Nataly von Eschstruth

Der Stern des Glücks

Heimatroman

Nataly von Eschstruth

Der Stern des Glücks

Heimatroman

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019
1. Auflage, ISBN 978-3-962810-68-9

null-papier.de/482

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Inhaltsverzeichnis

Ers­tes Ka­pi­tel

Zwei­tes Ka­pi­tel

Drit­tes Ka­pi­tel

Vier­tes Ka­pi­tel

Fünf­tes Ka­pi­tel

Sechs­tes Ka­pi­tel

Sie­ben­tes Ka­pi­tel

Ach­tes Ka­pi­tel

Neun­tes Ka­pi­tel

Zehn­tes Ka­pi­tel

Elf­tes Ka­pi­tel

Zwölf­tes Ka­pi­tel

Drei­zehn­tes Ka­pi­tel

Vier­zehn­tes Ka­pi­tel

Fünf­zehn­tes Ka­pi­tel

Sech­zehn­tes Ka­pi­tel

Sieb­zehn­tes Ka­pi­tel

Acht­zehn­tes Ka­pi­tel

Neun­zehn­tes Ka­pi­tel

Zwan­zigs­tes Ka­pi­tel

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Erstes Kapitel


Es ist das Glück ein flüch­tig Ding
Und war’s zu al­len Ta­gen,
Und jag­test du um der Erde Ring,
Du könn­test es nicht er­ja­gen!
Leg lie­ber dich ins Gras voll Duft
Und sin­ge dei­ne Lie­der –
Ur­plötz­lich, aus der blau­en Luft
Fällt es auf dich her­nie­der!


Gei­bel.

Jean Bap­tis­te Stern­berg, der hoch­be­währ­te Kam­mer­die­ner, räum­te in sei­ner sorg­sa­men Wei­se den Schreib­tisch Sei­ner Ex­zel­lenz, des ehe­ma­li­gen Finanz­mi­nis­ters auf, wie vor drei­ßig Jah­ren, als die­ser sich noch im Wir­bel­sturm der Ge­schäf­te ganz und gar auf sei­nen ge­treu­en Stern­berg ver­las­sen und den Di­plo­ma­ten­tisch voll hoch­ge­sta­pel­ter Pa­pie­re, Map­pen und Bro­schü­ren dem Ord­nungs­sinn sei­nes Kam­mer­die­ners über­las­sen konn­te.

Jetzt la­gen we­der Ak­ten noch Bro­schü­ren, noch ei­lig auf­ge­ris­se­ne Brief­um­schlä­ge auf dem grü­nen Tuch; die Tin­te war längst zu Staub zu­sam­men­ge­trock­net, die Fe­der ver­ros­tet, und die Pen­du­le, von zwei edel­stein­ge­schmück­ten Moh­ren ge­tra­gen, tick­te so schläf­rig und müde, wie das Herz in der Brust ih­res al­ten, ver­ab­schie­de­ten Herrn.

Die Zeit war ab­ge­lau­fen für ihn und für sie, – aber Jean Bap­tis­te woll­te es nicht Wort ha­ben, er räum­te den Schreib­tisch auf, – einen Tag wie den an­dern – ob­wohl kei­ne, gar kei­ne Un­ord­nung dar­auf zu se­hen war, ob­wohl kein Fe­der­zug mehr aus dem Tin­ten­fass ge­schrie­ben, kein ein­zi­ger ge­hei­mer Brief mehr in die braun­le­der­ne Map­pe ge­scho­ben ward. Ex­zel­lenz hat­te sich schon lan­ge, lan­ge von Welt und Le­ben zu­rück­ge­zo­gen, hier­her in sein stil­les, ein­sa­mes Schloss, das ehe­mals nur die er­qui­cken­de klei­ne Ruhein­sel in dem stür­mi­schen Le­bens­meer des Mi­nis­ters ge­we­sen.

Frei­herr von Flo­ring­ho­ven zahl­te ehe­mals zu den bes­ten und be­vor­zug­tes­ten Mit­glie­dern des Ka­bi­netts. Glück­li­che, er­folg­ge­seg­ne­te Un­ter­neh­mun­gen mach­ten sei­nen Na­men be­kannt und be­liebt, sei­ne äu­ßerst lie­bens­wür­di­ge, geist­rei­che und re­prä­sen­ta­ble Per­sön­lich­keit er­warb ihm die Sym­pa­thi­en al­ler Ge­sell­schafts­krei­se, und sein ho­hes Wis­sen, so­wie sei­ne au­ßer­or­dent­li­che di­plo­ma­ti­sche Tüch­tig­keit si­cher­ten ihm durch lan­ge Jah­re hin­durch eine her­vor­ra­gen­de Stel­lung un­ter den lei­ten­den Ver­tre­tern des Staa­tes. Ein Le­ben voll un­un­ter­bro­che­ner geis­ti­ger An­stren­gung zehrt. – Auch Frei­herr von Flo­ring­ho­ven emp­fand die Last der Jah­re, und die schnell sich fol­gen­den her­ben Schick­sals­schlä­ge, die sei­ne engs­te Fa­mi­lie heim­such­ten, mach­ten ihn vor der Zeit zum le­bens­mü­den Greis. Sei­ne bei­den ein­zi­gen Kin­der san­ken vor ihm in das Grab.

Der Sohn, ein blü­hen­der, zu den bes­ten Hoff­nun­gen be­rech­ti­gen­der Ka­val­le­rie­of­fi­zier, ver­un­glück­te bei ei­nem Ma­nö­ver­ritt in ei­nem Gra­ben, über den das Re­gi­ment in schar­fem Ga­lopp, ein­gehüllt von schier un­durch­sich­ti­gen Staub­wol­ken, hin­weg­setz­te.

Das Pferd des Leut­nants von Flo­ring­ho­ven sprang zu kurz und brach zu­sam­men, und nach­stür­zen­de Rei­ter be­gru­ben den jun­gen Of­fi­zier un­ter sich, dem ein Auf­schlag die Brust zer­malm­te. We­ni­ge Stun­den da­nach er­lag der ein­zi­ge Sohn des Mi­nis­ters sei­ner schwe­ren Ver­let­zung.

Und just, als sei das Un­heil ge­kom­men, um nicht wie­der von der Schwel­le des Hau­ses zu wei­chen, folg­te die Mut­ter dem Sohn durch einen eben­so jä­hen Tod. Eine Herz­läh­mung raff­te die im­mer­hin noch rüs­ti­ge, all­ge­mein ver­ehr­te und ge­lieb­te Frau von der Sei­te ih­res Gat­ten.

Schwer ge­beugt zog sich Flo­ring­ho­ven in län­ge­rem Ur­laub von sei­nem an­stren­gen­den und ver­ant­wort­li­chen Pos­ten zu­rück, Kraft und Er­ho­lung in dem Hau­se sei­ner ver­hei­ra­te­ten Toch­ter zu su­chen. Sie hat­te ei­nem Vet­ter Flo­ring­ho­ven die Hand zum Bun­de ge­reicht, ein sei­ner­zeit viel be­ju­bel­tes und von der Fa­mi­lie in­nig er­sehn­tes Er­eig­nis, das nun doch einen Flo­ring­ho­ven zum Er­ben und Nach­fol­ger von Schloss Flo­ring­hof mach­te, nach­dem der ein­zi­ge Sohn des Mi­nis­ters ohne Nach­kom­men ge­stor­ben war.

Aber die Men­schen den­ken – und Gott lenkt.

Als ob ein un­barm­her­zi­ges Schick­sal dem al­ten Herrn al­les neh­men woll­te, wor­an sein Herz voll Lie­be und Zärt­lich­keit hing, ent­riss es ihm auch die Toch­ter, sein letz­tes und liebs­tes Klein­od, das er be­saß. Und doch nicht sein letz­tes!

Ein klei­nes, ro­si­ges Eben­bild sei­ner Mar­ga­re­te lä­chel­te ihm durch Trä­nen aus der Wie­ge ent­ge­gen. Sein En­kel­kind, der ein­zi­ge Über­rest von all dem großen, viel­be­nei­de­ten Glück!

Die Welt war für den ehe­ma­li­gen, so rast­los tä­ti­gen, nim­mer mü­den Staats­mann plötz­lich ab­ge­stor­ben. Für wen ar­bei­te­te er noch?

Für Kö­nig und Va­ter­land.

Er tat’s, er woll­te nach wie vor sein Bes­tes ge­ben und leis­ten, aber das Haar auf sei­nem Haup­te ward schnee­weiß, und in sei­nem In­nern ward es eben­falls Win­ter.

Wenn eine Glo­cke einen Sprung be­kom­men, tönt sie wohl noch, – aber sie klingt nicht mehr.

Und das Herz des al­ten Man­nes glich ei­ner sol­chen Glo­cke. Es schlug nach wie vor in pflicht­treu­em Mü­hen und Ar­bei­ten, aber was in die Welt hin­aus­hall­te, hat­te nicht mehr den gu­ten Klang wie frü­her. Krieg!

Mehr denn je braucht das Va­ter­land fri­sche, ju­gend­star­ke Män­ner­hän­de an dem Staats­ru­der, der Frei­herr von Flo­ring­ho­ven aber ist ein Greis an Leib und See­le ge­wor­den. Er fühlt es, er kann nicht mehr in dem Sturm­schritt der Zeit mit fort. Er ist müde ge­wor­den. Soll er ge­hen?

Ja, er muss es. Vor ihm liegt die kur­ze, ent­setz­li­che De­pe­sche, die die Nach­richt bringt, dass sei­ne klei­ne En­ke­lin Be­ne­dik­ta eine Wai­se ge­wor­den. Ihr Va­ter ist vor Metz ge­fal­len.

