Cornelia & Stephan Schwarz
Richtig gut rüberkommen
Wie Sie empathisch und erfolgreich kommunizieren
dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München
Mit Praxisübungen
Cornelia Schwarz ist NLP-Lehrtrainerin, Coach und Trainerin für Führungskräfte und Unternehmer. Die gelernte Diplomkauffrau gibt seit 30 Jahren Ausbildungstrainings mit dem Schwerpunkt »NLP im Business«, »Rhetorik und Präsentation« und Persönlichkeitsentwicklung. Sie ist »Light Body«-Lehrtrainerin und leitet seit Jahren Meditationstrainings für Führungskräfte.
Stephan Schwarz ist Psychologe, Pädagoge und NLP-Lehrtrainer. Seit 30 Jahren gibt er Ausbildungstrainings mit dem Schwerpunkt »NLP im Business« und coacht mittelständische Unternehmen und Geschäftsführer in der Entwicklung ihrer Organisationen. Er ist ausgebildet in der Transaktionsanalyse, in NLP, themenzentrierter Interaktion und ist »Light Body«-Lehrtrainer und Meditationstrainer.
Souverän statt konfrontativ reagieren: Wer wünscht sich das nicht? Doch im Alltag reden wir oft aneinander vorbei, in Missverständnisse schleicht sich ein gereizter Ton, unerfreuliche Auseinandersetzungen eskalieren. Das muss nicht sein, sagen die erfahrenen Coaches Cornelia und Stephan Schwarz. Sie zeigen, wie wir lernen, besser zuzuhören und auf Augenhöhe zu kommunizieren. Neueste Erkenntnisse aus Psychologie, Verhaltensforschung und Neurobiologie verbinden sie zu dem Konzept der empathischen Spiegelung. Wie dieses funktioniert, veranschaulichen sie anhand vieler Fallbeispiele, Übungen und Tipps. Es lässt sich in beruflichen wie in privaten Zusammenhängen anwenden und bietet auch für knifflige Fälle Problemlösungen. So können Sie künftig auch schwierige Gespräche meistern!
Originalausgabe
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eBook-Herstellung im Verlag (01)
eBook ISBN 978-3-423-43345-7 (epub)
ISBN der gedruckten Ausgabe 978-3-423-26191-3
Ausführliche Informationen über unsere Autoren und Bücher finden Sie auf unserer Website www.dtv.de/ebooks
ISBN (epub) 9783423433457
Gewidmet allen, die auf dem Weg der inneren Revolution sind, unermüdlich und beharrlich Liebe, Wärme und Empathie im alltäglichen Wahnsinn zu praktizieren. Never give up!
»Die wichtigste aller Fragen ist für mich, wie sich die Beziehungen zwischen Menschen verbessern lassen und was ich dazu beitragen kann.«
Dalai Lama
Kommen Ihnen diese Sätze bekannt vor? Mit großer Sicherheit ja. Denn in der täglichen Kommunikation wird nicht nur viel geredet, es wird vor allem viel zu viel aneinander vorbeigeredet. Ob in der Beziehung, in der Familie, im Job – man spricht dieselbe Sprache, trotzdem scheint es, als lebe man auf verschiedenen Planeten. Aus Missverständnissen können dann leicht unerfreuliche Auseinandersetzungen entstehen, bis hin zu Zerwürfnissen und Trennungen.
Auch in Ihrem Leben gibt es bestimmt einige Kandidaten, mit denen Sie immer wieder aneinandergeraten. Obwohl Sie sich vornehmen, dass es beim nächsten Mal rundlaufen soll, scheppert es in unschöner Regelmäßigkeit.
Ihr Partner streitet mit Ihnen, Sie schimpfen mit Ihren Kindern, kommen nicht mit dem schwierigen Kollegen klar oder verprellen einen wichtigen Kunden, vielleicht sogar Ihren Chef. Natürlich haben Sie sich oft gefragt, warum es immer mal wieder hakt. Schließlich sind Sie guten Willens und wollen doch nur Ihren Standpunkt klarmachen. Dennoch kommen Sie oft nicht auf einen Nenner mit Ihrem Gesprächspartner.
Gehen wir mal davon aus, Sie sind an mehr Lebensfreude und weniger Konflikten interessiert – dann zeigen wir Ihnen, wie Sie durch bewusste Verhaltensänderungen eine neue Qualität Ihrer privaten und beruflichen Kontakte erreichen. Im Kern geht es dabei um einen Kommunikationsmodus, der Missverständnisse und leidige Streitigkeiten von vornherein ausschließt oder aber auflöst, weil Sie eine gemeinsame Ebene mit Ihrem Gegenüber erschaffen. Auf dieser Basis entsteht ein besonderer Flow, der Ihnen das Leben spürbar einfacher macht: Sie können die Beziehung zu Ihrem Partner harmonischer gestalten, das Familienleben entstressen, Kollegen, Geschäftspartner und Chefs für sich gewinnen. Mit unserem Coaching werden Sie jede noch so komplizierte Situation zielorientiert verwandeln und erreichen, was Ihnen am Herzen liegt.
Das Geheimnis liegt darin, dass Sie lernen, wie man auf Augenhöhe und auf gemeinsamer Wellenlänge kommuniziert. Dafür müssen Sie Ihrem Gesprächspartner in subtiler Weise signalisieren, dass Sie ihn ernst nehmen, sich auf seine Perspektive einlassen können und seine Sicht der Dinge verstehen – aufgrund von Empathie. Die Resultate sind sofort sichtbar. Sobald sich jemand von Ihnen verstanden fühlt, fangen Sie beide unwillkürlich an zu lächeln. Selbst bei der Austragung von Meinungsverschiedenheiten sind Sie miteinander verbunden und erleben eine harmonische Kommunikation, ohne Missverständnisse, ohne destruktive Konflikte.
