Sophie und die Magie – Bio, Deutsch und Zauberei
Katharina Martin studierte Germanistik und Anglistik und arbeitete einige Jahre als Journalistin bei verschiedenen Tageszeitungen, Radiosendern und Fachmagazinen. Ihre wahre Leidenschaft galt aber schon immer den Büchern, deshalb gab sie ihren Redakteursjob irgendwann auf und machte das Romaneschreiben zu ihrem Beruf. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren Kindern in Westfalen.
Angela Glökler wurde im süddeutschen Rastatt geboren. Ihr Studium der Illustration führte sie nach Hamburg. Dem Norden ist sie bis heute treu geblieben: In einem schönen Hamburger Altbau mit besonders hübschem Prinzessinenbalkon und vielen kreativen Kollegen zaubert sie Bilder für große und kleine Kinder.
Eine zauberhafte Klassenfahrt
Band 2
Mit Bildern von Angela Glökler
Originalausgabe
Vollständige eBook-Ausgabe
des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes
Boje in der Bastei Lübbe AG
Copyright © 2021 by Bastei Lübbe AG, Köln
Umschlaggestaltung: Thomas Krämer unter Verwendung einer Illustration von Angela Glökler
eBook production: Jilzov Digital Publishing, Düsseldorf
ISBN 978-3-7517-0429-8
boje-verlag.de
Am Mittwochvormittag war alles ein bisschen anders als sonst, jedenfalls für die Kinder der 5b. Es hatte gerade zur sechsten Stunde geklingelt, und normalerweise saßen sie zu diesem Zeitpunkt alle schon ziemlich schlapp auf ihren Stühlen und warteten darauf, dass der Schultag endlich zu Ende ging. Aber nicht heute. Im Klassenzimmer herrschte ausgelassene Stimmung, und alle redeten durcheinander. Es gab nur ein Thema: die Klassenfahrt, zu der sie am nächsten Tag aufbrechen würden.
»Freut ihr euch auch schon so?« Sophie legte ihr Deutschbuch auf den Tisch und grinste ihre Freundinnen an. »Ich kann es echt nicht mehr abwarten, dass es endlich losgeht!«
»Ich auch nicht!«, sagte die ganz in Schwarz gekleidete Dula, die neben Sophie saß, und lächelte, was die junge Hexe eigentlich nicht besonders oft tat. »Das wird so cool!«
»Mega cool!« Merit ließ sich auf den Platz neben Dula plumpsen und legte die Füße auf den Tisch. Ihre kurzen roten Haare, die ihr wie Spikes vom Kopf standen, wurden an den Spitzen kurz grün, und ihr blaues T-Shirt bekam gelbe Punkte, die aber sofort wieder verschwanden. Sophie kannte das schon – das kam öfter vor, denn als Fee konnte Merit die Farbe ihrer Haare und ihrer Kleidung wechseln, wenn sie es wollte. Es passierte aber manchmal auch einfach so, je nachdem, in welcher Stimmung ihre Freundin war.
»Ich war noch nie so lange von zu Hause weg«, sagte Lilia, deren Badewanne direkt neben Sophies Platz an der Ecke des Tisches stand. Ihr Fischschwanz, der über den Wannenrand hing, zuckte hin und her. »Und meine Mutter findet es auch immer noch nicht gut, glaube ich.«
»Aber sie hat doch erlaubt, dass du mitkommst«, erwiderte Sophie, froh darüber, dass Lilias Eltern in dieser Hinsicht ein bisschen entspannter geworden waren. Sie hatten Lilia als Baby adoptiert und machten sich ständig Sorgen um sie. Als Meermädchen durfte sie nämlich nicht zu lange auf dem Trockenen sein. Aber mit ihrer Badewanne auf Rädern, die immer mit Wasser gefüllt war, kam sie in der Schule prima zurecht. Und da Sophie und die anderen ihr halfen, wenn es doch mal Probleme gab, ließen Lilias Eltern sie inzwischen an fast allem teilnehmen, sogar an der Klassenfahrt ins Landschulheim.
