N. Bernhardt

Buch XI: Auf tönernen Füßen

Der Hexer von Hymal

N. Bernhardt

Buch XI: Auf tönernen Füßen

Der Hexer von Hymal

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019
1. Auflage, ISBN 978-3-954184-63-7

www.null-papier.de/hymal

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Inhaltsverzeichnis

Ers­tes Ka­pi­tel: Wie be­fürch­tet

Zwei­tes Ka­pi­tel: Eine Lüge zu viel

Drit­tes Ka­pi­tel: Wie­der Ge­jag­ter?

Vier­tes Ka­pi­tel: Hil­fe zur Selbst­hil­fe

Fünf­tes Ka­pi­tel: Nicht mehr al­lein

Sechs­tes Ka­pi­tel: Al­ter Är­ger und neue Sor­gen

Sieb­tes Ka­pi­tel: Pro­blem ge­löst?

Aus­blick

Die Schwan­ger­schaft der Her­zo­gin be­deu­tet für Nik­ko eine große Ge­fahr. Was wür­de nur pas­sie­ren, wenn her­aus­käme, was er mit Yo­la­ja in de­ren Hoch­zeits­nacht ge­trie­ben hat? Könn­te Fy­dal ihm je ver­zei­hen?

Doch auch wo­an­ders braut sich wie­der Un­ge­mach zu­sam­men. Der Kon­flikt im Ar­ka­nen Or­den for­dert die ers­ten Op­fer und be­schert Nik­ko einen alt­be­kann­ten Gast. Kann der jun­ge Zau­be­rer die Si­tua­ti­on zu sei­nen Guns­ten nut­zen?

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Erstes Kapitel: Wie befürchtet

Nik­ko war sich ziem­lich si­cher, dass die Her­zo­gin mit sei­nem Kind schwan­ger war. Nach dem gest­ri­gen Schock hat­te er sich nun so­gar ein we­nig an die­sen Ge­dan­ken ge­wöhnt. Ein Ge­dan­ke, der ihn zwar ei­ner­seits in tie­fe Scham ver­sin­ken ließ, ihn aber an­de­rer­seits auch wie­der ver­zück­te.

Der Zau­be­rer hat­te nie dar­über nach­ge­dacht, ob er über­haupt ir­gend­wann eine ei­ge­ne Fa­mi­lie ha­ben woll­te. Dazu fühl­te er sich noch im­mer viel zu jung. Au­ßer­dem schie­nen ja alle Ma­gier ohne Frau und Kin­der zu sein. Ob sie frei­wil­lig al­lein blie­ben oder nicht, dar­über hat­te er sich bis­her kei­ne Ge­dan­ken ge­macht.

Fa­mi­lie? Von we­gen! Es war im­mer­hin die Her­zo­gin von Hy­mal, die An­ge­trau­te Fy­dals, die ver­mut­lich sein Kind in sich trug. Da­ran, mit der Frau eine Fa­mi­lie zu grün­den, war nicht zu den­ken! Die Hei­rat der bei­den war zwar nicht aus Lie­be ge­we­sen, son­dern aus po­li­ti­schem Kal­kül. Aber die Hand der Toch­ter war eben Teil des Prei­ses ge­we­sen, den der Groß­her­zog für sei­ne Un­ter­stüt­zung ver­langt hat­te.

Doch selbst wenn die hohe Po­li­tik die Her­zo­gin nicht fest an ih­ren Gat­ten ket­te­te, wür­de Nik­ko über­haupt mit ihr zu­sam­men­le­ben wol­len? Wür­de er sein Va­ter­glück gern mit ihr tei­len?

Nein, ei­gent­lich nicht. Das wur­de ihm in die­sem Au­gen­blick auf ein­mal klar. Ob es noch die Ju­gend war, die ihn so den­ken ließ, oder doch der Zau­be­rer in ihm, war ihm da­bei gar nicht be­wusst. Den­noch, ein ganz ge­wöhn­li­ches Le­ben als Fa­mi­li­en­va­ter konn­te er sich ein­fach nicht vor­stel­len.

