Walter Kaufmann
Schade, dass du Jude bist
Kaleidoskop eines Lebens
ISBN 978-3-96521-268-8 (E-Book)
Gestaltung des Titelbildes: Ernst Franta
Foto: Barbara Meffert
Das Buch erschien erstmals 2017 im Dittrich Verlag (Imprint der Velbrück GmbH, Weilerswist–Metternich).
2020 EDITION digital
Pekrul & Sohn GbR
Godern
Alte Dorfstraße 2 b
19065 Pinnow
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Ich hielt inne – das war der Mann! Als ich an ihm vorbei über die Schwelle der Gangway trat, spannte sich alles in mir. Jäh drehte ich mich um. Ich spürte den Gewehrkolben im Rücken und hörte den Soldaten brüllen: „Come on and git!“ Doch ehe mir noch ein Widerwort über die Lippen kommen konnte, zerrte mich jemand weg – und wo der Soldat jetzt mit dem Gewehrkolben hinstieß, waren eben noch meine nackten Füße gewesen, die nur von Sandalen aus Autoreifen geschützt waren. „Git going, you!“
Den zwei britischen Offizieren, die am Kai den Abtransport der Internierten überwachten, war anzusehen, dass es sie gleichgültig ließ, wie man mit den Internierten umsprang – sie alle waren nicht mehr als die zu erkennen, die sie einmal gewesen: Handwerker, Politiker, Modeschöpfer, Arzt, Kaufmann, Rentner, Student. Der zerlumpte Haufen, der sich ihnen darbot, ließ sie gleichgültig. Hauptsache, sie alle kamen zügig vom Schiff und in das für sie bestimmte Lager. Krieg war Krieg und überhaupt – feindlich oder nicht, die sich da mit starr nach vorn gerichtetem Blick die Gangway hinunterschleppten, durften froh sein, die Reise überlebt zu haben. Für sie jedenfalls, das bezeugten ihre Mienen, waren sie samt und sonders abgetan – Parias!
Noch unter dem Schock der Bedrohung, sprang ich von der Gangway auf den Kai. Der Seewind blies mir ins Gesicht, ich spürte ihn kühl auf der Haut. So grell strahlte die Sonne, dass ich die Augen sogar gegen die zitternden Lichtreflexe auf den Bohlen verengte. Jenseits eines Schuppens, verschwommen im Sonnenlicht, wölbteI sich eine Brücke hoch über den Hafen, eine schöne Brücke, zwischen deren Pfeilern und Stahlträgern stattliche Villen in blühenden Gärten zu erkennen waren. Jenseits der weiten Bucht, auf der Jachten mit gebauschten Segeln die Bahn von Frachtern kreuzten und in alle Richtungen schippernden Fähren, leuchtete gelb die Sichel eines Strandes. Dies also war Sydney …
Noch einmal sah ich zum Schiff hin, hielt ich Ausschau nach Arno Sievers – doch als Kommandos hinter mir laut wurden, gab ich ihn auf und folgte den anderen durch ein Spalier lässig dastehender australischer Soldaten in Schlapphüten und lockeren Uniformröcken bis hin zu einem Eisenbahnzug mit vergitterten Fenstern. Ich ging leichtfüßig, mich beschwerte nicht mehr als ich am Leibe trug – Sandalen und eine vom Salzwasser zerfressene Hose, zu weit für mich und durch eine Schnur um die Hüften gehalten, ein kragenloses Flanellhemd und um den Hals den Wollschal meiner Mutter, von der ich jetzt durch die Weiten der Meere getrennt war.
Im Zug starrte ich durch das vergitterte Fenster, unter dem in regelmä ßigen Abständen die Mündung eines Gewehrs über einem Schulterstück auftauchte. Das Gewehr schreckte mich wenig – was mich im Augenblick mehr als alles beschäftigte, war der Wunsch nach festen braunen Schnürstiefeln, so wie sie die Soldaten da draußen trugen …
Eine Pfeife schrillte. Die australischen Soldaten verteilten sich in den Abteilen und schlossen die Türen hinter sich. Puffer klirrten, die Wagen ruckten an und rollten langsam vom Kai. Noch einmal kam die Hafenbrücke in Sicht, hoch vor dem klaren Himmel, und auch die strahlend blaue Bucht bis hin zum offenen Meer, bald aber rollten wir durch Vororte, vorbei an ärmlichen Reihenhäusern mit kleinen Hinterhöfen, in denen Kinder spielten und an Leinen Wäsche flatterte. In den Fenstern und zwischen der Wäsche zeigten sich Frauen – flüchtig nur, bei zunehmender Fahrt, und schon lag die Stadt hinter uns, war das offene Land erreicht, weite Ebenen mit welkem Gestrüpp und knorrigen Bäumen, deren tote Zweige in den Himmel ragten, und Farmhäuser im Schatten breiter Dächer, Häuser, die aus der Ferne verlassen wirkten.
