Macunaíma – ein Kind des Urwalds, nach den Worten seines Schöpfers ein »sehr brasilianischer Brasilianer« – lebt zugleich in der Vergangenheit der Mythen wie in der Gegenwart der Moderne. Seine größte Tugend ist die Fähigkeit, ohne Arbeit durchs Leben zu kommen. Als ihn das Schicksal ins São Paulo der zwanziger Jahre führt, die Großstadt, in der alles von der Technik und von Maschinen beherrscht wird, ist seine erste Zuflucht ein Bordell, wo sich gleich drei Damen um sein Wohlbefinden kümmern. Doch Macunaíma macht keine Karriere in São Paulo. Er verläßt die Stadt enttäuscht und verstört, schon angesteckt mit den Krankheiten der Zivilisation. Auf der Suche nach seiner Kindheit kehrt er in den Urwald zurück, aber die Spuren sind verwischt, die Orientierung verloren.

 

Mário de Andrade hat mit diesem Roman – der auch verfilmt wurde – ein anhaltend herausforderndes Meisterwerk der modernen brasilianischen Literatur geschrieben.

 

Mário de Andrade, 1893 in São Paulo geboren, war einer der führenden Intellektuellen Brasiliens in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sein Gedichtband Paulicéia Desvairada (1922) und der Roman Macunaíma (1926) gehören zu den Hauptwerken des brasilianischen Modernismus. Er starb 1945 in São Paulo.

Mário de Andrade

MACUNAÍMA

Der Held ohne
jeden Charakter

 

Aus dem brasilianischen Portugiesisch
und mit einem Nachwort und einem Glossar
versehen von Curt Meyer-Clason

 

 

 

 

 

Suhrkamp

Die Originalausgabe erschien 1980 unter dem Titel
Macunaíma, o herói sem nenhum caráter,
17. Auflage von Band IV der Obras Completas de Mário de Andrade,
bei Livraria Martins Editoria in São Paulo.

 

 

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Erste Auflage 2013

© der deutschen Ausgabe Suhrkamp Verlag

Frankfurt am Main 1982

© Carlos A. de Andrade Camargo

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.

Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

 

eISBN 978-3-518-73022-5

www.suhrkamp.de

INHALT

I.

Macunaíma

II.

Mündigkeit

III.

Ci, Mutter des Urwalds

IV.

Boiúna Luna

V.

Piaimã

VI.

Die Französin und der Riese

VII.

Macumba

VIII.

Wei, die Sonne

IX.

Brief an die Icamiabas

X.

Pauí-Pódole

XI.

Die alte Ceiuci

XII.

Der fliegende Händler, der große Kuckuck und die Ungerechtigkeit der Menschen

XIII.

Jiguês Verlauste

XIV.

Muiraquitã

XV.

Die Schlächterei von Oibê

XVI.

Uraricoera

XVII.

Der Große Bär

 

Epilog

Glossar

Nachwort

Literaturangaben

 

 

MACUNAÍMA
Der Held ohne jeden Charakter

I
MACUNAÍMA

Tief im Urwald wurde Macunaíma geboren, Held unseres Volksstamms. Er war pechschwarz und Sohn der Nachtangst. Es gab einen Augenblick, da war die Stille, wenn man das Murmeln des Uraricoera hörte, so tief, daß die Indiofrau der Tapanhumas ein häßliches Kind gebar. Dieses Kind nannten sie Macunaíma.

Schon in der Kindheit tat Macunaíma Dinge zum Staunen. Zunächst vergingen mehr als sechs Jahre, bis er sprach. Wenn man ihn zum Sprechen anhielt, rief er:

»Ach! Diese Faulheit! …«

und sagte keinen Ton mehr. Blieb in der Ecke des Sippenhauses auf der Palmenpritsche hocken und sah der Arbeit der anderen zu, insbesondere seiner beiden Brüder, Maanape, schon ältlich, und Jiguê, in voller Manneskraft. Sein Lieblingsspiel war Blattschneiderameisen köpfen. Macunaíma lebte liegend, aber wenn er Geld sichtete, strampelte er sich ab, um einen Zwanziger zu ergattern. Er wurde auch wach, wenn die Familie im Fluß baden ging, alle zusammen und nackt. Er verbrachte die Badezeit mit Tauchen, und die Frauen stießen komische Kreischer aus wegen der Guaimun-Krebse, die angeblich dort im Süßwasserschlamm hausten. Wenn in der Mucambo-Hütte ein kleines Mädchen näher kam, um ihn zu streicheln, befingerte er ihre Reize, und das Mädchen entwich. Den Männern spuckte er ins Gesicht. Dafür achtete er die Alten und machte eifrig bei der Murua mit der Poracê dem Torê dem Bacorocô der Cucuicogue, bei all den religiösen Tänzen des Stammes.

