Im Ingo Koch Verlag erschien:
von Michael Baade
„Yerushalayim
JERUSALEM
El-Quds“
Dreimal Heilige Stadt
Mit historischen Postkarten um 1900
322 Seiten
Der Rostocker Schriftsteller Michael Baade versammelt in diesem Buch ein halbes Hundert Zeugnisse aus drei Jahrtausenden und drei Weltreligionen.
Im Ingo Koch Verlag erschien:
von Michael Baade
ZEIT UND EWIGKEIT
Mit Farbfotos
110 Seiten
ISBN 978-3935319-71-3
„Der Rostocker Schriftsteller Michael Baade hat ein sehr persönliches Buch komponiert. Es lässt die Grundfragen des Menschen poetisch aufleuchten.“
Rheinischer Merkur
Im Ingo Koch Verlag erschien:
von Michael Baade
STURMKINDER
… auf Hiddensee und anderen Inseln
Lyrik und Prosa
Mit Graphiken von Professor Armin Münch
186 Seiten
ISBN 978-3-938686-37-9
„Michael Baade zeigt sein sensibles Wahrnehmungsvermögen an Wirklichkeit in Liebesdingen und Naturbeobachtung.“
Norddeutsche Neueste Nachrichten
Im Ingo Koch Verlag erschien:
von Michael Baade
VON MOSKAU NACH WORPSWEDE
JAN VOGELER
Sohn des Malers Heinrich Vogeler
Mit Bildern und Briefen von Heinrich Vogeler
323 Seiten
ISBN 978-3938686-49-2
„Der Rostocker Schriftsteller Michael Baade spürte die verschlungenen Lebenswege Jan Vogelers auf. Herausgekommen ist ein Stück Zeitgeschichte.“
Weser-Kurier
Copyright by Ingo Koch Verlag
Warnowufer 30, Arkona Bürocenter 3
18057 Rostock
Internet: www.ingokochverlag.de
2. Auflage Rostock 2013
Satz, Layout und Umschlaggestaltung:
Eva-Maria Bartsch, Rostock
eBooking: Manfred Baierl,
GAMB Cross-Media-Design, Frankfurt am Main.
Die Seitenzahlen der Printausgabe sind rechts außen klein vermerkt.
ISBN (Print) 978-3-86436-014-5
ISBN (PDF) 978-3-86436-049-7
ISBN (ePub) 978-3-86436-050-3
ISBN (mobi) 978-3-86436-051-0
In diesem Jahr, vor fünfzig Jahren begannen wir unsere Tätigkeit als Lehrer: Mein Freund Egon an der 2. Oberschule in Rostock-Dierkow und ich an der 13. Oberschule am Goetheplatz in Rostock.
Heute ist der 4. Januar, Egons Geburtstag.
Bevor ich zum Neuen Friedhof fahre, begebe ich mich auf Spurensuche zur ehemaligen Egon-Schultz-Oberschule.
Sechsundzwanzig Jahre trug sie diesen Namen zum ehrenden Gedenken. Seit dem Schuljahr 2008/2009 ist die Schule das Musikgymnasium „Käthe Kollwitz“.
Die Schulleiterin Elke Kups erinnert sich:
„Als Schülerin stand ich im Spalier am Petridamm, als der Sarg des jungen Rostocker Lehrers von der Hauptstadt Berlin in seine Heimatstadt Rostock überführt wurde.
Auch sein Grab habe ich schon aufgesucht.“
Vitrinen des Egon-Schultz-Ehrensaales sind noch zu finden. Der Inhalt wurde nicht „kurzerhand weggeschafft“, wie im „Neuen Deutschland“ vom 6. Januar 1993 nachzulesen ist, sondern das Inventar gehört jetzt zu den Beständen des Archivs der Hansestadt Rostock.
„Der Gedenkstein existiert noch.“ Soweit die Information.
Also mache ich mich auf den Weg, die Realität zu erkunden.
Natürlich habe ich nicht erwartet, „Mitglieder des Freundschaftsrates am Gedenkstein vorzufinden, die sich dort auf eine Ehrung vorbereiten“.