Da­her stör­te es ihn auch kaum, dass die Her­zo­gin für ihn so gut wie un­er­reich­bar war – je­den­falls als Frau. Gro­ße Lust, of­fen zu dem Kind zu ste­hen, hat­te er eben­falls kei­ne. Nein, ei­gent­lich hät­te er gar nichts da­ge­gen, wenn Fy­dal es als sei­nes an­er­ken­nen wür­de.

Wie­so war sich der Her­zog über­haupt so si­cher, nicht selbst der Va­ter zu sein? Im­mer­hin war er nach der Hoch­zeit der­art be­trun­ken ge­we­sen, dass er sich un­mög­lich an vie­le Ein­zel­hei­ten der Nacht er­in­nern konn­te.

Die Hoch­zeits­nacht dürf­te oh­ne­hin der ein­zi­ge Zeit­punkt ge­we­sen sein, an dem das Un­glück pas­siert sein konn­te. Es war ja kei­nes­wegs so, als hät­te die Her­zo­gin jede Men­ge Ge­le­gen­hei­ten, ih­rem Gat­ten un­treu zu wer­den.

»Na­tür­lich ist das Kind von ihm«, hat­te der Se­ne­schall Nik­ko ges­tern noch ver­si­chert, nach­dem Fy­dal schon da­von­ge­pol­tert war. »Von wem sonst soll­te es denn sein? Ihre Ho­heit ist eine Dame von höchs­ter Moral und wür­de nie mit ei­nem an­de­ren Mann … in­tim wer­den. Fer­ner hät­te sie dazu gar kei­ne Mög­lich­keit. Schließ­lich ist sie Tag und Nacht von ih­ren Zo­fen um­ge­ben, von de­nen mir gleich meh­re­re Be­richt er­stat­ten.«

So war es wohl. Ob­wohl Nik­ko vom Le­ben ad­li­ger Da­men kaum Ah­nung hat­te, konn­te er sich nicht vor­stel­len, dass eine sol­che vie­le Ge­le­gen­hei­ten für … Män­ner­be­su­che hat­te. Wie also kam Fy­dal über­haupt auf die Idee, dass das Kind nicht von ihm war?

Bei all dem hat­te der jun­ge Zau­be­rer auch rie­si­ge Angst, dass al­les ir­gend­wie her­aus­käme. Wie wür­de Fy­dal bloß rea­gie­ren, wenn er er­füh­re, dass es aus­ge­rech­net Nik­ko ge­we­sen war? Ges­tern Abend hat­te der Her­zog sich ja ziem­lich un­ge­hal­ten ge­zeigt. Wür­de sich das än­dern, falls er wüss­te, dass sein treu­er Hof­ma­gier der Va­ter des Kin­des war, nicht etwa ir­gend­ein nie­de­rer Die­ner? Wür­de er es hin­neh­men, wenn sie ein­fach al­les auf den Al­ko­hol scho­ben?

Nein, fürch­te­te Nik­ko. Der Her­zog sah sich in sei­nem Stolz ge­kränkt – und das zu Recht. Noch im­mer dach­te Fy­dal wie ein Sol­dat, des­sen Ehre ihm al­les be­deu­te­te. Das Wis­sen, dass es sein Hof­zau­be­rer ge­we­sen war, mit dem ihn sein Weib be­tro­gen hat­te, wür­de dar­an kaum et­was än­dern.

Nein, Fy­dal durf­te nie er­fah­ren, dass Nik­ko der Verant­wort­li­che war! Nie­mals! Al­les wür­de der Zau­be­rer dann ver­lie­ren. Sein Amt hier in Sinál und wohl auch die Graf­schaft Hal­fuár. Vor Schlim­me­rem wür­de ihn sein Sta­tus als Ma­gier si­cher­lich be­wah­ren. Ob­wohl, wer wuss­te schon, wel­chen Är­ger es des­we­gen noch mit dem Ar­ka­nen Or­den gäbe?

Nein, was in der Hoch­zeits­nacht ge­sche­hen war, muss­te ein Ge­heim­nis zwi­schen Nik­ko und der Her­zo­gin blei­ben! Auf kei­nen Fall woll­te der Zau­be­rer al­les ver­lie­ren, was er sich in den letz­ten Jah­ren auf­ge­baut hat­te.