Wenn es Schlafenszeit war, kletterte er in den kleinen Schaukelkorb, vergaß aber immer zu pinkeln. Da die Hängematte der Mutter unter der Wiege hing, pinkelte der Held warm auf die Alte herunter und verscheuchte nach Kräften die Mücken. Dann schlief er ein und träumte unanständige Wörter, schauderhafte Schweinigeleien, und verteilte Fußtritte in die Luft. Bei den Mittagsunterhaltungen der Frauen ging es immer um die Lumpereien des Helden. Die Frauen lachten gutmütig und sagten: »Stachel stichelt, Pimpling trägt schon Pint«, und bei einer Gesundbetung hielt König Nagô eine Ansprache und verkündete, der Held sei gescheit.

Er war kaum sechs Jahre alt, da gaben sie ihm Wasser in einer Viehschelle, und Macunaíma begann wie alle zu sprechen. Und er bat seine Mutter, sie solle das Maniokmahlen im Mörser lassen und ihn zu einem Spaziergang in den Urwald mitnehmen. Die Mutter wollte nicht, denn das Maniokmahlen konnte sie nicht aufgeben, nein. Macunaíma jammerte den ganzen Tag. Nachts weinte er weiter. Am nächsten Tag wartete er mit dem linken schlafenden Auge, daß die Mutter mit der Arbeit begänne. Dann bat er sie, sie möge damit aufhören, den Korb aus Guarumá-Membeca zu flechten, und ihn zum Spaziergang in den Urwald mitnehmen. Die Mutter wollte nicht, weil sie das Korbflechten nicht aufgeben konnte, nein. Und bat die Schwiegertochter, Jiguês Gefährtin, den Kleinen mitzunehmen. Jiguês Gefährtin war blutjung und hieß Sofará. Mißtrauisch näherte sie sich ihm, doch diesmal verhielt Macunaíma sich ganz still und befingerte niemandes Reize. Die junge Frau lud den Indiobuben auf den Rücken und ging bis zum Fuß des Aninga-Baums am Flußufer. Das Wasser war stehengeblieben, um in den Blättern der Javari-Palme ein köstliches Geklingel zu erfinden. Die Ferne war hübsch mit den vielen Biguás und Biguatingas, die am Eingang der Stromenge flatterten. Die junge Frau setzte Macunaíma am Strand ab, aber er jammerte los, es gäbe so viele Ameisen … und bat Sofará, sie solle ihn zum Abhang drinnen im Urwald tragen, und die Junge tat es. Doch kaum legte sie den Bengel in die Tiriricas, Tajás und Trapoerabas des Moderbodens, wuchs er im Handumdrehen und wurde ein wunderschöner Prinz. Sie gingen weit fort.

Als sie zum Sippenhaus zurückkehrten, sah es so aus, als sei die junge Frau vom langen Schleppen des Indiobuben auf dem Rücken sehr ermüdet. In Wirklichkeit hatte der Held ausgiebig mit ihr gespielt. Kaum hatte sie Macunaíma in die Hängematte gelegt, kam schon Jiguê vom Fischen mit dem Keschernetz, und seine Gefährtin hatte nichts gearbeitet. Jiguê wurde wütend, und nachdem er sich die Zecken vom Leib gekratzt hatte, verpaßte er ihr eine Tracht Prügel. Sofará steckte die Dresche ein und gab keinen Laut von sich.

Jiguê hegte keinen Argwohn und begann mit Curauá-Fasern einen Strick zu flechten. Er war nämlich auf die frische Fährte eines Tapirs gestoßen und wollte das Tier in der Falle fangen. Macunaíma bat den Bruder um ein Stück Curauá-Faser, aber Jiguê sagte, das sei kein Spielzeug für Kinder. Macunaíma heulte wieder los, und die Nacht ging für alle recht mühsam vorüber.

Am nächsten Tag stand Jiguê früh auf, um die Falle zu stellen, und als er den Kleinen so traurig sah, sprach er:

»Guten Morgen, Allerweltsherzchen.«

Aber Macunaíma blieb stumm und brummig.

»Willst du nicht mit mir reden, was?«

»Mir geht’s schlecht.«

»Weshalb denn?«

Nun bat Macunaíma um Curauá-Faser. Jiguê warf ihm einen haßerfüllten Blick zu und hieß die Gefährtin ihm Fasern bringen, die Junge tat es. Macunaíma dankte und ging zum Kultplatzvater mit der Bitte, ihm einen Strick zu flechten und dicken Tabaksrauch darüber zu blasen.

Als alles fertig war, bat Macunaíma die Mutter, sie solle den Zuckerrohrsaft gären lassen und ihn zum Spaziergang in den Urwald führen. Die Alte konnte wegen der Arbeit nicht, aber Jiguês Gefährtin sagte zur Schwiegermutter, sie »stehe zu Diensten«. Und ging in den Urwald, den Indiobuben auf dem Rücken.