Lange blieb ich in Gedanken. Niemand sprach mich an. Alle blickten stumm in die Landschaft. Der Schlag der Räder drang in uns, schien zu verebben, wurde eins mit uns. Die Posten, die an den beiden Ausgängen lehnten, nahmen wir kaum noch wahr. Auf ihre Gewehre gestützt, standen sie breitbeinig da, die Uniformröcke aufgeknöpft, die Schlapphüte aus der Stirn geschoben. Nach einer Weile ließ sich einer von ihnen, ein hochgewachsener Mann um die fünfzig mit knochigem Gesicht und drahtigen Brauen neben mir nieder. Er stellte das Gewehr zwischen seine ausgestreckten Beine und fragte wie nebenbei: „Let’s hear, where did they nab you?“
Ich konnte nur raten, was er fragte.
„Nab you?“
Ich schwieg.
„Wohl einer von Hitlers Haufen – eh!“, sagte er.
Das verstand ich. Ich schüttelte den Kopf. „Ich bin Jude“, sagte ich ihm.
„A Jew – eh?“
Er fragte nach den anderen und verwendete dabei ein Wort, das sich wie cobbers anhörte und wohl Kumpel bedeutete.
„Die auch.“
Warum, zum Teufel, man uns hier einsperre, wollte er wissen. Ahne er doch gleich, dass hier was nicht stimme. Sein Ausdruck verriet Anteilnahme, als ich ihm klarmachte, dass ich erst sechzehn war und aus Deutschland käme, wo meine Eltern noch lebten. Was das hieß, schien er sich vorstellen zu können – Jews under Hitler! Und er begann von einem Zahntechniker in Sydney zu erzählen, der ihm ein Gebiss gefertigt hätte, das er ohne Umschweife vorzeigte.
„Clever fellow, this Jew in Sydney – clever hands. And your people still in Germany – under Hitler!“
Gedankenvoll wiegte er den Kopf. Plötzlich stand er auf und rief dem anderen Posten zu, wir seien keine Hunnen, sondern samt und sonders vor Hitler geflohene Juden. „Just open the window, they won’t piss off!“
Und schon hämmerte er mit dem Gewehrkolben einen Fensterriegel auf, schlug auch das Gitter weg und öffnete das Fenster. Frische Nachtluft strömte ein, während er quer durch den Wagen schritt, Riegel und Gitter zertrümmernd, die er nach draußen warf, wo sie klirrend neben die Schienen fielen. „Scrap!“, rief er, kehrte um und setzte sich wieder neben mich. Wie die Pommies mit uns umgegangen seien, wollte er hören, damit meinte er wohl die Briten auf dem Schiff. „Not good“, sagte ich ihm, und dass einer von ihnen mir fast den Fuß zertrümmert habe.
Der Australier spuckte aus. „Never known a Pommy that was any good yet.“
Da ermahnte ihn der andere Posten, mir keine Flausen in den Kopf zu setzen. Schließlich lägen wir nicht mit den Engländern im Krieg, sondern den Deutschen.
„Let it go, Danny, let it go!“, sagte der Soldat neben mir.
Er schlug mir auf die Schulter. Alles werde gut gehen, meinte er. „Best country in the world this!“
Wir rückten zusammen, um auch dem Posten mit Namen Danny Platz zu machen. Der warf sein Gewehr ins Gepäcknetz, setzte sich und reichte seinen Tabaksbeutel herum. Bald zog würziger Rauch durch den Wagen.
„Helps against hunger“, meinte er.
Dann holte er aus einem Tornister mehrere Büchsen Corned Beef und dazu dicke Scheiben flauschiges Weißbrot. Dankbar aßen wir davon. Allmählich dunkelte es und wir überließen uns dem Schlaf.
Als sich das erste graue Licht des Morgens über die Ebene legte, trug der Zug uns noch immer weiter nordwärts, war das Land noch immer öde, trocken, rissig und rot unter der steigenden Sonne. Kaum ein Lufthauch bewegte das verdorrte Gras, und große schwarze Vögel saßen reglos in den Zweigen ferner Bäume, deren Stämme weiß leuchteten. Die Sträucher zwischen den sandigen Hügeln waren von Staub bedeckt und wirkten so tot wie die Bäume, und noch immer flogen die Pfosten endloser Drahtzäune vorbei. Plötzlich, wie aufgeschreckt vom langen Pfiff des Zuges, tauchten zwei Kängurus auf und hielten mit weit ausholenden Sprüngen das Tempo. Ihre Schwänze schlugen rhythmisch auf den Boden und wir spürten die Kraft, mit der sie vorwärtsschnellten. Jäh wie sie aufgetaucht waren, sprangen sie seitwärts weg und verschwanden zwischen den Hügeln. Soweit das Auge reichte, lag das Land dürr unter der Sonne und als wir schließlich unser Ziel erreicht hatten, stand diese hoch am Himmel. Hatte der Zug auch neben einem überdachten Bahnsteig angehalten, so schlug uns doch beim Aussteigen die Hitze wie aus einem Ofen entgegen. Es war, als brenne die Luft. Wir drängten uns in den schmalen Streifen Schatten längs der Bahnhofsmauer und fühlten uns in die unwirtlichste aller unwirtlichen Gegenden verschleppt.