Die Her­zo­gin – wie hieß sie doch gleich? Yo­la­ja. Es führ­te kein Weg dar­an vor­bei, der jun­ge Meis­ter muss­te mit ihr re­den. Er muss­te her­aus­fin­den, was sie Fy­dal be­reits er­zählt hat­te, und ob sie in Zu­kunft noch dicht hiel­te. Aber wie soll­te er zu ihr ge­lan­gen?

Na­tür­lich wäre es viel zu ver­däch­tig, der Frau ein­fach einen Be­such ab­zu­stat­ten, oder sie hier zu sich in den Turm zu bit­ten. Dass ei­ni­ge ih­rer Zo­fen dem Se­ne­schall be­rich­te­ten, mach­te die Sa­che noch kom­pli­zier­ter.

We­nigs­tens wuss­te Nik­ko nun da­von und lief nicht län­ger Ge­fahr, ge­ra­de­wegs in sein Un­glück zu tap­pen. Da­ran, in wel­che Int­ri­gen an­de­re Höf­lin­ge ver­strickt sein moch­ten, woll­te er lie­ber gar nicht erst den­ken. Es galt also, in die­ser An­ge­le­gen­heit größ­te Vor­sicht wal­ten zu las­sen!

Ei­nes war oh­ne­hin klar, er muss­te al­lein mit der Dame spre­chen. Was sie zu be­re­den hat­ten, war viel zu bri­sant, als dass ir­gend­wel­che Be­diens­te­ten da­von Wind be­kom­men durf­ten – egal, wie loy­al sie auch sein moch­ten.

Na­tür­lich könn­te Nik­ko sich ein­fach un­sicht­bar ma­chen und die Her­zo­gin so in al­ler Heim­lich­keit auf­su­chen. Wann aber wäre sie al­lein, und wo? Wie wür­de sie über­haupt rea­gie­ren, wenn er dann plötz­lich vor ihr stün­de?

Ein Schre­ckens­schrei, der viel­leicht noch das gan­ze Schloss auf­scheuch­te, war schließ­lich das Al­ler­letz­te, was er bei ei­nem der­ar­ti­gen Un­ter­fan­gen brau­chen konn­te. Doch zeig­te sei­ne spär­li­che Er­fah­rung mit Frau­en, dass ge­ra­de ein schril­ler Schrei in ei­ner sol­chen Si­tua­ti­on nicht un­wahr­schein­lich war.

Er muss­te sie also vor­her war­nen, aber wie? Ei­nen Brief konn­te er ihr ja nicht ein­fach so zu­kom­men las­sen. Wer wuss­te schon, in wel­che Hän­de ein der­ar­ti­ges Schrei­ben ge­lan­gen könn­te? Die blo­ße Vor­stel­lung, sich un­ter den boh­ren­den Bli­cken des Se­ne­schalls für ein paar wir­re Zei­len recht­fer­ti­gen zu müs­sen, be­rei­te­te dem Zau­be­rer schon jetzt Ma­gen­schmer­zen.

Vi­el­leicht soll­te er sich doch einen Vor­wand ein­fal­len las­sen, un­ter dem er die Dame of­fi­zi­ell zu sich bit­ten konn­te, ohne da­bei Ver­dacht zu er­re­gen. Auch wenn sie wohl kaum ohne ihre Zo­fen käme, könn­te er dann even­tu­ell ers­te An­deu­tun­gen ma­chen, oder ihr heim­lich einen Zet­tel zu­ste­cken. Was aber käme als ein sol­cher Vor­wand in Fra­ge?

Am bes­ten wäre es, wenn er erst ein­mal ei­ni­ge Näch­te dar­über schlie­fe. Zu viel konn­te er hier falsch ma­chen und wür­de es dann wohl auf ewig be­reu­en. Im­mer­hin hing sei­ne ge­sam­te Exis­tenz da­von ab, dass Fy­dal nie­mals er­fuhr, was sich in des­sen Hoch­zeits­nacht zu­ge­tra­gen hat­te.