„Ostsee-Zeitung“, 5. Oktober 1966
Aber was ich dann sehe, erschüttert mich schon:
Der Stein wurde von seinem ursprünglichen Platz entfernt und liegt umgestürzt hinter der Schule. Das Bronzerelief mit Egons Porträt, geschaffen von dem bekannten Künstler Professor Jo Jastram, ist entfernt worden und die Inschrift kaum noch zu entziffern.
Wer ist für diesen Vandalismus verantwortlich?
Auf Spurensuche
In meiner ehemaligen Schule, jetzt Innerstädtisches Gymnasium, bin ich herzlich willkommen.
Frau Eva König lädt mich in die Geschichtswerkstadt ein. Nach meinem Besuch schreibt Leena Klehn, Schülerin der 10. Klasse, in einem Artikel: „Herr Michael Baade kommt sehr gerne an seine alte Wirkungsstätte zurück, ebenso gerne, wie wir ihn hier haben.“
Am Tag der offenen Tür, am 29.01.2011, hatten wir in der Geschichtswerkstatt sehr viele Besucher. Ein aufgeregter Herr kritisierte, dass in unseren Veröffentlichungen bisher „seine 13. Oberschule“ nicht berücksichtigt wurde. Richtig. Wir wussten, dass eine so genannte Schule im Haus war, aber genauere Angaben hatten wir leider nicht. Also haben wir mit Herrn Michael Baade einen Termin vereinbart. Am 08.06.2011 trafen wir uns in der Geschichtswerkstatt.
Herr Baade studierte am Diesterweg-Institut in Putbus auf Rügen und erwarb die Lehrbefähigung für die Klassen 1-4, später setzte er das Studium zum Diplomlehrer an der Pädagogischen Hochschule Güstrow fort. Er begann seine Lehrerlaufbahn in dem Gebäude am Goetheplatz, in der 13. Oberschule, deren Räume sich im Ostflügel des Baus befanden.
Sein bester Freund, Egon Schultz, wurde Lehrer an der 2. Polytechnischen Oberschule in Dierkow. Sie hospitierten gegenseitig und tauschten Erfahrungen aus. Egon Schultz diente als Unteroffizier an der Berliner Grenze und wurde am 05. Oktober 1964 angeblich von „feindlichen Kugeln“ getötet. Mit dieser Propagandalüge der DDR setzt sich Herr Baade seit Jahren auseinander und recherchiert umfangreich.
Herr Baade unterrichtete bis 1972 in diesem Gebäude, dann zog seine Schule in den Friedhofsweg und Herr Baade mit ihr. Wir erfuhren von ihm, dass die Schulleiterin Edith Wachholz hieß, später war es Frau Ellen Stiebing. Außerdem berichtete er, dass es eine Tagesschule war, jede Klasse hatte eine/n Klassenlehrer/in und eine Horterzieherin. Werkraum und Essenraum waren im Keller untergebracht.
Herr Baade erzählte begeistert von dieser Zeit, er war gerne Lehrer. In seiner Klasse gab es vier Brigaden, jede trug den Namen eines sowjetischen Kosmonauten.
Seit 1964 war Herr Baade Volkskorrespondent bei der Ostsee-Zeitung und veröffentlichte über 800 Artikel. Die Veröffentlichungen zur 13. OS hat Herr Baade in einer umfangreichen Sammlung aufbewahrt. Sie zeugen von einem interessanten und abwechslungsreichen Schul- und Kulturleben. Die Artikel lassen auch ein Stück DDR-Geschichte lebendig werden. Wir erfahren vom Schulgarten- und Schwimmunterricht, von Patenbrigaden, Pionierlagern, Ferienlagern, Elternschule, Kulturprogramm, und, und, und...
Von 1979-1990 war Michael Baade Mitarbeiter der Bezirksfilmdirektion und dort in der Öffentlichkeitsarbeit tätig. Außerdem ist er heute Mitglied des Verbandes deutscher Schriftsteller und der Internationalen Goethe-Gesellschaft in Weimar e. V. Er veröffentlichte Lyrik und Prosa zu Liebe, Land und Meer, ist Herausgeber von literarischen Anthologien und anderen Publikationen.
