Inhalt

  1. Cover
  2. Weitere Titel der Autorin
  3. Über das Buch
  4. Über die Autorin
  5. Über die Illustratorin
  6. Titel
  7. Impressum
  8. Kapitel 1
  9. Kapitel 2
  10. Kapitel 3
  11. Kapitel 4
  12. Kapitel 5
  13. Kapitel 6
  14. Kapitel 7
  15. Kapitel 8
  16. Kapitel 9
  17. Kapitel 10
  18. Kapitel 11
  19. Kapitel 12
  20. Kapitel 13
  21. Kapitel 14
  22. Kapitel 15
  23. Kapitel 16
  24. Kapitel 17
  25. Kapitel 18
  26. Epilog
  27. Leseprobe
  28. Das Rätsel der sprechenden Chronik
  29. Elvis’ Lieblings-Dessert

Weitere Titel der Autorin

Der zauberhafte Eisladen – Vanille, Erdbeer & Magie

Der zauberhafte Eisladen – Einmal Magie mit Schokosoße

Der zauberhafte Eisladen – Streusel, Magie und ein Klecks Sahne

Bazilla – Fee wider Willen

Über das Buch

Bazilla kribbelte es in sämtlichen Fingern und Zehen. Am liebsten wäre sie hinausgelaufen, um die Menschen persönlich zu verjagen. Da kam ihr plötzlich eine Idee. »Das ist es!«, schrie sie und machte vor Begeisterung einen Luftsprung.

Den Feen und Alben droht große Gefahr! Erstmals seit Jahrhunderten wurden Menschen nahe des Feen-Gartens gesichtet, und das magische Internat droht entdeckt zu werden. Diese Schreckensbotschaft sorgt für Aufruhr – und das mitten in den Vorbereitungen zum alljährlichen Festball. Den findet Bazilla überflüssig wie popelgrünen Schneckenschleim, doch alles ist besser als fiese Menschen, die die prächtigen alten Bäume abholzen wollen. Ein feerflucht guter Plan muss her! Und wer wäre besser geeignet, die Menschen zu vertreiben, als Bazillas Vampirfamilie und die gruseligen Bewohner von Burg Morchelfels?

Über die Autorin

Heike Eva Schmidt wurde in Bamberg geboren und lebt in Oberbayern. Nach einem Psychologiestudium war sie zunächst als Journalistin tätig, ehe sie ein Stipendium an der Drehbuchwerkstatt München erhielt. Seitdem arbeitet sie erfolgreich als freie Drehbuchautorin und Schriftstellerin. Nach Der zauberhafte Eisladen folgt mit Bazilla ihre neue Kinderbuchreihe.

Über die Illustratorin

Angela Gstalter studierte zunächst Modedesign in Berlin und arbeitete anschließend als Grafikdesignerin für einige Jahre in einer Werbeagentur. Heute lebt sie mit ihrer Familie in der Nähe von Heidelberg und hat sich mit dem selbstständig gemacht, was sie am allerliebsten tut, dem Illustrieren von Kinderbüchern.

 

Heike Eva Schmidt

Bazilla

Feen-Internat in Gefahr

Mit Bildern
von Angela Gstalter

Kapitel 1

Voll feertanzt!

Nein, nein, nein! Wie oft soll ich es noch sagen: Beim Walzer beginnt der linke Fuß der Dame!« Die Tanz-Fee Madame Wasabia griff sich an die Stirn, als hätte sie Kopfschmerzen. Aber es war nur die Verzweiflung über ihre Schülerin Bazilla von Morchelfels. Das Streichquartett der Grashüpfer, das die Tänze musikalisch begleitete, hörte auf zu spielen.

Alle Blicke wandten sich Bazilla zu. Die war gerade zum vierten Mal ihrem Tanzpartner, dem Alben Gero zum Blätterteich, auf den Fuß getreten.

»Tut es weh?«, erkundigte sie sich bei ihm.

»Ach nein, fast gar nicht. Du hast mich nur mit deiner Feenspitze erwischt«, gab Gero zurück, aber sein schmerzverzerrtes Gesicht strafte seine Worte Lügen.

»Bazilla, auch wenn du vorher noch nie getanzt hast: Langsam müsstest du wirklich den Dreh heraushaben!« Madame Wasabia runzelte missbilligend die Stirn.