»Ja, ich bin echt froh, dass ich sie überreden konnte«, sagte Lilia. »Aber ich glaube, sie haben es nur erlaubt, weil sie wissen, dass ich mit meiner neuen Wanne von Ben so gut zurechtkomme. Ohne ihn wäre ich vielleicht gar nicht mehr auf der Schule.«
Ben, der eine Reihe hinter den Mädchen saß, wurde ganz rot, als er das hörte. Er war groß und dunkelhaarig – und nicht besonders gut in der Schule. Aber wenn es darum ging, ein handwerkliches Problem zu lösen, fiel ihm immer etwas ein. Als er gemerkt hatte, dass Lilias alte Wanne viel zu sperrig war und sie daran hinderte, an ihren gemeinsamen Ausflügen teilzunehmen, hatte er ihr kurzerhand eine kleinere, wendigere gebaut.
»Ach, das war doch gar nichts«, sagte er und kratzte sich verlegen am Kopf.
»Achtung, Leute, da kommt Frau Thomas«, warnte der blonde Tom, der neben Ben saß. Er war Bens bester Freund und gehörte ebenfalls zu ihrer Clique. »Mann, ich hoffe echt, dass sie heute kein Deutsch mehr mit uns macht«, fügte er mit einem Seufzen hinzu, als sie sich alle richtig hinsetzten, um ihre Klassenlehrerin zu begrüßen.
Frau Thomas kam herein und stellte ihre Tasche auf das Lehrerpult. Sie hatte kurze dunkelblonde Haare, und wenn sie lächelte, so wie jetzt, erschienen Grübchen auf ihren Wangen.
»Guten Morgen.« Sie nahm eine Papiertüte mit einem Bäckereiaufdruck aus ihrer Tasche und legte sie auf den Tisch. »Na, seid ihr schon aufgeregt wegen morgen?«, fragte sie mit einem Augenzwinkern.
Alle bejahten das fröhlich.
»Gut. Ich habe da auch noch etwas zu verkünden. Ihr wisst ja, dass Herr Dombrink uns eigentlich begleiten sollte. Er ist aber leider krank geworden und liegt mit einer Mandelentzündung im Bett. Deshalb kann er nicht mitkommen.«
Ein enttäuschtes Raunen war zu hören, und auch Sophie sah ihre Freundinnen betroffen an. Der junge Referendar, bei dem sie Sportunterricht hatten, war wegen seiner lockeren Art nämlich bei allen sehr beliebt.
»Wir brauchen aber eine zweite Lehrkraft, sonst können wir nicht fahren«, fuhr Frau Thomas fort. »Deshalb bin ich froh, dass Frau Munk sich kurzfristig bereit erklärt hat, für Herrn Dombrink einzuspringen!«
»Oh nein, nicht die Munk!«, stöhnte Sophie, und auch von den anderen Kindern waren diverse Protestlaute zu hören. Die Biologie-Lehrerin der 5b, auch bekannt als die »harte Herta«, war eine der strengsten Lehrerinnen an der Aurora-Fanning-Gesamtschule, und niemand konnte sie leiden.
Das schien auch Frau Thomas zu wissen, denn sie hob beschwichtigend die Hände. »Ich weiß, ich weiß, ihr hättet lieber Herrn Dombrink mitgenommen. Es tut ihm auch schrecklich leid, aber er ist wirklich viel zu krank für die Fahrt. Und Frau Munk hatte mich vorher schon gefragt, ob sie nicht vielleicht mitfahren könnte. Deshalb lag es nahe, sie zu fragen. Vergesst nicht: Ich müsste die Fahrt absagen, wenn wir keinen Ersatz für Herrn Dombrink hätten.«
Sophie tröstete das nur wenig, und ihre Freunde waren ebenfalls nicht begeistert.