Als sie ihn auf den Carurus und Sororocas des Moderbodens absetzte, wuchs und wuchs der Kleine und wurde ein bildschöner Prinz. Er sagte zu Sofará, sie solle ein Weilchen warten, er käme gleich wieder, um mit ihr zu spielen, und ging zur Tapirtränke, um eine Schlinge zu legen. Kaum waren sie gegen Abend vom Spaziergang zurückgekehrt, kam auch schon Jiguê daher, der gleichfalls seine Falle auf der Tapirfährte gelegt hatte. Die Gefährtin hatte nichts gearbeitet. Jiguê wurde rasend vor Wut, und bevor er sich die Zecken vom Leib kratzte, gab er ihr eine gehörige Tracht Prügel. Aber Sofará hielt die Hiebe geduldig aus.

Am nächsten Tag hatten die Sonnenstrahlen noch nicht die Baumwipfel erreicht, da weckte Macunaíma alle und vollführte einen Höllenlärm, sie sollten! sie sollten zur Tränke gehen und das Tier holen, das er gejagt hatte! … Aber niemand glaubte ihm, und alle begannen mit ihrem Tagewerk.

Macunaíma war tief verärgert und bat Sofará, sie möge doch einmal kurz zur Tränke gehen, nur um nachzusehen. Die Junge tat es, kam zurück und sagte zu allen, tatsächlich, ein sehr großer toter Tapir hänge in der Schlinge. Der ganze Stamm ging das Tier holen und grübelte über die Gescheitheit des Bengels nach. Als Jiguê mit dem leeren Curauá-Strick ankam, fand er alle mit der Beute beschäftigt und half mit. Und als es zur Verteilung kam, gab er Macunaíma kein Stückchen Fleisch ab, nur Eingeweide. Der Held schwor Rache.

Am nächsten Tag bat er Sofará, sie möge ihn spazierenführen, und sie blieben im Urwald bis zum Einbruch der Nacht. Kaum hatte der Kleine das Bodenlaub berührt, wurde er ein feuriger Prinz. Sie spielten. Nachdem sie das Spiel dreimal gespielt hatten, rannten sie in den Urwald hinein und liebkosten einander. Nachdem sie knutschend geschmust hatten, liebkosten sie sich kitzelnd, dann gruben sie sich in den Sand ein, danach brannten sie sich mit Strohfeuer, das waren neckische Spielereien. Macunaíma packte einen Copaíba-Stamm und versteckte sich in einem Piranha-Loch. Als Sofará angerannt kam, schlug er sie mit dem Stamm auf den Kopf. Er brachte ihr eine Wunde bei, daß das Mädchen, sich vor Lachen krümmend, zu seinen Füßen fiel. Sie zog ihn an einem Bein. Macunaíma stöhnte vor Lust und klammerte sich an den riesigen Stamm. Nun schnappte die Junge seinen großen Zeh mit dem Mund und verschlang ihn. Macunaíma weinte vor Freude und tätowierte ihren Leib mit dem Blut des Fußes. Dann spannte er seine Muskeln, schwang sich auf ein Lianentrapez und erreichte in Sekundenschnelle springend den nächsten Ast der Piranheira. Sofará kletterte hinterher. Der zarte Zweig bog sich schwankend unter dem Gewicht des Prinzen. Als die Junge gleichfalls auf der Krone angelangt war, spielten sie von neuem miteinander, im Himmel schaukelnd. Nach dem Spiel wollte Macunaíma schmusen. Mit einem heftigen Ruck bog er seinen ganzen Leib, konnte sich aber nicht halten, der Ast brach, und beide stürzten holterdiepolter hinunter, bis sie zerschunden am Boden liegenblieben. Als der Held wieder zu sich kam, suchte er die Junge ringsum, doch sie war nicht zu sehen. Er wollte sich aufraffen, um sie zu suchen, doch vom untersten Ast dicht über ihm zerriß das schreckenerregende Fauchen des Suçuarana-Jaguars die Stille. Der Held streckte vor Angst alle viere von sich und schloß die Augen, um gefressen zu werden, ohne es mitansehen zu müssen. Nun wurde leises Lachen vernehmbar, und auf Macunaímas Brust klatschte Auswurf, das war die Junge. Macunaíma bewarf sie mit Steinen, und wenn er sie traf, schrie Sofará vor Erregung auf und tätowierte seinen Körper unter ihr mit dem verspritzten Blut. Schließlich ritzte ein Stein den Mundwinkel der Jungen und schlug ihr drei Zähne aus. Sie sprang vom Ast und Juchhe! landete in Hockstellung auf dem Bauch des Helden, der, vor Vergnügen heulend, sie mit dem ganzen Körper umfing. Und wieder spielten sie.

Schon leuchtete der Stern Papaceia am Himmel, als die junge Frau vom langen Schleppen des Indiobuben auf dem Rücken totmüde aussah. Doch der mißtrauische Jiguê war den beiden in den Urwald gefolgt, hatte die Verwandlung und alles übrige miterlebt. Jiguê war sehr dumm. Er war wütend. Er packte einen Gürteltierschwanz und hieb damit lustvoll auf den Hintern des Helden ein. Sein Gebrüll war so laut, daß es die Dauer der Nacht verkürzte, und viele Vögel fielen vor Schrecken zu Boden und verwandelten sich in Steine.

