Deutschland kam es zu einem „run" auf die Tiere von Barbara „Bunty" Washburn (MtKittery) und Barbara Ray (Willowplace).