Unsere Arbeit basiert auf langjähriger Erfahrung mit Kommunikationsberatung in großen und kleineren Unternehmen und hat sich auch in Einzelcoachings bestens bewährt. Wir möchten Ihnen zeigen, wie Sie die Schwere aus Ihrer Kommunikation nehmen, Missverständnisse, peinliches Schweigen, Anstrengung vermeiden – zugunsten von Leichtigkeit und mehr Erfolg. Bei uns lernen Sie, wie Sie bewusst eine emotionale Bindung zu Ihrem Kommunikationspartner herstellen, indem Sie seine Stimmung, sein Verhalten, seine Ausstrahlung in sich aufnehmen und zurückspiegeln.
Bei unserem Coaching verbinden wir neueste Erkenntnisse aus Psychologie, Verhaltensforschung und Neurobiologie zu einem innovativen Konzept, das wir »empathische Spiegelung« nennen.
Die Idee unseres Konzepts folgt einem wichtigen Grundgedanken: Noch bevor Sie Ihren eigenen Standpunkt darlegen, erkennen Sie Ihr Gegenüber erst einmal an, mit allem, was der andere denkt und fühlt. Das heißt nicht, dass Sie sich seine Gedanken und Gefühle eins zu eins aneignen – Sie signalisieren ihm nur, dass Sie all das wahrnehmen und respektieren. Anschließend können Sie über das, was Sie erreichen möchten, mit großer Gelassenheit und erfolgreich verhandeln. Wie das gelingt, erfahren Sie in diesem Buch.
Das Konzept der empathischen Spiegelung basiert darauf, dass Sie Verantwortung für Ihre Beziehungen übernehmen. Warum Sie das tun sollten? Weil ganz allein die Qualität der aktuellen Beziehungsebene darüber entscheidet, ob Sie sich auch inhaltlich mit einem Menschen verständigen können oder nicht. Ja, Sie haben richtig gelesen: Inhaltliche Differenzen spielen eine weit geringere Rolle in Konflikten als Defizite auf der Beziehungsebene. Deshalb möchten wir Ihnen die Augen öffnen, wie Sie eine intensive Verbindung zu einem anderen Menschen aufnehmen können, weil er sich von Ihnen verstanden fühlt. Es hängt dann nur von Ihnen ab, wie ein Gespräch läuft – ob es in angenehmer Atmosphäre stattfindet, befriedigend und mit gutem Ausgang, oder ob Sie gegen eine Wand laufen oder am Ende sogar die Fetzen fliegen. Sie haben es in der Hand!
Empathische Spiegelung setzt auf soziale und emotionale Intelligenz, die durch bewusstes Training wesentlich gesteigert werden kann.
Schon lange werden die sogenannten Soft Skills als Schlüsselkompetenzen eines gelungenen Berufs- und Privatlebens geschätzt. Während es bei den Hard Skills um fachliche Fähigkeiten geht, beschreiben die Soft Skills Eigenschaften wie Einfühlungsvermögen, Teamfähigkeit, Integrationsbereitschaft, Kommunikationsgeschick, Selbstreflexion. Wer heute erfolgreich arbeiten will, muss sich in diesen Disziplinen beweisen. Die Ära der Einzelkämpfer ist im Beruf lange vorbei, im Privatleben versteht sich das gewissermaßen von selbst.
Durch unser Coaching haben Sie die Chance, Ihre sozialen und emotionalen Kompetenzen entscheidend weiterzuentwickeln. Schritt für Schritt zeigen wir Ihnen, wie Sie Ihre Empathie und Ihre Kommunikationsfähigkeit steigern und künftig jeden Gesprächspartner zu nehmen wissen.
Eines können wir Ihnen versprechen: Es macht Spaß, andere zu spiegeln! Sie gewinnen mehr Leichtigkeit und Flexibilität im Umgang mit Menschen, haben die Situation im Griff und können sich darauf verlassen, dass Sie Ihre Anliegen adäquat rüberbringen: in geschäftlichen Meetings; in Beziehungen, im Familienleben; im Freundeskreis; beim Smalltalk.
Oft kommen Teilnehmer in unsere Seminare, die kaum glauben können, wie prompt sich Erfolge einstellen, sofern man das Kommunikationsverhalten positiv verändert – wenn man erst einmal die tiefere Problematik von Konflikten verstanden hat und weiß, was man künftig dagegen tun kann. Seminarteilnehmer berichteten, schon nach kurzer Zeit habe sich ihr Leben zum Besseren gewandelt. Auch Sie können von unserem Coaching profitieren:
Sie kommunizieren überzeugender
Sie wirken sympathischer
Ihre Freundschaften werden harmonischer
Ihr Paar- und Familienleben läuft stressfreier
Ihre beruflichen Aktivitäten werden wesentlich erfolgreicher
In anschaulichen Beispielen mit hohem Wiedererkennungswert schildern wir, welche Verhaltensmuster Ihnen begegnen. Es sind kleine Alltagsgeschichten, wie sie jeder schon einmal erlebt hat. Anschließend analysieren wir die Beispiele und machen Ihnen Vorschläge, wie Sie souverän statt konfrontativ reagieren.