Als Jiguê des Prügelns müde war, lief Macunaíma zur Waldlichtung, kaute Distelwurzeln und kehrte gesund heim. Jiguê führte Sofará zu ihrem Vater zurück und schlief friedlich in der Hängematte ein.

II
MÜNDIGKEIT

Jiguê war strohdumm, und am nächsten Tag erschien er und zog ein Mädchen an der Hand. Das war seine neue Gefährtin mit Namen Iriqui. Sie trug immer eine lebende Ratte im Haarknoten und putzte sich eifrig heraus. Sie bemalte sich das Gesicht mit Araraúba und Genipapo und wischte jeden Morgen mit einer Açai-Schale über die Lippen, daß sie ganz blaurot wurden. Dann rieb sie mit Cayenne-Zitrone darüber, und ihre Lippen wurden hochrot. Danach hüllte Iriqui sich in einen Baumwollumhang mit Streifen von Acariúba-Schwarz und Tatajuba-Grün und verlieh ihrem Haar mit Umiri-Essenz Wohlgeruch, sie war schön.

Als nun alle Macunaímas Tapir verzehrt hatten, schlug Hunger die Mucambo-Hütte. Jagen, niemand jagte mehr, nicht einmal ein Gürteltierweibchen tauchte auf!, und da Maanape einen Boto-Delphin fürs Essen geschlachtet hatte, wurde der Cunauru-Kröterich namens Maraguigana, Vater des Delphin, furchtbar wütend. Er sandte das Hochwasser, und das Maisfeld faulte. Sie aßen alles, sogar die harten Essensreste gingen aus, und auf dem Herd röstete Tag und Nacht nichts mehr, nein, er brannte nur als Heilmittel gegen die einfallende Kälte. Die Leute hatten nicht einmal mehr ein Stückchen Trockenfleisch zum Braten.

Nun wollte Macunaíma ein wenig Vergnügen haben. Er sagte zu den Brüdern, es gäbe ja noch viel Piaba, viel Jeju, viel Matrinchão und Jatuaranas, all die Fische im Fluß, sie sollten doch mit Timbó-Zweigen aufs Wasser schlagen! Maanape sprach:

»Man findet keinen Timbó mehr.«

Macunaíma, voller Scheinheiligkeit, erwiderte:

»Bei der Grotte, wo Geld vergraben liegt, habe ich haufenweise Timbós gesehen.«

»Dann komm mit und zeig uns, wo es ist.«

Sie gingen. Das Ufer war trügerisch, und man konnte schwer erkennen, wo Land war und wo Fluß zwischen dem dichten Laubwerk der Mamoranas. Maanape und Jiguê suchten verschlammt bis zu den Zähnen und rutschten Juchhe! in die von der Überschwemmung verborgenen Lehmgruben. Spring-sprangen und befreiten sich brüllend aus den Löchern, die Hände nach hinten gestreckt wegen der tückischen Candirus, die ihnen in den Hintern dringen wollten. Macunaíma lachte insgeheim, als er die Brüder bei ihrer Timbó-Suche Affengrimassen schneiden sah. Er tat, als suche er mit, machte aber keinen Schritt, nein, und blieb schön trocken auf dem sicheren Erdboden stehen. Als die Brüder dicht an ihm vorüberkamen, kauerte er sich nieder und stöhnte vor Müdigkeit.

»Stell dich nicht so an, Bub!«

Nun setzte Macunaíma sich an den Flußhang und verscheuchte die Mücken durch Fußtritte ins Wasser. Es waren viele Moskitos, zottige gefräßige bauchige haarige spitze schwammige wanstige mollige pausbäckige, die ganze Mückenplage.

Als es auf den Abend ging, holten die Brüder Macunaíma, aufgebracht, weil sie auf keinen Timbó-Stamm gestoßen waren. Der Held bekam es mit der Angst und fragte scheinheilig: »Habt ihr was gefunden?«

»Von wegen gefunden!«

»Ich habe doch gleich hier einen Timbó gesehen. Einmal schon war Timbó ein Mensch genau wie wir … Dann merkte er, daß man hinter ihm her war, und da hat er sich davongemacht. Timbó war einmal Mensch genau wie wir …«

Die Brüder verwunderten sich über die Gescheitheit des Kleinen und kehrten zu dritt ins Sippenhaus zurück.

Macunaíma war sehr verärgert, denn er war hungrig. Am nächsten Tag sprach er zur Alten:

»Mutter, wer trägt unser Haus zum anderen Flußufer auf die Anhöhe, wer trägt es, wer? Mach die Augen ein Weilchen zu, Alte, und frag’ so!«

Die Alte tat’s. Macunaíma bat, sie solle die Augen geschlossen halten, und schleppte Hütte Brennholz Pfeile Ballen Quersäcke Fässer Körbe Hängematten, kurz den gesamten Hausrat in eine Waldlichtung auf dem Hang der anderen Flußseite. Als die Alte die Augen öffnete, war alles drüben und dazu Wildpret, Fische, tragende Bananenstauden, eine Fülle an Eßbarem. Nun ging sie Bananen schneiden.