Nun sind sie bei­de ganz al­lein, das klei­ne, hilflo­se Würm­chen in der Wie­ge und er, der alte, le­bens­mü­de Mann.

Sie darf aber nicht ganz ver­las­sen sein, und er darf noch nicht ster­ben – um des Kin­des wil­len.

Da sag­te er der Welt und ih­rem Le­ben und Trei­ben Va­let und sie­del­te über in sein schö­nes, ein­sa­mes Schloss Flo­ring­hof. Be­ne­dik­ta nahm er zu sich, und gleich­sam, als klam­me­re sich das mor­sche, alte Le­bens­pflänz­lein an dies jung­auf­blü­hen­de Reis, leb­te der Mi­nis­ter nur noch den In­ter­es­sen des Kin­des, wie­der jung wer­dend bei dem in­ni­gen Zu­sam­men­le­ben mit die­sem fri­schen Blut.

Als habe der To­de­sen­gel ein­ge­se­hen, dass er die Mit­glie­der der Fa­mi­lie viel zu früh und vor­ei­lig ab­ge­holt, schi­en er nun dop­pelt lan­ge zu zö­gern, den al­ten Herrn mit sei­nen Lie­ben zu ver­ei­nen. Der Mi­nis­ter sag­te oft selbst mit weh­mü­ti­gem Kopf­schüt­teln: »Man hat mich ver­ges­sen dro­ben!« Jahr um Jahr ver­ging, im­mer äl­ter, im­mer stump­fer und ab­stän­di­ger ward der alte Mann, aber er starb nicht.

Die Ver­gan­gen­heit ver­wisch­te sich mehr und mehr, und Be­ne­dik­tas ju­gend­schö­ne Licht­ge­stalt ver­klär­te ein­zig sein Da­sein, wie eine lie­be, gol­di­ge Son­ne, in de­ren Glanz sich sein küh­les Herz wärm­te und er­quick­te.

Nun dach­te er nicht mehr an Ster­ben und Schei­den. Er leb­te so still und be­hag­lich in sei­nem Schlos­se da­hin, – der gute Jean Bap­tis­te sorg­te für al­les, und Be­ne­dik­ta lä­chel­te wie der jun­ge Früh­ling; wenn sie sang, lausch­te er mit ge­fal­te­ten Hän­den, als sehe er den Him­mel of­fen, und wenn sie Groß­vä­ter­chen lieb­ko­send um et­was bat, dann hät­te eher das gan­ze Wel­tall aus den Fu­gen bre­chen mö­gen, ehe er dem Lieb­ling et­was ab­schlug.

Und die jun­ge Baro­neß wuchs im­mer schö­ner und im­po­san­ter her­an, und Jean Bap­tis­te er­klär­te ei­nes schö­nen Ta­ges: »Nun ist das Kind groß ge­wor­den, Ex­zel­lenz, – mit den Gou­ver­nan­ten taug­t’s nicht mehr, die letz­te ist vor acht Ta­gen ab­ge­reist, jetzt muss eine Dame in das Schloss, die uns­re jun­ge Gnä­di­ge in die Welt führt!«

Der Mi­nis­ter schau­te ver­blüfft mit sei­nen mat­ten, aus­drucks­lo­sen Au­gen auf. »Aber Jean – dazu bin ich ja noch da!«

»Das hal­ten Ex­zel­lenz nicht mehr aus.«

Der alte Herr wieg­te är­ger­lich das Haupt mit den spär­li­chen wei­ßen Löck­chen.

»Wa­rum soll ich es nicht mehr aus­hal­ten? Ich habe mehr auf die­sen schwa­chen Schul­tern zu tra­gen, als ein paar schlaflo­se Ball­näch­te!«

Jean Bap­tis­te sah streng aus; sein ha­ge­res Ge­sicht mit den in­tel­li­gen­ten Au­gen un­ter den weiß­bu­schi­gen Brau­en schi­en aus Stein ge­mei­ßelt.

»Bei ein paar Näch­ten al­lein bleibt es nicht, Ex­zel­lenz; das gnä­di­ge Fräu­lein muss re­gel­recht aus­ge­führt wer­den, und da­hin, wo solch jun­ge, be­hän­de Füß­chen sprin­gen, kön­nen wir Grau­köp­fe nicht mit. – Wenn Gäs­te hier­her zu uns kom­men, müs­sen sich Ex­zel­lenz selbst­ver­ständ­lich zei­gen, denn das er­for­dert die Re­prä­sen­ta­ti­on und Re­pu­ta­ti­on, – und wenn ein Di­ner in der Nach­bar­schaft ab­ge­hal­ten wird, bei Stan­des­per­so­nen oder ho­hem Adel, dann müs­sen Ex­zel­lenz auch hin, – das sind wir der eig­nen Stel­lung und dem gu­ten Na­men schul­dig. Da wer­den kei­ne über­mä­ßi­gen An­for­de­run­gen an Ew. Ex­zel­lenz ge­stellt – Es­sen, Trin­ken, ein Täß­chen Kaf­fee, und dann bin ich schon wie­der zur Stel­le und mel­de den Wa­gen.«

Frei­herr von Flo­ring­ho­ven nick­te apa­thisch vor sich hin. Sei­ne an­ge­reg­te Stim­mung hielt nie mehr lan­ge an und mach­te bald ei­ner wort­kar­gen Stumpf­heit wie­der Platz: »Gut, gut – ganz wie du meinst, Jean. Was für das Kind not­wen­dig ist, muss selbst­ver­ständ­lich ge­sche­hen. – Rich­te es nur al­les ein.«

»Und die Re­prä­sen­ta­ti­ons­da­me, Ex­zel­lenz?«

Der Mi­nis­ter starr­te nach­denk­lich vor sich hin. Wie hil­fe­fle­hend schlang er die wel­ken Hän­de in­ein­an­der. »Ja, du lie­ber Gott! Ich weiß kei­ne, gar kei­ne.«

»Ich wer­de mit Baro­nes­se spre­chen, und dann fah­ren wir zu­sam­men zur Frau Grä­fin Bor­ken nach Kerp­tow hin­über, – es wäre gut, wenn eine Dame, wie die Frau Grä­fin, die­se An­ge­le­gen­heit in die Hand näh­me!«

Wie er­löst at­me­te der alte Herr auf: »Gut … sehr gut … Du weißt doch im­mer Rat, Jean … und nun … nun lies mir noch mal den Zei­tungs­ar­ti­kel über die neu­en Zoll­ge­set­ze vor, lie­ber Jean!… Ich habe das vor­hin doch nicht so ganz er­fasst –«

»Darf ich zu­vor noch mel­den, Ex­zel­lenz, dass wir so­eben eine Ein­la­dung zum Jagd­di­ner er­hal­ten ha­ben. Mor­gen Mit­tag fünf Uhr im Jagd­schloss Al­ten­fäh­re.«

Flo­ring­ho­ven hör­te nur mit hal­b­em Ohre. »So, so … zu wem denn?« – frag­te er gleich­gül­tig, sei­ne Pelz­de­cke fes­ter um die Knie zie­hend.

»Zu dem Herrn Her­zog Hans Fried­rich, Kö­nig­li­che Ho­heit. Hoch­der­sel­be hat wie­der für vier­zehn Tage Auf­ent­halt in Al­ten­fäh­re ge­nom­men, um, wie all­jähr­lich, die Sau­hat­zen in den kö­nig­li­chen Fors­ten ab­zu­hal­ten.«

»So, so … und du meinst, Jean … dass ich zu­sa­gen muss?«

»Frag­los, Ex­zel­lenz; das er­for­dert der Re­spekt und uns­re Ach­tung vor uns selbst.«

»Hm … hm … du weißt ja Be­scheid, Jean: – wer kommt denn da?«

»Ich bin’s, Ex­zel­lenz, – brin­ge eine Tas­se Bouil­lon. Bei dem kal­ten Wet­ter ist’s zu brau­chen.«

»Hm, hm, die Jung­fer Riek­chen! … Gut … sehr schön … ah – so et­was War­mes tut gut.«

Die alte Haus­häl­te­rin rühr­te sorg­lich in der großen, sil­ber­nen Tas­se und fisch­te noch ein letz­tes Fet­t­au­ge ab. Ihre klei­ne, zu­sam­men­ge­schrumpf­te Ge­stalt trug ein win­zi­ges Köpf­chen, das eine rie­si­ge Hau­be um­rahm­te. Sil­ber­wei­ße Haar­sträh­ne la­gen glatt an den ein­ge­sun­ke­nen Schlä­fen, und die zahl­lo­sen Ru­nen und Fält­chen in der per­ga­ment­far­be­nen Haut lie­ßen auf eine hohe, sehr hohe Zahl schlie­ßen, woll­te man das Al­ter der Jung­fer Riek­chen an­ge­ben.

Den­noch war sie rüs­tig, flink und be­hän­de wie ein klei­nes Wie­sel, lief trepp­auf und trepp­ab wie ein Back­fisch, und jede ih­rer Be­we­gun­gen zeug­te von un­ge­schwäch­ter Ener­gie und Le­ben­dig­keit.

Und die­weil Mam­sell die Fleisch­brü­he mund­ge­recht mach­te und Jean in den Zei­tun­gen stö­ber­te, öff­ne­te sich die Tür aber­mals.

Ein ur­al­tes Männ­chen in der Uni­form der Leib­jä­ger stand auf der Schwel­le.

»Woll­te ge­hor­samst an­fra­gen, ob Ex­zel­lenz bei die­sem Schnee­sturm be­feh­len spa­zie­ren­zu­fah­ren?«

»Nein, Kon­rad … es ist bit­ter­kalt. Sol­ches Wet­ter taugt nicht für uns alte Gar­de.«

»Be­fehl, Ex­zel­lenz.«

Wun­der­lich – in dem be­hag­li­chen »Ar­beits­zim­mer« des ehe­ma­li­gen Mi­nis­ters tra­fen sich in die­sem Au­gen­blick ein paar Jahr­hun­der­te zu­sam­men.