Bazilla fuhr sich durch ihren wilden schwarzen Haarschopf und seufzte. Die Tanzstunden gehörten wahrhaftig nicht zu ihren Lieblingsfächern. Doch die standen im Magischen Internat der Feen und Alben unverrückbar auf dem Stundenplan. Sehr zu Bazillas Leidwesen …

»Mach dir nichts draus. Ich habe auch lang gebraucht, bis ich Walzer tanzen konnte«, flüsterte Mimula Veilchenblau Bazilla ins Ohr. Mimula, genannt Molly, war ihre beste Freundin, seit Bazilla ins Internat gekommen war.

Zunächst unfreiwillig, wohlgemerkt! Eigentlich war Bazilla bis dahin fest davon überzeugt gewesen, ein Vampirmädchen zu sein. Schließlich war sie zehn Jahre lang auf Burg Morchelfels aufgewachsen, wo sie zusammen mit ihren Eltern, Graf und Gräfin von Morchelfels, und ihrem Bruder Bronchus wohnte. Alle drei Vampire. Pünktlich zu ihrem zehnten Geburtstag sollte es so weit sein: Dann würde auch aus Bazilla ein richtiger Vampir werden – dachte sie. Doch zu ihrem Entsetzen waren ihr statt spitzer Zähne auf einmal durchsichtige Flügel gewachsen. In Wirklichkeit war sie nämlich eine Fee! Irgendetwas war bei ihrer Geburt wohl schiefgelaufen, sodass sie vertauscht worden war.

Und als ob das allein nicht schlimm genug wäre, hatte sie kurz darauf auch noch die Aufforderung erhalten, auf das Magische Internat der Feen und Alben zu gehen. Bazilla hatte sich zunächst mit Händen und Füßen gegen ihr Schicksal gesträubt, aber es hatte nichts geholfen. In der Welt der Wesen, zu der sowohl Vampire als auch Feen gehörten, herrschten Gesetze, an denen nicht zu rütteln war. Bazilla war also nichts anderes übrig geblieben, als mit Sarg und Pack ins Internat zu ziehen.

Inzwischen hatte sie sich schon ein bisschen eingelebt. Neben den Tanzstunden haderte sie allerdings nach wie vor mit dem gesunden Frühstücksmüsli sowie dem Schaumbad, das mehrmals pro Woche Pflicht war. Bazilla hätte es gereicht, sich alle zwei Wochen zu waschen. Außerdem fand sie, dass nichts über Blutwurst-Pizza ging – auch zum Frühstück! Dinkelflocken und essbare Blumen waren echt nicht ihr Ding.

Zum Glück war Elvis mit ins Internat gekommen. Er war ein Flederhamster mit langen Vorderzähnen und Fledermausflügeln und Bazillas heiß geliebtes Haustier. Besser gesagt Vamp-Tier. Elvis war stets für sie da, wenn Bazilla ihre Familie und Burg Morchelfels vermisste. Er war ihr allerbester Freund. Neben Molly natürlich.

Auch mit den anderen Feen und Alben hatte sie sich inzwischen angefreundet. Beziehungsweise mit fast allen.

»Du bist und bleibst ein Trampel«, zischte in diesem Augenblick Philomene von Lindenblatt. Der hochgewachsenen blonden Fee war Bazilla schon seit ihrem ersten Tag im Internat ein Dorn im Auge gewesen. Molly behauptete, das käme daher, weil Philomene nun nicht mehr die einzige Schülerin mit einem von im Namen war. Jedenfalls ließ Philomene keine Gelegenheit aus, Bazilla schräg anzureden – und das, obwohl Bazilla sie erst kürzlich mit Elvis’ Hilfe aus einer sehr unangenehmen Situation gerettet hatte. Statt ihr dankbar zu sein, schien Philomenes Abneigung jedoch nur noch gewachsen zu sein. Obwohl sie sich hütete, es allzu offen auszusprechen. Nun ja – bis auf wenige Ausnahmen.

Bazilla musterte ihre Mitschülerin, die selbst bei einer gewöhnlichen Tanzstunde ein aufwendig besticktes Kleid trug. Sie deutete auf die weißen Streublümchen, die Philomenes Rock zierten. »An deiner Stelle würde ich nicht in den Park gehen. Der Gärtner-Albe könnte dich für Unkraut halten und auf den Kompost werfen«, empfahl sie.