»Verzeihen Sie die Frage, Mutter, warum reißt die Senhora so viele Früchte ab?«

»Um sie eurem Bruder Jiguê mit der schönen Iriqui zu bringen und eurem Bruder Maanape, die Hunger leiden.«

Macunaíma verdroß das sehr. Er dachte nach, dachte nach und sprach zur Alten:

»Mutter, wer trägt unser Haus aufs andere Flußufer ins Sumpfige, wer macht es, wer? Frag mal so!«

Die Alte tat’s. Macunaíma bat, sie solle die Augen geschlossen halten, und trug all die Lasten, alles zu dem Platz auf dem überschwemmten Schlammgrund, auf dem sie schon heute waren. Als die Alte die Augen öffnete, stand alles wieder am bisherigen Platz in der Nachbarschaft der Strohhütten von Bruder Maanape und Bruder Jiguê mit der schönen Iriqui. Und wieder grunzten alle vor Hunger.

Nun bekam die Alte eine teuflische Wut. Sie nahm den Helden auf den Arm und machte sich fort. Durchquerte den Urwald und gelangte zu einer großen Rodung mit Namen Judasjenseits. Sie marschierte eineinhalb Léguas lang, sie sah keinen Busch mehr, es war eine ebene Fläche, nur bewegt vom Gehüpf wilder Cajú-Bäume. Kein Kazik-Stärling belebte die Einsamkeit. Die Alte stellte den Bengel aufs Feld, wo er nicht mehr wachsen konnte, und sprach:

»Jetzt geht Eure Mutter fort. Und du bleibst auf dem Flachland und kannst nicht mehr wachsen.«

Und entschwand. Macunaíma besah sich die Einöde und fühlte, daß er weinen müsse. Aber niemand war da, daher weinte er nicht, nein. Machte sich Mut, setzte den Fuß auf die Straße und schlotterte auf seinen Säbelbeinchen. Strolchte eine Woche lang von einem Ende der Welt zum anderen, bis er auf den Currupira stieß, der gerade Fleisch briet, begleitet von seinem Hund Honigfresser. Der Currupira wohnt auf dem Stumpen der Tucunzeiro-Palme und bettelt die Leute um Tabak an. Macunaíma sprach:

»Großvater, gibst du mir von deiner Jagdbeute zu essen?«

»Ja«, machte Currupira.

Er schnitt Fleisch von der Keule, briet es, gab’s dem Kleinen und fragte:

»Was machst du denn auf dem Rodeland, Junge!«

»Spazierengehen.«

»Na so was!«

»Klar, ich gehe spazieren …«

Dann erzählte er von der Strafe seiner Mutter, weil er böse zu seinen Brüdern gewesen sei. Und als er von der Beförderung des Hauses auf die Seite, wo es keine Jagdbeute gab, berichtete, lachte er schallend heraus. Der Currupira blickte ihn an und brummte:

»Du bist kein kleiner Junge mehr, Junge, du bist kein kleiner Junge mehr, nein … Nur Erwachsene machen so was …«

Macunaíma dankte ihm und bat den Currupira, ihm den Weg zur Mucambo-Hütte der Tapanhumas zu weisen. Der Currupira war aber begierig, den Helden zu essen, und wies ihn falsch: »Du gehst hier herum, Kleiner-Mann, hier herum, dort vorn an dem Baum vorbei, biegst links ab, machst eine Drehung, kehrst unter meinen Uaiariquinizês um.«

Macunaíma führte die Drehung aus, aber als er vor dem Baumstamm stand, kratzte er sich am Beinchen und murmelte: »Ach! Diese Faulheit! …«

und ging geradeaus weiter.

Der Currupira wartete eine ganze Weile, aber der Bengel kam nicht … Dann bestieg das Ungeheuer den Hirsch, der ihm als Pferd diente, stieß den runden Fuß in die Weichteile des Renners, und auf ging’s mit Gebrüll:

»Fleisch von meiner Keule! Fleisch von meiner Keule!«

Drinnen im Bauch des Helden antwortete das Fleisch:

»Was ist los?«

Macunaíma beschleunigte den Schritt und lief in die Buschsteppe hinein, aber der Currupira lief rascher und rückte dem Kleinen, rückte ihm immer dichter aufs Fell.

»Fleisch von meiner Keule! Fleisch von meiner Keule!«

Das Fleisch erwiderte:

»Was ist los?«

Der Indiobub war verzweifelt. Es war der Hochzeitstag des Fuchses, und die alte Wei, die Sonne, blitzte in den Regentröpfchen, die Maiskornlichter vertröpfelten. Manunaíma gelangte an einen Tümpel, trank Schlammwasser und spie das Fleisch aus.

»Fleisch von meiner Keule! Fleisch von meiner Keule!« schrie der Currupira.

»Was ist los?« erwiderte das Fleisch schon im Tümpel.