Vier Men­schen mit weißem Haar, alte, grei­sen­haft alte Men­schen: und die, die in Kü­che und Kel­ler zu ih­nen ge­hör­ten, wa­ren nicht viel jün­ger, wa­ren alle Über­bleib­sel aus schö­ner, ver­gan­ge­ner Zeit, treu­er, dau­er­haf­ter Efeu von Fleisch und Blut, der un­lös­lich mit Schloss Flo­ring­hof ver­wach­sen war.

Was Wun­der, wenn die hei­te­re, ju­gend­li­che Au­ßen­welt ihre Be­trach­tun­gen dar­über an­stell­te und scherz­wei­se nicht vom Schloss Flo­ring­hof – son­dern von dem »Pe­tre­fak­ten­hof« sprach?

Ver­stei­nert und ver­knö­chert!

So un­recht hat­ten die Schel­men­zun­gen nicht. Das gan­ze Schloss, mit al­lem, was dar­in­nen war, glich trotz sei­ner ta­del­los stol­zen Mau­ern doch nur ei­ner Rui­ne, in der ver­stei­ner­te, ur­al­te We­sen haus­ten, wie die Be­woh­ner je­ner Ge­s­pens­ter­burg, die um Mit­ter­nacht von ih­ren Mar­mor­posta­men­ten nie­der­stei­gen und als stei­ner­ne Gäs­te durch die Hal­len schrei­ten.

Ja, Flo­ring­hof war ein Trüm­mer­hau­fen wan­deln­der Grab­denk­mä­ler, und Be­ne­dik­ta das ein­zig neue Le­ben, das die­ser Rui­ne ent­spross, – und den­noch gab es kein ge­müt­li­che­res, fröh­li­che­res Völk­chen, wie die­se »Pe­tre­fak­ten« im Hof­staa­te des al­ten Mi­nis­ters. –

Der Schnee wir­bel­te durch die kal­te Win­ter­luft, hö­her und hö­her deck­te er die frost­star­re Erde, und der Nord­wind pfiff um die Tür­me und Gie­bel­chen, als är­ge­re er sich des ro­si­gen Le­bens hin­ter den ho­hen Spie­gel­schei­ben, das er trotz all sei­nes Grim­mes noch nicht hat­te zu Tode frie­ren kön­nen.

Ihm zum Hoh­ne hall­ten und schall­ten die ju­gend­fri­schen Stim­men durch das hohe Ge­mach, und je glück­se­li­ger die Früh­lings- und Lie­bes­lie­der zu ihm her­aus­ju­bel­ten, je zor­ni­ger rüt­tel­te er an dem Turm­bau, als wol­le der Kö­nig Win­ter die hol­den Me­lo­di­en zer­fet­zen, die das lieb­li­che Re­gi­ment des Len­zes prie­sen.

Wo das Feu­er im Ka­min lo­dert und die alt­mo­di­sche, aber kost­ba­re und ge­schmack­vol­le Pracht des Turm­zim­mers sich in trau­li­che Wär­me hüllt, sah Baro­neß Be­ne­dik­ta am Flü­gel, mit freu­de­strah­len­den Au­gen von ih­rer lie­bens­wür­di­gen, jun­gen Leh­re­rin zu ler­nen.

Sie san­gen, – Duet­te, Soli, Lie­der und Ari­en, al­les, was die un­er­schöpf­li­che No­ten­map­pe der Mar­ga Daja zu­ta­ge för­der­te.

»Mar­ga Daja«, stand in gold­nen Let­tern auf der rot­juch­te­nen, sehr ele­gan­ten Mu­sik­map­pe ge­druckt, und die Trä­ge­rin die­ses ab­son­der­li­chen Na­mens lehn­te, eben­so ab­son­der­lich und ge­schmack­voll an­zu­schau­en, ne­ben dem In­stru­ment, just eine neue Arie lei­den­schaft­li­chen Emp­fin­dens in die win­ter­li­che, tief ver­schnei­te Ein­sam­keit hin­aus­zu­ju­beln.

Mar­ga Daja war ein Rät­sel, sei­ne Auf­lö­sung hieß Mar­ga­re­te Dall­berg. Aber die Welt kann­te die­se Lö­sung nicht, sie wuss­te nur von ei­ner Mar­ga Daja, de­ren Na­men sie mit be­son­de­rer Freu­de in der Re­si­denz auf dem Thea­ter­zet­tel las, – vor­erst nur hin­ter den klei­nern Ne­ben­rol­len, denn Mar­ga Daja war eine An­fän­ge­rin, eine jun­ge Sän­ge­rin, die es nur der Pro­tek­ti­on des ehe­ma­li­gen Mi­nis­ters Flo­ring­ho­ven ver­dank­te, dass sie ihr ers­tes En­ga­ge­ment be­reits an der Hof­o­per ge­fun­den.

Die fri­sche, klang­vol­le Stim­me der jun­gen Sän­ge­rin ent­zück­te das Pub­li­kum eben­so­sehr, wie ihre äu­ßerst an­mu­ti­ge, gra­zi­öse und ma­don­nen­haf­te Schön­heit, de­ren ein­zi­ger Feh­ler es war, dass sie nicht recht zu den über­mü­ti­gen Pa­gen- und Sou­bret­ten­rol­len voll Pi­kan­te­rie und Schalk pas­sen woll­te, die man ein­sichts­los der Künst­le­rin zu­ge­teilt hat­te.

Mar­ga Daja war die Ver­kör­pe­rung ly­ri­scher Zart­heit und poe­sie­vol­ler Schwär­me­rei.

Ihre klei­ne, el­fen­haf­te Ge­stalt schweb­te wie ein Hauch durch das Le­ben, und die großen licht­blau­en Au­gen blick­ten so ver­klärt und »über­ir­disch« aus dem blas­sen Ge­sicht­chen, wie bei ei­nem kran­ken Kind, dem man lie­be Mär­chen er­zählt.

Gold­blon­de Haa­re lock­ten sich um das Köpf­chen, mit Vor­lie­be of­fen und lang nie­der­wal­lend ge­tra­gen, mit den wei­ßen Klei­dern har­mo­nie­rend, die Mar­ga Daja, voll ei­gen­ar­ti­gen Ge­schmacks, stets in der Ba­by­fas­son ei­ner Bet­ti­na von Ar­nim trug.

Auch sie hieß in der Künst­ler­welt der Re­si­denz »das Kind!«, und ihr kind­li­cher Zau­ber fand viel An­be­tung, wie auch ei­nes ih­rer meist aus­ge­stell­ten Bil­der durch sei­ne rüh­ren­de Nai­vi­tät Auf­se­hen er­reg­te.

Das lo­cken­um­wall­te Köpf­chen mit den großen, träu­me­risch zum Him­mel bli­cken­den Au­gen, das wei­che Kinn auf die ge­fal­te­ten Hän­de ge­stützt: Eine be­rücken­de Mi­gnon – eine un­denk­ba­re Su­san­ne – ein ge­ra­de­zu un­mög­li­ches »lus­ti­ges Weib von Wind­sor!« – Die Zahl der für sie ge­eig­ne­ten Opern­par­ti­en blieb klein, und das war ein großer Stein im Wege ih­rer Büh­nen­kar­rie­re.

Mar­ga­re­te Dall­berg war die Nich­te des Gut­späch­ters von Flo­ring­hof.

Jah­re­lang ver­leb­te sie, eine Wai­se, all ihre Fe­ri­en und spä­te­re Ur­laubs­zeit bei den Ver­wand­ten, und da die Ju­gend sich noch schnel­ler und wi­der­stands­lo­ser an­zieht als Ei­sen und Ma­gnet, so hat­ten sich die bei­den ein­zig jun­gen Le­be­we­sen des Schlos­ses schnell ge­fun­den und durch ge­mein­sa­me Ge­sang­stu­di­en den Grund für eine treue und auf­rich­ti­ge Zu­nei­gung und Freund­schaft ge­legt.

Kei­ne grö­ßern Ge­gen­sät­ze konn­te man ver­kör­pert se­hen als in die­sen bei­den Freun­din­nen.

Mar­ga Da­jas syl­phen­haf­tes Fi­gür­chen ver­schwand ne­ben der wun­der­vol­len, ju­no­nisch stol­zen Er­schei­nung Be­ne­dik­tas. Stolz, selbst­be­wusst, vom Schei­tel bis zur Zehe die dis­tin­guiert vor­neh­me Ge­stalt der Ari­sto­kra­tin, über­rag­te Baro­nes­se Flo­ring­ho­ven »das Kind«, wie eine Edel­tan­ne über das schmieg­sa­me Schilf em­por­wächst.

Ihr schö­nes, re­gel­mä­ßi­ges Ant­litz kann­te kei­nen Aus­druck schwär­me­ri­scher Sen­ti­men­ta­li­tät, im Ge­gen­teil, ein Zug her­ber Re­si­gna­ti­on ließ es äl­ter als ge­recht­fer­tigt er­schei­nen. Gro­ße, leuch­tend schwar­ze Au­gen, un­ver­ge­ss­lich je­dem, der hin­ein­ge­schaut, be­leb­ten als größ­te und auf­fallends­te Schön­heit das zart­far­be­ne Ant­litz, und wenn man vor Be­ne­dik­ta von Flo­ring­ho­ven stand und den Blick über die schlan­ke Ge­stalt in dem dunklen Trau­er­ge­wand glei­ten ließ, so schlich ein Ge­fühl ehr­furchts­vol­ler Be­wun­de­rung in das Herz, wie es emp­find­sa­me See­len bei dem An­blick ei­ner ge­lieb­ten und idea­li­sier­ten Prin­zes­sin oder Kö­ni­gin emp­fin­den.

