Inhalt

  1. Cover
  2. Weitere Titel der Autorin
  3. Über die Autorin
  4. Titel
  5. Impressum
  6.   7. August, Donnerstag
  7.   8. August, Freitag
  8.   9. August, Samstag
  9. 10. August, Sonntag
  10. 11. August, Montag
  11. 12. August, Dienstag
  12. 13. August, Mittwoch
  13. 14. August, Donnerstag
  14. 15. August, Freitag
  15. 16. August, Samstag
  16. 18. August, Montag
  17. 19. August, Dienstag
  18. 20. August, Mittwoch
  19. 21. August, Donnerstag
  20. 22. August, Freitag
  21. 23. August, Samstag
  22. 24. August, Sonntag
  23. 25. August, Montag
  24. 26. August, Dienstag
  25. 30. August, Samstag
  26. 31. August, Sonntag
  27.   1. September, Montag
  28.   2. September, Dienstag
  29.   4. September, Donnerstag
  30.   5. September, Freitag
  31.   7. September, Sonntag
  32.   8. September, Montag
  33. 12. September, Freitag
  34. 13. September, Samstag
  35. 14. September, Sonntag
  36. 15. September, Montag
  37. 16. September, Dienstag
  38. 17. September, Mittwoch
  39. 18. September, Donnerstag
  40. 19. September, Freitag
  41. 22. September, Montag
  42. Danksagung

Weitere Titel der Autorin

Jungs, meine Mutter und der ganze andere Mist

Jung sind Idioten. Mädchen auch.

Über die Autorin

Yvonne Struck, geboren 1976 in Lübeck, war nach ihrem Diplom in Biologie mehrere Jahre Studienleiterin für Patientenbefragungen in Hamburg. Seit 2007 arbeitet sie als freie Autorin. Jungs, meine Mutter und der ganze andere Mist war ihr erstes Jugendbuch.

Yvonne Struck

Der blödeste
Junge

der Schule
und ich

Mit Illustrationen
von Carolin Dendorfer

7. August, Donnerstag

7:56 Uhr

Alle in der Klasse lachen, grölen und kreischen durcheinander. Wie immer, wenn noch kein Lehrer da ist. Lea und Lisa zwei Plätze weiter tuscheln und kichern – wahrscheinlich erzählen sie sich ihre ganzen Sommerferien.

Und ich? Ich hocke auf meinem Platz zwischen Fis leerem Stuhl und der Wand und habe die Stifte in meinem Etui schon dreimal umsortiert.

7:57 Uhr

Plötzlich steht ein Neuer in der Klassentür. So ein pseudocooler Typ mit viel zu viel Haargel.

»Ähm … hi«, murmelt er. Aber das geht im Klassenlärm komplett unter.

Der Typ sieht sich ratlos um.

»Hi!«, ruft er dann mindestens fünf Stufen lauter. »Ist das hier die 8c?«

Immer mehr Köpfe drehen sich zu ihm, aber keiner antwortet. Vielleicht sollte ich mal nicken? Aber er guckt ja gar nicht in meine Richtung.

»Ich bin der Neue! Lasse!«

»Schön für dich!«, brüllt Sven aus der letzten Reihe zurück.

Lasses Wangen werden rot. Er tut mir fast ein bisschen leid. Auch wenn seine Frisur echt peinlich ist.

7:58 Uhr

Lasse lehnt im Türrahmen und glotzt auf sein Handy.

Keiner sagt ihm, dass Handys in der Schule verboten sind. Wenn das die Niemeyer sieht, gibt es richtig Ärger! Alleine in der Klasse zu sein ist schon scheiße.

Wenn das eine weiß, dann ich! Schließlich war ich seit dem ersten Tag der Grundschule immer mit Fi zusammen. War, Vergangenheitsform. Seit heute ist das vorbei. Und das nur, weil ihre Eltern diese bescheuerte Idee mit dem Internat hatten.

Wir haben echt alles versucht, um es zu verhindern, aber keine Chance. Und als ich Mama gefragt habe, ob ich mitgehen kann, hat sie nur gelacht. »Weißt du, was so was kostet?«

Also ist Fi jetzt dort, und ich hocke immer noch hier bei den Idioten.