Damit Sie auch wissen, was Sie tun, erläutern wir unser Konzept anhand relevanter Ergebnisse der neueren Kommunikationsforschung. Unser Coaching basiert auf wissenschaftlichem Know-how, das viele verblüffende Einsichten bietet und auch Sie überraschen wird. Freuen Sie sich auf Aha-Erlebnisse!
Anhand einfacher Übungen zeigen wir Ihnen im Praxisteil, wie Sie nach und nach Ihre Empathie schulen und Ihr Verhalten ändern können. Schon nach den ersten Übungen werden Sie merken, dass sich Ihr Gespür für andere Menschen deutlich verbessert. Dadurch werden Sie zum aktiven Part in Gesprächen und können jederzeit die Weichen für befriedigende Ergebnisse stellen.
In diesem Buch lernen Sie echte Problemlöser kennen, die sich im Konfliktmanagement bewährt haben: bei Aggressionen, Vorwürfen, Schuldzuweisungen, Beschwerden. Atmen Sie durch, denn selbst für solche unangenehmen Situationen gibt es effektive Lösungen.
Sie nehmen das Verhalten der Menschen klarer wahr und können sich entsprechend in sie einfühlen.
Sie erkennen, wie Mitarbeiter, Kunden, Vorgesetzte, Kollegen, Freunde, Partner, Familienmitglieder »ticken«.
Sie begreifen, warum Gesprächspartner oft seltsam reagieren und welche tieferen Bedürfnisse und Überzeugungen dahinterstecken.
Sie versuchen nicht mehr, andere zu ändern, sondern verändern Ihren Kommunikationsmodus.
Sie gewinnen Sicherheit im Umgang mit anderen, weil Sie wissen, dass Sie jederzeit adäquat reagieren können.
Sie erkennen typische Kommunikationsfallen und können sie künftig umgehen.
Sie können sich persönlich weiterentwickeln.
Dies alles zu erreichen, ist keine Zauberei. Dahinter steht ein Konzept, das man ohne großen Aufwand umsetzen kann. Wir zeigen Ihnen, wie Sie sichtbare Signale richtig interpretieren, und werden Sie auch in die Kunst der psychologischen Diagnostik einweihen. Das ist äußerst spannend. Ob Sie den problemorientierten Typ vor sich haben, der jeden Vorschlag sofort mit Bedenken abschmettert, oder den zielorientierten Typ, der ungeduldig auf ein Ergebnis wartet – bald werden Sie Ihre Gesprächspartner richtig einschätzen und behutsam für sich gewinnen.
Ganz nebenbei werden Sie auch ein besseres Gefühl für Ihre eigenen Signale bekommen. Wie treten Sie auf? Was drücken Ihre Mimik, Ihre Körpersprache aus? Haben Sie den magischen Sympathiefaktor, oder geraten Sie leicht mit anderen aneinander? Woran könnte das liegen? Nach der Lektüre dieses Buches wissen Sie es. Und nicht nur das – Sie werden Ihre positive Ausstrahlung um ein Vielfaches verstärken.
Unser Coaching ist für jeden geeignet, leicht zu verstehen und absolut alltagstauglich. Nur Mut – es ist nie zu spät, etwas für sich zu tun und alle selbst gesteckten Ziele zu erreichen. Viel Freude mit diesem Buch!
Ihre Cornelia und Stephan Schwarz
Nach unserer Erfahrung entstehen schätzungsweise achtzig Prozent aller Konflikte im Alltag nicht etwa durch Meinungsverschiedenheiten, sondern dadurch, dass man aneinander vorbeiredet. Jeder sitzt sozusagen in seiner Raumkapsel und funkt irgendwelche Botschaften, die den anderen nicht erreichen – er kann sie weder verstehen noch akzeptieren. Missstimmungen kommen auf, der Ton wird schärfer, schon befindet man sich mitten in einem handfesten Streit. Und das, obwohl letztlich jeder weiß, dass das Zusammenleben ohne Verständigung und Kompromisse gar nicht funktionieren kann. Woran es liegt, dass trotzdem so viel danebengeht? Um mit einem Klassiker zu antworten: »Denn sie wissen nicht, was sie tun.«
Klar, jeder meint, er beherrsche die Kunst der Kommunikation. Fragt man genauer nach, warum so viel schiefläuft, lautet das Argument meist: »Ich gebe ja mein Bestes, schuld sind die anderen!«
Ein folgenreicher Irrtum. Kommunikation ist Teamsport, und jeder gute Teamplayer wird zunächst einmal überlegen, was er selber beitragen kann, um die Abläufe geschmeidiger zu gestalten. Ein Gedanke, der im Stress des Alltags jedoch oft in Vergessenheit gerät. So wie die Tatsache, dass wir uns den Teampartner nicht nach unseren Wünschen formen können. Sicher, es wäre fantastisch, wenn uns absolut jeder in allen Lebenslagen verstehen würde, doch selbst unsere engsten Freunde, sogar unsere Partner missverstehen uns manchmal.
Im Kern geht es beim »Aneinander vorbeireden« um zwei Systeme, die nicht miteinander kompatibel sind.
