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© 2020 Rolf Schlegel

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1. Auflage

ISBN 9783752682304

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

Autor

Prof. Rolf Schlegel ist Emeritus für Zytogenetik, Genetik und Pflanzenzüchtung nach über 60 Jahren Erfahrung in Forschung und Lehre. Er ist Autor von mehr als 200 wissenschaftlichen Publikationen und anderen Abhandlungen, Koordinator internationaler Forschungsprojekte und Mitglied mehrerer internationaler Organisationen. Er veröffentlichte bereits erfolgreich fünf Fachbücher in englischer Sprache, herausgegeben von drei amerikanischen Verlagen. Rolf Schlegel diplomierte 1970 auf dem Gebiet der Genetik und Pflanzenzüchtung und promovierte 1973. Die Habilitation (Dr. sc.) folgte 1982. Er war langjährig an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, dem Institut für Genetik und Kulturpflanzenforschung der Akademie der Wissenschaften in Gatersleben, dem Institut für Getreide und Sonnenblumen-Forschung, Dobrich/Varna, sowie dem Institut für Biotechnologie der Bulgarischen Akademie der Landwirtschaftswissenschaften tätig; Darüber hinaus an verschiedenen wissenschaftlichen Einrichtungen der USA, Brasilien, England, Japan, Russland und anderen Ländern. Seit geraumer Zeit hat er die Ahnenforschung seines Heimatortes Stadtlengsfeld zur Freizeitbeschäftigung gemacht. Dabei entstand eine Datei von mehr als 51.000 Personeneinträgen aus der mehr als tausendjährigen Geschichte des Ortes. Die Schicksale der Menschen und deren Leben bieten Stoff für eine Vielzahl von Geschichten und historischen Darstellungen. Diese einem breiten Publikum kundzutun, ist eine neue Passion des Autors.

Inhalt

Vorwort

Die Urmenschen ließen sich von ihren Instinkte leiten. Ihnen verzeiht man, wenn sie andere Individuen aus dem Weg schafften – aus welchen Gründen auch immer. Erst das bewusste Leben in einem gesellschaftlichen Verband brachte Gut und Böse als moralische Kategorie hervor.

Die dunkle Seite des Menschen offenbart sich nicht erst in der Gegenwart. Der Kampf um das tägliche Überleben ist immanenter Bestandteil der menschlichen Evolution. Bei der Nahrungsbeschaffung und bei der Fortpflanzung wird der Mensch noch sehr von seinen Urinstinkten geleitet.

Die Sesshaftwerdung von nomadischen Stämmen und die Entwicklung von ersten Dorfstrukturen wirkte sich nur bedingt auf einen humaneren Umgang untereinander aus.

Auf dem heutigen deutschen Territorium kam es vor rund 7000 Jahren (Jungsteinzeit – Neolithikum) zu ersten größeren Familienansammlungen, die zum Teil in sog. Langhäusern wohnten und gemeinsam jagten, Ackerbau ausübten und einfachen Gewerken nachgingen. Selbst Handel trieben sie.

Abbildung 1: Wesentliche sowie historische Ursachen von kriminellen Delikten sowie menschlichem Vergehen. Quelle: R. Schlegel

Die Feuerstein-Straße1 ist ein beredtes Zeugnis hierfür.Es war die Zeit der Bandkeramiker. Sie kamen mit großer Wahrscheinlichkeit aus Zentralanatolien (Abb. 2).

Abbildung 2: Historische Ausbreitung der Metallverarbeitung in Europa und Vorderasien; dunkleren Areale sind die historisch älteren Regionen mit Metallherstellung. Quelle: [1]

Fortpflanzung und Sexualität

Abgesehen von krankhaften Gewaltexzessen sowie Glaubensunterschieden sind die Sicherung des eigenen Überlebens, die sexuelle Fortpflanzung und das Eigentum an Sachen die wichtigsten Stimuli, auf die sich im wesentlichen alle Missetaten zurückführen lassen (Abb. 1).

Fremde

Die Urangst vor Fremden reicht bis in die Gegenwart. Die Nachrichten belegen das täglich.

