Jungs, meine Mutter und der ganze andere Mist
Jung sind Idioten. Mädchen auch.
Yvonne Struck, geboren 1976 in Lübeck, war nach ihrem Diplom in Biologie mehrere Jahre Studienleiterin für Patientenbefragungen in Hamburg. Seit 2007 arbeitet sie als freie Autorin. Jungs, meine Mutter und der ganze andere Mist war ihr erstes Jugendbuch.
Der blödeste
Junge
der Schule
und ich
Mit Illustrationen
von Carolin Dendorfer
Vollständige eBook-Ausgabe
des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes
Boje in der Bastei Lübbe AG
Originalausgabe
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover
Copyright © 2021 by Bastei Lübbe AG, Köln
Umschlaggestaltung: Tanja Østlyngen unter Verwendung von Motiven
von © LightField Studios/shutterstock
eBook-Erstellung: Jilzov Digital Publishing, Düsseldorf
ISBN 978-3-7517-0437-3
boje-verlag.de
Alle in der Klasse lachen, grölen und kreischen durcheinander. Wie immer, wenn noch kein Lehrer da ist. Lea und Lisa zwei Plätze weiter tuscheln und kichern – wahrscheinlich erzählen sie sich ihre ganzen Sommerferien.
Und ich? Ich hocke auf meinem Platz zwischen Fis leerem Stuhl und der Wand und habe die Stifte in meinem Etui schon dreimal umsortiert.
Plötzlich steht ein Neuer in der Klassentür. So ein pseudocooler Typ mit viel zu viel Haargel.
»Ähm … hi«, murmelt er. Aber das geht im Klassenlärm komplett unter.
Der Typ sieht sich ratlos um.
»Hi!«, ruft er dann mindestens fünf Stufen lauter. »Ist das hier die 8c?«
Immer mehr Köpfe drehen sich zu ihm, aber keiner antwortet. Vielleicht sollte ich mal nicken? Aber er guckt ja gar nicht in meine Richtung.
»Ich bin der Neue! Lasse!«
»Schön für dich!«, brüllt Sven aus der letzten Reihe zurück.
Lasses Wangen werden rot. Er tut mir fast ein bisschen leid. Auch wenn seine Frisur echt peinlich ist.
Lasse lehnt im Türrahmen und glotzt auf sein Handy.
Keiner sagt ihm, dass Handys in der Schule verboten sind. Wenn das die Niemeyer sieht, gibt es richtig Ärger! Alleine in der Klasse zu sein ist schon scheiße.
Wenn das eine weiß, dann ich! Schließlich war ich seit dem ersten Tag der Grundschule immer mit Fi zusammen. War, Vergangenheitsform. Seit heute ist das vorbei. Und das nur, weil ihre Eltern diese bescheuerte Idee mit dem Internat hatten.
Wir haben echt alles versucht, um es zu verhindern, aber keine Chance. Und als ich Mama gefragt habe, ob ich mitgehen kann, hat sie nur gelacht. »Weißt du, was so was kostet?«
Also ist Fi jetzt dort, und ich hocke immer noch hier bei den Idioten.
Es klingelt. Der Neue, Lasse, lässt sein Handy in der Hosentasche verschwinden. Ganz so blöd wie seine Frisur ist er wohl doch nicht.
Frau Niemeyer setzt Lasse in die letzte Reihe neben Sven. Na, dann viel Spaß!
Große Pause. Normalerweise wäre ich jetzt mit Fi zusammen im Schulgarten.
Normalerweise.
Alleine hier herumstehen ist echt ätzend.
Vielleicht sollte ich mich bei irgendwem dazustellen … Aber bei wem?
Und was soll ich dann sagen? Fi ist weg, wollt ihr meine neuen Freunde sein?
Das ist doch voll peinlich!
Die Fünftklässler da drüben gucken immer wieder zu mir rüber. Und das, obwohl ich stur an ihnen vorbeistarre. Jetzt fangen sie auch noch an zu kichern! Wer weiß, was die planen?
Besser, ich haue ab.
Vielleicht finde ich ja doch jemanden aus meiner Klasse …
Fehlanzeige. Ich habe drei Runden über den Schulhof gedreht, aber keiner ist zu sehen. Jedenfalls kein Mädchen. Außer Jasmin und Isabelle, und zu denen gehe ich ganz bestimmt nicht!
Zweite große Pause. Auf dem Mädchenklo. Hier müffelt es zwar nach Pipi, aber wenigstens steht man nicht einsam auf dem Schulhof rum.