Stellen Sie sich vor, Sie müssten eine Apple-Software auf einem Microsoft-Computer installieren. Guter Witz, oder? Läuft nicht, ist doch klar. Aber Sie erwarten, dass Ihre Kommunikation mit einem Menschen funktioniert, der momentan oder permanent völlig anders als Sie drauf ist? Warum eigentlich? Wie in aller Welt soll das reibungslos ablaufen, wenn unterschiedliche Sprechweisen, Temperamente, Stimmungen, Charaktere, Überzeugungen aufeinanderprallen? Bei solchen Gegensätzen wird die Kommunikation oft anstrengend und destruktiv. Man versteht buchstäblich nicht, was der andere meint, Streitigkeiten sind dann quasi vorprogrammiert. Sie beruhen auf Ängsten und Unklarheiten, auch auf falschen Erwartungen, vor allem aber auf Nicht-Verstehen.
Wochenende, Superwetter – ein gemütlicher Grillabend zu zweit im Garten, das wär’s, denken Alex und Bea. Also los. Bea fährt schnell einkaufen, Alex verspricht, schon mal den Grill aufzustellen und anzuwerfen. Doch als Bea eine Stunde später mit vollen Tüten zurückkehrt, hängt Alex mit einem Bier in der Hand im Liegestuhl. Vom Grill ist nichts zu sehen. Bea explodiert. »Wieso hast du nichts vorbereitet?«, schreit sie wild gestikulierend. »Ich rase zum Supermarkt, hetze mich ab, und du? Faulenzt hier rum!«
Alex versucht, sich zu verteidigen, indem er ruhig erklärt, er habe eine harte Woche hinter sich und sei hundemüde. Bea hört gar nicht mehr hin. Sie sieht rot. Dunkelrot. Immer müsse sie alles organisieren, er hingegen sei total antriebsschwach. Eine Weile streiten sie. Alex wirft ihr vor, zickig und total nervig zu sein, dann verzieht sich Bea frustriert auf die Couch und schaut ihre Lieblingsserie. Alex hockt allein im Garten und genehmigt sich das zweite Bier. Der Abend ist komplett im Eimer. Gut möglich, dass das gesamte Wochenende unter einem schlechten Stern steht.
Die Auseinandersetzung von Alex und Bea kennt wohl jeder in der einen oder anderen Abwandlung aus seinem Beziehungsalltag. Und das hat nicht etwa mit Geschlechterklischees zu tun, sondern mit völlig verschiedenen emotionalen Ausgangslagen, die sich in der Körpersprache, der Mimik, der Stimmlage und im Gesagten manifestieren. Schauen wir uns die Situation einmal genauer an, um die Asymmetrien zu verstehen.
Körpersprache: Alex fläzt entspannt im Liegestuhl, Bea steht unter Strom und wedelt mit den Armen.
Mimik: Alex zeigt einen gleichmütigen Gesichtsausdruck, Beas Miene ist wutverzerrt.
Stimmlage: Die Stimme von Alex bewegt sich im unteren Bereich, Bea wütet in den höchsten Tönen.
Argumente: Alex bringt etwas zu seiner Verteidigung vor, Bea greift ihn mit Schuldzuweisungen an.
Eines vorweg: Beide haben gute Gründe, so zu reagieren, wie sie es tun. Alex möchte sich ausruhen, traut sich jedoch nicht, dies zu formulieren, Bea möchte Action und dass Alex seinen Teil dazu beiträgt. Beide haben also prinzipiell recht mit ihrem Verhalten. Leider hilft ihnen das nicht weiter, denn ihre Stimmungen und Erwartungen sind diametral entgegengesetzt, sodass sie einfach nicht auf einen gemeinsamen Nenner kommen. Obwohl sie eigentlich gern Zeit miteinander verbringen, wird es nichts damit.
Ein unlösbares Dilemma? Überhaupt nicht. Am Ende dieses Kapitels zeigen wir Ihnen, was passiert, wenn zumindest einer der beiden Partner bewusst auf den anderen eingeht und ihn spiegelt. Vorher möchten wir Sie mit einigen Fakten bekannt machen, die die Basis unseres Coachings bilden. Schließlich sollten Sie wissen, warum sich Menschen nach harmonischer Kommunikation sehnen, trotzdem so oft daran scheitern, und welche Lösung sich anbietet.
Als vor etwa 300000 Jahren die ersten Vorfahren des heutigen Homo sapiens auf der Erde erschienen, zogen sie als Nomaden in großen Verbänden umher. Von Anfang an war der Mensch also, salopp gesagt, ein Herdentier. Interaktion und Kommunikation gehörten bei dieser Lebensweise zu den Grundvoraussetzungen, sie bildeten den Kitt der Gruppenzugehörigkeit. Die Fähigkeit zu kommunizieren war sogar überlebenswichtig, da der Einzelne kaum Chancen hatte, ganz allein den Gefahren in freier Wildbahn zu trotzen. In der Gruppe war man geschützt. Die Starken halfen den Schwachen, durch die Arbeitsteilung bei Verteidigung, Nahrungssuche und Nachwuchspflege entstanden hocheffiziente Gemeinschaften.
Die simple Gleichung unserer stammesgeschichtlichen Vorfahren lautete: ohne Zusammenhalt und gegenseitige Verständigung kein Überleben.
Heute könnten wir prinzipiell allein zurechtkommen. Allerdings sind die Grundbedürfnisse nach Interaktion und Kommunikation immer noch dieselben wie in der Zeit, als Menschen Bären jagten und Beeren pflückten. Niemand ist eine Insel. Man kann Single sein, schüchtern, menschenscheu, abgekapselt, aber die Sehnsucht nach Gemeinschaft ist quasi in unseren Genen verankert. Im wahrsten Sinne des Wortes sind wir zu Teamplayern geboren. Die meiste Energie verwenden wir daher auf die Erfüllung der ewig gleichen Bedürfnisse:
Wir möchten dazugehören.