Vor Verblüffung klappte Philomene der Mund auf. Prompt verpasste sie ihren Einsatz beim Walzer.

»Nun fang nicht du auch noch an zu schludern, Philomene!«, rügte Madame Wasabia. Bazilla konnte sich ein schadenfrohes Grinsen nicht verkneifen. Das verging ihr jedoch schnell, als ihre Lehrerin in die Hände klatschte. »Das gilt auch für dich, Bazilla. Aufstellung – und noch einmal von vorne, bitte!«

Das Grashüpfer-Orchester setzte erneut ein. Gero zum Blätterteich verbeugte sich artig vor Bazilla, in seinem Gesicht stand jedoch das blanke Unbehagen. Beide fingen an zu tanzen. Bazilla gab ihr Bestes. Doch auf geheimnisvolle Weise schienen sich ihre Füße bei den Tanzschritten jedes Mal zu verknoten, und sie kam aus dem Takt.

»Macht nichts«, murmelte Gero. »Noch einmal: links, zwei-drei, links, zwei … Drehung und – autsch!«

Geros Nase hatte soeben schmerzhafte Bekanntschaft mit Bazillas Stirn gemacht.

»Tut mir leid«, flüsterte Bazilla, während sie krampfhaft versuchte, wieder in den Walzertakt zu kommen.

Prompt rutschte sie aus und fiel gegen Gero. Der bemühte sich, mit rudernden Armen das Gleichgewicht zu halten. Vergeblich. Mit einem unfeenhaften »Uahh!« gingen beide zu Boden.

»Was ist denn nun schon wieder?«, seufzte Madame Wasabia, während Gero Bazilla auf die Füße half.

»Meine Schuld«, murmelte er.

Der Albe ist wirklich ein Ausbund an Liebenswürdigkeit, dachte Bazilla. Genau wie die sieben Feebote es vorschrieben. Nach diesen Richtlinien sollten alle Schülerinnen und Schüler stets höflich und nett zueinander sein. Aber Bazilla merkte, dass Geros Geduld langsam erschöpft war. Ebenso Madame Wasabias. Bazilla konnte es beiden nicht verdenken. So ähnlich wie jetzt waren die vorigen Tanzstunden auch abgelaufen.

Während Bazilla sich nach wie vor schwertat, beherrschten die anderen Feen und Alben inzwischen die Grundschritte und Drehungen und bewegten sich zunehmend elegant und leichtfüßig über das polierte Parkett des Saales.

Selbst die etwas verschusselte Molly tanzte den Walzer inzwischen ganz ordentlich. Was allerdings auch an ihrem Partner Alexander Sechs von Sieben liegen konnte. Der Albe, stets tadellos in zartrosa Polohemd und weiße Hose gekleidet, war nicht ohne Grund Klassenbester. Auch beim Tanzen machte er eine gute Figur. Mit seiner Hilfe war es Molly gelungen, die Tanzschritte in der richtigen Reihenfolge zu absolvieren. Gerade schwebten die beiden an Bazilla und Gero vorbei und wirkten, als sei Walzer feederleicht.

Madame Wasabia baute sich vor Bazilla auf und drückte sanft ihre Schultern in eine kerzengerade Haltung. »Üben, üben, üben!«, befahl sie ihrer Schülerin streng. »Schließlich dauert es bis zu unserem festlichen Ball nicht mehr lange.«

Bazilla ächzte unterdrückt. Der große Feen- und Alben-Ball war ihrer Meinung nach überflüssig wie Schneckenrotz auf Blutwurst-Pizza! Doch bei allen Mädchen – und auch vielen Jungs – sorgte dieses Ereignis für freudige Aufregung. Im Schlafsaal gab es abends kein anderes Thema mehr als Kleider, Kleider und nochmals Kleider. Bestickt oder mit Spitze? Zartrosa oder ein kräftiges Pink? Getupft, mit Blümchen oder einfarbig? Und war das geklärt, ging es um Frisuren. Das alles interessierte Bazilla keinen Deut. Sie weigerte sich nach wie vor, etwas anderes als ihre schwarze Latzhose, schwarz-grau geringelte T-Shirts und ihre blutroten Chucks zu tragen. Und was ihre Haare betraf, hatte selbst die Internats-Leiterin Madame Rosenquarz eingesehen, dass Bazillas wildem schwarzem Schopf nicht beizukommen war. Das würde sich auch wegen eines Feen-Balls nicht ändern.