Haare vorm Spiegel bürsten: zwei Minuten.
In den Spiegel starren und grübeln, warum ich keine kleinere
Nase habe: drei Minuten.
In der Klokabine einschließen, weil die anderen schon komisch gucken: eine Minute.
Sprüche an der Wand lesen: zwei Minuten.
Bleiben noch elf … gähn!
Warum hab ich mein Handy nicht mitgenommen? Dann könnte ich wenigstens Videos gucken! Aber bei meinem Pech vergesse ich garantiert, den Ton auszustellen, und dann weiß das ganze Mädchenklo, was ich hier drinnen mache.
Notiz an mich selbst: Morgen Handy UND Kopfhörer mitbringen.
Wieder in der Klasse. Lasse und Sven schießen mit angesabberten Papierkügelchen herum. Jasmin und Isabelle in der Reihe vor ihnen regen sich voll auf, weil die Dinger in ihren Haaren kleben bleiben, und die Jungs schmeißen sich weg vor Lachen.
Das ist so unfair! Dieser Lasse ist gerade mal einen halben Tag da und hat schon einen besten Kumpel! Auch wenn es nur der blöde Sven ist.
Herr Kronberg schreibt die Hausaufgaben an die Tafel, und ich werfe schon mal meine Sachen in den Rucksack.
»Die Stunde endet erst in zwei Minuten, Josi.«
Hat der hinten Augen, oder was?
Es klingelt. Ich stehe auf, drehe mich um und … ein feuchtes Papierkügelchen landet genau in meinem Ausschnitt.
Iiiiihhhh!!!
»Volltreffer!«, brüllt Lasse aus der letzten Reihe. »Du hast da was im Shirt! Willst du es nicht rausholen?«
Die Jungs lachen grölend. Ich beiße die Zähne zusammen und tu so, als hätte ich nichts gehört. Die warten doch nur darauf, dass ich mir vor ihren Augen im BH rumfummle!
Mit steifem Oberkörper schiebe ich mich an der grinsenden Jasmin vorbei in Richtung Tür.
Im Flur. Jetzt schnell zum Mädchenklo!
In der Klokabine. Ganz vorsichtig in den Ausschnitt fassen …Gleich hab ich es … Oh nein, es ist noch tiefer gerutscht!
Wo ist es, wo ist es, wo ist es?
Ich hab’s! Raus damit und weg!
ENDLICH!
Das Kügelchen war total feucht von Lasses Spucke. Der Typ hat mich quasi angesabbert!
Das ist so eklig!!!
Ich wasche mir schon zum dritten Mal die Hände, dabei will ich eigentlich nur duschen.
Vorsichtig schleiche ich über den Schulhof zu meinem Fahrrad. Niemand zu sehen. Puh!
Zu Hause. Endlich!
Unter der Dusche. Endlich!
Neuer Duschrekord: 31 Minuten. Mehr heißes Wasser war nicht in der Leitung. Langsam fühle ich mich ein bisschen besser.
Jedenfalls, solange ich nicht an das angesabberte Papierkügelchen denke!
Fi geht nicht ans Handy. Dann muss ich ihr wohl eine Nachricht schreiben.
Ich hatte den totalen Horrortag!
Sie hat nicht geantwortet.
Immer noch nicht!
Nachmittagsunterricht?
Handyverbot?
Mein Handy klingelt! Vor Aufregung werfe ich es erst mal vom Bett.
»Hallo? Fi?«
»Hi, Josi! Sorry, dass ich so spät anrufe, aber wir dürfen die Handys nur zwischen vier und fünf benutzen.«
»Nicht dein Ernst!«
»Leider doch. Und bei dir so?«
Endlich kann ich ihr alles erzählen!
»Das war so eklig«, stöhne ich. »Und du hättest mal hören sollen, wie die Jungs gelacht haben!«
»Du Arme«, sagt Fi mitfühlend.
»Lasse ist so ein Arsch! Warum musste der ausgerechnet in meine Klasse kommen? Warum kann der nicht aufs Internat und du bist hier?«
»Das fragst du mich? Ich würde sofort mit dem tauschen!«
Wir seufzen.
»Und wenn du noch mal deine Mutter fragst, ob du auch aufs Internat kannst?«, fragt Fi.
»Keine Chance. Aber in meine Klasse gehe ich auch nie wieder, so viel steht fest!«
»Wenigstens kannst du hinterher nach Hause«, sagt Fi düster.