Wir möchten anerkannt werden.
Wir möchten nicht einsam sein.
Wie wir handeln und sprechen, wie wir uns kleiden, wie wir auftreten und was wir über uns erzählen, all das folgt der Prämisse, dass wir Zugehörigkeit und Anerkennung suchen. Im Idealfall machen wir diese Erfahrung in der Familie, in Partnerbeziehungen, in Vereinen, im Sportclub, in der Firma. Aus diesem Grund bevorzugen wir übrigens auch »Stamm«-Lokale (schon das Wort ist bezeichnend!), wo uns die Kellner freundlich begrüßen und wir uns willkommen fühlen. Finden wir im analogen Leben keine Gleichgesinnten für unsere Gruppenidentität, probieren wir es halt in den Social Media. Deren Aufstieg ist der eindrucksvolle Beweis dafür, dass wir stets auf der Suche nach »Stammesverwandten« sind. Jeder Like ist ein Erfolgserlebnis, jeder Smiley eine virtuelle Umarmung. Denn ganz egal, ob analog oder digital, stets geht es darum, dass wir die soziale Wärme der Gruppe genießen möchten.
Ob das Grundbedürfnis nach Zugehörigkeit erfüllt wird oder nicht, entscheidet darüber, ob wir uns wohlfühlen.
In Gegenwart von Menschen, die keinerlei Empathie zeigen, fühlt man sich unwohl und unverstanden, die weitere Kommunikation und auch die Zusammenarbeit gestalten sich schwierig, wenn nicht unmöglich. Werden wir solcherart zurückgewiesen, sind wir kreuzunglücklich. Nicht von ungefähr bezeichnet man Mobbing als Psychofolter. Ausgegrenzt und abgelehnt zu werden, ist zwar kein Todesurteil mehr wie bei unseren stammesgeschichtlichen Vorfahren, jedoch gleichbedeutend mit dem sozialen Tod. Mobbingopfer leiden unter ihrer Isolation wie unter körperlicher Gewalt. Die einzige Rettung sind dann Menschen, die sich um das Opfer kümmern, ihm volle Akzeptanz und damit eine neue Gruppenzugehörigkeit vermitteln.
Wie stark wir die Gruppenidentität suchen, zeigt sich auch an unserer Vorliebe für synchrones Handeln. Selbst wenn wir uns für überzeugte Individualisten halten, sind wir doch immer darauf bedacht, möglichst oft Synchronizität zu erleben. Ob wir im Chor singen, in Clubs tanzen, gemeinsam essen oder beim Public Viewing während eines Tors gleichzeitig die Arme hochreißen – schon rein äußerlich mögen wir den Einklang. Was wir dabei spüren, sind Vertrautheit und Verbundenheit. Wir prosten uns synchron zu, bevor wir trinken, wir singen gemeinsam Happy Birthday, um jemandem als Gruppe zu gratulieren, wir absolvieren synchrone Begrüßungsrituale, vom Händeschütteln bis zum High five. Und das alles, um zu spüren: Hey, ich gehöre dazu!
Psychologen und Soziologen wissen, warum das so ist. Mehrfach wurde in den einschlägigen Forschungsdisziplinen nachgewiesen, dass Menschen bei synchron ausgeführten Tätigkeiten ein starkes Wir-Gefühl ausbilden, eher bereit sind zu kooperieren und ihr Einfühlungsvermögen steigern. Formieren sich Personen zu Gruppen, die die gleichen Handlungen ausführen, hegen sie danach sogar mehr Sympathie füreinander.
Ein hochinteressantes Experiment fand an der kalifornischen Stanford University statt. Dort führte der Psychologe Scott Wiltermuth ein eigenwilliges Forschungsprojekt mit seinen Studenten durch: Er ließ sie eine Weile im Gleichschritt marschieren. Bei der Evaluation durch Befragungen und Verhaltensbeobachtungen kam heraus: Die Marschierer fühlten sich hinterher stärker zusammengehörig, unterstützten einander bei einem Spiel und vertrauten einander weit mehr als die Kontrollgruppe, die ungeordnet nebeneinanderher geschlendert war.
Synchronizität schweißt zusammen. Unbewusst favorisieren wir Menschen, die sich ähnlich bewegen wie wir, und teilen anschließend sogar ihre Meinungen. Diesen Zusammenhang von gleichartigem Verhalten und mentalem Gleichklang untersuchte auch der Hirnforscher Christian Keysers von der Universität Groningen. Den Grund fand er in der Hirnchemie. Wir fühlen uns in homogen agierenden Gruppen deswegen so wohl, weil gegenseitige Nachahmung die Ausschüttung des Glückshormons Dopamin nach sich zieht. Haben wir also die Wahl, dann integrieren wir uns lieber in eine Gruppe, als Einzelgänger zu bleiben, und übernehmen auch die Werte der betreffenden Gemeinschaft.
Dieses Phänomen ist evolutionsbiologisch erklärbar. Schon früh bildete das »soziale Herdentier« Mensch Rituale aus, die das Wir-Gefühl steigerten und die Koordination gemeinsamer Handlungen erleichterten. In allen Kulturen formten gemeinsame Gesänge, Tänze und religiöse Riten eine starke Gruppenidentität. Die war auch nötig, um loyal und solidarisch die Aufgabe des Überlebenskampfs zu bewältigen. Noch heute gleichen wir uns lieber an, als von der Gruppe ausgestoßen zu werden. Psychologen nennen es die Sehnsucht nach emotionaler Heimat. Wir suchen sie ein Leben lang, in der Familie, in Beziehungen, bei der Arbeit.