Als der Zug aus dem Bahnhof rollte, sahen wir uns einem berittenen Trupp Soldaten gegenüber, die, locker in den Sätteln, das Gewehr in der einen, die Zügel in der anderen Hand, ihre Pferde längs der Schienen in Bewegung setzten. Auf und ab ritten sie und blickten dabei gelassen zu uns herüber. Am Ende des Bahnsteigs rief jetzt ein drahtiger Offizier ein Kommando, wir sahen ihn die Reitpeitsche gegen seine blanken braunen Stiefel schlagen, den Sturmriemen des breitkrempigen Hutes fest unters Kinn zurren, und hörten die berittenen Soldaten zurückrufen: „Right-o, Captain!“ Sie gaben ihren Pferden die Sporen und scherten rings um das Bahnhofsgelände aus. Der Offizier schwang sich in den Sattel eines schwarzen Hengstes, auch er setzte dem Pferd die Sporen in die Flanken und dann sprengte er hinaus in die Landstraße, die sich in der Ferne verlor.
„Hot and dusty, damn right“, sagte der Posten vom Zug zu mir, wischte sich mit einem khakifarbenen Tuch Gesicht und Nacken trocken und hob dann zu einer Ermunterung an: „Hay is hell“, rief er, womit er den Ort meinte, zu dem wir gebracht worden waren, „but you’ll get used to her in time.“
Aufgeteilt in Gruppen und ringsum von berittenen Soldaten bewacht, schleppten wir uns über die Landstraße bis zu einer Kreuzung. Weit vor uns, verhüllt in Staub, rollten die Laster mit den Posten vom Zug. Die Soldaten ließen uns halten, bis der Staub sich gelegt hatte, sie trieben uns nicht an, und als wir weiterzogen, war jede Ordnung dahin, hatten wir uns in wirre Haufen verwandelt. Neben uns stampften die Pferde, schnaubten in der Hitze und hin und wieder bäumten sie sich auf, ihre Felle glänzten schweißnass in der Sonne.
Wir erreichten das Lager lange, nachdem wir fernab die Wachtürme gesichtet hatten, und als sich hinter uns die drei Stacheldrahttore schlossen, empfanden wir die Baracken wie eine Zuflucht vor Sonne und Hitze.
Jenseits der hohen Zäune führten die Soldaten ihre Pferde weg. Ein Hund schlug an, und der helle Klang einer Trompete war zu hören. Wer da spielte, sahen wir nicht und wussten die Trompetenstöße erst zu deuten, als man uns zum Appell rief. In Viererreihen formiert, standen wir auf dem großen Platz, während der Feldwebel die Reihen ablief – zwei Mann für jeden Schritt, so zählte er uns, und nahm es nicht genau dabei. Wer würde fliehen, wo in dieser Wildnis sollten wir hin? Jetzt begann der Offizier auf dem schwarzen Hengst die Lagerordnung zu verlesen, seine Stimme durchdrang nur schwer die drückende Hitze, wir hörten ihn, doch kaum einer begriff, was er sagte.
Irgendwo, unbemerkt zwischen den zweitausend Männern, stand auch ich. Die Anordnungen des Offiziers scherten mich wenig – öder als hier, dachte ich, konnte es nirgends sein. Hoch am blauen Himmel tauchte ein Habicht auf und kreiste in weiter Bahn, einmal, zweimal, ich sah ihm nach, bis er in der Ferne als dunkler Punkt verschwand.