»Ist es so schlimm bei dir?«
»Schlimm? Ich hab die falschen Klamotten, ich kann weder reiten noch Tennis spielen, und die anderen kennen sich schon seit der Fünften. Noch Fragen?«
Den Rest von ihrer Handyzeit suchen wir zusammen im Internet nach Fake-Krankheiten. Damit ich morgen nicht in die Schule muss – und sie wenigstens den ganzen Tag im Bett bleiben kann.
Mama sagt, meine Zunge sieht aus wie immer, mein Husten klingt nicht echt und überhaupt soll ich mich nicht so anstellen.
Da vorne ist die Klassentür. Ich ziehe den Reißverschluss meiner Jacke noch einmal ganz nach oben und linse vorsichtig um die Ecke.
Lasse und Sven quatschen mit Jasmin und Isabelle und sehen überhaupt nicht her.
Trotzdem: Der Weg zu meinem Platz war noch nie so lang!
Geschafft! Ich plumpse auf den Stuhl und tauche erst mal mit dem Kopf im Rucksack ab. Mit dem Rücken zu Lasse natürlich. Lea, die neben Fis leerem Platz sitzt, guckt zwar ein bisschen komisch, aber sie sagt nichts.
Mir ist schwindelig, weil ich kopfüber im Rucksack stecke. Ich tauche lieber wieder auf.
Ich schiele über die Schulter nach hinten. Sven und Lasse labern immer noch mit Jasmin und Isabelle. Wobei, eigentlich redet nur Jasmin. Die Jungs müssen aufpassen, dass ihre Augen nicht in ihren Megaausschnitt plumpsen. Ich glaube, die kriegen gar nichts anderes mit.
Von wegen, nichts mitkriegen! Plötzlich guckt Lasse direkt zu mir rüber. Blitzschnell starre ich wieder nach vorne.
Es klingelt, und Frau Niemeyer kommt in die Klasse.
Puh!
Frau Niemeyer wiederholt an der Tafel den Mathestoff von vor den Ferien. Was macht Lasse denn da mit den Radiergummis?
Ich glaub’s nicht! Er balanciert die Dinger auf dem Kopf. Also, die Radiergummis. Die Jungs neben ihm geben ihm immer wieder neue und Jasmin und Isabelle kichern, als hätten sie noch nie was Lustigeres gesehen.
Schon vier Stück. Lasses Augen sind total verdreht. Versucht er etwa, sich selbst auf den Kopf zu sehen?
Jetzt gibt Murat ihm auch noch seinen Anspitzer.
Vier Radierer, ein Anspitzer und …
Alles rutscht von Lasses Kopf, es poltert, und Radierer und Anspitzer rollen durch die Klasse.
Lasse muss an die Tafel.
Er hat keine Ahnung von nichts.
Haha!
Pause.
Aus der letzten Bankreihe hört man lautes Rülpsen.
Ich husche schnell aus der Tür.
Wieder auf dem Mädchenklo. Mit dem Schulhof hab ich es heute gar nicht erst versucht. Kopfhörer, Handy, alles da. Jetzt bräuchte ich nur noch was, um die Nase zuzustöpseln …
Zweite Pause. Wieder Klo. Ich vermisse Fi!
Ich habe es geschafft! Ich bin zu Hause und habe den Schultag überlebt!
Und keiner hat angesabberte Papierkügelchen in mein Shirt geschossen.
AAAAAHHHH! Das war so widerlich!
Nicht dran denken, nicht dran denken! Jetzt ist erst mal Wochenende.
Und das heißt gleich drei gute Dinge auf einmal:
1. Kein blöder Lasse mehr.
2. Zwei Tage ausschlafen und rumgammeln.
3. Und heute: Filmabend mit Mama!
Den Filmabend machen Mama und ich jeden Freitag. Bequeme Jogginghose, auf dem Sofa abhängen und zusammen netflixen. Ich liebe es!
Vielleicht mache ich schon mal das Popcorn?
Im Topf natürlich, Mikrowelle kann ja jeder.
Das Öl und die Körner sind drin, der Deckel ist drauf. Jetzt heißt es warten …
Ein erstes Popp, und dann geht es richtig los: Popp-popp-popp knallen die Körner gegen den Deckel. Nach wenigen Minuten ist der Topf randvoll mit dicken weißen Popkörnern (oder wie die Dinger heißen). Und dieser Duft, als ich den Deckel abnehme … hmmm! Einfach nur lecker!