Außerdem hatte Bazilla sich wirklich nicht darum gerissen, an dem Ball teilzunehmen. Im Gegenteil. Als die erste Tanzstunde anstand und Madame Wasabia die Tanzpaare einteilte, hatte Bazilla sich unauffällig mit Elvis in den Park verdrückt. Dort hatte ihre Lehrerin sie schließlich aufgetrieben. Ziemlich feerärgert.

Die dünne, große Madame konnte offensichtlich nicht begreifen, wie jemand so ungeschickt sein konnte. Tanzen war ihr Leben. Sie studierte mit ihren Schülerinnen und Schülern regelmäßig die Feen-Tänze im Mondschein ein, die Teil der Prüfung für die höheren Klassen des Internats waren. Die Lehr-Fee tanzen zu sehen, war ein Vergnügen für jeden, der zusehen durfte. Sogar Bazilla war beeindruckt, als sie zum erstem Mal sah, wie die Madame schwerelos übers Parkett zu schweben schien.

Allerdings war Bazilla auch klar, dass sie selbst es niemals so weit bringen würde. Auf Burg Morchelfels flogen die meisten Bewohner, und Bazilla hatte sich immer gern das Geisterpony Rosinante geschnappt und war mit ihm durch die langen Gänge galoppiert. Aber tanzen? Lieber nicht.

Am liebsten hätte sie irgendeine Ausrede erfunden, um sich vor dem Ball zu drücken. Aber wie sie Madame Wasabia kannte, würde die keine Gnade walten lassen, egal wie raffiniert Bazilla es anstellte. Sie seufzte. Manchmal war es ganz schön anstrengend, kein Vampir zu sein!

Kapitel 2

Burg-Arrest

Auch auf Burg Morchelfels war nicht alles eitel Mondenschein. In der Wohnstatt der Vampire herrschte ziemlich dicke Luft.

»Ich bin empört. Wie konntest du so leichtsinnig sein?« Graf von Morchelfels, wie immer in einen eleganten schwarzen Anzug gekleidet, war aufgebracht.

Sein Sohn Bronchus, Bazillas älterer Bruder, zog den Kopf ein. »Wir hatten eben Spaß! Da habe ich nicht daran gedacht …«, fing er an.

Doch sein Vater ließ keine Ausrede gelten: »Du hast dich mit einer Gruppe junger Menschen herumgetrieben, Bronchus!«

»Also wirklich. Ich hätte dir mehr Verstand zugetraut, mein Sohn«, schaltete sich nun auch Bronchus’ Mutter ein. Die Gräfin, in ein langes Kleid aus schwerem Samt gehüllt, zog ihre makellose weiße Stirn in Falten. Ein Zeichen, dass sie ernsthaft verärgert war.

»Die Leute kamen von einer Party!«, rechtfertigte sich Bronchus. »Es war stockdunkel, und die waren so in Feierlaune, dass es sie nicht mal gestört hätte, wenn ich …«, Bronchus suchte nach einem Vergleich, »… wenn ich ein lila Gorilla gewesen wäre«, schloss er.

Doch das interessierte den Grafen nicht. »Das spielt keine Rolle. Du hättest dich trotzdem nicht zu ihnen gesellen dürfen – als Vampir mit schwarzem Umhang!«

»Aber die sahen doch fast genauso aus wie ich!«, rief Bronchus und verdrehte die Augen. »Die Mädchen hatten schwarze Kleider an, und der Junge trug einen langen dunklen Mantel. Die dachten, ich wäre ein Grufti. So haben sie mich genannt.«

»Das ist noch lange kein Grund, dich mit ihnen zusammenzutun!«, mahnte die Gräfin.

»Ihr wolltet in eine Spelunke gehen!«, rief sein Vater.

»Boah, Papa! Erstens heißt das inzwischen Club, und zweitens bin ich kein kleines Kind mehr«, gab Bronchus trotzig zurück.