Fast spielerisch schrieb George Raven Verse über unser Barackenkätzchen – seine Anmut, wie es lugte, jagte, es wie aus dem Nichts herbeisprang, wenn es die Worte milk and meat rufen hörte. Milch und Fleisch brachte ich täglich von der Arbeit in der Lagerküche mit. George war sprachgewandt, ein Jongleur mit Worten, das gehörte wohl zum Dichten, und ich bewunderte die Fähigkeit. Auch äußerlich war er, wie ich mir einen Dichter vorstellte – schlank und feingliedrig. Beredte Gesten begleiteten, was er sagte, und er wusste zu wirken, wenn er aus tiefblauen, von dunklen Wimpern überschatteten Augen sein Gegenüber musterte. Nie gab er sich als einer von vielen, stets blieb er der University-Don aus Oxford, der seine Bildung weder leugnen konnte noch leugnen wollte. Hatte ihn auch mit der Verbannung ins australische Lager die Vergangenheit eingeholt, so nannte er sich doch weiterhin George Raven und ließ seinen Geburtsnamen nicht gelten. Als George Raven war er in Oxford bekannt, und dabei sollte es bleiben. Denn nach Oxford würde er zurückkehren – es war nur eine Frage der Zeit. Stets ausgerichtet auf sein Ziel, verließ ihn das Selbstvertrauen nie. Und auch dafür bewunderte ich ihn. Es hatte mich ermutigt, als er von meinen Träumen, Ängsten, Sehnsüchten wissen wollte, und bald beschäftigte er über lange Strecken mein Innerstes. Ich las, was er mir zu lesen empfohlen hatte, Auden und Spender, so rätselhaft mir deren Lyrik nicht selten auch schien, und Christopher Isherwoods Berliner Geschichten, selbst an T. S. Eliot wagte ich mich, dessen Lyrik ich mehr vom Klang der Worte her als durch ihren Sinn erfasste: Waste Land, East Coker. Beim Lesen hörte ich George, sah ihn vor mir – das schmale, kluge Gesicht mit der sanft gebogenen Nase, und wie er beim Vortrag sein langes blondes Haar aus der Stirn warf. Täglich hoffte ich, dass George auf mich wartete, wenn ich meinen Lagerdienst in der Küche oder am Murrumbidgee River erfüllt hatte, und er mich zur abendlichen Stunde erwartete, damit ich mich ihm mitteilen, ich ihm zuhören konnte. Er weckte Empfindungen in mir, die später nur Frauen in mir weckten, und wenn George mich wie von ungefähr berührte, spürte ich eine starke innere Berührung. Ich hoffte zu werden wie er, und heimlich setzte ich Georges Gedichten eigene entgegen. Das ahnte er sehr wohl, doch noch ehe ich meine Versuche vorzutragen wagte, bewahrheitete sich, was ich nie hatte wahrhaben wollen, stets aber zu erwarten hatte – der Dekan von Oxford hatte Georges Entlassung bewirkt und ihn zurück nach England an die Fakultät berufen.
Mich traf die Nachricht tief. Ich freute mich für George, doch die bevorstehende Trennung bedrückte mich derart, dass ich an diesem Abend stumm von seiner Koje weg zu meiner eigenen ging. Als ich mich dort ausstreckte, sprang mir das Barackenkätzchen auf die Brust. Ich setzte es ab und beachtete es nicht weiter. Lang lag ich wach.
Am nächsten Morgen, als die Lagertore geöffnet wurde, George am Posten vorbei in die Freiheit hinaustrat und ich ohne ihn zurückblieb, empfand ich, wie seit langem nicht, den Stacheldraht als das, was er war, wurde die Wüste wieder zur Wüste, brannte die Sonne grausam vom Himmel, und nur das Gedicht, das ich an diesem Tag für George schrieb, vermochte mir etwas von dem zurückzugeben, das ich verloren hatte.
Schweißgebadet erwachte ich, setzte mich auf – in der Baracke um mich her schliefen alle, unruhig in der Hitze der Nacht. Manch einer schnarchte, andere wälzten sich auf den Strohsäcken von Seite zu Seite. Wach war nur ich. Der Mond stand hell und klar im Fenster, Mondlicht warf die Schatten von Zaunpfosten und dem nahen Wachturm auf die Lagerstraße. Ich starrte hinaus. Mir saß der Albtraum in den Gliedern – da trieb ein hölzernes Lineal auf Meereswellen, und zwei bleiche aus dem Wasser ragende Hände griffen danach …
Ich schätzte die Uhrzeit – nach Mitternacht wohl. Der Posten auf dem Wachturm regte sich nicht. Wie eine Attrappe stand er da. Ich riss das Handtuch von dem Draht in meiner Koje, trocknete Gesicht und Brust und streckte mich wieder auf dem Strohsack aus. Lange schlief ich nicht ein, und kaum dass ich eingeschlafen war, verfolgte mich wieder der Albtraum – Wellen, ein Lineal auf den Wellen und zwei nach dem Lineal greifende Hände.
Jemand packte mich bei der Schulter, rüttelte mich wach: „Was ist mit dir?“
„Ein Traum – nichts weiter.“
„Du musst ihn sehr vermissen.“
„Wen – wen vermissen?“
„Du hast nach Rudi Karbasch geschrien.“
Ich dachte an Rudi, und wie ich am Zaun stand und ihn gehen sah, so wie ich damals George Raven hatte gehen sehen, durch die drei Tore aus dem Lager hinaus in die Freiheit: Rudi, dessen Hilfsbereitschaft wir alle viel zu verdanken hatten – der kleine Serge Milstein, zum Beispiel, der in einem Anflug von Lagerkoller seine Mundharmonika über den Stacheldrahtzaun geschleudert hatte, und nie hätte er sie wiederbekommen, wenn Rudi nicht einen Posten hatte überreden können, sie zu suchen und ihm zu geben. So war Rudi: Immer hatte er sich zu bewähren gewusst, immer Ruhe bewahrt und Weitsicht bewiesen. Er strahlte Besonnenheit aus, und wenn in all der Zeit überhaupt einer den Verlust von George hatte ausgleichen können, dann war er es gewesen. Nun war er fort. Und ich hatte im Traum nach ihm geschrien.