8:00 Uhr

Es klingelt. Der Neue, Lasse, lässt sein Handy in der Hosentasche verschwinden. Ganz so blöd wie seine Frisur ist er wohl doch nicht.

8:01 Uhr

Frau Niemeyer setzt Lasse in die letzte Reihe neben Sven. Na, dann viel Spaß!

9:31 Uhr

Große Pause. Normalerweise wäre ich jetzt mit Fi zusammen im Schulgarten.

Normalerweise.

Alleine hier herumstehen ist echt ätzend.

9:34 Uhr

Vielleicht sollte ich mich bei irgendwem dazustellen … Aber bei wem?

Und was soll ich dann sagen? Fi ist weg, wollt ihr meine neuen Freunde sein?

Das ist doch voll peinlich!

9:37 Uhr

Die Fünftklässler da drüben gucken immer wieder zu mir rüber. Und das, obwohl ich stur an ihnen vorbeistarre. Jetzt fangen sie auch noch an zu kichern! Wer weiß, was die planen?

Besser, ich haue ab.

Vielleicht finde ich ja doch jemanden aus meiner Klasse …

9:41 Uhr

Fehlanzeige. Ich habe drei Runden über den Schulhof gedreht, aber keiner ist zu sehen. Jedenfalls kein Mädchen. Außer Jasmin und Isabelle, und zu denen gehe ich ganz bestimmt nicht!

11:21 Uhr

Zweite große Pause. Auf dem Mädchenklo. Hier müffelt es zwar nach Pipi, aber wenigstens steht man nicht einsam auf dem Schulhof rum.

11:29 Uhr

Haare vorm Spiegel bürsten: zwei Minuten.

In den Spiegel starren und grübeln, warum ich keine kleinere
Nase habe: drei Minuten.

In der Klokabine einschließen, weil die anderen schon komisch gucken: eine Minute.

Sprüche an der Wand lesen: zwei Minuten.

Bleiben noch elf … gähn!

Warum hab ich mein Handy nicht mitgenommen? Dann könnte ich wenigstens Videos gucken! Aber bei meinem Pech vergesse ich garantiert, den Ton auszustellen, und dann weiß das ganze Mädchenklo, was ich hier drinnen mache.
Notiz an mich selbst: Morgen Handy UND Kopfhörer mitbringen.

11:51 Uhr

Wieder in der Klasse. Lasse und Sven schießen mit angesabberten Papierkügelchen herum. Jasmin und Isabelle in der Reihe vor ihnen regen sich voll auf, weil die Dinger in ihren Haaren kleben bleiben, und die Jungs schmeißen sich weg vor Lachen.

Das ist so unfair! Dieser Lasse ist gerade mal einen halben Tag da und hat schon einen besten Kumpel! Auch wenn es nur der blöde Sven ist.

14:03 Uhr

Herr Kronberg schreibt die Hausaufgaben an die Tafel, und ich werfe schon mal meine Sachen in den Rucksack.

»Die Stunde endet erst in zwei Minuten, Josi.«

Hat der hinten Augen, oder was?

14:05 Uhr

Es klingelt. Ich stehe auf, drehe mich um und … ein feuchtes Papierkügelchen landet genau in meinem Ausschnitt.

Iiiiihhhh!!!

»Volltreffer!«, brüllt Lasse aus der letzten Reihe. »Du hast da was im Shirt! Willst du es nicht rausholen?«

Die Jungs lachen grölend. Ich beiße die Zähne zusammen und tu so, als hätte ich nichts gehört. Die warten doch nur darauf, dass ich mir vor ihren Augen im BH rumfummle!

Mit steifem Oberkörper schiebe ich mich an der grinsenden Jasmin vorbei in Richtung Tür.

14:08 Uhr

Im Flur. Jetzt schnell zum Mädchenklo!

14:10 Uhr

In der Klokabine. Ganz vorsichtig in den Ausschnitt fassen …Gleich hab ich es … Oh nein, es ist noch tiefer gerutscht!

Wo ist es, wo ist es, wo ist es?

14:11 Uhr

Ich hab’s! Raus damit und weg!

ENDLICH!

14:12 Uhr

Das Kügelchen war total feucht von Lasses Spucke. Der Typ hat mich quasi angesabbert!