Damit wir uns überhaupt zugehörig fühlen können, muss es natürlich zunächst einmal mit der Verständigung klappen. Ohne gelingende Kommunikation würden wir Außenseiter bleiben und wüssten nicht, wohin wir gehören. Unsere Hirnphysiologie ist daher entsprechend ausgerichtet, und wir verfügen über die Voraussetzungen zur Wahrnehmung anderer Menschen und adäquater Kommunikation. Aber es kommt noch besser: Wir können andere intuitiv verstehen, allein schon, wenn wir sie beobachten, weil wir die Fähigkeit besitzen, uns in sie einzufühlen. Durch Empathie sind wir außerdem in der Lage, die richtige Reaktion auszuwählen, um in Verbindung zu kommen.
Dass wir aus dem Verhalten anderer die richtigen Schlüsse für unser Verhalten ziehen können, verdanken wir speziellen Nervenzellen im Gehirn: den Spiegelneuronen.
Im sogenannten prämotorischen Cortex des Gehirns, wo Handlungen geplant werden, liegen Zellen, die uns befähigen, intuitiv auf andere Menschen zu reagieren. Sehen wir zum Beispiel, wie jemand weint, werden wir ebenfalls traurig. Lächelt uns jemand an, lächeln wir zurück. Das heißt: Unsere eigenen Handlungen folgen dem Code, den jemand aussendet. Blitzschnell entschlüsselt das Hirn diesen: Was bedeuten Mimik, Körpersprache, Worte? Wie antworte ich perfekt darauf?
Die Funktionsweise der Spiegelneurone ist ein wahres Wunderwerk. Obwohl wir nur Beobachter sind, senden diese Nervenzellen Signale aus, als ob wir selbst das Gleiche erleben würden wie unser Gegenüber. Mit-Freude, Mit-Trauer, Mit-Fiebern verdanken wir also den Spiegelneuronen. Erst dieses Mit-Fühlen macht uns zu sozialen Lebewesen, und es funktioniert sogar bei völlig Fremden. Darauf setzen die Filmregisseure, indem sie unsere Fähigkeit der Empathie ansprechen: Wir lachen und weinen mit den Kinohelden, bekommen schweißnasse Hände, wenn sie vor Angst schwitzen, und zucken zurück, wenn sie es tun. Beobachten wir, wie ein Krimiheld einen Boxhieb in den Magen bekommt, krümmen wir uns unwillkürlich zusammen, so, als ob wir selber den Hieb abbekommen hätten.
Spiegelneurone versetzen uns in die Lage, Erfahrungen, Stimmungen und Gefühle eines Gegenübers so hautnah mitzuerleben, als seien es unsere eigenen. Deshalb nennt man diese zerebralen Nervenzellen auch Empathiezellen. Das Besondere ist: Durch sie erleben wir nicht nur intensiv mit, wie sich andere fühlen, wir lassen uns davon »anstecken«, fühlen also dasselbe und – das ist die Pointe – zeigen dies auch, ohne groß darüber nachzudenken. Da die Spiegelneurone im Hirnareal der Handlungsplanung liegen, geben sie gewissermaßen den Befehl, andere zu spiegeln.
Das Er-spüren der Symptome des Gegenübers bezeichnen Wissenschaftler als Shared-Physiology-Phänomen. Durch Empathie und Mitgefühl gelangen wir in den gleichen körperlichen Zustand wie unser Gegenüber. Wie weit diese physiologische Spiegelung geht, bis ins vegetative Nervensystem hinein, belegt die Messung des Hautwiderstands. Therapeuten, die sich intensiv auf ihre Klienten einlassen, weisen nach wenigen Minuten denselben Hautwiderstand auf wie diese. Atmung und Herzschlag synchronisieren sich ebenfalls, sofern man sich in jemanden einfühlt. Aber auch Sie kennen das Phänomen.
Denise liebt ihre dreijährige Nichte über alles, hat sie aber seit einer Woche nicht gesehen. Jetzt ist es endlich so weit. Freudestrahlend läuft die Kleine auf Denise zu, juchzend, mit ausgestreckten Armen. Und was tut Denise? Unwillkürlich geht sie in die Hocke, um auf Augenhöhe zu sein. Sie lächelt das Kind an und streckt die Arme ebenfalls nach ihm aus. Die Juchzer ihrer Nichte beantwortet sie mit freudigen Ausrufen, in hoher Stimmlage und ganz gewiss nicht mit syntaktisch schwierigen Sätzen, sondern in einer Art Babysprache. Unwillkürlich spiegelt sie das Verhalten, die Körpersignale, die Mimik und die Kommunikationsebene des Kindes. Dafür muss sich Denise nicht etwa verbiegen oder verstellen, sondern sich nur auf ihren kleinen Kommunikationspartner einstellen.
Spiegeln ist also ein ganz natürlicher Reflex. Genau so haben Sie bestimmt schon häufig auf ein Kind reagiert. Doch Sie imitieren es nicht einfach, sondern gehen in volle Resonanz, indem Sie sich in das Kind hineinversetzen und seine Gemütslage übernehmen. Es ist wie bei einem Ping-Pong-Spiel: Der Ball wird uns zugespielt, wir spielen ihn zurück. Ein neuer Ball erreicht uns, wieder spielen wir ihn zurück. Im Laufe dieses Matchs gleichen wir uns dem Gegenüber immer mehr an, ohne aber unsere Persönlichkeit zu verlieren. Wir erleben ganz einfach nur die Schnittmenge gemeinsamer Emotionen. Spontan entsteht dabei eine starke Verbindung zwischen Menschen.