„Es war nichts“, sagte ich dem, der mich geweckt hatte, „vergiss es.“
Aber auch beim nächsten Schlafversuch verfolgte mich der gleiche Albtraum – Wellen, ein Lineal, nach dem Lineal greifende Hände. Und ich erkannte die Hände und wessen Lineal das war – Rudi hatte mir während der Mathematikprüfung der Lagerschule sein Lineal zugeschoben, auf dessen flache Unterseite er die Lösungen geschrieben hatte, die mir niemals eingefallen wären. Und jetzt, in meinem Albtraum, waren es Rudis Hände gewesen, die an einem in den Wellen treibenden Lineal Halt suchten …
In der folgenden Woche erreichte uns im Lager die Schreckensmeldung von der Torpedierung und dem Untergang der Abosso im Irischen Meer. Alle an Bord waren in der Nacht meines Albtraums in die stürmischen Wellen gerissen worden, keiner hatte gerettet werden können.
Auch Rudi Karbasch nicht.
Auch zum Abend hin war es noch heiß am Kanal, wo ich und Albert Klett seit unserer Entlassung aus dem Lager in einer Hütte hausten. Die Tageshitze blieb im Holz wie Glut im Ofen, und es half nichts, dass wir eimerweise Wasser übers Wellblechdach gossen – in der Windstille drückte die Luft. Wir wichen zum Kanalufer aus. Dort aber plagten uns die Mücken, stachen uns in Stirn, Hals, Hände, Arme, ihr Sirren durchdrang das blubbernde Quaken der Bullfrösche, es sirrte uns im Ohr, bis wir, vom Ufer geflohen, vor der Hütte ein Feuer entfacht hatten, dessen Rauch die Mücken vertrieb.
Spät in der Nacht noch saßen wir auf Baumstümpfen beim glimmenden Feuer, erschöpft von der Plackerei in der Obstplantage, voll Ingrimm auch gegen Tom Cornish, den Sohn des Bosses, der stets jeden unserer Körbe nach unreifen Pfirsichen abgesucht hatte – auch heute wieder würde uns der Lohn gekürzt werden. Zum Teufel mit dem Kerl … Saufraß, Plackerei von früh bis spät und dazu diese stickige Bruchbude, in der wir hausen mussten. Über dem Feuer brühten wir Tee gegen den Durst und die Hitze, der Tee trieb den Schweiß und machte, dass wir uns kühler fühlten.
Als habe Albert während unseres Schweigens an nichts anderes gedacht, begann er plötzlich von seiner Zeit als Schlosser im Ruhrgebiet zu reden, und was er sagte, trug ihn aus der australischen Welt in die andere vor dem Krieg, der Welt von Gelsenkirchen. „Glaub mir – das war keine Heldentat, den Brandsatz ins Sturmlokal der SA zu schleudern“, sagte er mir, „wo ich doch danach Brunos Fahrrad einfach fallen gelassen hatte und über die Hinterhöfe abgehauen war. Bis heute verfolgt mich das – immer denke ich, das Fahrrad könnte in die Klauen der Gestapo geraten sein, und dann … Mit der Zeit ist in meiner Vorstellung aus dem Fahrrad eine Foltermaschine geworden, und Bruno, der uns all die Monate zusammengehalten hat, wird von der Gestapo gefoltert. Denn da wo das Rad hergestellt worden war, hat Bruno gearbeitet – und dort hatte er es gekauft. Darum ist mir bis heute, als hätte ich eine Spur gelegt! Sieben Jahre ist das her, seit ich über die Grenze aus Deutschland geflohen bin, und noch immer quält mich die Sache mit dem Fahrrad.“
Das Feuer war erloschen, und es war kühler jetzt in der Nacht. Hell strahlte das Kreuz des Südens im blauschwarzen Himmel. Ein Windhauch kam auf. In der Hütte, ausgestreckt auf unseren Strohsäcken, lauschten wir dem Rauschen der Blätter im Wind.
„Bist du noch wach?“, fragte Albert.