Macunaíma erreichte das Amarantgesträuch auf der anderen Seite und entwischte.

Eineinhalb Léguas weiter hinter einem Ameisenhügel hörte er eine Stimme, die sang:

»Acuti raucht Hanf …« Langsam.

Er ging hin und stieß auf die Koati-Nasenbärin, die Maniok in einem Tipiti aus Jacitara-Palmfaser mahlte.

»Meine Großmutter, gibst du mir Maniokbrei zu essen?«

»Ja.« Die Koati tat’s. Gab dem Kleinen Maniokbrei zu essen und fragte:

»Was tust du in der Buschsteppe, mein Enkel?«

»Spazierengehen.«

»Wie bitte?«

»Spazierengehen, was sonst!«

Er erzählte, wie er den Currupira hinters Licht geführt habe, und lachte schallend. Die Nasenbärin blickte ihn an und brummte:

»Ein kleiner Junge tut das nicht, mein Enkel, ein Junge tut so was nicht … Ich will deinen Leib deinem Grips angleichen.«

Nun packte sie den mit maniokvergifteter Brühe gefüllten Trog und schüttete das Waschwasser auf den Buben. Macunaíma sprang erschrocken zur Seite, konnte aber nur den Kopf retten, der ganze übrige Körper wurde naß. Der Held nieste und gewann Körperfülle. Er wuchs, wurde stark und mächtig wie ein ausgewachsener Mann. Aber der nicht naß gewordene Kopf blieb für immer kindisch und behielt sein ekliges Bubenfrätzchen.

Macunaíma dankte für die Wundertat und flitzte davon und sang der heimatlichen Mucambo-Hütte entgegen. Die Nacht kam käfrig und ließ die Ameisen in die Erde kriechen und lockte die Mücken aus dem Wasser. In der Luft herrschte Nesthitze. Die Alte vom Stamme der Tapanhumas hörte die Stimme ihres Sohnes in der aschgrauen Ferne und erschrak. Macunaíma erschien mit mürrischer Miene und sprach zu ihr: »Mutter, ich habe geträumt, ein Zahn sei mir ausgefallen.«

»Das ist der Tod eines Verwandten«, bemerkte die Alte.

»Ich weiß. Die Senhora lebt nur noch eine Sonne lang. Und zwar, weil sie mich geboren hat.«

Am nächsten Tag gingen die Brüder fischen und jagen, die Alte ging aufs Feld, und Macunaíma blieb mit Jiguês Gefährtin allein. Nun verwandelte er sich in die Ameise Quenquém und biß Iriqui, als Liebkosung. Aber die Junge schleuderte die Quenquém weit fort. Nun verwandelte Macunaíma sich in einen Orleansbaum. Die schöne Iriqui lachte, sammelte die Samenkerne auf und putzte sich heraus, Gesicht und Reize bemalend. Sie wurde bildschön. Nun verwandelte Macunaíma sich vor lauter Lust wieder in einen Menschen und wohnte Jiguês Gefährtin bei.

Als die Brüder von der Jagd zurückkehrten, bemerkte Jiguê den Tausch sofort, aber Maanape sagte zu ihm, jetzt sei Macunaíma für immer Mann und ausgewachsen. Maanape war Zauberer. Jiguê sah, daß das Sippenhaus angefüllt war mit Nahrungsmitteln, es gab Bananen, es gab Mais es gab Süßmaniok, es gab Reiswein und Cachiri, es gab Maparás und frischgefischte Camorins, Maracujá-Milch, Ata- und Abiofrüchte Breiäpfel und -äpfelchen, es gab Hirschgehacktes und frisches Aguti-Fleisch, all die guten Eß- und Trinkwaren … Jiguê fand, es lohne nicht die Mühe, mit dem Bruder zu streiten, und überließ ihm die schöne Iriqui. Tat einen Seufzer, kratzte sich die Zecken ab und schlief faul in der Hängematte ein.

Am nächsten Tag spielte Macunaíma frühmorgens mit der schönen Iriqui und ging dann eine Runde drehen. Er durchquerte das Zauberreich vom Schönen Stein in Pernambuco, und als er zur Stadt Santarém gelangte, stieß er auf eine Hirschkuh, die geworfen hatte.

Die jage ich, dachte er. Und verfolgte die Hirschkuh. Sie entwich behende, aber es gelang dem Helden, ihr Junges zu fangen, das noch kaum gehen konnte, er verbarg sich hinter einer Carapanaúba und brachte das Junge durch Kitzeln zum Bellen. Die Hirschkuh geriet außer sich, preßte die Augen heraus, blieb verstört stehen und kam gelaufen, kam gelaufen, blieb, vor Liebe weinend, stehen. Nun erlegte der Held die Hirschkuh, die geworfen hatte, durch einen Pfeilschuß. Sie stürzte, strampelte kurz und blieb ausgestreckt starr auf dem Erdboden liegen. Der Held sang Sieg. Schlich an die Hirschkuh heran, blickte, blickte, schrie und verlor das Bewußtsein. Das war Anhangás Werk … Es war keine Hirschkuh gewesen, nein, es war seine eigene Tapanhumas-Mutter gewesen, die Macunaíma mit einem Pfeilschuß getötet hatte und die tot dalag, ganz zerkratzt von den Stacheln der Titara-Palmen und Buschkakteen.