In der Er­schei­nung des jun­gen Mäd­chens lag eine ho­heits­vol­le Wür­de, die nie ihre Wir­kung auf die Um­ge­bung ver­fehl­te. Eine un­be­wuss­te Ho­heit, eine ah­nungs­lo­se Wür­de. Sie präg­te sich un­ge­sucht und un­ge­übt in je­der Be­we­gung aus.

Mar­ga Daja hat­te oft ge­seufzt: »Was gäbe ich dar­um, könn­te ich ein ein­zi­ges Mal so über die Büh­ne schrei­ten, wie Sie tag­täg­lich und stünd­lich durch Schloss und Park ge­hen, – könn­te ich mei­ne Hän­de be­we­gen wie Sie! – Könn­te ich das Haupt so kö­nig­lich auf dem Na­cken tra­gen wie Baro­neß! Wie ma­chen Sie das? – Leh­ren Sie es mich!«

Aber es ließ sich nicht leh­ren, – es lag im Blut, es war ein an­ge­bo­re­nes »Ge­nie des Vor­neh­men«, das un­be­wusst zu­ta­ge tritt und eine Per­son durch das Le­ben ge­lei­tet, wie der Blu­men­duft dem Blü­ten­kel­che der Kö­ni­gin Rose an­haf­tet.

Mar­ga Daja sang, – sang mit strah­len­den Au­gen und herz­auf­quel­len­der In­nig­keit die Arie aus der Gaz­za Ca­dra: »Was ich oft im Trau­me sah – wird nun in Er­fül­lung gehn – Va­ter und Ge­lieb­ter nah – Him­mel­s­toch­ter – Wie­der­sehn! Hold wie das Mor­gen­licht lä­chelt die Fer­ne, – glück­li­che Ster­ne – täu­schet mich nicht!«

Nach­denk­lich glit­ten die schlan­ken Fin­ger Be­ne­dik­tas von den Tas­ten, ihr großer, erns­ter Blick haf­te­te wie in fra­gen­dem Stau­nen auf der Sän­ge­rin.

»Die­se Arie wür­de ich nie­mals auch nur an­nä­hernd so sin­gen kön­nen wie Sie, lie­be Mar­ga!«

Über­rascht lieh die so jäh­lings Un­ter­bro­che­ne das No­ten­blatt sin­ken: »So! Und warum nicht?«

Eine her­be Fal­te senk­te sich um Be­ne­dik­tas Lip­pen. »Weil ich nie der Zu­kunft der­art zu­ju­beln, weil ich nie an ein Glück glau­ben könn­te, das sie mir zu brin­gen ver­möch­te!«

Mar­ga warf die No­ten bei­sei­te und trat nä­her, sie leg­te leis die Hand auf die Schul­ter der Spre­che­rin.

»Welch eine ab­son­der­li­che Gril­le! Wem möch­te die Zu­kunft so hei­ter, so wol­ken­los glück­lich lä­cheln wie Ih­nen, Sie Glücks­kind! ›Schön, reich und klug ge­nug, in der Welt zu glän­zen‹ – wahr­lich, Be­ne­dik­ta, Sie brau­chen doch nur die mar­mor­wei­ßen Händ­chen aus­zu­stre­cken, um das Glück in je­der – selbst in der voll­kom­mens­ten Ge­stalt zu grei­fen.«

»Glau­ben Sie es? Ich nicht!« Ein schwer­mü­ti­ger Blick schweif­te in den Schnee­sturm hin­aus. »Zwar weiß ich sel­ber nicht recht, wo­mit ich mein trü­bes Zwei­feln an al­lem Glück mo­ti­vie­ren soll, aber ich emp­fin­de es wie in düs­te­rer Vorah­nung, dass ich das Glück so, wie es ein­zig für mich ein wah­res Glück sein wür­de, nie und nim­mer fin­den wer­de!«

»Und was deucht Ih­nen die wah­re Se­lig­keit?«

»Die Lie­be! Die ech­te, durch al­les un­be­ein­fluss­te, große, hei­li­ge Lie­be!« Be­ne­dik­ta press­te wie in jä­her Lei­den­schaft die Hän­de ge­gen die Brust. »Und ge­ra­de das, was Sie mir so­eben als Glück aus­le­gen woll­ten, – ›klug und reich ge­nug‹ – das wird zur Klip­pe wer­den, an der das ein­zi­ge Schiff­lein schei­tert, das mich in ein ir­di­sches Pa­ra­dies zu brin­gen ver­möch­te!«

»Ich ver­ste­he Sie nicht, Sie lie­be Pes­si­mis­tin!«

Mar­ga Daja zog sich ein klei­nes Ta­bu­rett her­zu und ließ sich an der Spre­che­rin Sei­te nie­der, ihre Hän­de mit in­ni­gem Druck zu um­schlie­ßen. For­schend blick­te sie in das schö­ne Ant­litz em­por, das sie mit den leis zu­cken­den Lip­pen noch nie so er­regt ge­se­hen hat­te wie in die­ser Stun­de. »Ha­ben Sie etwa eine un­glück­li­che Lie­be, Be­ne­dik­ta?« flüs­ter­te sie weich.

Fräu­lein von Flo­ring­ho­ven schüt­tel­te bei­na­he hef­tig das Haupt. »Noch nicht!« stieß sie kurz her­vor.

Mar­ga lach­te. »Mein Gott, das klingt ja, als hät­ten Sie sich ganz be­stimmt und ex­press eine sol­che für die Zu­kunft be­stellt?«

»O nein. Aber die drei­zehn­te Fee er­scheint zu­meist un­ge­ru­fen, um Ge­vat­te­rin bei ei­nem ar­men Un­glücks­kind zu ste­hen.«

»Be­ne­dik­ta! Welch un­be­greif­li­ches Schwarz­se­hen! Ohne Grund und Ur­sa­che kommt man nicht auf so ket­ze­ri­sche Ge­dan­ken! Wie kön­nen Sie – Sie – die al­les be­sitzt, was Män­ner­her­zen ent­zückt und ge­winnt, der­ar­ti­ge Hirn­ge­spins­te näh­ren!«

»Ich habe al­les! – Ganz recht, ich habe zu viel!«

»Ein Über­schuss ist nie ein Übel!«

»In man­chem Sin­ne doch.«

»Be­wei­se! Ich ver­lan­ge Be­wei­se!«

»Ich bin reich. – Gott sei es ge­klagt! Wis­sen Sie nicht, Mar­ga, dass die reichs­ten Mäd­chen im Grun­de ge­nom­men die ärms­ten sind? Ich habe es er­fah­ren. Ver­gan­ge­nen Som­mer nahm mich Grä­fin Bor­ken mit nach Nor­der­ney. Ich war an­fangs we­nig be­ach­tet; wäh­rend ei­ner ers­ten Pri­vat­re­uni­on tanz­te ich so gut wie gar nicht. ›Es ist Her­ren­man­gel, wir sind noch gar nicht be­kannt in der Ge­sell­schaft‹, trös­te­te mich die Grä­fin, mich, die kei­nes Tros­tes be­durf­te, denn ich ver­lang­te nicht nach Tän­zern und amü­sier­te mich sehr gut mit den äl­tern Her­ren, die es nicht an Lie­bens­wür­dig­kei­ten feh­len lie­ßen. We­ni­ge Tage dar­auf war ich der um­la­ger­te, an­ge­schwärm­te, aus­ge­zeich­ne­te An­zie­hungs­punkt für die Her­ren­welt. Ich be­griff die­sen Wech­sel nicht, aber ich freu­te mich all der Ar­tig­kei­ten, die man mir er­wies. Die Grä­fin forsch­te eif­rig, wel­cher mei­ner Ver­eh­rer mir am bes­ten ge­fal­le, wel­cher die meis­ten Chan­cen habe. – Kei­ner; soll­te es viel­leicht mit der Zeit sich än­dern, war wohl ein jun­ger Guts­be­sit­zer der sym­pa­thischs­te, in des­sen Au­gen ich mehr, viel, viel mehr auf­rich­ti­ge Ge­füh­le zu le­sen glaub­te, wie in de­nen der an­dern Her­ren.

Es war eine köst­li­che Mond­schein­nacht. Sehr spät noch be­glei­te­te ich die Grä­fin an die Dü­nen. Im Schat­ten ei­nes Strand­kor­bes sa­ßen wir, schweig­sam die wun­der­ba­re Schön­heit des licht­be­glänz­ten Mee­res ge­nie­ßend. – Schrit­te, lau­tes, wein­se­li­ges Spre­chen. ›Nein, nein, cher père – kannst Gift drauf neh­men! Ich bin mei­ner Sa­che ganz ge­wiss! Die Klei­ne ist ja auf Braut­schau hier­her­ge­führt … haha … Kein Mensch ahn­te an­fangs, dass hin­ter der stol­zen Juno ein du­ka­ten­fun­keln­der Ko­me­ten­schweif rau­sche – aber die alte Bor­ken flüs­ter­te sel­ber ein paar al­ten Her­ren in das Ohr, dass Be­ne­dik­ta die Er­bin des al­ten Flo­ring­ho­ven ist. Na – das Wett­ren­nen, das nun be­gann: Je­der woll­te na­tür­lich der zu die­ser Juno ge­hö­ri­ge Zeus wer­den, und da man in die­ser Be­zie­hung zum Hei­den wur­de und die My­tho­lo­gie zur Mo­de­re­li­gi­on mach­te, flo­rier­te der Tanz um das gold­ne Kalb in ei­ner Art und Wei­se, die den Kampf um den Sieg ver­teu­felt heiß mach­te.‹«