„Bin ich.“
„Diesen Brandsatz zu schleudern“, sagte er, „und dann einfach zu verschwinden … wo doch Umsicht und Weitblick zum Überleben gehörte.“
„Wer wird schon damit geboren“, sagte ich. „Das bringt doch erst die Erfahrung.“
„Mir zu spät“, erwiderte Albert dumpf, „viel zu spät!“
Die Frau war schlank und schön, mit braunen Augen und rötlichem Haar, und unnahbar schien sie mir bis hin zu dem Augenblick, als sie mit einem „Thanks ever so much“ den Buchladen verließ, wo wir über einen Gedichtband von D. H. Lawrence ins Gespräch gekommen waren – das Buch hatte ich ihr überlassen, kein zweites war zu haben gewesen, und erstaunt war ich, nicht wenig verwirrt, als ich sie auf der Straße auf mich warten sah – thanks ever so much …
Und dass wir bald danach gemeinsam zum fernen Sandringham aufgebrochen waren, einem Vorort von Melbourne am Meer, wo sie wohnte, war mir nach all den Monaten hinter Stacheldraht und den Wochen Plackerei auf der Obstplantage wie ein Märchen vorgekommen. Im Zug hatte sie mich nach meinem Namen gefragt, und ohne zu überlegen, nicht wirklich wissend warum, hatte ich mich mit John Williams vorgestellt und Ontario in Kanada als Heimatstadt genannt. Und mich sehr bald dafür verflucht – John Williams, Ontario, Kanada … wohin würde das führen? Wie kam ein Kanadier in die australische Armee? Es war schon ungewöhnlich genug, dass einer wie ich in dieser Armee war, deren Uniform trug und seit ein paar Tagen auf dem Rennplatz von Caulfield stationiert war …
Unter dem Dach ihrer schmucken Strandvilla in Sandringham blieb ich wortkarg und zurückhaltend, weil ich ahnte, die Lüge würde weitere nach sich ziehen, und erst in der Nacht, als sie mich zur Rede stellte – „Ontario, dear John, is a Canadian province, not a city … so why did you have to lie to me?“ –, hatte ich mich zu meiner wirklichen Herkunft bekannt. Mir war heiß geworden dabei, meine Lippen hatten zu beben begonnen, und aus Furcht vor neuen Verstrickungen, Vorurteilen gar, hatte ich zum Aufbruch gedrängt. I have to get back to my unit by midnight. Was stimmte und strikt zu befolgen war. Twentythree, fiftynine … Keine Minute später als eine Minute vor Mitternacht hatte ich mich wieder auf dem Rennplatz einzufinden. Doch ich war geblieben, war bei ihr geblieben, die sich merklich anders verhielt, seit sie die Wahrheit erfahren hatte, fraulich, mütterlich, und die ich fortan Helen nennen, die ich berühren, deren Wärme ich spüren, deren Duft ich atmen durfte – und die mich in dieser Nacht noch zu sich geholt, mir Arten der Liebe gezeigt hatte, bis all meine Bedenken in einem Strudel von Gefühlen untergegangen waren. Mit den Lippen, dem Schoß, in zärtlicher und stürmischer Umarmung hatte sie in mir verdrängt, was auf mich zukommen würde, dafür dass ich mich von der Truppe entfernt hatte. My dear boy, so there … come now, come to me! Fahnenflucht und Strafe waren abstrakte Begriffe, ließen mich gleichgültig, sie waren bedeutungslos geworden, ich fühlte mich nicht mehr dazugehörig, war kein Soldat mehr – nur dies hier war wirklich, in den Armen der Frau zum Mann werden, nichts sonst …
Und es traf mich hart, als sie mich am Abend vor der Heimkehr ihres Mannes, nach vierzehn Tagen, vierzehn Nächten, sanft, aber bestimmt des Hauses verwies. Now you must go, it was lovely, but you must go now, this had to end some day.
Meine Einheit, so stellte es sich heraus, hatte den Standort gewechselt, war ins ferne Queensland abkommandiert, und vor dem Rennplatz von Caulfield, wo ihre Zelte gestanden hatten, stand nur noch ein Posten, der mir Bescheid gab und vor der Militärpolizei warnte. Don’t let them catch you. Ich fuhr in die City, es war Nacht inzwischen, und ließ mich im Strom der Menschen aus dem Flinders Street Bahnhof treiben – Soldaten überall, australische, amerikanische, und unter ihnen keiner, der mich etwas anging. Glück im Unglück, dass auch die Militärpolizei mich übersah. Obdachlos unter Brücken, davon hatte ich gehört. Nun würde ich es erleben. Die Villa in Sandringham gab es nicht mehr, eine Helen Coster gab es nicht mehr. Now you must go … this had to end some day …