Jüngste archäologische Ausgrabungen in Europa aus früherer Zeit förderten überraschenderweise sogar Massengräber zutage. Die Rekonstruktion der Todesursache wies auf gewaltsame bzw. kriegerische Auseinandersetzungen zwischen älteren und jüngeren Siedlern hin. Das unvorbereitete Aufeinandertreffen verschiedener Kulturen könnte die Ursache gewesen sein („clash of cultures“). Es gab auch Hinweise auf rituellen Kanibalismus sowie Menschraub. Letzterer betraf meist Frauen.

Damit ist der Nachweis erbracht, dass seit frühesten Zeiten die Menschen Gewalt gegenüber anderen ausübten, welche offensichtlich ihr Überleben sicherte. Und das wird wohl auch schon bei den Jägern und Sammlern so gewesen sein.

Eigentum

Noch nicht eingerechnet ist das gewaltsame Verhalten der Menschen, wenn es um die Durchsetzung von Besitzansprüchen ging. Seit dem Zeitpunkt, zu dem der erste Mensch auf die Idee kam, einen Zaun um sein Grundstück zu bauen und zu sagen ‚das ist mein‘, kam eine weitere Ursache von Gewalt ins Spiel. Diese Art von Gewalt durchzog fortan alle Gesellschaften, Kulturen sowie Staaten und sie währt bis in die Gegenwart als kapitalistisches Prinzip.

Unfälle

Natürlich kamen auch viele Lengsfelder durch Unfälle sowie ungeklärte Ursachen ums Leben. Sie sind in dieser Zusammenstellung – soweit das möglich war – ebenso berücksichtigt worden.


1 Eine der ältesten rekonstruierten Handelsverbindungen. Die rund 250 km lange Route führte über den Böhmerwald zwischen Bayern und Böhmen. Feuerstein war der Rohstoff. Ein Teil der Werkzeuge und Waffen wurde wegen seiner hohen Härte und guten Spaltbarkeit aus ihm hergestellt. Eines der größten alten Feuerstein-Bergwerke Europas liegt nahe der Ortschaft Arnhofen bei Kelheim an der Donau. Später in der Bronzezeit vor rund 4000 Jahren wurden Zinn aus Südengland sowie Kupfer und Gold aus dem Alpen- und Karpatenraum ausgetauscht. Die Migration des Menschen aus dem Orient nach Europa hinterließ auch Handelsrouten entlang der ehemaligen Siedlungsstätten.

Geschichte von Untaten in Lengsfeld

Eigentumsdelikte und Aufruhr

1525 Der mittelalterliche Bauernkrieg war ein epochales Ereignis auch für die Rhön. In Völkershausen formierte sich am 19. April 1525 der fast 7.000 Mann starke Werrahaufen. Zu ihm drängten auch Bauern aus dem Amt Lengsfeld. Am 21. April zogen Bewaffnete auch nach Dietlas und Lengsfeld. Nach der Zerstörung der Kraynburg, der Belagerung von Salzungen und Einnahme von Breitungen zogen Bauern in Richtung Schmalkalden.

Der Haufen wurde von dem Vachaer Hauptmann Sippel angeführt. Nach weiteren Raubzügen wurde Sippel unter dem Vorwand von Verhandlungen Eisenach gelockt und dort festgesetzt sowie darauf peinlich verhört (vgl. Abb. 3). Aus einer Rechnung des Amtes Eisenach vom Mai 1525 geht hervor, dass man „2 gr für 2 Pfund liechte verbraucht als man Hansen Sippeln und seine gesellen peinlich befragt hat“. Ein Schock 35 g wurden „einem Scharfrichter zu Eysennach zu lohn gegeben, hat Hansen Sippeln, obristen hauptmann der pauerschaft und seine Gesellen … mit dem schwerte gerichtet, dornstags nach Jubilate“ (21. Mai 1525).