Jetzt warten wir auf das Buch über seinen Freund Egon Schultz und freuen uns auf eine Lesung.
Herr Michael Baade kommt sehr gerne an seine alte Wirkungsstätte zurück, ebenso gerne, wie wir ihn hier haben.
Leena Klehn 10a
Ich freue mich, in meinem ersten Klassenraum, in dem Egon einst hospitierte und in dem nach seinem Tod sein Bild an der Wand hing, dass ich in diesem Raum, von Egons kurzem, aber glücklichem Leben und seinem sinnlosen Sterben berichten kann.
Rostock, Januar 2012
Wer die Wahrheit nicht weiß,
der ist ein Dummkopf.
Aber wer sie weiß und sie eine Lüge nennt,
der ist ein Verbrecher.
Bertolt Brecht
Ein Gesicht schaut mich an:
Es ist das Gesicht meines Jugendfreundes mit seinen verschmitzten und gleichzeitig fragenden Augen und den Grübchen, die den geschlossen lächelnden Mund einschließen. Sein einst gelockter Haarschopf ist nun kurzgeschoren. Es ist das Porträt des einundzwanzigjährigen Unteroffiziers Egon Schultz. Von ihm, meinem Freund, will ich berichten – von seinem kurzen Leben und seinem Sterben, denn sein Schicksal hat über eine lange Zeit auch mein Leben geprägt.
Sicher nicht so pathetisch wie die „Ostsee-Zeitung“ am 21. November 1964:
„Wo kam er her, und wohin ging Egon Schultz? Der Welt, den Bürgern unserer Republik, besonders aber den Rostockern, den vielen Kindern unserer Stadt, die nun in seinem Namen erzogen werden, ihnen sind wir es schuldig, diese Frage zu beantworten!“
Egon Schultz wird am 4. Januar 1943 in Groß-Jestin, Kreis Kolberg geboren.
1950 kommt die Familie aus Polen in die DDR.
Egon ist sieben Jahre alt, und es beginnt für ihn eine Zeit des Lernens und Erkennens in Groß-Stove bei Rostock. Er besucht die Grundschulen in Niendorf und Papendorf. Das Lernen fällt ihm nicht leicht, aber mit großer Ausdauer, Fleiß und Zielstrebigkeit erreicht er die Leistungen, die von ihm gefordert werden. Diese Eigenschaften sind charakteristisch für sein späteres Leben.
Nach dem Umzug besucht er die St. Georg-Schule und die Borwin-Schule in Rostock.
Schon früh hat Egon den Wunsch, Lehrer zu werden.
Selbst noch Schüler, betreut er in seiner Freizeit die Pioniergruppe einer fünften Klasse. Herr Brüsecken, sein Klassenlehrer und Stellvertretender Direktor der Borwin-Schule bescheinigt ihm, dass er diese Tätigkeit mit „Gutem Erfolg“ ausübt.
Seine Beurteilung in der 10. Klasse
Eine Zeichnung von Egon Schultz
Sorgfältige Vorbereitung auf die Prüfung
Aufzeichnungen aus dem Mathematikheft
Seinem Wunsch entsprechend, bewirbt er sich am Diesterweg-Institut, Institut für Lehrerbildung in Putbus auf Rügen.
1836 als Königliches Pädagogium gegründet, hat es eine wechselvolle Geschichte zu verzeichnen:
1919 bis 1941 – Staatliches Pädagogium, von 1941 bis 1945 Nationalpolitische Erziehungsanstalt. Als Diesterweg-Institut existierte es von 1946 bis 1975. Manche bekannte Persönlichkeit hat die Bildungseinrichtung absolviert. Wie zum Beispiel Egon Krenz, der letzte Generalsekretär des ZK der SED und Vorsitzende des Staatsrates der DDR, der von 1953 bis 1957 dort studierte.
Zurück zu Egon Schultz.
Die Zulassung zum Studium erfolgt in Form einer Einberufung.
Wunschgemäß quittiert der zukünftige Student den Empfang der Einberufung „Mit sozialistischem Gruß!“.