Es war Winter in Melbourne. Kalter Juniregen nieselte vom Himmel. Ziellos überquerte ich die Yarra Brücke hinterm Bahnhof, tauchte ein ins Dunkel der St. Kilda Road, das auch das Dunkel der Huren war, und dass ich mein Geld in der Tasche ließ, hatte nicht nur mit den vergangenen Nächten zu tun, sondern auch mit der Einsicht, dass mich in einem Bordell die Militärpolizei am ehesten aufgreifen würde. Aber wohin? Ob dachlos unter Brücken. Bläulich im Regen blinkten die Leuchtbuchstaben Y.M.C.A. über dem grauen Gebäude am Fluss. Mir war, als winkten sie – Young Mens Christian Association. Dort, wo sonst, würde ich unterkommen. Ich war Soldat, man würde mich nicht abweisen …
Doch die junge Frau am Empfang bedauerte – die Amerikaner seien in der Stadt und alle Zimmer belegt. Sie hielt inne. Mir schien, sie sann nach einem Ausweg. Durch die Scheiben der Flügeltüren sah ich nass unterm Regen die Straße am Park. Laternen spiegelten sich in den Pfützen. Die Frau lächelte mir zu. Ich hörte sie sagen: „In der Bibliothek steht ein Sofa …“
Wir fuhren im Fahrstuhl zum vierten Stock, gingen den Gang entlang zu der Tür mit dem Schild. Leise klirrten die Schlüssel, als sie aufschloss, und klirrten leise, als sie die Tür von außen versperrte. Es roch staubig, die Luft im Raum war abgestanden, doch der Lichtschein, der durch das Fenster auf die Bücherregale fiel, ließ längs der Wand gegenüber ein Sofa erkennen. Ich zog die Stiefel aus, legte mich lang, die Hände unterm Kopf. Unter mir fühlte sich das Leder kalt an, blieb lange kalt, und lange schlief ich nicht ein – Helen, dachte ich, Helen. Sie fehlte mir …
Fernab am nördlichen Pazifik lag der Umschlagplatz für Kriegsgut, das die Soldaten meiner Einheit aus Lagerschuppen auf Laster hieven mussten, und ich brauchte sechs Wochen, bis ich dorthin gelangte. Quer durch Victoria und New South Wales bis hin nach Queensland hatte ich trampen müssen, von Armeefahrzeugen auf Güterzüge war ich umgestiegen, zuletzt sogar auf einen Lazarettzug, und war stetig, wenn auch langsam, vorangekommen – einem versprengten Soldaten half damals jeder in Australien.
Zwar hatte der Posten vor dem Melbourner Rennplatz über die Entfernung keinen Zweifel gelassen – Maroochydore Mooloolaba: das klang wie ein Ort in einer anderen Welt, aber auch verheißungsvoll. Kaum einer, der mich auf der schier endlosen Reise mitgenommen hatte, wusste von dem Ort, und als ich dann an einem Montagmorgen unbemerkt vom Wachposten ins Armeelager vordrang, links eine Baracke, rechts die Zelte und dazwischen der Appellplatz, empfand ich das Ende meiner Suche wie eine Heimkehr. Was mir bevorstand, würde ich durchstehen – ich hatte gelebt, hatte erlebt, und nach der Strafe würde ich dazugehören, nicht länger ein Außenseiter sein. Schon jetzt war ich kein Landstreicher mehr, der nachts in Scheunen oder an Feldrändern schlief und tagsüber trampte – Armeefahrzeuge, Güterzüge, ein Lazarettzug. Damit hatte es ein Ende gehabt, als ich es im Hafen von Brisbane auf ein Postboot schaffte, das auf dem Weg nach Bundaberg war. In Maroochydore Mooloolaba würde man mich absetzen, und weil das am späten Morgen geschah, hatte ich das Lager erst erreicht, als meine Einheit schon zur Arbeit ausgerückt war.
Die Zelte standen leer, und der Appellplatz lag verlassen da. Nichts rührte sich ringsum. Nur aus der Baracke drang das Klappern von Schreibmaschinen. Ich hockte mich in den Schatten der Baracke, drehte mir eine Zigarette und hatte noch nicht ausgeraucht, da scheuchte mich eine barsche Stimme hoch.
„He, Sie – mal herkommen!“
Ein Sergeant war aufgetaucht und brüllte mich an. Ich ging zu ihm hin. Der Mann stand breitbeinig da, in blanken Stiefeln, die Daumen unterm Ledergürtel, das Gesicht überschattet vom breitkrempigen Hut, und musterte mich.
„Was, zum Teufel, treiben Sie hier?“
Ich nahm Haltung an und brachte vor, was ich mir in all den Wochen zurechtgelegt hatte.
„Blanker Wahnsinn“, hörte ich den Sergeanten sagen, es war, als traute er seinen Ohren nicht. „Glauben Sie bloß nicht, es ist damit getan, dass Sie das alles einfach so wegbeichten. In Melbourne auf der Strecke geblieben … eh? Mann Gottes, ich hör nicht richtig – oder etwa doch!“
Ich schwieg, machte mich aufs Schlimmste gefasst – Handschellen, Militärgericht und für ein paar Monate ab in den Bau. Ich nahm den Armeehut ab und hielt ihn dem Sergeanten hin. Der musterte mich nur weiter und rieb sich die Hakennase. Als er endlich wieder sprach, war ich es, der seinen Ohren nicht traute.