»Em­pö­rend! Wer konn­te es wa­gen, der­art fri­vol und herz­los zu re­den, Be­ne­dik­ta?«

»Wer? – Ich sah sei­ne ele­gan­te Ge­stalt scharf ge­gen den Him­mel ab­ge­zeich­net, ich er­kann­te jede Li­nie sei­nes hüb­schen, sonst so ganz an­ders drein­schau­en­den Ge­sich­tes, und ich merk­te es auch an dem jä­hen Zu­sam­men­zu­cken der Grä­fin, dass sie ge­nau wuss­te, wer der Spre­cher war. ›Na, dann in Got­tes Na­men los, lie­ber Jun­ge! Wenn du glaubst, Chan­cen zu ha­ben, wäre ja die­se Ver­bin­dung eine leid­lich pas­sen­de Par­tie für dich. Vor al­len Din­gen ver­ga­lop­pie­re dich aber nicht, son­dern zie­he noch ein­mal ge­naue Er­kun­di­gun­gen über die Höhe ih­res Ver­mö­gens ein. Wenn du um die­ser Er­bin wil­len Ali­ce ver­ges­sen und aus Ver­nunft­grün­den eine Kon­ve­ni­en­ze­he ein­ge­hen willst, muss we­nigs­tens eine sehr glän­zen­de Mit­gift das Op­fer auf­wie­gen. Dein al­tes Fa­mi­li­en­gut vor dem Ruin zu ret­ten, ist im­mer­hin kei­ne Ba­ga­tel­le. Man sagt aber, Be­ne­dik­ta sei ne­ben­bei recht hübsch?‹

›Hm … et­was fros­ti­ge Schön­heit, – mehr Sta­tue als Fleisch und Blut. – Man liebt das im all­ge­mei­nen nicht sehr an dem Ewig­weib­li­chen. – Aber … ein paar hun­dert­tau­send Ta­ler­schei­ne de­cken ja man­ches zu …‹

Die Stim­men ent­fern­ten sich lang­sam, und die ein­zel­nen Wor­te wur­den von der stär­ker an­schwel­len­den Mee­res­bran­dung über­tönt. – Es ward still, sehr, sehr still am Stran­de. Trä­nen rin­nen laut­los, und ein Herz ver­blu­tet un­hör­bar an solch mo­ra­li­schem To­dess­toß. End­lich er­hob sich die Grä­fin, leg­te jäh­lings den Arm um mich und flüs­ter­te er­bit­tert: ›Ar­mes, be­kla­gens­wer­tes Kind! – Ich den­ke, je­ner Frei­er wird sich einen Korb bei dir ho­len!‹

›Er wird nicht dazu kom­men, an­zu­hal­ten!‹ ant­wor­te­te ich.

Die Ster­ne fun­kel­ten über uns wie Au­gen der Lie­be, die zor­nig auf­blit­zen, weil man ei­nem Her­zen wehe ge­tan, – und das Meer rausch­te nä­her und nä­her, lo­ckend und schmeich­le­risch sei­ne wei­ßen Wel­len­ar­me nach mir aus­brei­tend, als woll­te es sa­gen: ›Komm her­ab zu mir, du ar­mes, rei­ches Kind, des­sen Geld ja doch für ewig der Lie­be den Weg zu dei­nem Her­zen ver­sper­ren wird!‹«

»Oh, Be­ne­dik­ta, welch un­glück­li­cher Wahn! Weil ein ein­zi­ger sein frev­les, selbst­süch­ti­ges Spiel mit Ih­nen ge­trie­ben, wol­len Sie an dem Glück Ih­rer gan­zen Zu­kunft ver­za­gen? Noch hat Ih­nen die Lie­be ja durch­aus kei­ne Wun­de ge­schla­gen, – oder … oder –« die Stim­me Mar­gas sank zu ban­gem Flüs­ter­laut her­ab – »oder lieb­ten Sie je­nen Fal­schen etwa doch?«

Baro­neß Flo­ring­ho­ven lehn­te das schö­ne Haupt zu­rück und starr­te mit weitof­fe­nen Au­gen in den wir­beln­den Schnee hin­aus. »Nein, – ich lieb­te ihn nicht, – Gott sei Lob und Dank da­für!« ant­wor­te­te sie mit fes­ter Stim­me: »ich wer­de mich über­haupt nicht lang­sam, all­mäh­lich, nach und nach in einen Mann ver­lie­ben, – nie­mals. Das nen­ne ich über­haupt kei­ne Lie­be, das ist le­dig­lich ein ›Sich-an­ein­an­der-Ge­wöh­nen‹. Soll­te aber der Lie­be wah­rer, hei­li­ger Göt­ter­fun­ken je­mals in mein Herz fal­len, so ist’s ein Blitz, – schnell, un­ge­ahnt, plötz­lich, wie ein Stern jäh­lings er­strah­lend die Wol­ken durch­bricht, – der Stern des Glückes! Ein ein­zi­ger Blick, ein ein­zi­ges tie­fes Le­sen in dem Ant­litz des Be­tref­fen­den – und mein Herz wird auf­flam­men in ei­ner Lie­be, die über Grab und Zeit währt. Ich ahne das – und ich fürch­te mich da­vor. Glück­lich kann und wird eine sol­che Lie­be nie­mals sein, jede Re­gung der Ver­nunft spricht da­ge­gen.«

Mar­ga nick­te be­trof­fen: »Ich wür­de es we­nigs­tens auch für äu­ßerst ge­fähr­lich und ris­kiert hal­ten, sich le­dig­lich in ein schö­nes Ge­sicht – in die trü­ge­ri­sche Hül­le ei­ner viel­leicht sehr we­nig ed­len See­le zu ver­lie­ben!«

Be­ne­dik­ta wand­te jäh­lings das Haupt, ein flam­men­der Blick senk­te sich in der Spre­che­rin Auge. Dann lä­chel­te sie, ein bei­na­he schmerz­li­ches Lä­cheln. »Sich für ein schö­nes Ge­sicht be­geis­tern – ja, das kann man; sich in das schö­ne Ge­sicht ei­ner frem­den Per­son ver­lie­ben – das kann man mei­ner An­sicht nach nicht. Sie ha­ben mich miss­ver­stan­den, lie­be Mar­ga. Eine solch sinn­lo­se Schwär­me­rin ver­mu­ten Sie wohl sel­ber nicht in mir. Schön­heit und äu­ße­re Vor­zü­ge wür­den mein Herz nie­mals al­lein ge­win­nen, wenn nicht je­nes ge­wis­se, na­men­lo­se, nie er­klär­te Et­was da­mit ver­bun­den wäre, das man schlecht­weg Sym­pa­thie nennt. Ein Män­ne­rant­litz, das mir sym­pa­thisch, so sym­pa­thisch sein wür­de, dass es beim ers­ten Se­hen mein gan­zes Ich zu ei­gen neh­men könn­te, das muss so viel Tie­fin­ne­res aus­drücken, dass man al­les, viel­leicht das häss­lichs­te Äu­ße­re dar­über ver­gisst. Der Aus­druck ei­nes Ge­sichts wür­de die­se ge­heim­nis­vol­le Ge­walt auf mich aus­üben – ein Aus­druck, der sich nicht mit Wor­ten be­schrei­ben lässt. Er wird mein Ver­häng­nis sein – und weil ich Fa­ta­lis­tin bin und dar­an glau­be, fürch­te ich mich da­vor, ihn in ei­nem Men­schen­ge­sicht zu schau­en.«

»Wenn es der lie­be Gott ver­hü­tet, dass es das Ant­litz ei­nes ver­hei­ra­te­ten Man­nes oder ei­nes sol­chen ist, der durch un­über­wind­li­che Hin­der­nis­se and­rer Art von Ih­nen ge­schie­den sein muss, so wäre wohl der Au­gen­blick ei­nes sol­chen Be­geg­nens der An­fang und In­be­griff al­les Glückes für Sie! – Wun­der­lich, wie ver­schie­den wir Mäd­chen doch be­an­lagt sind! Als ich mei­nen Herz­lie­ben zu­erst sah …«

»Mar­ga!«

Die Spre­che­rin ver­stumm­te jäh er­schro­cken und sprang em­por, ihr heiß er­glü­hen­des Ge­sicht­chen ab­zu­wen­den. Be­ne­dik­ta aber er­griff stür­misch ihre bei­den Hän­de und er­zwang sich mit ei­nem strah­len­den Lä­cheln einen Blick in die aus­wei­chen­den Blau­au­gen.

»Das nen­ne ich Ver­rat an sich sel­ber!« ju­bel­te sie. »Mar­ga! lie­be Mar­ga – nun las­sen Sie mich, bit­te, al­les wis­sen!«

Die jun­ge Sän­ge­rin strich tief auf­at­mend die Lo­cken aus dem hei­ßen Ant­litz. Sie lach­te auf wie ein ei­gen­sin­ni­ges und doch glück­se­li­ges Kind. »Ge­wiss sol­len Sie es wis­sen, Be­ne­dik­ta! Wenn Sie mich nur da­nach fra­gen wol­len! – Wie er heißt? – Ro­man Er­mönyi! – Was er ist? Kom­po­nist ei­ner viel­ge­nann­ten Oper! Ob ich ihn lie­be? Nach­dem ich ihn hass­te bis auf Gift und Dolch – nach­dem ich ihm am liebs­ten die Au­gen aus­ge­kratzt, die schwar­zen Lo­cken ein­zeln aus­ge­rauft hät­te – ja – da lieb­te ich ihn bis zur Ra­se­rei. – Ob er mich wie­der­liebt? Er tut so. – Er schwört es. – Er über­schüt­tet mich mit Blu­men, er küsst mei­ne Füße – er ist wie von Sin­nen. Noch eine Oper will er schrei­ben, – die Ti­tel­rol­le für mich, – und dann hei­ra­ten wir. – Er sagt es, – ob es ge­sche­hen wird? …« Und Mar­ga Daja griff mit be­ben­den Hän­den zu dem No­ten­blatt zu­rück und jauchz­te mit ih­rer sil­ber­hel­len Stim­me aufs neue die Wor­te, die Be­ne­dik­ta so­eben un­ter­bro­chen:


»Hold wie das Mor­gen­licht
Lä­chelt die Fer­ne.
Glück­li­che Ster­ne –
Täu­schet mich nicht!«

Zweites Kapitel

Die Fröh­lich­keit wirkt an­ste­ckend, und da Be­ne­dik­ta auf ver­schie­dent­li­che, drin­gen­de Fra­gen doch nur den einen über­mü­tig ge­sun­ge­nen Re­frain: »Hold wie das Mor­gen­licht lä­chelt die Fer­ne« zur Ant­wort er­hielt, lach­te sie schließ­lich mit und tat ih­rer glück­se­li­gen Leh­re­rin gern den Ge­fal­len, in die lie­be­jauch­zends­ten Wei­sen ein­zu­stim­men.