»Du bist ein Vampir«, raunzte der Graf. »Als solcher hast du dich von Menschen fernzuhalten. Außer du bist, ähm, hungrig. In diesem Falle weißt du, was du zu tun hast!«

»Ja«, ächzte Bronchus. »Ich muss sie vamp-notisieren

Das war eine Art Hypnose. Die lernte jeder Vampir pünktlich zu seinem zehnten Geburtstag, sobald ihm spitze Eckzähne gewachsen waren und er die Fähigkeit zu fliegen entwickelt hatte. Denn das war der Zeitpunkt, an dem ein Vampir anfing, sich entsprechend zu ernähren. Jedoch sollte kein Mensch, der von einem Vampir gebissen wurde, Angst oder Unbehagen empfinden oder sich später daran erinnern. Sonst wäre die Aufregung in der Bevölkerung groß. Ganz abgesehen davon, wenn Zeitungen, Internet und Fernsehen Wind davon bekämen, dass es diese magischen Wesen tatsächlich gab. Daher hypnotisierten, besser gesagt vamp-notisierten, sie die Menschen.

»Aber ich hatte doch schon längst gegessen«, versuchte Bronchus, sich jetzt herauszureden.

»Wenn es nur das gewesen wäre!«, polterte der Graf. »Aber zu allem Überfluss hast du dich vor ihren Augen in die Luft erhoben!«

»Ein Übermut, der uns allen zum Verhängnis hätte werden können«, stöhnte die Gräfin und fasste sich an die Stirn.

Bronchus fand das etwas theatralisch, aber seine Mutter hatte leider recht. Er wusste auch nicht, was ihn vorige Nacht geritten hatte. Er hatte vor den beiden Mädchen etwas angeben wollen. Vor allem die mit den lila gefärbten Haaren hatte es Bronchus angetan. Unglücklicherweise hatte sie ihr Handy gezückt und Bronchus’ Looping gefilmt. »Krass«, war ihr Kommentar gewesen. Da hatte es ihm gedämmert, dass seine Aktion ein Fehler gewesen sein könnte. Aber wie hätte er es schaffen sollen, alles rückgängig zu machen und drei Menschen gleichzeitig zu vamp-notisieren?

»Wenn deine Mutter und ich nicht aufgetaucht wären, weil wir dich schon suchten, hätte das sehr böse enden können!«, wetterte sein Vater, als könnte er Gedanken lesen.

Sosehr es Bronchus stank, dass seine Eltern ihn hatten raushauen müssen, war ihm doch klar, dass sie seine Rettung gewesen waren. Jeder der drei Vampire hatte sich einen Jugendlichen vorgenommen, und kurze Zeit später war die Begegnung mit Bronchus vergessen. Auch dass sie einen Vampir beim Fliegen gefilmt hatte, wusste das Mädchen nicht mehr. Gräfin von Morchelfels hatte mit ihrer magischen Fähigkeit bewirkt, dass das Video unwiederbringlich nicht nur aus ihrem Gedächtnis, sondern auch vom Handy gelöscht worden war.

»Das war knapp, und du hattest Glück, dass wir dich rechtzeitig entdeckt haben«, schloss der Graf.

»Ja, ich weiß. Vielen Dank, und können wir das Thema jetzt abhaken?«, fragte Bronchus genervt.

»Oh nein, keineswegs. Du wirst die Konsequenzen tragen«, machte sein Vater ihm klar. »Ab sofort hast du Burg-Arrest. Nur zum Essen darfst du Morchelfels verlassen. Allerdings nur und ausschließlich in unserer Begleitung. Keine Alleinflüge mehr für die nächste Zeit!«

»Was?!«, schrie Bronchus auf. »Ausflüge nur noch mit euch? Och nööö!«

»Oh doch«, sprang seine Mutter ihrem Mann bei. »Du hast unreif und verantwortungslos gehandelt. Sei dankbar, dass deine Strafe so milde ausfällt. Noch vor zweihundert Jahren hätte man dir deinen Umhang weggenommen und dich hungern lassen!«

»Mann«, stöhnte Bronchus. »Das wird voll öde!«

Graf von Morchelfels blieb unerbittlich. »Du musst lernen, wie sich ein Vampir verhält. Zudem könntest du etwas an deiner Ausdrucksweise feilen, mein Sohn.«

Mit diesen Worten verließen seine Eltern den Saal, und das Gespräch war beendet.