Zau­be­rei! Die Ar­beit mit der Kraft war für ihn die bes­te Art und Wei­se, wie­der auf an­de­re Ge­dan­ken zu kom­men. Auch gab es un­end­lich vie­les, was er noch ler­nen konn­te.

Wo­mit aber soll­te er sich als Nächs­tes be­schäf­ti­gen? Am klügs­ten wäre es si­cher­lich, wei­ter an der Hexe­rei des Ne­kro­man­ten zu fei­len – nicht zu­letzt, um sei­nen Vor­sprung auf die­sem Ge­biet nicht zu ver­spie­len.

Von Xan­thúal hat­te Nik­ko ja schon seit län­ge­rer Zeit nichts ge­hört und wuss­te da­her nicht, ob es die­sem ge­glückt war, von den Meis­tern des Sü­dens mehr über das Be­schwö­ren von Dä­mo­nen her­aus­zu­fin­den. Soll­te der Kerl ihm ge­ra­de in die­ser Schu­le einen Schritt vor­aus sein, könn­te es ge­fähr­lich wer­den!

Die Biblio­thek des Ne­kro­man­ten hat­te der jun­ge Meis­ter zum Glück ret­ten kön­nen, auch wenn er die in­ter­essan­tes­ten Wer­ke ja be­reits vor­her nach Hal­fuár ge­bracht hat­te. Höchs­te Zeit also, sich wie­der de­ren Stu­di­um zu wid­men. Oder war er doch schon reif für wei­te­re prak­ti­sche Übun­gen?

Dass er sei­ne Be­schwö­rungs­küns­te zu­nächst an nie­de­ren Dä­mo­nen ver­bes­sern muss­te, be­vor er sich an die hö­he­ren wa­gen konn­te, hat­te er so­wie­so schon her­aus­ge­fun­den. Worauf also war­te­te er noch?

Lang­sam! Mit Dä­mo­nen konn­te er viel mehr falsch ma­chen als mit den Höf­lin­gen hier auf der Burg. Auch wäre der Preis für je­den Feh­ler un­gleich grö­ßer. Die Erin­ne­rung an sei­ne kur­ze Be­ses­sen­heit vom Dä­mo­nen Sy­th’lar war ihm dann doch War­nung ge­nug, erst ein­mal wei­ter Theo­rie zu pau­ken.

Lei­der be­fan­den sich die Wer­ke über Dä­mo­nen alle in Hal­fuár. Gro­ße Lust, sich heu­te noch dort­hin zu tele­por­tie­ren, ver­spür­te der Zau­be­rer je­doch nicht. Mal se­hen, was die Biblio­thek hier in Sinál In­ter­essan­tes zu bie­ten hat­te!

Den gan­zen Tag lang und den nächs­ten Mor­gen hat­te Nik­ko ver­sucht, sich auf sein Stu­di­um zu kon­zen­trie­ren. Ob­wohl sich un­ter den Bü­chern, die ver­mut­lich Pe­ryn­dor wäh­rend sei­ner Amts­zeit hier her­ge­schafft hat­te, viel­ver­spre­chen­de Lek­tü­re be­fand, wa­ren sei­ne Ge­dan­ken im­mer wie­der zu Yo­la­ja und de­ren Schwan­ger­schaft ge­drif­tet.

Auch die Nacht da­vor war ihm da­durch schon ver­miest wor­den. Übels­te Alb­träu­me hat­ten ihn wie­der und wie­der ge­quält. Meist war es dar­um ge­gan­gen, dass Fy­dal her­aus­fand, wer der Va­ter des Kin­des war. Die Stra­fe war je­des Mal eine an­de­re, doch im­mer schlimm. Am schreck­lichs­ten war ein Traum ge­we­sen, in dem aus­ge­rech­net Xan­thúal über Nik­ko rich­ten soll­te.