»Ausgerechnet die harte Herta!« Merit schüttelte den Kopf. »Das kann ja heiter werden.«
»Die hat uns doch sowieso schon auf dem Kieker.« Dula seufzte tief. »Wahrscheinlich verpasst sie uns sofort Hausarrest, und wir müssen die ganze Zeit in unseren Zimmern verbringen.«
Die Befürchtung war nicht ganz unberechtigt. Im Gegensatz zu allen anderen Lehrern mochte Frau Munk nämlich keine Magischen. Die Aurora-Fanning-Gesamtschule war jedoch die Schule in Eden, auf die besonders viele magische Kinder gingen. Es war fast schon Tradition, dass die magischen Familien ihre Kinder dort anmeldeten. Deshalb fanden sich in den Klassen neben Hexen und Feen auch Werwölfe, Elfen, Zwerge, Zentauren und andere Kinder, die ein bisschen anders aussahen oder besondere Fähigkeiten hatten. Da Lilia, Dula, Merit und auch Tom, der ein Werwolf war, zu dieser Gruppe gehörten, hatten sie bei Frau Munk ganz schlechte Karten. Sie war zu ihnen noch strenger als zu den anderen und unterstellte ihnen Dinge, die sie gar nicht gemacht hatten, was Sophie richtig gemein fand. Und jetzt drohte die Munk, ihnen auch noch die Klassenfahrt zu verderben, auf die sie sich so gefreut hatten!
»Okay«, sagte Frau Thomas. »Dann würde ich gerne noch ein paar Dinge besprechen wegen morgen. Bitte denkt alle daran, dass …«
Sie hielt inne, weil ein lautes Niesen durch das Klassenzimmer hallte. Und dann noch eins. Und noch eins.
»Tom? Alles in Ordnung?«, fragte Frau Thomas erschrocken.
Sophie drehte sich zu ihrem Freund um, dessen Augen weit aufgerissen waren.
»Nein, ich fürchte, ich …«
Er hielt inne und legte den Kopf nach hinten.
»Hatschi!«, nieste er laut – und verwandelte sich dabei in einen Werwolf.
Es dauerte nur einen kurzen Moment. Sobald der Niesanfall vorbei war, wurde Tom wieder zu dem Jungen, den sie alle kannten.
Ein Raunen ging durch das Klassenzimmer. Dann nieste Tom erneut – und wieder wurden seine Ohren lang und haarig, und er bekam Fell und Klauen an den Händen und eine Wolfsschnauze. Auch dieser Anfall dauerte nur ein paar Sekunden, dann verwandelte er sich zurück.
Die anderen Kinder kicherten oder flüsterten miteinander.
»Coole Sache!«, rief der freche Marvin aus der letzten Reihe. »Das würde ich auch gerne können!«
Sophie fand das gar nicht lustig.
»Was ist denn mit dir los?«, fragte sie besorgt, aber Tom konnte nicht antworten, weil er wieder heftig niesen musste – und sich erneut verwandelte.
»Ich … glaube, ich … hatschi! … rieche … hatschi! … Zimt!« Seine Stimme klang jetzt dunkel, so wie immer, wenn er seine Gestalt änderte, und in seinen stechenden Wolfsaugen lag ein verzweifelter Ausdruck. Für ihn war das offensichtlich kein Spaß, auch wenn die anderen Kinder über seine Verwandlungen lachten.
»Ich … kann … das … hatschi! … nicht … mehr … lange … hatschi! … kontrollieren!«
Flehend blickte er Frau Thomas an, die endlich zu begreifen schien, was los war.
»Zimt! Oh mein Gott, natürlich!« Hastig griff sie nach der Bäckereitüte und lief damit aus dem Klassenzimmer.
Toms Niesanfälle ließen sofort nach, und als Frau Thomas zurückkehrte, hatte er sich beruhigt. Aber er war ganz blass und atmete schwer, so als hätte er gerade einen Dauerlauf hinter sich.
»Oh, Tom, es tut mir so leid!« Frau Thomas wirkte sehr zerknirscht. »Ich hatte eine Zimtschnecke dabei, obwohl ich doch eigentlich weiß, dass du gegen Zimt allergisch bist. Geht es denn jetzt?«
Tom nickte. »Ist wieder okay«, sagte er ein bisschen heiser.
»Möchtest du lieber nach Hause gehen? Oder dich im Erste-Hilfe-Raum ein bisschen hinlegen?«, bot Frau Thomas ihm an.
»Nein. Es geht schon«, wehrte Tom ab.
Aber während der restlichen Stunde war er sehr ruhig. Immer, wenn Sophie sich zu ihm umdrehte, fand sie, dass er echt fertig aussah.