Wir haben es uns gerade auf dem Sofa gemütlich gemacht, und ich scrolle durch die Filme, da sagt Mama: »Übrigens, morgen Abend bin ich unterwegs, da musst du dich alleine amüsieren. Schaffst du, oder?«
»Klar«, antworte ich. »Willst du mit Hannah weg?«
Hannah ist ihre Freundin, mit der sie alle paar Wochen abends was trinken geht.
Mama nickt, und ich scrolle weiter.
Moment mal …
»Du hast dich doch schon am Mittwoch mit Hannah getroffen.«
»Ja, schon … Aber wir wollen ins Kino, da gibt es diesen Film über einen Schäfer in Neuseeland, der …«
»Ist okay«, sage ich schnell. Nicht dass sie mir noch die ganze Handlung erzählt! Mama sieht mich besorgt an. »Ich kann aber auch hierbleiben, wenn du nicht alleine sein möchtest.«
»Nein, ist wirklich okay.«
»Du bist für mich das Wichtigste, das weißt du, oder?«
»Ja, ja!« Wenn Mama erst mal so anfängt, quatscht sie am Ende noch den halben Film durch. Den ersten Gag haben wir schon verpasst!
»Ich hab dich lieb«, sagt Mama.
»Weiß ich doch! Aber ich will echt gerne den Film gucken.«
»Dann lass uns gucken, mein Schatz.«
Als ich noch mal zu ihr rübersehe, hat sie zwar die Augen auf den Fernseher gerichtet, aber sie lächelt irgendwie komisch dabei.
Mama ist weg, ins Kino mit Hannah. Sie hat mir sogar eine Tüte Chips gekauft, dabei erzählt sie sonst immer, wie ungesund die sind. Und sie hat noch mindestens fünfmal gefragt, ob es wirklich okay ist, wenn sie mich heute Abend wieder allein lässt.
JA, MAMA! Ich bin dreizehn und kein Baby mehr!
Wenigstens hat sie nicht gefragt, ob Oma zum Babysitten kommen soll.
Wieso hat sie sich für den Kinoabend mit Hannah eigentlich
so aufgebrezelt?
Ich werde von Singen geweckt. Ziemlich lautem, ziemlich schrägem Singen. Und das mitten in der Nacht.
Ist Frau Reiser von nebenan jetzt völlig ausgetickt?
Sonst klopft sie doch immer von oben, wenn WIR zu laut sind.
Poch-poch-poch!
Na also, sag ich’s doch.
Immer noch Gesang.
Gähnend hieve ich mich aus dem Bett und latsche in Richtung Bad.
»Mama? Seit wann singst du unter der Dusche?«
Rauschen und Singen verstummen. Einen Moment später schwingt die Tür auf, und Mama steht im Bademantel vor mir.
»Guten Morgen, Josi! Ich habe gute Laune, das ist alles!«
»Aha«, sage ich. »Das muss ja ein ziemlich toller Abend gewesen sein mit Hannah!«
»Äh, ja-a.«
Liegt es daran, dass Mama mit einem Handtuch ihre Haare trocken rubbelt, oder klang das irgendwie zögernd?
»Lass uns gleich zusammen frühstücken, ich zieh mich nur schnell an.«
Sie streicht mir über den Kopf, dabei weiß sie genau, dass ich das HASSE, und schiebt mich aus der Tür.
Ich bin gerade mit Tischdecken fertig, da kommt Mama in die Küche.
»Oh, das sieht ja gut aus! Ist das schön, wenn die Tochter einen so verwöhnt!«
»Mama, was ist los?«, frage ich.
»Wieso, was soll los sein?«
Wir sehen uns an. Mama schaut als Erste zur Seite.
»Okay, Josi. Ich muss mit dir reden.« Auf einmal guckt sie ziemlich ernst.
Ich ziehe einen Stuhl heran und lasse mich darauf fallen.
»Ist was mit Hannah?«
Mama setzt sich mir gegenüber. »Nein. Es ist nur so … Na ja, also … Ich habe mich gestern gar nicht mit Hannah getroffen. Sondern mit Janosch.«
»Janosch?«, frage ich. »Der mit dem kleinen Tiger und dem kleinen Bären?« Die Geschichten hat Mama mir früher immer vorgelesen.