Nun, am spä­ten Mor­gen, gab der Zau­be­rer letzt­end­lich auf. An kon­zen­trier­tes Le­sen war in sei­ner Si­tua­ti­on ein­fach nicht mehr zu den­ken. Auch mor­gen oder über­mor­gen, oder an den Ta­gen dar­auf, wür­de sich dar­an nichts än­dern, je­den­falls so lan­ge nicht, bis er end­lich mit der Her­zo­gin ge­spro­chen hat­te.

Ir­gend­wie muss­te er den Kon­takt zu der Dame her­stel­len. Er muss­te ein­fach wis­sen, was sie zu der gan­zen Sa­che zu sa­gen hat­te. Er muss­te vor al­lem si­cher­stel­len, dass sie ihn nie­mals ver­riet. Auch woll­te er sei­ne Va­ter­schaft von ihr noch be­stä­tigt ha­ben, ob­wohl er selbst kaum Zwei­fel dar­an hat­te.

Den­noch, auf die Schnel­le fiel ihm nichts ein, wo­mit er ein Tref­fen recht­fer­ti­gen konn­te. Wür­de es hel­fen, län­ger dar­über nach­zu­den­ken? Oder wäre es bes­ser, wenn er zu­nächst Zer­streu­ung such­te und auf eine spon­ta­ne Ein­ge­bung war­te­te?

Es dau­er­te nicht lan­ge, be­vor Nik­ko sich für die zwei­te Op­ti­on ent­schied. Er muss­te sich da­bei auch ein­ge­ste­hen, dass er das Ge­spräch mit der Her­zo­gin ir­gend­wie fürch­te­te. Je­den­falls hat­te er es auf ein­mal nicht mehr so ei­lig, der Dame ge­gen­über zu ste­hen.

Was aber soll­te der Zau­be­rer also tun? Für wei­te­re Stu­di­en war er viel zu un­kon­zen­triert. Für das Ge­spräch mit Yo­la­ja fühl­te er sich noch nicht be­reit. Was war er manch­mal nur für ein jäm­mer­li­cher Wurm!

Vi­el­leicht war er ja we­nigs­tens im Stan­de, prak­tisch zu ar­bei­ten. Der Um­gang mit der Kraft wür­de ihn wohl schnell wie­der auf an­de­re Ge­dan­ken brin­gen. Wie wäre es also mit ein paar Übun­gen?

Der Tele­port­stein! Ja, er woll­te doch noch den An­ker für Da­nu­wil be­ar­bei­ten. Zwar war Pe­ryn­dor der ein­zi­ge an­de­re Ma­gier, dem das neue Mus­ter dar­in be­kannt war, aber trotz­dem woll­te Nik­ko ihn lie­ber mit ei­nem neu­en ver­se­hen. Man konn­te schließ­lich nie si­cher ge­nug sein. Au­ßer­dem wäre das eine gute Übung.

Für Hal­fuár hat­te er Ähn­li­ches ge­plant. Auch dort woll­te er si­cher­ge­hen, kei­nen un­ge­woll­ten Be­such mehr fürch­ten zu müs­sen, ob­wohl Groß­meis­ter Pe­ryn­dor wie­der­um der ein­zi­ge an­de­re Zau­be­rer war, der das Mus­ter kann­te. Aber wer wuss­te schon, ob er es nicht längst wei­ter­ge­ge­ben hat­te?

Am liebs­ten wäre es Nik­ko ge­we­sen, so­gar das Tele­port­mus­ter von Sinál zu ver­än­dern. Doch hät­te ihm die­ser Schritt großen Är­ger mit dem Or­den ein­brin­gen kön­nen. Im­mer­hin war das Ka­pi­tel hier ja nicht sein per­sön­li­cher Be­sitz, mit dem er ma­chen konn­te, was er woll­te.

Nun war aber erst ein­mal der An­ker­stein für Da­nu­wil an der Rei­he. Um das dar­in ein­ge­schlos­se­ne Tele­port­mus­ter zu än­dern, muss­te er es zu­nächst lö­schen, den Stein dann phy­sisch be­ar­bei­ten und ein neu­es Mus­ter ein­schlie­ßen. So hat­te er es kürz­lich von Groß­meis­ter Pe­ryn­dor ge­lernt.