Wenn Sie jemanden spiegeln, zeigen Sie mit Ihrem Verhalten: Ich spreche deine Sprache, ich verstehe dich, du erlebst dich in mir. Das ist das Geheimnis gelingender Kommunikation.
Wie würde das Kind reagieren, wenn Sie mit verschränkten Armen vor ihm stehen blieben, eine finstere Miene aufsetzten und mit tiefer Stimme die politische Weltlage erläuterten? Es wäre irritiert, würde sich von Ihnen abwenden, vielleicht sogar Angst vor Ihnen haben. In jedem Falle würde die Kommunikation scheitern, und gemeinsame Aktivitäten wären schwierig, wenn nicht sogar unmöglich. Mit Erwachsenen verhält es sich im Prinzip genauso. Wenn Sie jemanden gut spiegeln, schaffen Sie die Voraussetzung für einen ungehinderten Austausch, weil Sie eine Gruppenidentität ausbilden. Ohne Empathie bleiben Sie auf Distanz. Durch Spiegelung erfüllen Sie die elementaren sozialen Grundbedürfnisse nach Anerkennung, Übereinstimmung, Zugehörigkeit.
Es kann keine bessere Bedingung für eine rundum gelungene Kommunikation zweier Menschen geben. Und so wie unsere Urahnen in der Horde besitzen wir immer noch diese besondere Fähigkeit, durch Empathie eine gemeinsame Ebene herzustellen, als Matrix für jegliches Miteinander.
Von Natur aus verfügen wir über die intuitive Gewissheit, dass wir einen Menschen »lesen« können, dass wir seine Signale ohne Worte verstehen und mit ähnlichen Signalen beantworten können. Dabei gilt: Je stärker die emotionale Intensität ist, desto müheloser gelingt uns dies.
Haben Sie mal ein frisch verliebtes Paar im Restaurant beobachtet? Unbewusst nehmen die beiden die gleiche Körperhaltung ein. Der eine lächelt, wenn der andere lächelt, oder er zieht erstaunt die Augenbrauen hoch, wenn der andere es tut. Oft greifen Verliebte sogar im selben Augenblick zum Weinglas. Instinktiv synchronisieren sie sich. Auch die Stimmhöhen gleichen sich an, das Sprechtempo, die Ausdrucksweisen. Sie spiegeln einander.
Das Beispiel der beiden Verliebten ist sehr aufschlussreich. Spiegelung hat viel mit positiven Gefühlen zu tun, die durch die Bereitschaft entstehen, sich voll und ganz auf jemanden einzulassen. Unwillkürlich beginnt man, den anderen nachzuahmen: in Mimik, Körpersprache, Sprechweise, Denkweise, Emotionalität. Aber wie bereits erwähnt, ist das keine bloße Imitation.
Wir werden keineswegs zu Schauspielern, wenn wir jemanden spiegeln, sondern stellen unbewusst eine Übereinstimmung her, die wir als großes Glück empfinden.
Diese Spiegelung geschieht nicht nur bei Liebespaaren, wir genießen die unwillkürliche Übereinstimmung auch mit Freunden, Kollegen, sogar mit Wildfremden, weil unser Leben so begonnen hat: spiegelnd. Schon kleine Babys ahmen die Miene der Mutter nach und nehmen auf diese Weise emotionalen Kontakt auf, lange bevor sie sprechen können. Später formen sie Laute, die sie von der Mutter oder einer anderen Bezugsperson gehört haben, wiederholen Silben, üben sich im Hin und Her der gegenseitigen Spiegelung und verfeinern auf diese Weise ihre Kommunikationsfähigkeiten.
Diese empathisch-soziale Komponente des Verhaltens hört beim Erwachsenen nicht etwa auf. Unbewusst passen wir uns den Gepflogenheiten unseres »Stamms« an. Gehören wir zu einer coolen Clique, bemühen wir uns, ebenfalls möglichst cool aufzutreten. Haben wir einen neuen Job, adaptieren wir die Umgangsformen in der Firma, um akzeptiert zu werden. Nicht etwa aus Kalkül, sondern weil es zu unserem genetischen Programm gehört, in Gruppen aufgenommen werden zu wollen.
Auf der Hitliste der erfolgreichsten Filme aller Zeiten rangiert ›Pretty Woman‹ ganz oben. Die Geschichte von der Prostituierten, die ihren Traumprinzen findet und zum Schluss mit ihm aufs Schloss darf, rührte Millionen. Vor dem Happy End muss Julia Roberts allerdings eine Reihe von Angleichungen vornehmen, um akzeptiert zu werden. Anfangs ist ihre Sprache zu ordinär, ihr Benehmen – etwa das Kaugummikauen – zu undamenhaft, und mit ihrem billigen Straßenlook wird sie in der edlen Boutique am Rodeo Drive nicht bedient; erst später, als sie elegant gekleidet ist, behandelt man sie zuvorkommend.