»Nein, nicht DER Janosch. Mein … also, der andere Janosch und ich sind auf dieselbe Schule gegangen. Vor einiger Zeit haben wir uns wiedergetroffen und … na ja … Jedenfalls waren wir gestern zusammen aus.«
Mir wird auf einmal eiskalt. Von wegen, besonderer Film aus Neuseeland! Mama war gar nicht mit Hannah im Kino, sie hatte ein Date! Und sie hat mich angelogen.
»Ich weiß, das kommt jetzt ein bisschen plötzlich. Aber Janosch ist wirklich supernett!« Mama strahlt. »Du wirst ihn ja bald kennenlernen, Josi.«
»Kennenlernen?«, frage ich heiser.
Mama hat mir noch nie einen Mann vorgestellt! Wir sind immer gut alleine klargekommen!
Also, warum soll ich jetzt diesen Typen kennenlernen, mit dem sie erst ein einziges Date hatte?
Oder war sie am Mittwoch etwa auch nicht mit Hannah weg? Hat sie mich da auch schon angelogen?
»Vielleicht nächste Woche«, sagt Mama. »Das wäre doch nett, nicht wahr, Josilein?«
Ich grumpfe und schiebe den Teller weg. »Ich hab keinen Hunger!«
Damit verziehe ich mich in mein Zimmer.
Vor einiger Zeit, hat sie gesagt. Dass sie diesen Janosch vor einiger Zeit wiedergetroffen hat. Also war das gestern garantiert nicht ihr erstes Date. Und auch nicht ihr zweites.
Wie oft hat sie mich eigentlich schon angelogen?
Hi Fi, ruf mich bitte unbedingt an!!!
BITTE!
Es ist ein NOTFALL!
Sag nicht, dass du erst wieder um vier ans Handy darfst???
Du darfst wirklich erst um vier ans Handy, oder?
Wo bist du?
HILFE!!!
Fi hat nicht geantwortet. Das kann nur eines heißen: Sie ist tot.
Vom Tennisball erschlagen oder vom Pferd gefallen oder so.
Erst das mit Mama und jetzt das!
Was soll ich nur machen???
Sie ist doch nicht tot.
Eben kam eine Nachricht:
Sorry, dass ich mich nicht gemeldet habe. Projekttag.
Ich freu mich zwar, dass sie nicht gestorben ist, aber Projekttag?
Das ist doch kein Grund!
Ich hab den ganzen Abend auf mein Handy gestarrt. Hätte ja sein können, dass Fi doch noch anruft! Handy hin oder her!
Hat sie natürlich nicht.
Dafür hat Mama stundenlang in ihrem Schlafzimmer telefoniert. Immer wenn ich zufällig mein Ohr an die Tür gehalten habe. Und zwar garantiert nicht mit Hannah.
Ich bin der einsamste Mensch auf der ganzen Welt! Wenn ich in einem Iglu am Nordpol wohnen würde, wäre es auch nicht schlimmer.
Nur kälter.
»Nonverbale Signale«, sagt Herr Kronberg. »Weiß jemand, was das ist?« Er sieht hoffnungsvoll in meine Richtung.
Ich starre auf den alten Kaugummi unter meinem Tisch.
»Niemand?« Herr Kronberg seufzt. Dann schreibt er an die Tafel: Nonverbale Signale = etwas ohne Worte sagen.
Mama hatte heute Morgen so ein dämliches Grinsen im Gesicht, das hat nicht mal gewackelt, als sie Orangensaft statt Milch über ihr Müsli gekippt hat.
Soll Herr Kronberg mir mal erklären, was sie mir damit sagen will!
Kaum ist Herr Kronberg aus der Klasse, da brüllt Lasse von hinten: »Hey, Josi, heißt du wirklich Schnecke?«
Ich drehe mich um und sage so cool, wie es mit brennenden Wangen geht: »Ich heiße Schneck, und der Witz war schon in der Grundschule nicht lustig!«
»Hey, du scharfe Schnecke!« Lasse liegt fast unter dem Tisch vor Lachen.
Warum kann der Typ mich nicht einfach in Ruhe lassen? Ich hab echt andere Probleme im Moment!
Pünktlich um vier klingelt mein Handy. Es ist Fi!
»Hi Josi«, sagt sie. »Sorry, dass ich gestern nicht mehr angerufen habe. Projekttag, hab ich ja geschrieben. Aber was ist eigentlich bei dir los? Erzähl!«
Das lasse ich mir nicht zweimal sagen.
»Der Typ heißt echt Janosch?«, fragt Fi. »Wie der vom kleinen Tiger und dem kleinen Bären?«