Die Tür öff­ne­te sich lei­se.

Pann­keu­ken, der alte säch­si­sche Die­ner, er­schi­en auf den Fuß­spit­zen und durch­schritt – die Laut­lo­sig­keit zu er­hö­hen – mit mög­lichst ein­wärts ge­setz­ten Fü­ßen den Sa­lon.

Sein run­des Ge­sicht mit den glän­zend ro­ten, wie la­ckiert er­schei­nen­den Bäck­chen, mit den eben­so run­den, pfif­fig ver­gnügt blin­kern­den Äug­lein und dem breit­ge­zo­ge­nen bart­lo­sen Mund wand­te sich wäh­rend­des­sen, gleich ei­ner Son­nen­blu­me, dem Licht zu, dem gar zu an­ge­neh­men Licht, das die bei­den an­mu­ti­gen jun­gen Ge­stal­ten ver­klär­te.

Pann­keu­ken lieb­te die Mu­sik und die Ju­gend, und wenn sein Blick, won­ne­glän­zend, von ei­nem der jun­gen Mäd­chen zu dem an­dern hin­über­eil­te, dann be­schlich ihn ah­nungs­los das­sel­be Ge­fühl, wie einst den Dich­ter Hein­rich Hei­ne, – auch er er­ach­te­te sich gleich dem Esel zwi­schen zwei Bun­den Heu.

Heu­te deuch­te ihm die Baro­neß bei wei­tem schö­ner, mor­gen ta­ten es ihm Mar­gas schwär­me­ri­sche Au­gen wie­der­um an; in die­sem Au­gen­blick hät­te er, ohne zu zau­dern, die Pal­me des Sie­ges nur Be­ne­dik­ta über­reicht, um sie im nächs­ten Mo­ment der El­fen­ge­stalt im wei­ßen Kin­der­kleid­chen zu Fü­ßen zu le­gen. Pann­keu­kens Haar war auch schon grau, wie sich das für einen Be­diens­te­ten des Schlos­ses Flo­ring­hof ge­hör­te, aber un­ter der Asche sei­nes Her­zens glüh­te den­noch ein Fun­ken, den die Zeit noch nicht zu lö­schen ver­moch­te.

Mit brei­tem Schmun­zeln, lang­sam, sehr lang­sam, durch­maß der Alte den Sa­lon, um sich mög­lichst lan­ge an dem Ka­min­feu­er schaf­fen zu ma­chen. Die bei­den Kin­der­chen san­gen der­weil so schön, dass ihm das Herz lach­te, und weil Pann­keu­ken ne­ben­bei noch eine Be­stel­lung aus­zu­rich­ten hat­te, so ver­weil­te er so lan­ge vor dem Feu­er, bis das »hib­sche Stick­chen« fer­tig ge­sun­gen war.

»Hei­zen Sie tüch­tig ein. Al­ter­chen!« wink­te ihm Mar­ga lus­tig zu, »da­mit sich uns­re See­le, die wir in den Lie­dern aus­hau­chen, kei­nen Schnup­fen holt!«

Pann­keu­ken grins­te: »Je­mersch! Das wäre e schlech­ter Spaß! – Na­chen müs­sen de Däm­chen aber dich­tig Obacht ge­ben, dass jede och ihre rich­ti­ge See­le wie­der er­wi­scht, wenn Se se wie­der ein­fan­gen woll’n!«

»Haha! Vi­el­leicht wäre es ganz dien­lich, wenn Baro­neß ein­mal mit mir aus­tau­schen woll­te –«, lach­te Mar­ga mit necki­schem Sei­ten­blick. »Der mei­nen sind ro­si­ge Schwin­gen ge­wach­sen, die voll freu­di­ger Zu­ver­sicht in la­chen­de Fer­nen hin­aus­stre­ben, – Be­ne­dik­tas See­le aber ist vor­läu­fig noch ›matt wie Lui­sens Li­mo­na­de‹, sie wagt kei­nen glück­se­li­gen Aus­flug, son­dern bin­det sich sel­ber ihre schil­lern­den Flü­gel­chen mit Trau­er­flor.«

Pann­keu­ken starr­te die Spre­che­rin voll freund­li­cher Neu­gier­de an: »Wie mei­nen Se denn das ejend­lich, Frei­lein Dall­berg? – Das habe ich Sie näm­lich ganz und gar nicht ga­piert!«

»Ich muss hin­aus! Ich muss zu dir!« träl­ler­te Mar­ga mit aus­ge­brei­te­ten Ar­men.

»Nu eben! Das woll­te ich Sie näm­lich och gra­de den gnä­di­gen Frei­lein­chen vor­schla­gen! Kon­rad ließ näm­lich ge­hor­samst an­fra­gen – ob’r viel­leicht e biss­chen mit­’n Schlit­ten kom­m’ soll­te? – Dor­thin in’ kö­nig­li­chen Fors­te is Se näm­lich heit ’ne Sau­jagd … und da meen­te Kon­rad, wär’s für die jun­gen Däm­chen doch seh­re hibsch, wenn se die Reitersch in den ro­ten Rö­cken möch­ten vor­bei­rei­ten sehn!«

»Rich­tig! Her­zog Hans Fried­rich hält in Al­ten­fäh­re die Jag­den ab!«

»Es sol­len vie­le aus­wär­ti­ge Gäs­te da sein, ver­schie­de­ne Prin­zen und Fürst­lich­kei­ten!«

»Es wäre sehr nett, könn­ten wir die Jagd­ge­sell­schaft vor­über­rei­ten se­hen! – Wür­de es Ih­nen Ver­gnü­gen ma­chen, lie­be Mar­ga?«

»Frag­los! Ich sah im Le­ben noch kei­ne Jä­ger zu Pferd!«

»Weiß Kon­rad, nach wel­cher Ge­gend sich die Jagd hin­zie­hen wird, Pann­keu­ken?«

»Na aber na­dier­lich! Hei­te ja­gen se auf­’n Doh­len­kamp bis nun­ter nach’n Pfaf­fen­gra­ben! Wenn mer mit­’n Schlit­ten so sacht’chen bis an’ Kulm fah­ren, se­hen mer’­sche grab über de Hude rei­ten!«

»Und das Wet­ter ist herr­lich! Ein we­nig Schnee er­höht die Poe­sie!«

»Bud­deln Se sich aber dicht’g ein, gnäd­ge Frei­leins! – Es geht ee­nen doch lu­der­mäß’gt kalt an de Bee­ne, wenn mer so e Weil­chen in Schnee rom­latscht!«

»Selbst­re­dend, Pann­keu­ken! Wir wi­ckeln uns in Wat­te!«

»Am Ende och’n Ti­chel­chen um de Ohren? Un ’ne hee­ße Fla­sche in’ Bee­ne­bei­tel!«

»Eine Wärm­fla­sche? Ha­ha­ha! Wenn wir fünf­zig Jah­re äl­ter sind, Pann­keu­ken!«

»Sch­nick­schnack, Baro­neß­chen! De Ju­gend muss och – un erscht recht – hibsch warm in’ Nes­te sit­zen! Na – das woll’ mer al­lens schon her­rich­ten! – Un wie wärsch denn mit Gum­mi­schie­chen?«

»Ge­wiss, ge­wiss! Wir wi­ckeln uns drei­fach in Fla­nell! Ei­len Sie sich nur, Al­ter­chen, und las­sen Sie Kon­rad recht­zei­tig an­span­nen, da­mit wir auch et­was von der Jagd zu se­hen be­kom­men!«

»Na­dier­lich! Ich spu­te mich ja ree­ne wie närrsch!« – ver­si­cher­te Pann­keu­ken in sei­ner un­ver­wüst­li­chen Gut­mü­tig­keit und schlurr­te lang­sam, ganz lang­sam durch das Zim­mer zu­rück, die­weil die bei­den jun­gen Da­men ei­lig die No­ten zu­sam­men­pack­ten und den Flü­gel schlos­sen.

Mar­ga war wie­der völ­lig »das Kind«, klatsch­te in die Hän­de und freu­te sich mit ei­ner Nai­vi­tät, von der die Re­si­denz­ler be­haup­te­ten, sie sei bei ei­ner Büh­nen­sän­ge­rin doch et­was all­zu sel­ten, um echt zu sein! –

Der Schlit­ten fliegt wie auf Stur­mes­flü­geln da­hin durch die win­ter­li­che Pracht.

Wie ein Mär­chen­bild, von weißem Duft über­haucht, liegt der Wald zu bei­den Sei­ten.