»Wie ein kleines Kind haben sie mich behandelt«, beschwerte Bronchus sich wenig später bei Aquila. Er war einer von den zwei großen steinernen Wasserspeiern, die hoch oben auf der äußeren Mauer des Turms saßen. Dort bewachten er und sein Kollege Nöfnöf Tag und Nacht Burg Morchelfels. Die beiden waren eine Mischung aus Drache und Greif. Dementsprechend grimmig sahen sie aus. In Wahrheit aber war Aquila sanft, wortkarg und liebte Eistee. Nöfnöf bevorzugte Kirschlimonade, quasselte in einer Tour und konnte ganz schön launisch sein.

»Das geschieht dir recht«, gab er jetzt seinen Senf dazu. »Wie kann man so blöd sein und Menschen absichtlich auf sich aufmerksam machen?«

»Das sagt der Richtige«, gab Bronchus hitzig zurück. »Wer säuft denn eimerweise Limo und weckt dann das ganze Tal mit seinen lauten Rülpsern?«

Das kam in der Tat oft vor. Gleichzeitig hielt Nöfnöf mit seinen schrecklichen Geräuschen unliebsame Besucher von der Burg fern. Einige Menschen waren sogar davon überzeugt, auf Morchelfels würde es spuken. Und die, die keine Angst vor Gespenstern hatten, glaubten, der Lärm käme von schweren Gesteinsbrocken, die sich von der baufälligen Burgmauer lösten. Daher blieben sie ebenfalls weg.

»Ich helfe, die Burg zu beschützen«, gab Nöfnöf prompt zur Antwort. »Während du beinahe das Gegenteil bewirkt hättest. Deswegen sind Graf und Gräfin jetzt sauer auf dich und nicht auf mich«, setzte er selbstgefällig hinzu.

Auch von den anderen Schlossbewohnern hagelte es Schadenfreude – allen voran von Geisterritter Sir Toby. »Oh, das tut mir aber leid«, stichelte er. »Ich würde dir ja für einige Zeit Rosinante ausleihen. Aber ich glaube, sie macht sich als Babysitter nicht so gut.« Das Geisterpony fand die Idee offenbar auch zum Wiehern.

Bronchus warf dem schemenhaften Ritter einen bösen Blick zu. Dessen Kopf – samt Ritterhelm – saß nur lose auf seinem Rumpf, weil Sir Toby vor vielen hundert Jahren geköpft worden war. Bronchus beschloss, bei passender Gelegenheit den Kopf zu verstecken. Und zwar an einer Stelle, wo der Sir ihn nicht mehr so schnell finden würde. Die Vorstellung, wie der kleine dicke Ritter gegen die steinernen Säulen und Wände der Burg rannte, während sein Kopf in irgendeinem unterirdischen Verlies schimpfte und zeterte, tröstete Bronchus etwas. Trotzdem war und blieb der Burg-Arrest natürlich eine Blamage.

Als selbst Oberst Doppelzahn, Anführer der Ratten-Armee, bei Bronchus’ Anblick mit einem quiekenden Kichern davonhuschte, reichte es. Der junge Vampir wünschte sich inbrünstig, Wünsche erfüllen zu können wie seine kleine Schwester Bazilla. In seiner Vorstellung konnten sich Feen mir nichts, dir nichts alle Wünsche erfüllen, die ihnen einfielen. Und jetzt gerade wünschte Bronchus sich nichts sehnlicher, als dass ein Wunder geschah, das den Burg-Arrest aufhob. Denn sonst würden es die schlimmsten und langweiligsten Wochen in seinem bisherigen Vampirdasein werden.

Kapitel 3

Ein überraschendes Feerbot

Ahnungslos, dass auch ihr heiß geliebter Bruder mit Problemen kämpfte, hockte Bazilla genervt im Feen-Schlafsaal in ihrem offenen Sarg.