Um das alte Mus­ter zu ent­fer­nen, konn­te er zwar wie­der sei­ne ei­ge­ne Ver­si­on der Ban­nung ver­wen­den, in die er auch ein we­nig Di­men­si­ons­ma­gie hat­te ein­flie­ßen las­sen. Al­ler­dings hat­te der Groß­meis­ter ihm auch noch einen an­de­ren Zau­ber ge­zeigt, mit dem er das alte Tele­port­mus­ter ban­nen konn­te.

Nik­ko ent­schied sich aus blo­ßer Neu­gier dazu, dies­mal die Ver­si­on Pe­ryn­dors zu ver­wen­den. Vi­el­leicht konn­te er da­bei ja et­was ler­nen.

Wie funk­tio­nier­te sie noch mal? An­statt das Mus­ter als Gan­zes zu lö­schen, griff der Zau­ber nur ein­zel­ne sei­ner Tei­le an, und zwar mit ziem­li­cher Wucht. Da­durch brach das Tele­port­mus­ter letzt­lich in sich zu­sam­men.

Der Ma­gier leg­te den Ob­si­dian­stein vor sich auf einen Tisch und wie­der­hol­te den Bann­zau­ber des Groß­meis­ters aus dem Ge­dächt­nis. Be­son­ders kom­pli­ziert war die­ser oh­ne­hin nicht. Den­noch, zu­nächst woll­te er ein­fach nicht funk­tio­nie­ren. Erst, als Nik­ko mehr und mehr Kraft in sei­nen Zau­ber flie­ßen ließ, zer­barst das Mus­ter im Stein.

Kopf­schmer­zen und Schwin­del, wie der Meis­ter sie schon län­ge­re Zeit nicht mehr ver­spürt hat­te, wa­ren der Preis für die­sen bra­chia­len Zau­ber. Da war ihm sei­ne ei­ge­ne Ver­si­on doch deut­lich lie­ber!

Den­noch, vom al­ten Mus­ter im An­ker­stein war nichts mehr zu er­ken­nen. Es hat­te also al­les bes­tens funk­tio­niert. Nun muss­te er den Ob­si­di­an­klum­pen nur noch äu­ßer­lich leicht ver­än­dern und das neue Mus­ter in ihm bin­den. Ver­zau­be­run­gen hat­te er ja kürz­lich aus­gie­big ge­übt.

Ein Mei­ßel – wo soll­te er so ein Werk­zeug her­be­kom­men? Mal se­hen, was Pe­ryn­dor wäh­rend sei­ner Zeit in Sinál so al­les an­ge­häuft hat­te. Nik­ko hat­te ja noch im­mer kei­nen ge­nau­en Über­blick dar­über, was sein Vor­gän­ger hier ge­trie­ben hat­te.

Nach ei­ni­gem Su­chen fand der Zau­be­rer we­nigs­tens einen Dolch, der durch Ma­gie ge­här­tet zu sein schi­en. An­sons­ten gab es im Turm nur Tand. Ver­mut­lich hat­te der Groß­meis­ter das meis­te von Wert wie­der mit nach Zun­daj ge­nom­men. Trotz­dem konn­te der jun­ge Meis­ter ihm nicht böse sein. Ohne den Erz­ma­gier wäre das Ka­pi­tel schließ­lich noch im­mer eine lee­re Rui­ne.

Mit ei­ni­ger An­stren­gung ge­lang es Nik­ko, eine sicht­ba­re Ker­be in das har­te Vul­kan­glas zu rit­zen. Ob ein ge­wöhn­li­cher Dolch dies je ver­mocht hät­te, wag­te er zu be­zwei­feln. Der so be­ar­bei­te­te Stein un­ter­schied sich si­cher­lich ge­nug vom al­ten, so dass sich von selbst ein ganz neu­es Tele­port­mus­ter er­gab, wenn der Zau­be­rer den Tele­por­ta­spekt im Stein wir­ken ließ. Die­sen Teil der Pro­ze­dur hat­te er ja mit dem Groß­meis­ter ge­übt.