Am 1. September 1960 beginnen Egon Schultz und ich das Studium in Putbus. Dort lernen wir uns kennen. Egon lernt beharrlich, fleißig und zielstrebig. Er möchte ein guter Lehrer werden. Da gilt es auch, Wissenslücken zu schließen, besonders in Mathematik. Seine Klassenlehrerin, Frau Dalm, erinnert sich: „An Egon Schultz war besonders seine Gründlichkeit beim Arbeiten, seine Nachdenklichkeit auffallend. Wenn andere Studenten meiner Klasse zu bestimmten Dingen bereits redeten und zum Teil voreilige Urteile abgaben, dachte Egon noch nach. Und wenn er dann in seiner ruhigen Art sprach, merkte man, dass er mit seinen Gedanken den anderen häufig schon voraus war. ... Er gehörte nach meiner Meinung zu denen, die niemals fünfe gerade sein lassen, besonders nicht in den Beziehungen der Menschen untereinander.“ („Ostsee-Zeitung“, am 21. November 1964)
Nein, sein Abgangszeugnis in Putbus ist nicht das beste, das dort jemals ausgestellt wurde. Es gab bessere. Aber wieder steht auf diesen Urkunden: “Egon Schultz hat hart an sich gearbeitet, und mit dem Lernen hat er es sehr ernst gemeint.“
Nach dem erfolgreichen Abschluss des Direktstudiums am Institut für Lehrerbildung wird uns der Einweisungsbeschluss der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik – Ministerium für Volksbildung überreicht.
In der Urkunde des Rates der Stadt Rostock, Abteilung Volkbildung, heißt es: „ Wir bestätigen Ihre Einstellung in den Schuldienst der Stadt Rostock als LAA (Lehramtsanwärter) ... Ihre Stellung in der staatlichen Verwaltung ist eine besondere Vertrauensstellung, die bedingt, dass Sie Ihre Aufgaben in tiefem Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Deutschen Demokratischen Republik zuverlässig erfüllen. ... Ihre Vergütung beträgt nach der Vergütungsgruppe 1 a / 1 monatlich 485, - DM brutto.“
Den gleichen Vertrag erhält Egon.
Am 1. September 1962 werden Egon an der 2. Oberschule in Rostock – Dierkow und ich an der 13. Oberschule am Goetheplatz in Rostock als Lehrer eingesetzt.
Wir übernehmen beide eine dritte Klasse, beide die Klasse 3a.
Sein großer Tag war nicht der letzte im Lehrerbildungsinstitut. Es war jener Tag, der 1. September 1962 in Rostock-Dierkow, als der Traum seines Lebens in Erfüllung ging und er sich in einem Raum mit 30 kleinen Menschen befand, für die er ihr erster Lehrer war, den sie schon deshalb niemals vergessen konnten. Und ihr erster Lehrer sah in 30 weit geöffnete Augenpaare, die ihn, nach Temperament und Charakter verschieden, mutig oder unsicher abtasteten und auch sein Herz klopfen ließen. Er stand vor seinen ersten Schülern als ihr erster Lehrer. Welch ein unvergesslicher Augenblick für alle.
An diesem Tag kam er überglücklich nach Hause. Seine Mutter erzählt, dass er sagte, als er den Mantel auszog: „Ich habe große Hemmungen gehabt. Aber es hat ganz gut geklappt. Du glaubst gar nicht, wie froh ich heute bin.“
1962/63 war der strenge Jahrhundertwinter. Da nur wenige Schulen mit Fernheizung ausgestattet waren, musste die Klasse 3a mit ihrem Lehrer Michael Baade in eine beheizte Schule der Rostocker Südstadt gehen.
Am 27. Juli 1963 erhalten wir das Zeugnis über die bestandene Staatliche Abschlussprüfung am Institut für Lehrerbildung in Neukloster. Nun sind wir „wirkliche“ Lehrer und die „Lehrbefähigung“ bekommen wir schriftlich bestätigt.
Egon übernimmt am 1. September 1963 eine 1. Klasse, ich führe meine Klasse als 4a weiter.
Zur ersten Elternversammlung lädt Egon zum 19. September ein: „Was benötigt mein Kind für die Schule?“ und „Wie unterstütze ich mein Kind richtig bei der Lernarbeit?“