»Das war ja ganz schön heftig«, sagte sie zu ihm, als sie nach Schulschluss alle auf dem Weg zum Bus waren. »Ist das immer so schlimm, wenn du Zimt riechst?«
»Ja, leider.« Tom zuckte mit den Schultern. »Dann verwandele ich mich, ohne dass ich es verhindern kann. Früher, als ich kleiner war, hatte ich das sogar noch krasser. Inzwischen kann ich es zumindest ein bisschen steuern. Aber es ist echt anstrengend, sich gegen die Verwandlung zu stemmen. Das schaffe ich nicht lange. Ich kann das dann einfach nicht so kontrollieren wie sonst.«
»Das heißt, du könntest dann gefährlich sein?«, fragte Lilia, die von Ben geschoben wurde, besorgt.
»Nicht bei einer Zimtschnecke, das geht noch. Aber wenn ich Zimtpulver einatme, dann vielleicht schon«, sagte Tom, und Sophie konnte ihm ansehen, wie unglücklich ihn das machte.
Eigentlich hatten moderne Werwölfe ihre Verwandlung sehr gut im Griff. Sie lernten das in der Regel schon mit ungefähr sechs Jahren, und es passierte dann nur noch, wenn sie es wollten. Deshalb waren sie auch nicht gefährlich. Viele Leute hatten dennoch Angst vor ihnen, und darunter litt der friedfertige, immer hilfsbereite Tom sehr.
»Was passiert denn, wenn du Zimtpulver in die Nase bekommst?«, wollte Dula wissen.
»Das ist erst einmal passiert, damals, als wir herausgefunden haben, dass ich gegen Zimt allergisch bin«, berichtete Tom. »Meine Mutter wollte Zimtsterne backen und hat aus Versehen den Zimtstreuer fallen lassen – direkt vor meine Füße. Das Glas ist kaputtgegangen, und ich habe das Zimtpulver eingeatmet, das in der Luft hing. Da war ich über eine Stunde lang ein Werwolf und konnte mich nicht zurückverwandeln. Das war richtig schrecklich für mich und hat meine Mutter sehr erschreckt. Seitdem haben wir keinen Zimt mehr im Haus, und da er sonst kaum irgendwo offen rumsteht, hatte ich es danach nie wieder so schlimm. Deshalb bin ich nicht ganz sicher, was passiert, wenn ich noch mal direkt mit Zimt in Kontakt komme.« Er lächelte schief. »Zimtschnecken und Zimtsterne reichen mir auch eigentlich, damit werde ich wenigstens halbwegs fertig.«
»Hey, was wollt ihr denn von uns?« Merit blieb abrupt stehen und drehte sich zu Anna-Lena und Fenja um, die dicht hinter ihnen gingen. Was ungewöhnlich war, denn mit ihren beiden Klassenkameradinnen verstanden sie sich überhaupt nicht. Deshalb hielten sie normalerweise während der Pausen und auf dem Schulweg Abstand voneinander.
»Wir wollen zum Bus. Aber ihr macht euch so breit, dass man nicht an euch vorbeikommt. Vor allem an dem sperrigen Ding!«, sagte Anna-Lena schnippisch und deutete auf Lilias Badewanne.
Ben ballte die Hände zu Fäusten. Wenn es um Lilia ging, verstand er keinen Spaß. Aber Lilia legte ihm eine Hand auf den Arm und hielt ihn zurück.
»Bitte«, sagte sie zu Anna-Lena und Fenja und deutete mit der Hand in Richtung Bushaltestelle. »Wir wollen euch natürlich nicht aufhalten.«
Ohne ein weiteres Wort rauschten die beiden an ihnen vorbei. Dabei drehte Fenja sich noch einmal zu ihnen um und warf Sophie einen bösen Blick zu, was Sophie einen Stich versetzte.