Das ist so eklig!!!

14:15 Uhr

Ich wasche mir schon zum dritten Mal die Hände, dabei will ich eigentlich nur duschen.

14:17 Uhr

Vorsichtig schleiche ich über den Schulhof zu meinem Fahrrad. Niemand zu sehen. Puh!

14:32 Uhr

Zu Hause. Endlich!

14:35 Uhr

Unter der Dusche. Endlich!

15:06 Uhr

Neuer Duschrekord: 31 Minuten. Mehr heißes Wasser war nicht in der Leitung. Langsam fühle ich mich ein bisschen besser.

15:07 Uhr

Jedenfalls, solange ich nicht an das angesabberte Papierkügelchen denke!

15:09 Uhr

Fi geht nicht ans Handy. Dann muss ich ihr wohl eine Nachricht schreiben.

15:11 Uhr

Ich hatte den totalen Horrortag!

15:27 Uhr

Sie hat nicht geantwortet.

15:41 Uhr

Immer noch nicht!

15:49 Uhr

Nachmittagsunterricht?

15:56 Uhr

Handyverbot?

16:01 Uhr

Mein Handy klingelt! Vor Aufregung werfe ich es erst mal vom Bett.

16:02 Uhr

»Hallo? Fi?«

»Hi, Josi! Sorry, dass ich so spät anrufe, aber wir dürfen die Handys nur zwischen vier und fünf benutzen.«

»Nicht dein Ernst!«

»Leider doch. Und bei dir so?«

Endlich kann ich ihr alles erzählen!

16:07 Uhr

»Das war so eklig«, stöhne ich. »Und du hättest mal hören sollen, wie die Jungs gelacht haben!«

»Du Arme«, sagt Fi mitfühlend.

»Lasse ist so ein Arsch! Warum musste der ausgerechnet in meine Klasse kommen? Warum kann der nicht aufs Internat und du bist hier?«

»Das fragst du mich? Ich würde sofort mit dem tauschen!«

Wir seufzen.

»Und wenn du noch mal deine Mutter fragst, ob du auch aufs Internat kannst?«, fragt Fi.

»Keine Chance. Aber in meine Klasse gehe ich auch nie wieder, so viel steht fest!«

»Wenigstens kannst du hinterher nach Hause«, sagt Fi düster.

»Ist es so schlimm bei dir?«

»Schlimm? Ich hab die falschen Klamotten, ich kann weder reiten noch Tennis spielen, und die anderen kennen sich schon seit der Fünften. Noch Fragen?«

Den Rest von ihrer Handyzeit suchen wir zusammen im Internet nach Fake-Krankheiten. Damit ich morgen nicht in die Schule muss – und sie wenigstens den ganzen Tag im Bett bleiben kann.

8. August, Freitag

7:16 Uhr

Mama sagt, meine Zunge sieht aus wie immer, mein Husten klingt nicht echt und überhaupt soll ich mich nicht so anstellen.

7:54 Uhr

Da vorne ist die Klassentür. Ich ziehe den Reißverschluss meiner Jacke noch einmal ganz nach oben und linse vorsichtig um die Ecke.

7:55 Uhr

Lasse und Sven quatschen mit Jasmin und Isabelle und sehen überhaupt nicht her.

Trotzdem: Der Weg zu meinem Platz war noch nie so lang!

7:56 Uhr

Geschafft! Ich plumpse auf den Stuhl und tauche erst mal mit dem Kopf im Rucksack ab. Mit dem Rücken zu Lasse natürlich. Lea, die neben Fis leerem Platz sitzt, guckt zwar ein bisschen komisch, aber sie sagt nichts.

7:57 Uhr

Mir ist schwindelig, weil ich kopfüber im Rucksack stecke. Ich tauche lieber wieder auf.

7:58 Uhr

Ich schiele über die Schulter nach hinten. Sven und Lasse labern immer noch mit Jasmin und Isabelle. Wobei, eigentlich redet nur Jasmin. Die Jungs müssen aufpassen, dass ihre Augen nicht in ihren Megaausschnitt plumpsen. Ich glaube, die kriegen gar nichts anderes mit.