„Hut auf – und mal zugehört! Ich hab Sie nicht gesehen, und wie Sie ungeschoren am Posten vorbei ins Lager gekommen sind, will ich gar nicht erst wissen. Hauptsache, Sie rücken morgen mit den anderen zur Arbeit aus – kapiert?!“
„Ja, Sir.“
„Sergeant McPherson“, korrigierte er schroff. „William Guthrie McPherson. Den Sir schenken Sie sich.“ Er sah mich hart an. „Mann Gottes, mehr Glück als Verstand!“
Ich begriff, dass der Mann mich seit der Einmusterung nicht vermisst haben konnte und folglich mein Fehlen nicht gemeldet hatte.
„Werde mir wegen Ihnen keine Laus in den Pelz setzen“, ließ er mich wissen. Aus der Brusttasche holte er eine Liste und ging sie durch. „Tatsächlich! Mann Gottes, hatten Sie ein Glück!“
Trotz des herrischen Tons war spürbar, dass er sich in Bedrängnis wähnte.
„Von mir erfährt keiner was“, wagte ich zu sagen.
„Das“, entgegnete der Sergeant bedrohlich leise, „will ich Ihnen auch geraten haben. Und jetzt weggetreten – mir aus den Augen!“
Ich machte kehrt und suchte mir ein Zelt. Am nächsten Morgen reihte ich mich zur Arbeit ein, und es brauchte Sergeant McPhersons Blicke nicht, dass ich den Mund hielt und zu keinem ein Wort über meine letzten sechs Wochen sagte – Sergeant McPherson schwieg und ich schwieg.
Und das war gut für uns beide.
Plötzlich, wie seltsam, trug mir der Wind die Klänge erhabener Musik zu. Zwischen sanften braunen Hügeln und über Steppengras, wo Kängurus weideten, war ich – mit meiner Einheit vom nördlichen Australien nach Albury in New South Wales verlegt – an einem dienstfreien Sommertag zu den Ufern des Murray gelangt, und dort, im Schatten der Trauerweiden, erkannte ich, was ich hörte. Beethovens Eroica. Ich ging den Klängen nach, sie führten zu einem Pfad, der vom Fluss durch Unterholz in eine Lichtung mündete. Da sah ich ihn mit dem Rücken gegen den Stamm eines Eukalyptusbaumes vor einem schlichten Holzhaus sitzen, neben sich eines jener alten Die-Stimme-seines-Herrn-Grammofone mit Trichter und Handkurbel – selbst der kleine Hund fehlte nicht, ein Spitz. Der Mann war blass für einen Australier vom Lande, mit schm len Schultern, langarmig und langbeinig, und wie er da saß, wirkte er sensibel, verletzlich gar – Augen voller Sanftheit, ein weicher Mund und Haar so seidig, jeder Windhauch bewegte es. Er sprach mit gedämpfter Stimme. Was er zur Begrüßung sagte, prägte sich mir ein, auch, wie er es sagte. Sein Name sei Colin Cartwright, und es bedeute ihm viel, dass ich kenne, was da im Grammofon zu hören sei. Noch mehr bedeute es ihm, dass ich aus dem Geburtsland jenes großen Tonmeisters stamme, dazu noch im Rheinland, nicht weit von Bonn, aufgewachsen sei.
Von Hitlerdeutschland schien er nur begrenzte Vorstellungen zu haben – es war dort zum Krieg gerüstet worden, und nun war er ausgebrochen. Von den Verfolgungen, die all dem vorangegangen waren, konnte nur wenig zu ihm gedrungen sein. War nicht auch Menuhin Jude und Bruno Walter, und musizierten sie nicht immer noch in Deutschland? Nicht mehr, schon lange nicht – er nahm das zur Kenntnis, und es stimmte ihn nachdenklich.
Als ich erfuhr, dass er bei der Lokalzeitung als Korrektor aushalf, wunderte ich mich über so viel Weltfremdheit. Begriff er denn nicht, was er da korrigierte? Doch schon, versicherte er mir, vom Weltgeschehen aber sei in dem Blatt nicht viel zu finden, und es verlange ihn auch kaum danach. Was er mitbekam, genüge ihm und ich, der an dem Schicksal meiner Eltern litt und jeder Nachricht vom Verlauf des Krieges nachging, brachte dafür wenig Verständnis auf. Gleichzeitig aber erweckte seine Hingabe an deutsche Musik Vorstellungen von einem Deutschland lang vor meiner Zeit. Es tat mir gut, wie er die Namen Bach, Beethoven, Brahms sprach, und später, als ich erfuhr, dass er unheilbar krank war, verstand ich, warum er sich gegen Nachrichten über das Land des Schreckens abschottete, das Deutschland in jenen Jahren war.
Bach, Beethoven, Brahms – seit jener Begegnung traf ich niemanden mehr, dem diese Musik ein solcher Born von Hoffnung bedeutete. Und wenn immer ich an Colin Cartwright denke, höre ich, wie damals an den Ufern des Murray, Beethovens Eroica und folge im Geiste dem Pfad bis hin zu dem Holzhaus unterm Eukalyptusbaum.