Als der Held aus seiner Ohnmacht zu sich kam, rief er die Brüder herbei, und die drei hielten laut weinend Nachtwache, tranken Palmwein und aßen fischgefüllte Maniokklößchen. Frühmorgens legten sie den Leib der Alten in eine Hängematte und begruben sie unter einem Stein an einem Ort namens Ameisenvater. Maanape, hervorragender Catimbó-Zauberer, schnitt den Grabspruch ein. Er sah so aus:

 

 

Sie fasteten während der vorgeschriebenen Zeitspanne, und Macunaíma verbrachte die Fastenzeit mit heldenhaften Klagen. Der Bauch der Toten schwoll und schwoll, und am Ende der Regenzeit war er ein sanfter Hügel geworden. Nun gab Macunaíma Iriqui die Hand, Iriqui gab Maanape die Hand, Maanape gab Jiguê die Hand und die vier zogen in die Welt.

III
CI, MUTTER DES URWALDS

Eines Tages wanderten die vier auf einem Weg im Urwald und litten furchtbaren Durst, fern von den Sümpfen und Lagunen. Nicht einmal eine Imbu-Frucht war im weiten Umkreis zu sehen, und Wei, die Sonne, deren Strahlen durchs Laubwerk sickerten, peitschte ohne Unterlaß die Lenden der Wanderer. Sie schwitzten wie bei einer Gesundbetung, wo alle ihre Körper mit Piquiá-Öl einrieben, und marschierten. Plötzlich blieb Macunaíma stehen und zerriß die Nacht des Schweigens mit einer gewaltig warnenden Gebärde. Die anderen standen starr. Nichts war zu hören, aber Macunaíma flüsterte:

»Da ist was.«

Sie ließen die schöne Iriqui auf einer Kapokwurzel sitzen, damit sie sich aufputzen konnte, und rückten vorsichtig vor. Schon war Wei es müde, die Lenden der drei Brüder zu peitschen, als nach eineinhalb Léguas der Späher Macunaíma auf ein schlafendes Mädchen stieß. Es war Ci, die Mutter des Urwalds. An ihrer rechten dürren Brust sah er sofort, daß das Mädchen dem Stamm der einsamen Frauen angehörte, die an den Stränden der vom Nhamundá gespeisten Lagune Mondspiegel wohnten. Das Mädchen war schön mit ihrem vom Laster ausgelaugten, genipapogefärbten Leib.

Der Held warf sich auf sie, um mit ihr zu spielen. Ci wollte nicht. Sie machte eine Lanze aus ihrem Dreizackpfeil, während Macunaíma sein Buschmesser zog. Ein schreckliches Handgemenge entstand, und unter den Laubkronen hallten die Schreie der Kämpfenden wider, von denen die Vögel angstvoll verkümmerten. Der Held mußte manches einstecken. Er hatte bereits einen bluttreibenden Hieb auf die Nase erhalten und einen tiefen Messerstich ins Gesäß. Die Icamiaba hatte keinen Kratzer abbekommen, und jeder ihrer Handstreiche forderte neues Blut vom Körper des Helden, der furchterregendes Geheul ausstieß, vor dem die Vögel angstvoll verkümmerten. Schließlich, mit seinen Kräften am Ende, ergriff der Held die Flucht und rief nach seinen Brüdern:

»Helft mir, sonst töte ich! Helft mir, sonst töte ich!«

Die Brüder kamen und packten Ci. Maanape verschränkte ihr die Arme auf dem Rücken, während Jiguê ihr mit seinem federgeschmückten Häuptlingsspeer einen Schlag auf den Schädel versetzte. Hilflos sank Icamiaba ins Farnkraut des Moderbodens. Als sie regungslos dalag, schlich sich Macunaíma heran und spielte mit der Mutter des Urwalds. Nun kamen viele Sittiche, viele rote Aras, Tuins, Coricas, Wellensittiche, viele Papageien begrüßten Macunaíma, den neuen Kaiser des Jungfräulichen Waldes.

Und die drei Brüder wanderten mit der neuen Gefährtin weiter. Sie durchquerten die Stadt der Blumen, umgingen den Fluß der Bitternisse, schritten unter dem Wasserfall des Glücks hindurch, schlugen die Straße der Freuden ein und gelangten zur Waldinsel Meiner Liebe, die auf den Hügeln von Venezuela liegt. Dort errichtete Macunaíma seine Herrschaft über die geheimnisvollen Urwälder, während Ci die Frauen, dreigezackte Messer schwingend, bei Überfällen anführte.