7:59 Uhr

Von wegen, nichts mitkriegen! Plötzlich guckt Lasse direkt zu mir rüber. Blitzschnell starre ich wieder nach vorne.

8:00 Uhr

Es klingelt, und Frau Niemeyer kommt in die Klasse.

Puh!

8:03 Uhr

Frau Niemeyer wiederholt an der Tafel den Mathestoff von vor den Ferien. Was macht Lasse denn da mit den Radiergummis?

8:04 Uhr

Ich glaub’s nicht! Er balanciert die Dinger auf dem Kopf. Also, die Radiergummis. Die Jungs neben ihm geben ihm immer wieder neue und Jasmin und Isabelle kichern, als hätten sie noch nie was Lustigeres gesehen.

8:07 Uhr

Schon vier Stück. Lasses Augen sind total verdreht. Versucht er etwa, sich selbst auf den Kopf zu sehen?

Jetzt gibt Murat ihm auch noch seinen Anspitzer.

8:09 Uhr

Vier Radierer, ein Anspitzer und …

Alles rutscht von Lasses Kopf, es poltert, und Radierer und Anspitzer rollen durch die Klasse.

8:11 Uhr

Lasse muss an die Tafel.

Er hat keine Ahnung von nichts.

Haha!

9:30 Uhr

Pause.

Aus der letzten Bankreihe hört man lautes Rülpsen.

Ich husche schnell aus der Tür.

9:32 Uhr

Wieder auf dem Mädchenklo. Mit dem Schulhof hab ich es heute gar nicht erst versucht. Kopfhörer, Handy, alles da. Jetzt bräuchte ich nur noch was, um die Nase zuzustöpseln …

11:21 Uhr

Zweite Pause. Wieder Klo. Ich vermisse Fi!

14:22 Uhr

Ich habe es geschafft! Ich bin zu Hause und habe den Schultag überlebt!

Und keiner hat angesabberte Papierkügelchen in mein Shirt geschossen.

14:23 Uhr

AAAAAHHHH! Das war so widerlich!

14:24 Uhr

Nicht dran denken, nicht dran denken! Jetzt ist erst mal Wochenende.

Und das heißt gleich drei gute Dinge auf einmal:

1. Kein blöder Lasse mehr.

2. Zwei Tage ausschlafen und rumgammeln.

3. Und heute: Filmabend mit Mama!

Den Filmabend machen Mama und ich jeden Freitag. Bequeme Jogginghose, auf dem Sofa abhängen und zusammen netflixen. Ich liebe es!

14:35 Uhr

Vielleicht mache ich schon mal das Popcorn?

Im Topf natürlich, Mikrowelle kann ja jeder.

14:42 Uhr

Das Öl und die Körner sind drin, der Deckel ist drauf. Jetzt heißt es warten …

14:49 Uhr

Ein erstes Popp, und dann geht es richtig los: Popp-popp-popp knallen die Körner gegen den Deckel. Nach wenigen Minuten ist der Topf randvoll mit dicken weißen Popkörnern (oder wie die Dinger heißen). Und dieser Duft, als ich den Deckel abnehme … hmmm! Einfach nur lecker!

19:31 Uhr

Wir haben es uns gerade auf dem Sofa gemütlich gemacht, und ich scrolle durch die Filme, da sagt Mama: »Übrigens, morgen Abend bin ich unterwegs, da musst du dich alleine amüsieren. Schaffst du, oder?«

»Klar«, antworte ich. »Willst du mit Hannah weg?«

Hannah ist ihre Freundin, mit der sie alle paar Wochen abends was trinken geht.

Mama nickt, und ich scrolle weiter.

19:35 Uhr

Moment mal …

»Du hast dich doch schon am Mittwoch mit Hannah getroffen.«

»Ja, schon … Aber wir wollen ins Kino, da gibt es diesen Film über einen Schäfer in Neuseeland, der …«

»Ist okay«, sage ich schnell. Nicht dass sie mir noch die ganze Handlung erzählt! Mama sieht mich besorgt an. »Ich kann aber auch hierbleiben, wenn du nicht alleine sein möchtest.«

»Nein, ist wirklich okay.«

»Du bist für mich das Wichtigste, das weißt du, oder?«

»Ja, ja!« Wenn Mama erst mal so anfängt, quatscht sie am Ende noch den halben Film durch. Den ersten Gag haben wir schon verpasst!