Ge­sagt, ge­tan. Nach we­ni­gen Au­gen­bli­cken er­strahl­te ein brand­neu­es Mus­ter im An­ker­stein. Ein Mus­ter, das nur Nik­ko be­kannt war. Da­nu­wil brauch­te also kei­ner­lei Angst mehr da­vor zu ha­ben, dass ir­gend­ein frem­der Ma­gier ihn in Tel­gâr be­hel­lig­te.

Der Zau­be­rer wür­de ihm den Stein so­wie Plä­ne zum Bau ei­nes Tele­por­traums um­ge­hend von ei­nem her­zog­li­chen Bo­ten über­brin­gen las­sen, was je­doch zwei bis drei Wo­chen dau­ern wür­de. Dann aber stün­de es ihm je­der­zeit frei, den al­ten Freund in des­sen neu­em Le­hen zu be­su­chen.

Das hat­te gut­ge­tan, stell­te Nik­ko er­freut fest. Die Ar­beit mit der Kraft hat­te ihn so­gar all den Är­ger ver­ges­sen las­sen. Für die viel­leicht hal­be Stun­de, die ihn sein Werk ge­kos­tet hat­te, war er wie­der frei von al­len Sor­gen ge­we­sen. Wa­rum konn­te es nicht im­mer so sein?

Al­les hin­ter sich las­sen und ir­gend­wo, ganz al­lein in der Ein­sam­keit, nur noch der Ma­gie frö­nen – warum ei­gent­lich nicht? Was wäre falsch dar­an, al­les aus sei­nem Le­ben zu ver­ban­nen, was ihm oh­ne­hin nichts be­deu­te­te?

Ein schö­ner Ge­dan­ke. Zu schön, um wahr zu sein! Nur ein äu­ßerst mäch­ti­ger Zau­be­rer, wie der Ne­kro­mant ei­ner ge­we­sen war, konn­te sich in der Ein­sam­keit be­haup­ten. Nur wer ge­fähr­lich ge­nug war, dass der Or­den den Kon­flikt mit ihm scheu­te, hat­te wirk­lich sei­ne Ruhe. Alle an­de­ren wa­ren stets Ge­jag­te, wie einst Tho­ro­dos. Mit ei­nem lan­gen Seuf­zen sah der jun­ge Meis­ter ein, dass er des­sen un­schö­nes Ende nicht tei­len woll­te.

Nein, noch muss­te er ihr Spiel also mit­ma­chen. Noch war er zu schwach, sich al­lein ge­gen sie zu be­haup­ten. Gil­hatán hat­te ihn als Hof­ma­gier hier in Hy­mal plat­ziert. Die­se Rol­le muss­te Nik­ko nun spie­len, auch wenn er am liebs­ten weg­ge­lau­fen wäre. Aber ir­gend­wann …

Den­noch, so konn­te es nicht wei­ter­ge­hen! Die Si­tua­ti­on mit der Her­zo­gin raub­te ihm den letz­ten Nerv. Hier muss­te end­lich Klar­heit ge­schaf­fen wer­den! Wie soll­te er denn sei­ne Pf­lich­ten wahr­neh­men, wenn er stets fürch­ten muss­te, dass al­les ans Licht kommt?

Nichts führ­te an ei­nem Ge­spräch mit Yo­la­ja vor­bei, das war ihm klar. Es gab auch kei­nen Grund, es im­mer wie­der auf­zu­schie­ben. Im Ge­gen­teil, die Un­ge­wiss­heit wür­de mehr und mehr an ihm na­gen. Er muss­te mit der Dame re­den, und das so schnell wie mög­lich!

Noch im­mer fiel ihm je­doch kein gu­ter Grund ein, aus dem er die Her­zo­gin zu sich in den Turm bit­ten könn­te, und noch viel we­ni­ger, warum er sie in ih­ren ei­ge­nen Ge­mä­chern auf­su­chen soll­te. Er muss­te sich also doch in al­ler Heim­lich­keit zu ihr be­ge­ben.