1526 Der Herr Philipp, Landgraf zu Hessen, beschwert sich über Ludwig von Boineburg-Lengsfeld, dass er „bei seiner fürstlichen Gnaden Vaters Leben, nicht des Hauses Hessen Frommen, wie es einem getreuen Diener zusteht, sondern Schaden gesucht, sind darüber in Irrung geraten und hat der Landgraf deswegen des von Boyneburg Güter konfiszieren und einnehmen lassen“. Er hatte offensichtlich herrschaftliche Güter veruntreut. [24]

Abbildung 3: Gedenktafel für den Bauernkriegsführer Hans Sippel an der Burg Wendelstein von Vacha. Quelle: Wikipedia, 2019

1558 Ein früher Bericht datiert aus dem Jahr 1558. Kunz Stocking aus Hünfeld und Lorenz Franck aus Fulda bekunden:

Als sie ihrem Handwerk nachgehen wollten, sind ihnen bei Stadtlengsfeld die beiden Gesellen Christoph Hoffman und Martin Arnoldt begegnet, die im Kirchhof zu Sundheim (Kaltensundheim, d. Autor) einen nächtlichen Diebstahl begangen hatten.

Mit Hilfe von Kunz sowie Lorenz sind sie verhaftet worden, nach Maßfeld (heute: Untermaßfeld, d. Autor) ins Gefängnis des Grafen Wilhelm und Herrn zu Henneberg gebracht worden. Doch wegen erwiesener Unschuld ließ man sie wieder frei. Sie mussten dennoch schwören, sich wegen des Gefängnisses am Grafen, seinen Dienern, Schutzverwandten und Untertanen sowie den Beteiligten nicht zu rächen und bitten den Hennebergischen Rat Johann Steitz das zu besiegeln. [2]

1563 Eine Akte aus den Jahren 1556 bis 1566 weist mehrere Missetaten in der Umgebung von Stadtlengsfeld auf: Totschlag des Klaus Oder aus Hendungen (bei Mellrichstadt in Bayern) an Martin Heinrich aus Mendhausen (bei Römhild in Thüringen), 1556-1557; Totschlag des Balthasar Pfanstiel, Wirtes zu Roßdorf, am Gast Klaus Gleichner aus Vacha, 1556, inkl. Gutachten der Schöppen zu Leipzig, 1566; Ermordung des Christoph von Amsdorf in Altenbreitungen, 1557; Totschlag durch Hans Oder in Marisfeld (bei Meiningen) an Peter Teuschler aus Henfstädt (bei Themar in Thüringen), inkl. Gutachten der Schöppen zu Leipzig, 1557; Ermordung des Futtermarschalls des Herzogs Johann Friedrich von Sachsen zwischen Saalfeld und Gräfenthal, 1557; Bericht über die Ermordung zweier Knechte zwischen Gotha und Erfurt, 1557; Tod eines Mannes in Römhild infolge Verletzung durch ein Pferd, 1559; Totschlag des Wolf Bader am Wirt zu Steinbach (bei Liebenstein in Thüringen), 1560; Totschlag des Friedrich von Metzdorf an Dietrich von Göre im Duell, 1561; Totschlag eines Kindes an einem alten Mann in Friedelshausen (bei Kaltenlengsfeld). Schließlich wird ein Totschlag des Hans Metz aus Stadtlengsfeld an Hermann Schenk aus Herrenbreitungen im Jahr 1563 angezeigt, der im Jahr 1564 gerichtlich verhandelt wurde. [3]

1671 Im Kirchenbuch von Stadtlengsfeld wird berichtet, dass Ludwig Schneider am 21. Juli 1671 in Lengsfeld mit dem Schwert hingerichtet und auf einem Acker begraben wurde. Er wohnte in Weilar und stammte aus Dorndorf. Er hatte nachweislich Michael Rohn ermordet:

"Am 21. July Ludowig Schneider Einwohner in Weylar aber auß Dorndorf bürtig wegen verübten Morthes so er an Michail Rohn Schelmeister in Weylar begangen mit dem Schwerdt gerichtet und auf dem chollers Acker alhier begraben worden" [4]

1673 Ungesühnt blieb der Tod des Johannes Nennstiel aus Öchsen. Er war Gerichtschöffe und wurde am Gehauser Weg von Lengsfeld tot aufgefunden. Man begrub ihn darauf am 24. Dezember 1673. [5]