Der Held lebte sorgenlos. Er verbrachte seine Tage behaglich in der Hängematte, schlug Taioca-Ameisen tot, schlürfte schmatzend Maniokbier, und wenn er, zur Begleitung auf dem Cotcho, der kleinen Gitarre, klimpernd, ein Lied anstimmte, hallten die Wälder sanft wider und schläferten die Kobras ein, die Zecken, die Mücken die Ameisen und die bösen Gottheiten.

Abends kam Ci, nach Baumharz duftend, von Zweikämpfen blutend, und kletterte in die Hängematte, die sie selbst aus Haargarn gewirkt hatte. Die beiden spielten, und hinterher lachten sie einander zu.

Sie lachten lange, eng aneinandergeschmiegt. Cis Arom war so bezwingend, daß Macunaíma von Trägheit schwindelig wurde. »Donnerwetter! Wie du riechst, Liebling!« murmelte er genießerisch. Und weitete seine Nasenflügel noch mehr. Ein so mächtiges Schwindelgefühl befiel ihn, daß der Schlaf an seinen Lidern zu zupfen begann. Aber die Mutter des Urwalds war noch nicht befriedigt und lud den Gefährten mit einem Ruck der Hängematte, die beide umhüllte, zu neuem Spiel ein. Halbtot vor Schläfrigkeit, teufelstoll, spielte Macunaíma, um nicht seinen Ruf Lügen zu strafen, doch als Ci ein befriedigtes Lächeln von ihm forderte, seufzte der Held überdrüssig.

»Ach! Diese Faulheit! …«

Und drehte ihr den Rücken zu und schlief fest ein.

Aber Ci wollte immer weiterspielen … Lud ihn ein, lud ihn ein … Der Held in tiefen Schlaf versunken. Nun packte die Mutter des Urwalds den Dreizack und stach auf den Gefährten ein. Macunaíma erwachte, krümmte sich von dem Gekitzel und lachte schallend.

»Tu das nicht, Schamlose!«

»Tu ich!«

»Laß einen doch schlafen, Liebes …«

»Wir wollen doch spielen.«

»Ach! Diese Faulheit! …«

Und sie spielten noch einmal.

Doch an den Tagen großen Maniokbierverbrauchs fand Ci den Kaiser des Jungfräulichen Waldes von einem Riesenbesäufnis fortgeschwemmt. Sie begannen zu spielen, und der Held vergaß alles mitten drin.

»Nanu, Held?«

»Nanu was!«

»Machst du nicht weiter?«

»Was weiter!«

»Zum Teufel, meine Sünden, man ist beim Spielen, und du hörst mitten drin auf!«

»Ach! Diese Faulheit! …«

Macunaíma war so bekümmert, daß er kaum denken konnte. Und eine weiche Stelle in der Gefährtin Haar suchend, schlief er glückselig ein.

Um ihn zu beleben, wandte Ci nun die höchste List an. Sie suchte im Busch die Feuerblätter der Brennessel und geißelte mit Juckgekitzel den Chuí des Helden und ihre eigene Nalachítchi. Und Macunaíma wurde zu einem geilen Löwen. Ci auch. Und die beiden spielten und verstiegen sich zu Ausschweifungen wundersamer Raserei.

Doch in schlaflosen Nächten wurde die Genußsucht noch erfinderischer. Wenn alle entzündeten Sterne auf die Erde so heißes Öl träufelten, daß niemand es mehr vor Hitze aushielt, lief etwas wie Feuersbrunst durch den Busch. Auch die Vogelschar hielt’s nicht mehr in den Nestern aus. Rastlos drehten sie die Hälse, flatterten auf die vordersten Äste und erfanden als gewaltigstes Wunder dieser Welt flugs ein schwarzes Morgenlied und singsangen, daß es kein Ende nahm. Der Lärm war ohrenbetäubend, der Geruch überwältigend und die Hitze noch viel mehr.

Mit einem Mordsstoß schleuderte Macunaíma Ci in hohem Bogen aus der Hängematte. Blitzwütend erwachte sie und fiel über ihn her. Und so spielten sie. Und von Begierde ganz erwacht, erfanden sie neue Künste des Spiels.

Es waren noch keine sechs Monate vergangen, da gebar die Mutter des Urwalds einen roten Sohn. Das sahen berühmte Mulattinnen aus Bahia, aus Recife, aus Rio Grande do Norte und aus Paraíba und schenkten der Mutter des Urwalds ein bösfarbenes blutrotes Lasso, denn nun war sie Meisterin des roten Stricks bei allen Hirtenfesten der Weihnacht. Dann zogen sie vergnügt und fröhlich ab, tanzten und tanzten, gefolgt von Fußballern, Schlaubergern, kleinen Liebchen, Serenadenmusikanten, die ganze Jeunesse dorée. Macunaíma ruhte den vorgeschriebenen Monat aus, weigerte sich aber zu fasten. Der Säugling hatte einen flachen Schädel, und Macunaíma machte ihn noch flacher, indem er ihn alle Tage klopfte, und sprach zu dem Knirps:

»Mein Sohn, wachse rasch, damit du nach São Paulo gehen und viel Geld verdienen kannst.«