Un­ge­se­hen zu ihr zu ge­lan­gen, war als Zau­be­rer kein Pro­blem. Am bes­ten nachts, wo sie mit Si­cher­heit al­lein in ih­rem Schlaf­ge­mach zu fin­den war, konn­te er sich mit Hil­fe sei­nes Un­sicht­bar­keits­zau­bers heim­lich zu ihr schlei­chen. Aber was dann?

Es ware schon schwie­rig ge­nug, die Dame mit sei­nem un­er­war­te­ten Auftau­chen nicht der­art zu er­schre­cken, dass sie ihre Zo­fen durch Ge­schrei alar­mier­te oder, schlim­mer noch, die Wa­chen. Selbst wenn sie nicht schrie, war die Ge­fahr viel zu groß, mit ih­ren Stim­men Auf­merk­sam­keit zu er­re­gen und dann be­lauscht zu wer­den.

Stil­le! Ir­gend­wie muss­te Nik­ko da­für sor­gen, dass kein Laut aus dem Schlaf­ge­mach der Her­zo­gin drang. Für so et­was muss­te es doch einen Zau­ber ge­ben!

Eine Art Schild viel­leicht? Da­von gab es ja jede Men­ge, ob­wohl die meis­ten ge­gen die vie­len Ar­ten ma­gi­scher At­ta­cken schütz­ten. Aber auch wi­der phy­si­sche Ge­walt gab es ma­gi­schen Schutz. Nik­ko hat­te da­mals so einen Schild ein­ge­setzt, als er das Ork­heer vor Hal­fuár … Oh je, dar­an woll­te er lie­ber nicht mehr den­ken. Den­noch, der Schild hat­te ihn vor Pfei­len ge­schützt und so sein Le­ben ge­ret­tet.

Der jun­ge Zau­be­rer muss­te sich lei­der ein­ge­ste­hen, dass er kei­ne Ah­nung hat­te, was Lau­te ei­gent­lich wa­ren. Ohne die­ses Wis­sen war es je­doch so gut wie un­mög­lich, einen Schild zu er­den­ken, der Geräusche ab­schirm­te.

Die Biblio­thek! Mit ein we­nig Glück fand sich dort viel­leicht ein Buch dazu. Pe­ryn­dor war schließ­lich ein Ken­ner ma­gi­scher Schil­de. Da war es nicht un­wahr­schein­lich, dass er ent­spre­chen­de Li­te­ra­tur dar­über zu­sam­men­ge­tra­gen hat­te.

Bis in den frü­hen Abend hin­ein hat­te der jun­ge Zau­be­rer in der Biblio­thek stu­diert. Die Aus­sicht dar­auf, mit dem hier er­wor­be­nen Wis­sen sein Pro­blem zu lö­sen, hat­te es ihm er­mög­licht, doch wie­der kon­zen­triert zu ar­bei­ten. Ganz im Ge­gen­teil zu ges­tern und heu­te Mor­gen.

Tat­säch­lich fand Nik­ko letzt­lich so­gar, was er such­te. Zwar kei­ne Er­klä­rung, was Lau­te ei­gent­lich wa­ren, aber ein Mus­ter für einen Schild, bei dem aus­drück­lich da­vor ge­warnt wur­de, dass er auch alle Geräusche blo­ckier­te. In der Tat schi­en er fast al­les zu blo­ckie­ren, au­ßer Licht. Der Ma­gier muss­te also dar­auf ach­ten, dass der Be­reich im Schild groß ge­nug war, sonst be­stand die Ge­fahr, in sei­nem In­nern zu er­sti­cken.

Kein Pro­blem, fand Nik­ko. Er konn­te den Schild ja auf das gan­ze Ge­mach aus­deh­nen, dann hät­ten sie mehr als ge­nug Zeit, al­les aus­gie­big zu be­re­den, be­vor ih­nen je die Luft aus­gin­ge.

Das Mus­ter war zu­dem nicht all­zu schwie­rig. Der Zau­be­rer wür­de kei­ne Pro­ble­me ha­ben, es zu wir­ken. So war es auch nicht nö­tig, vor­her da­mit zu üben. Worauf also war­te­te er noch?

Auf nichts! Nein, es war höchs­te Zeit, es end­lich hin­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­