1702 Schon im Jahr 1685 wurde bemerkt, dass ein Grundstück außerhalb des Boineburger Hehls (Grenze) zu finden ist, welches von dem Fischberger Amt (Fuldaer Bistum) beansprucht wird. Es ist der sog. Dörnicht, ein Wiesenstück zwischen Urnshausen und Weilar. Die Boineburger-Lengsfelder Herrschaft prozessiert wegen dieser Grenzungerechtigkeit. Er beschuldigt die Gemeinden der unerlaubten Nutzung seiner Ländereien. [25] Man erzielt schließlich einen Vergleich.

Abbildung 4: Fahndungsauszug aus der Casselische Polizey- und Commerzien-Zeitung: 1800 (1) S. 109. Quelle: [44]

1800 Dass früher ein Arbeitsverhältnis etwas Wichtiges war lässt sich aus der folgenden Ausschreibung erkennen: Johannes Klotzbach, aus dem bayrischen Buchenau, geb. 1779, war Diener bei der Familie Freiherr Friedrich von Müller (1760-1831) in Lengsfeld. Eines Tages ist er offensichtlich nicht mehr zum Dienst erschienen. Darauf hat sein Dienstherr folgende steckbriefliche Warnung verbreiten lassen: Johannes Klotzbach, geb. in Buchenau, schlank, mehr als 5 Fuß groß, blondes Gesicht, hellbraune Haare, hellblaue Augen ist mit Hilfe seines lahmen Bruders (ein Schusterlehrling) vom 5. zum 6. Januar 1800 aus dem herrschaftlichen Dienst entflohen, nachdem er 5 Gulden Lohn empfing. Zudem entwendete er verschiedene Kleidungsstücke (vgl. Abb. 4). Er schlägt sich mit Handel und Täuschung durch! [44]

1804 Eine Bande Auswärtiger, darunter Nicolaus Joseph sowie Georg Harting, wurde wegen Diebstahls in Stadtlengsfeld vom 14. zum 15. November 1804 polizeilich ermittelt und rechtskräftig verurteilt. Wer und woher die Delinquenten stammten, lässt sich nicht mehr ergründen. [40]

1836 Die ledige Dorothea Hoßfeld (geb. 1803) aus Stadtlengsfeld wurde in einem Strafprozess am 27. Juni 1836 in Meinigen wegen Diebstahls verurteilt. [39] Sie war die Tochter des Landwirts Johann Christian Hoßfeld und dessen Frau Anna Maria Hüttich, die ihren Hof in der Finkelsgasse (heute: Gartenstraße) hatten.

Raub, Betrug, Schmuggel, Vagabundieren und Falschmünzerei

In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts erreichte die Verelendung der städtischen und dörflichen Unterschichten und der durch Kriegsfolgen Entwurzelten, ihrer bürgerlichen oder adligen Einkünfte Beraubten einen Höhepunkt. Diebesbanden, Landstreicher, Scharen von Bettlern, Kriegsversehrten, Taschenspielern, Betrügern aller Arten suchten die Rhön heim. Manche Schultheiße zahlten den Bettlern noch einen sog. Zehrpfennig, d. h. einen kleinen Geldbetrag. Tiefer Gesunkene griffen selbst zu. Dementsprechend musste die Obrigkeit mit Verordnungen und drastischen Strafmaßnahmen reagieren.

Abbildung 5: Überfall auf Reisende durch Straßenräuber. Quelle: Radierung v. Schleuen nach einer Zeichnung von Chodowiecki, 1770

Als Folge des Siebenjährigen Krieges (1756 bis 1763) macht sich v. a. das Bandenunwesen im Amt Lengsfeld breit. In diesem Krieg kämpfte mit Preußen und Kurhannover auf der einen und der kaiserlichen österreichischen Habsburgermonarchie, Frankreich und Russland sowie dem Heiligen Römischen Reich auf der anderen Seite. Auch mittlere und kleine Staaten waren an den Auseinandersetzungen beteiligt.