Die be­reif­ten Zwei­ge nei­gen sich gra­zi­ös un­ter der blen­dend hel­len Last des im­mer hö­her und hö­her fal­len­den Schnees; von den klei­nen Fich­ten- und den nie­de­ren Tan­nen­bäum­chen sind nur noch form­lo­se, weiß um­hüll­te Klum­pen zu se­hen, und auf dem Erd­bo­den tür­men sich die flim­mern­den Mas­sen, als woll­ten sie jed­we­dem Le­ben Weg und Steg in die traum­haft stil­le Ein­öde ver­sper­ren.

Kein Laut nah und fern.

Nur der Wind fährt lei­se klin­gend durch das Ge­zweig und schüt­tet einen Sprüh­re­gen dicht wir­beln­der Stern­chen auf das ein­sa­me Ge­fährt her­nie­der, – nur das Schel­len­ge­läu­te und zeit­wei­se Aus­schnau­fen der Pfer­de un­ter­bricht die gra­bes­tie­fe Ruhe.

Be­ne­dik­ta hat mit großen, erns­ten Au­gen ge­ra­de­aus­ge­schaut; sie schrickt leis zu­sam­men, als Mar­ga plötz­lich ih­ren Arm an sich presst und mit un­ter­drück­tem Ju­bel sagt: »Wenn ich ein­mal eine Hoch­zeits­rei­se ma­che, so muss es im Schlit­ten durch einen solch ver­schnei­ten Mär­chen­wald sein, wie die­ser hier! Kön­nen Sie sich ein sol­ches Glück aus­ma­len, Be­ne­dik­ta, mit dem Herz­al­ler­liebs­ten Arm in Arm durch die­ses men­schen­lee­re Pa­ra­dies – im war­men, be­que­men Pelz da­hin­zu­flie­gen?«

Fräu­lein von Flo­ring­ho­ven lä­chel­te: »Nein, ich kann mir eine sol­che Se­lig­keit nicht aus­ma­len, klei­ne Schwär­me­rin, denn dazu ge­hört in ers­ter Li­nie das Bild ei­nes ge­lieb­ten Man­nes, den man an sei­ne Sei­te wün­schen möch­te. Da ich aber kei­nen, kei­nen auf Got­tes wei­ter Welt wüss­te, den ich mo­men­tan an­statt Ih­rer hier ne­ben mir se­hen möch­te, so ver­steigt sich auch mei­ne Fan­ta­sie zu kei­nen Traum­bil­dern, die sich ja doch nie­mals ver­wirk­li­chen wer­den. Aber es ist gut, dass Sie un­ser in­ter­essan­tes The­ma wie­der be­rüh­ren. Glau­ben Sie, mich mit ein paar flüch­ti­gen Stich­wor­ten ab­spei­sen zu kön­nen, wenn es sich um Ihr gan­zes Le­bens­glück han­delt? Ge­wiss nicht. ES ist kei­ne neu­gie­ri­ge In­dis­kre­ti­on von mir, son­dern das war­me, auf­rich­ti­ge In­ter­es­se der Ju­gend­ge­spie­lin, das eine aus­führ­li­che Beich­te ver­langt. Wer Ro­man Er­mönyi ist, weiß ich, denn der Name des ge­nia­len, feu­er­blü­ti­gen Kom­po­nis­ten, so­wie Aus­zü­ge sei­ner Wer­ke sind mir rühm­lichst be­kannt; wie man aber einen Mann auf das er­bit­terts­te has­sen und ihn kur­ze Zeit da­nach lei­den­schaft­lich lie­ben kann, das ist mir vor­läu­fig noch ein Rät­sel, das Sie mir lö­sen müs­sen, Mar­ga!«

»Das Kind« lach­te und wi­ckel­te sich fes­ter in den Pelz, so­dass das ro­sig über­hauch­te Ge­sicht­chen bei­nah hin­ter dem gold­gel­ben, lang­mäh­ni­gen Lö­wen­fell ih­res ele­gan­ten Man­tels un­ter­tauch­te.

»Es ist eine wun­der­li­che Welt!« ki­cher­te sie, »eben­so ver­rückt wie die ver­lieb­ten Men­schen, die sie be­woh­nen! Wa­rum ich Ro­man hass­te? Sehr ein­fach. Er stu­dier­te sei­ne neue Oper per­sön­lich mit uns ein. Für mich hat­te er die kleins­te, jäm­mer­lichs­te, un­dank­bars­te Rol­le aus­ge­sucht, die dar­in vor­han­den war. Er be­haup­te­te, ich hät­te nicht das Tem­pe­ra­ment, um eine heiß­blü­ti­ge, ra­che­glü­hen­de Süd­län­de­rin ver­ständ­nis­voll zu ver­kör­pern. – Das Kind sei nicht Weib ge­nug, um wie eine teuf­li­sche Si­re­ne die Män­ner zu be­tö­ren.«

»Das war viel eher eine Schmei­che­lei als eine Un­art, die er Ih­nen sag­te!«

»Vi­el­leicht; – viel­leicht auch nicht. – Spä­ter dach­te und glaub­te ich es auch, aber an­fäng­lich er­bit­ter­te und ver­letz­te es mei­nen Künst­ler­stolz auf das Pein­lichs­te. Als er mir vor­ge­stellt wur­de, dreh­te ich mich auf dem Ha­cken um und wür­dig­te ihn kei­nes Blickes. Da­rauf soll­te – soll­te er spot­tend zu den Um­ste­hen­den ge­sagt ha­ben: ›Fräu­lein Daja prä­sen­tiert sich doch stets von ih­rer vor­teil­haf­tes­ten Sei­te!‹ – Das war in mei­nen Au­gen eine töd­li­che Be­lei­di­gung, die mich vor al­len Kol­le­gen lä­cher­lich mach­te. – Ich hass­te ihn dar­um und ich zeig­te es ihm, ich ball­te die Hän­de, – und er lach­te. – Ich sang in den Pro­ben un­ter al­ler Kri­tik. ›Ich dach­te es mir ja gleich, dass sie nichts kann!‹ spot­te­te er aber­mals, dass ich es hö­ren muss­te, ›wie gut, dass ich ihr kei­ne be­deu­ten­de Rol­le an­ver­trau­te‹. – – Ich schäum­te! – Nun sang ich gut. ›Sie lernt et­was bei mir‹, mo­kier­te er sich. Ich hät­te ihn mor­den kön­nen. – Das Ko­stüm bei der Auf­füh­rung stand mir be­son­ders gut. Sie ken­nen mein Bild dar­in, Be­ne­dik­ta! Ich hat­te mir vor­ge­nom­men. so schlecht, so schlecht zu sin­gen, dass sei­ne gan­ze Mu­sik zu­schan­den wur­de, gleich­viel, ob ich mir sel­ber da­durch die Zu­kunft ver­der­ben wür­de oder nicht. Mit hass­s­prü­hen­den Au­gen er­war­te­te ich ihn. Er trat aus den Ku­lis­sen, sein Blick schweif­te su­chend über die Büh­ne, er traf auch mich. Wie ein Blitz flamm­te es durch sein Auge. Er starr­te mich ein paar Se­kun­den an – aber er trat mir we­der ent­ge­gen, noch grüß­te er mich. Das Blut koch­te in mei­nen Adern, und ein frem­des, ganz wun­der­li­ches Ge­fühl press­te mein Herz zu­sam­men. Trä­nen zor­ni­gen Wehs schos­sen mir in die Au­gen. Wie schön, wie schön war er! Ich woll­te es nicht zu­ge­ste­hen, aber ich muss­te es. Sie Au­gen flamm­ten wie große, schwar­ze Son­nen in dem blei­chen Ant­litz, die Lip­pen wölb­ten sich so stolz wie bei ei­nem Gott – aber ein fei­ner, sar­kas­ti­scher Zug gab dem Ge­sicht ein Ge­prä­ge, das mir in je­nem Au­gen­blick noch viel teuf­li­scher als gött­lich vor­kam. Die Er­re­gung des Pre­mie­ren­fie­bers schi­en ihm fremd, er war äu­ßer­lich die­sel­be Mar­mor­sta­tue – der ›stei­ner­ne Gast‹, wie ich ihn ge­nannt – wie alle Tage vor­her; aber in sei­nem Blick, da brann­te ein Fun­ken – der ver­riet den­noch, welch ein Feu­er tief un­ter die­ser Mas­ke von Gleich­gül­tig­keit lo­der­te. – Und wie er mich an­sah mit die­sem see­len­mor­den­den Blick, da hät­te ich ihn tö­ten mö­gen. Er trug einen Strauß ro­ter Ro­sen in der Hand. – Für wen? – Na­tür­lich für die Diva! Die Hel­din! Das Weib, das ihm feu­er­blü­tig und lei­den­schaft­lich ge­nug zur Ver­kör­pe­rung sei­ner Ti­tel­rol­le ge­we­sen! – Ich biss die Zäh­ne zu­sam­men und wand­te mich trot­zig ab, – ich woll­te – ich konn­te es nicht an­se­hen, wie er je­ner an­dern die Ro­sen in die Hän­de drück­te.