Kurz nach ihrer Ankunft im Internat hatten Molly und ein paar andere Feen ihn durch magisches Wünschen mit bunten Blumen und Schmetterlingen verziert. Eine Zeit lang hatte Bazilla das witzig gefunden. Dann jedoch hatte sie sich von den anderen Schwarz zurückgewünscht. Das war und blieb eben ihre Lieblingsfarbe.

Was man von den anderen Feen nicht behaupten konnte. Gerade war Bazilla umgeben von Wolken aus rosa Seide, goldenem Tüll und silbriger Spitze.

Ihren Flederhamster Elvis interessierte das Ganze nicht. Leise schnarchend lag er auf Bazillas Kopfkissen und bekam nichts von der Aufregung um ihn herum mit.

»Also ich werde ganz sicher ein rosa-goldenes Kleid tragen!«

»Ich finde einfarbig auch schön.«

»Guckt mal. Meine Mutter hat mir silberfarbene Spitze an mein Oberteil gewünscht. Toll, oder?«

Philomene, Griseldis und die anderen Feen schnatterten aufgeregt durcheinander. Selbst Molly war Feuer und Flamme: »Rosé oder Muschelschalen-Weiß für meinen langen Rock – was findest du besser, Zilla?«

Da wurde es Bazilla – wortwörtlich – zu bunt: »Von dem ganzen Rosa, Gold und Silber wird man ja blind wie ein hundertjähriger Maulwurf!«, platzte sie heraus, während sie aus ihrem Sarg hüpfte. »Und überhaupt: Wieso müssen es immer Kleider und Röcke sein? Hat keine von euch mal dran gedacht, dass Hosen auch supertoll sind?«

Stille.

Die anderen Feen sahen sich mit großen Augen an. Molly kratzte sich an ihrer Stupsnase. »Stimmt eigentlich«, sagte sie. »Wir tragen immer Kleider und Röcke, weil … na ja. Weil wir eben Feen sind und das immer so gemacht haben.«

»Immer so gemacht ist keine Begründung«, fand Bazilla.

»Ich finde Röcke schön«, verteidigte Tulpia sich.

»Genau. Hosen sind nicht so schick wie Kleider und außerdem unpraktisch«, bestätigte Philomene. Sie musterte Bazilla. »Vor allem in Schwarz!«

»Quaddeliger Krötenquatsch!«, rief Bazilla. »Hosen sind toll! Ich kann damit viel besser auf Rosinante reiten, auf die Burgmauer klettern und huckepack mit Bronchus fliegen als in einem Kleid. Und Schwarz ist nachts eine super Tarnung.«

»Pfff, wer will schon aussehen wie du?«, giftete Philomene.

»Zilla hat recht«, ergriff Molly für ihre beste Freundin Partei. »Wir haben uns nie gefragt, ob wir was anderes als Kleider oder Röcke tragen könnten. Ich würde gerne mal ausprobieren, wie ich in einer Hose aussehe.«

»Kein Problem«, antwortete Bazilla mit einem breiten Grinsen. Sie schloss die Augen und flüsterte: »Ich wünsche, wünsche, wünsche mir …« So funktionierte das nämlich: Bazilla stellte sich den Wunsch bildlich vor – Vi-su-a-li-sieren hieß das. Als sie das Bild deutlich vor ihrem inneren Auge hatte, stupste sie. »Das bedeutet, du beförderst den Wunsch aus deiner Vorstellung heraus und lässt ihn wahr werden.« So hatte es Alchemillus Flex, ein älterer Lehr-Albe, Bazilla damals im Unterricht erklärt.

Spitze Schreie ertönten, und Bazilla öffnete die Augen. Hatte es geklappt?

Molly stand in einer silberfarbenen Hose da. Dazu trug sie ein schwarzes T-Shirt. »Woahhh, cool!«, rief die kleine Fee und schaute an sich herunter.

Durch den Lärm war Elvis aufgewacht. Jetzt blickte er erstaunt auf Molly. Dann stieß der Flederhamster ein anerkennendes Fiepen aus.

»Elvis findet dich toll«, erklärte Bazilla.

Griseldis kicherte. »Du siehst aus wie lebendes Lametta, Molly!«, rief sie. »Das will ich auch!« Auffordernd sah sie Philomene an. »Bitte wünsch mir eine flippige Hose!«

Philo lächelte hinterhältig. »Dein Wunsch ist mir Befehl …«