»Ich hab dich lieb«, sagt Mama.

»Weiß ich doch! Aber ich will echt gerne den Film gucken.«

»Dann lass uns gucken, mein Schatz.«

Als ich noch mal zu ihr rübersehe, hat sie zwar die Augen auf den Fernseher gerichtet, aber sie lächelt irgendwie komisch dabei.

9. August, Samstag

19:32 Uhr

Mama ist weg, ins Kino mit Hannah. Sie hat mir sogar eine Tüte Chips gekauft, dabei erzählt sie sonst immer, wie ungesund die sind. Und sie hat noch mindestens fünfmal gefragt, ob es wirklich okay ist, wenn sie mich heute Abend wieder allein lässt.

JA, MAMA! Ich bin dreizehn und kein Baby mehr!

Wenigstens hat sie nicht gefragt, ob Oma zum Babysitten kommen soll.

19:34 Uhr

Wieso hat sie sich für den Kinoabend mit Hannah eigentlich
so aufgebrezelt?

10. August, Sonntag

9:07 Uhr

Ich werde von Singen geweckt. Ziemlich lautem, ziemlich schrägem Singen. Und das mitten in der Nacht.

Ist Frau Reiser von nebenan jetzt völlig ausgetickt?

Sonst klopft sie doch immer von oben, wenn WIR zu laut sind.

9:08 Uhr

Poch-poch-poch!

Na also, sag ich’s doch.

9:10 Uhr

Immer noch Gesang.

Gähnend hieve ich mich aus dem Bett und latsche in Richtung Bad.

»Mama? Seit wann singst du unter der Dusche?«

Rauschen und Singen verstummen. Einen Moment später schwingt die Tür auf, und Mama steht im Bademantel vor mir.

»Guten Morgen, Josi! Ich habe gute Laune, das ist alles!«

»Aha«, sage ich. »Das muss ja ein ziemlich toller Abend gewesen sein mit Hannah!«

»Äh, ja-a.«

Liegt es daran, dass Mama mit einem Handtuch ihre Haare trocken rubbelt, oder klang das irgendwie zögernd?

»Lass uns gleich zusammen frühstücken, ich zieh mich nur schnell an.«

Sie streicht mir über den Kopf, dabei weiß sie genau, dass ich das HASSE, und schiebt mich aus der Tür.

9:18 Uhr

Ich bin gerade mit Tischdecken fertig, da kommt Mama in die Küche.

»Oh, das sieht ja gut aus! Ist das schön, wenn die Tochter einen so verwöhnt!«

»Mama, was ist los?«, frage ich.

»Wieso, was soll los sein?«

Wir sehen uns an. Mama schaut als Erste zur Seite.

»Okay, Josi. Ich muss mit dir reden.« Auf einmal guckt sie ziemlich ernst.

Ich ziehe einen Stuhl heran und lasse mich darauf fallen.
»Ist was mit Hannah?«

Mama setzt sich mir gegenüber. »Nein. Es ist nur so … Na ja, also … Ich habe mich gestern gar nicht mit Hannah getroffen. Sondern mit Janosch.«

»Janosch?«, frage ich. »Der mit dem kleinen Tiger und dem kleinen Bären?« Die Geschichten hat Mama mir früher immer vorgelesen.

»Nein, nicht DER Janosch. Mein … also, der andere Janosch und ich sind auf dieselbe Schule gegangen. Vor einiger Zeit haben wir uns wiedergetroffen und … na ja … Jedenfalls waren wir gestern zusammen aus.«

Mir wird auf einmal eiskalt. Von wegen, besonderer Film aus Neuseeland! Mama war gar nicht mit Hannah im Kino, sie hatte ein Date! Und sie hat mich angelogen.

»Ich weiß, das kommt jetzt ein bisschen plötzlich. Aber Janosch ist wirklich supernett!« Mama strahlt. »Du wirst ihn ja bald kennenlernen, Josi.«

»Kennenlernen?«, frage ich heiser.

Mama hat mir noch nie einen Mann vorgestellt! Wir sind immer gut alleine klargekommen!