Ich trat hin­ter die Ku­lis­sen, – dort­hin, wo nie­mand mehr et­was zu su­chen hat­te, – ich woll­te al­lein sein mit mei­nem Hass und mei­nen Trä­nen. – Und wie ich ein paar Mi­nu­ten dort auf ei­nem um­ge­wor­fe­nen Pfei­ler aus Iphi­ge­ni­as Tem­pel sit­ze und mit zit­tern­dem Her­zen die schau­er­lichs­ten Ra­che­plä­ne er­sin­ne, – da steht er plötz­lich vor mir. – er! Wirk­lich er. Und zwar nicht aus Zu­fall. ›Ich such­te Sie, Fräu­lein Da­ja‹, sag­te er mit ei­ner Ver­nei­gung, die mir über­trie­ben, mit ei­ner Stim­me, die mir iro­ni­scher wie je klang: ›Da ich weiß, dass Sie dem Kom­po­nis­ten heu­te Abend Ihr Bes­tes ge­ben wer­den, – so ge­stat­ten Sie ihm einen be­schei­de­nen, vor­läu­fi­gen Dank!‹ – Und da­mit reich­te er mir die Ro­sen! – Er mir! – Ich sprang auf: ›Ich den­ke gar nicht dar­an, Ih­nen mein Bes­tes zu ge­ben!‹ rief ich mit zorn­blit­zen­den Au­gen – ›ich has­se mei­ne Rol­le und wer­de das be­wei­sen!‹ – Sprach’s, schleu­der­te die Ro­sen zur Erde und lief da­von. – Und als ich hoch­at­mend zwi­schen all den Ku­lis­sen­schie­bern und Cho­ris­ten stand, ward es mir so un­be­schreib­lich weh um das Herz, dass ich am liebs­ten hät­te ster­ben mö­gen. Wa­rum nahm ich sei­ne Ro­sen nicht? Ich fühl­te es – ich hät­te mein Herz­blut für die­se Ro­sen ge­ge­ben – das heißt – ich hass­te die Blu­men um sei­net­wil­len, es tat mir leid, dass ich nicht noch mit den Fü­ßen dar­auf her­um­ge­tre­ten hat­te. Konn­te ich’s nicht noch? – Lei­se, atem­los husch­te ich zu­rück. Dr­un­ten im Or­che­s­ter er­klan­gen die ers­ten Töne der Ou­ver­tü­re – Ro­man Er­mönyi saß wohl in der Loge des In­ten­dan­ten und hob spöt­tisch die Lip­pen bei dem Ge­dan­ken an das ›kin­di­sche Kind!‹ – Ich eil­te zu den Ro­sen zu­rück – ich stand vor ih­nen und woll­te sie mit dem Ha­cken mei­nes At­las­schu­hes zer­stamp­fen – aber ich tat es nicht – ich raff­te sie jäh­lings em­por und press­te sie wie eine Sinn­lo­se an mein bren­nen­des Ge­sicht, an mei­ne fie­ber­hei­ßen Lip­pen. Und dann hass­te ich ihn nicht mehr, denn er stand ne­ben mir, zog mich un­ge­stüm in die Arme und küss­te – küss­te – küss­te mich – – – – Wa­rum la­chen Sie, Be­ne­dik­ta? Mei­ne Ge­schich­te ist furcht­bar ernst. Sie ha­ben noch nie einen Mann ge­küsst, tun Sie es auch nie­mals, Män­ner­lip­pen sind gif­tig, man stirbt an ih­nen! Und ich starb auch in je­nem Au­gen­blick – aus Lie­be! – – Ro­man sah mich an und lach­te, wie nur ein Mann la­chen kann, der sehr glück­lich ist. ›Nun hast du mir doch dein Bes­tes ge­ge­ben, Trotz­köpf­chen, dein Al­ler­bes­tes – dich selbst!‹ – – Und die Mu­sik, sei­ne Mu­sik, braus­te zu uns her­über, – das Pub­li­kum ras­te Bei­fall – er frag­te nichts da­nach, er küss­te mich. – Ich habe an je­nem Abend ge­sun­gen. – In der Kri­tik stand: ›Fräu­lein Daja schuf aus ih­rer klei­nen, an und für sich un­dank­ba­ren und den­noch mu­si­ka­lisch sehr wich­ti­gen Rol­le ein wah­res Meis­ter­stück. Wir ha­ben die jun­ge Sän­ge­rin noch nie mit der­ar­ti­ger Lei­den­schaft eine Auf­ga­be lö­sen se­hen. Die tie­fe In­ner­lich­keit der Mu­sik kam voll zur Gel­tung, und der Kom­po­nist kann mit äu­ßers­ter Zufrie­den­heit auf die­se Pre­mie­re zu­rück­bli­cken, an der jeg­li­che Rol­le in un­ver­gleich­lich vollen­de­ter Wei­se ge­stal­tet wur­de.‹ So stand in der Zei­tung, – und an­dern Tags war ich Ro­mans Braut!«

»Noch ward die Ver­lo­bung nicht ver­öf­fent­licht?« frag­te Fräu­lein von Flo­ring­ho­ven lei­se, – es lag wie ein fei­ner, kaum merk­li­cher Aus­druck der Sor­ge in ih­ren pries­ter­lich rei­nen Zü­gen.

»Nein, noch nicht!« lach­te Mar­ga harm­los. »In ers­ter Li­nie feh­len uns bei­den noch die Mit­tel, – in zwei­ter will Ro­man zu­vor noch ein neu­es Werk vollen­den, und drit­tens hat er sich in den Kopf ge­setzt, mich zu­vor noch zu ei­ner Berühmt­heit zu ma­chen! Auf sei­nen Wunsch stu­die­re ich noch bei un­sern ers­ten San­ges­grö­ßen, der Re­kla­me we­gen! Und wenn ich in der neu­en Oper die Ti­tel­rol­le, die wie ge­schaf­fen für mich ist, recht vor­treff­lich und herz­stür­mend ver­kör­pert habe, hofft Ro­man auf eine glän­zen­de Kar­rie­re und sehr güns­ti­ges En­ga­ge­ment für mich!«

»Gebe Gott, dass sich die­se glück­li­chen Zu­kunfts­träu­me ver­wirk­li­chen!« nick­te Be­ne­dik­ta nach­denk­lich; es woll­te ihr nicht recht ge­lin­gen, dar­an zu glau­ben, als Mar­ga ihr ein Me­dail­lon mit dem Bil­de Ro­man Er­mönyis ent­ge­gen­hielt. – Sie herz­te und küss­te es in ih­rer über­schweng­lich be­geis­ter­ten Wei­se und war mit al­len Ge­dan­ken bei dem Er­wähl­ten ih­res Her­zens, dass sie ganz ver­gaß zu fra­gen, ob Be­ne­dik­ta das Bild­chen eben­so be­zau­bernd fän­de, wie sie. – Vi­el­leicht hielt sie es für selbst­ver­ständ­lich. Aber Be­ne­dik­ta fand es durch­aus nicht.

Sie blick­te sin­nend auf den al­ler­dings recht ge­nia­len Män­ner­kopf her­nie­der, des­sen Ge­sichts­aus­druck ihr je­doch durch­aus un­sym­pa­thisch war. Et­was Kalt­her­zi­ges, egois­tisch Be­rech­nen­des, – ja so­gar et­was Zy­ni­sches lag dar­in, – et­was, was auf Be­ne­dik­ta di­rekt ab­sto­ßend wirk­te. – Sie ent­sann sich auch ver­schie­de­ner Zei­tungs­no­ti­zen über den jun­gen Kom­po­nis­ten, des­sen gren­zen­lo­ser Ehr­geiz, des­sen krank­haf­te Sucht nach Ruhm und Er­folg lei­der die Ver­an­las­sung zu viel ge­such­ter und ef­fekt­ha­schen­der Mu­sik sei, die schon jetzt das edle, groß­an­ge­leg­te Ta­lent auf falsche Bah­nen drän­ge. Man ta­del­te wie­der­holt, dass Ro­man Er­mönyi mit al­len mög­li­chen er­laub­ten und un­er­laub­ten Mit­teln ar­bei­te, um einen Er­folg zu er­zwin­gen.

Pann­keu­ken wand­te den Kopf. »Mer miss­en e biss­chen seit­wärts an’ Gra­ben fah­ren, Baro­neß, – Herr Eckert kommt uns akk­rad auf der schmals­ten Stel­le von’n gan­zen Wege ent­ge­gen!«

»Herr Eckert!« – Mar­ga barg das Bild­chen has­tig in der Hand, und Fräu­lein von Flo­ring­ho­ven at­me­te un­will­kür­lich auf, ei­ner län­ge­ren Aus­las­sung über die Fo­to­gra­fie ent­ho­ben zu sein.

»Was hat denn der lang­wei­li­ge Phi­lis­ter hier in un­serm Zau­ber­hain zu su­chen?« groll­te die Sän­ge­rin mit un­gnä­di­gem Blick nach dem mas­si­ven Ap­fel­schim­mel, der vor ih­nen an der Weg­bie­gung er­schi­en. »Schon ge­nug, dass er mich je­den Mit­tag und Abend im Pacht­haus anödet, – muss er mir auch hier noch die schö­ne Na­tur ver­un­glimp­fen!«

»Aber Mar­ga, wie kann man so rä­so­nie­ren, wenn man den gan­zen Him­mel voll Bass­gei­gen hän­gen sieht!« lä­chel­te ihre Nach­ba­rin gut­mü­tig. »Schel­ten Sie mir nicht auf Eckert! Er ist ein bra­ver, vor­treff­li­cher Mann, der treus­te, auf­op­fernds­te Va­ter, den man sich den­ken kann!«

»Das ist sei­ne Pf­licht und Schul­dig­keit.«

»Eine Pf­licht, die herz­lich sel­ten ge­übt wird. Pst … er kommt.«

Der Ap­fel­schim­mel ward ne­ben dem Schlit­ten pa­riert.

Mi­li­tä­risch grü­ßend leg­te In­spek­tor Eckert die Hand an die Pelz­müt­ze. »Wol­len die Da­men noch weit wald­ein fah­ren?« – frag­te er mit tief tö­nen­der Stim­me, den Blick wie ge­bannt auf Mar­ga hef­tend: »Es kommt ein be­denk­li­cher Schnee­sturm her­auf, und die Käl­te dürf­te in ein bis zwei Stun­den recht emp­find­lich sein!«

»So leich­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­