Fenja war beim Wechsel von der Grundschule auf die Aurora-Fanning-Gesamtschule nämlich noch Sophies Freundin gewesen. Doch schon nach kurzer Zeit hatte sie sich mit der arroganten Anna-Lena zusammengetan. Gemeinsam heckten die beiden immer wieder fiese Sachen aus, um die Magischen zu ärgern, oder sagten gemeine Dinge zu ihnen. Deshalb trauerte Sophie ihrer ehemaligen Freundin auch nicht mehr nach. Aber ein bisschen weh tat es trotzdem, dass Fenja sich inzwischen so feindselig verhielt.
Die Freunde blickten den beiden Mädchen nach, Ben immer noch mit geballten Fäusten.
»Warum hast du mich aufgehalten?«, wollte er von Lilia wissen. »Ich hätte denen mal richtig die Meinung gesagt!«
»Ich weiß.« Lilia spielte mit dem goldenen Muschelanhänger, den sie an einer Kette um den Hals trug. »Aber ich möchte nicht, dass du dich mit ihnen anlegst. Die beiden suchen doch nur Streit, und ich will nicht, dass es meinetwegen Ärger gibt.«
»Aber Ben hat recht! Den Spruch hätte sich Anna-Lena echt sparen können«, grummelte Merit, deren T-Shirt jetzt genauso feuerrot war wie ihre Haare. »Wahrscheinlich sind die uns bloß so dicht auf die Pelle gerückt, um dich zu beleidigen, Lilia.«
Das hielt auch Sophie für wahrscheinlich. Es war nämlich nicht das erste Mal, dass Anna-Lena sich über Lilias Badewanne beschwerte. Sie mochte das hübsche Meermädchen nicht und gab ihr oft das Gefühl, alle anderen zu stören.
»Hey, lasst uns lieber über was Erfreuliches reden!«, meinte Tom. »Nur noch einmal schlafen, dann fahren wir los!«
Sophie grinste. »Stimmt!« Der Gedanke daran, dass sie morgen alle zusammen ins Landschulheim fahren würden, hob ihre Laune sofort wieder. »Ich kann heute Nacht bestimmt nicht schlafen vor lauter Aufregung«, sagte sie an Dula gewandt.
Ihre Freundin lachte. »Das macht doch nichts. Dann bleiben wir eben wach«, meinte sie und hakte Sophie unter.
Gemeinsam gingen sie zum Bus, und Sophie stieg nicht wie sonst in die Linie, die sie zurück nach Hause brachte. Heute fuhr sie mit dem Bus, den Dula immer nahm.
Sophies Eltern waren nämlich beide nicht da – ihre Mutter besuchte ihre Schwester, die nicht in Eden wohnte, und ihr Vater, der als Lehrer am Schiller-Gymnasium arbeitete, begleitete ebenfalls eine Klassenfahrt. Deshalb war heute keiner von beiden zu Hause, und Sophie durfte die Nacht bei Dula verbringen. Sophies Gepäck hatte ihre Mutter am Vormittag schon zu den Bocksbaums gebracht. Morgen früh würde Sophie dann mit ihrer Freundin zusammen zur Schule fahren, damit sie ihre Klassenfahrt antreten konnten.
»Vielen Dank noch mal, dass ich bei euch schlafen darf«, sagte sie beim Einsteigen. »Ich bin schon so gespannt auf euer Haus.«
Sophie hatte keine Ahnung, wie ein Gebäude aussah, das von Hexen bewohnt wurde. Aber sie war sehr froh, dass sie es jetzt endlich herausfinden würde.
Als sie an Dulas Haltestelle ausstiegen, staunte Sophie nicht schlecht, denn die Straße, an der Dula wohnte, lag mitten in der Altstadt von Eden an einer richtigen Allee. Hohe Bäume säumten den Weg auf beiden Seiten, und der Asphalt des Bürgersteigs war vom Wurzelwerk teilweise aufgerissen. Außerdem waren die Häuser hier größer als in Sophies Wohnviertel. Sie hatten fast alle drei Stockwerke, und um die großen, sehr gepflegten Vorgärten liefen Mauern oder Hecken.
»Die Häuser sehen aus wie alte Villen«, sagte sie staunend zu Dula, während die beiden den holprigen Bürgersteig entlanggingen.
»Sie sind auch alt, teilweise über hundert Jahre. Unseres zumindest. Meine Familie wohnt da schon seit Generationen. Guck – da vorne ist es.«