Also, warum soll ich jetzt diesen Typen kennenlernen, mit dem sie erst ein einziges Date hatte?

Oder war sie am Mittwoch etwa auch nicht mit Hannah weg? Hat sie mich da auch schon angelogen?

»Vielleicht nächste Woche«, sagt Mama. »Das wäre doch nett, nicht wahr, Josilein?«

Ich grumpfe und schiebe den Teller weg. »Ich hab keinen Hunger!«

Damit verziehe ich mich in mein Zimmer.

9:20 Uhr

Vor einiger Zeit, hat sie gesagt. Dass sie diesen Janosch vor einiger Zeit wiedergetroffen hat. Also war das gestern garantiert nicht ihr erstes Date. Und auch nicht ihr zweites.

Wie oft hat sie mich eigentlich schon angelogen?

9:22 Uhr

Hi Fi, ruf mich bitte unbedingt an!!!

10:05 Uhr

BITTE! 

10:53 Uhr

Es ist ein NOTFALL!

11:21 Uhr

Sag nicht, dass du erst wieder um vier ans Handy darfst???

12:14 Uhr

Du darfst wirklich erst um vier ans Handy, oder?  

16:09 Uhr

Wo bist du?

16:34 Uhr

HILFE!!!

17:05 Uhr

Fi hat nicht geantwortet. Das kann nur eines heißen: Sie ist tot.

Vom Tennisball erschlagen oder vom Pferd gefallen oder so.

Erst das mit Mama und jetzt das!

Was soll ich nur machen???

17:08 Uhr

Sie ist doch nicht tot.

Eben kam eine Nachricht:

Sorry, dass ich mich nicht gemeldet habe. Projekttag.

Ich freu mich zwar, dass sie nicht gestorben ist, aber Projekttag?

Das ist doch kein Grund!

22:02 Uhr

Ich hab den ganzen Abend auf mein Handy gestarrt. Hätte ja sein können, dass Fi doch noch anruft! Handy hin oder her!

Hat sie natürlich nicht.

Dafür hat Mama stundenlang in ihrem Schlafzimmer telefoniert. Immer wenn ich zufällig mein Ohr an die Tür gehalten habe. Und zwar garantiert nicht mit Hannah.

Ich bin der einsamste Mensch auf der ganzen Welt! Wenn ich in einem Iglu am Nordpol wohnen würde, wäre es auch nicht schlimmer.

22:03 Uhr

Nur kälter.

11. August, Montag

8:01 Uhr

»Nonverbale Signale«, sagt Herr Kronberg. »Weiß jemand, was das ist?« Er sieht hoffnungsvoll in meine Richtung.

Ich starre auf den alten Kaugummi unter meinem Tisch.

»Niemand?« Herr Kronberg seufzt. Dann schreibt er an die Tafel: Nonverbale Signale = etwas ohne Worte sagen.

Mama hatte heute Morgen so ein dämliches Grinsen im Gesicht, das hat nicht mal gewackelt, als sie Orangensaft statt Milch über ihr Müsli gekippt hat.

Soll Herr Kronberg mir mal erklären, was sie mir damit sagen will!

9:30 Uhr

Kaum ist Herr Kronberg aus der Klasse, da brüllt Lasse von hinten: »Hey, Josi, heißt du wirklich Schnecke?«

Ich drehe mich um und sage so cool, wie es mit brennenden Wangen geht: »Ich heiße Schneck, und der Witz war schon in der Grundschule nicht lustig!«

»Hey, du scharfe Schnecke!« Lasse liegt fast unter dem Tisch vor Lachen.

Warum kann der Typ mich nicht einfach in Ruhe lassen? Ich hab echt andere Probleme im Moment!

16:00 Uhr

Pünktlich um vier klingelt mein Handy. Es ist Fi!

»Hi Josi«, sagt sie. »Sorry, dass ich gestern nicht mehr angerufen habe. Projekttag, hab ich ja geschrieben. Aber was ist eigentlich bei dir los? Erzähl!«

Das lasse ich mir nicht zweimal sagen.

16:08 Uhr

»Der Typ heißt echt Janosch?«, fragt Fi. »Wie der vom kleinen Tiger und dem kleinen Bären?«