Ihre Motivation ist klar: Sie will sich nicht einfach einen Millionär angeln, sie ist fasziniert von ihm und seiner Welt. Deshalb tut sie alles, um dazuzugehören: ändert ihre Frisur, ihren Kleidungsstil, ihre Sprache, ihre Essmanieren. Das tut sie jedoch ohne das Gefühl, sich verleugnen zu müssen. Vielmehr hat sie den Eindruck, dass sie gar nicht in ihre alte Welt gehört, den Straßenstrich von Los Angeles, sondern in die Welt von Richard Gere. Er spiegelt sie zu Beginn, weil er sich von ihrer unbekümmerten Art und ihrer Lebensfreude anstecken lässt. Danach spiegelt sie ihn, um anerkannt zu werden. Und das im Bewusstsein, dass er ihre »wahre Natur« enthüllt hat – also die bislang unerkannte Zugehörigkeit zur kultivierten Welt der Oper, der schönen Hotels, der exquisiten Restaurants.
Das Beispiel zeigt: Es kommt nicht darauf an, ob wir uns in Face-to-face-Kommunikation befinden, vor dem Computer, im Kino oder vor dem Fernseher: Stets suchen wir das Gefühl der Gruppenzugehörigkeit – und Menschen, die uns sympathisch sind, denen wir spontan vertrauen und die wir als ähnlich empfinden, weil wir ihr Verhalten nachvollziehen können. Und noch etwas:
Wir finden unbewusst Leute toll, die uns ähneln, weil wir uns selbst mögen möchten.
Ein sehr menschliches Phänomen, nicht wahr? Wer hat schon Freude daran, sich selbst abzuwerten? Menschen, die uns in Ausstrahlung, Verhalten und Sprachgebrauch ähnlich sind, bestätigen uns deshalb indirekt: Ja, ich bin okay, und ich gehöre dazu. Differenz hingegen verunsichert uns. Wer völlig andersartig ist, aber selbstbewusst auftritt, weckt nicht nur Zweifel, ob wir ihn richtig deuten und verstehen, er weckt auch Zweifel, ob wir »falsch«-liegen und der andere »richtig«.
Das betrifft zuweilen Kleinigkeiten. Jeder hat zum Beispiel schon einmal wie Pretty Woman erlebt, dass er über bestimmte Gepflogenheiten unsicher ist: Wann legt man im Restaurant die Serviette auf den Schoß? Gleich nach dem Hinsetzen? Oder erst, wenn der Kellner den gefüllten Teller bringt? Entfaltet man als Erster die Serviette, das Gegenüber wartet aber noch, erleben wir das als unangenehme Asymmetrie. Stellen wir jedoch fest, dass wir es im selben Augenblick tun wie das Gegenüber, fühlen wir uns wohl. Wir »stimmen« und mögen uns dafür, dass wir dazugehören. Wir spiegeln und werden gespiegelt – der absolute Glückszustand.
Haben Sie sich einmal überlegt, warum Günther Jauch eine derartig erfolgreiche und langlebige Karriere aufzuweisen hat? ›Wer wird Millionär?‹ startete 1999 im deutschen Fernsehen, ein Ende ist nicht abzusehen. Wie konnte sich eine Quizsendung, an deren Konzept nie etwas geändert wurde, fast zwei Jahrzehnte in der Zuschauergunst halten? Das Geheimnis ist der Moderator. Wie kein Zweiter beherrscht Günther Jauch die Kunst, seine Kandidaten zu spiegeln. Ziehen sie die Nase kraus, tut er es ebenfalls, grinsen sie, grinst auch er, legen sie ihre Stirn sorgenvoll in Falten, reagiert er mit mimischer Nachahmung. Seine Grimassen sind Legende. Es ist vergnüglich, ihm dabei zuzusehen. Vor allem aber macht es ihn ungeheuer sympathisch, denn durch seine Fähigkeit des Spiegelns löst er die Distanz zwischen Moderator und Kandidat auf. Er stellt sich auf eine Stufe mit seinen Gästen und formt ein Team mit ihnen. Jeder Kandidat fühlt sich spontan bei ihm wohl, fast jeder überwindet sein Lampenfieber, öffnet sich und zeigt sich von einer sehr persönlichen Seite.
Was da allwöchentlich vorgeführt wird, ist ein Idealfall empathischer Spiegelung. Die Gäste spüren Wärme und Nähe, einen »menschlichen« Moderator, keinen gestrengen Spielleiter. Das macht den immensen Erfolg der Sendung hierzulande aus. Die Zuschauer identifizieren sich normalerweise mit den Kandidaten, doch da Günther Jauch diese mit traumwandlerischem Gespür spiegelt, können sich die Zuschauer auch mit ihm identifizieren. Es gibt keinerlei Tests, ob sich die TV-Konsumenten daheim an der Spiegelung beteiligen, aber wenn Sie sich selbst beobachten, dann stellen Sie sicherlich fest, dass auch Sie zuweilen mitmachen: die Nase krausziehen und so weiter. So erleben Sie die Sendung als eine emotionale Heimat.
Mittlerweile werden Sie sich fragen, warum das empathische Spiegeln nicht völlig selbstverständlich ist. Wenn wir so angelegt sind, dass wir mit anderen in Resonanz gehen, wie kann es dann sein, dass wir so oft das Gegenteil erleben? Warum begegnen uns Differenzen statt Übereinstimmung, Konflikte statt harmonischer Verbundenheit, Streit statt Austausch? Ganz offensichtlich ignorieren wir häufig unsere Intuition, die uns sagt, dass wir unser Gegenüber spiegeln möchten. Krass gesagt, unterdrücken wir häufig die Tätigkeit unserer Spiegelneurone, weil wir verlernt haben, im Wir zu denken. In einer Zeit, die das Ich feiert, grenzen wir uns lieber ab.
Viele Menschen sind derart überzeugt davon, ihr Ego und ihre Individualität hätten Vorrang, dass sie die Spiegelung abblocken.