Die Originalausgabe erschien unter dem Titel

The Upstarts. How Uber, Airbnb, and the Killer Companies

of the New Silicon Valley Are Changing the World

ISBN 978-0-316-38839-9

Copyright der Originalausgabe 2017:

Copyright © 2017 by Brad Stone

This edition published by arrangement with Little, Brown and Company,

New York, New York, USA. All rights reserved.

© Copyright der deutschen Ausgabe 2017:

Börsenmedien AG, Kulmbach

Übersetzung: Matthias Schulz

Covergestaltung: Holger Schiffelholz

Gestaltung und Satz: Denksportler Grafikmanufaktur

Lektorat: Egbert Neumüller

Druck: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-86470-491-8
eISBN 978-3-86470-492-5

Alle Rechte der Verbreitung, auch des auszugweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Verwertung durch Datenbanken oder ähnliche Einrichtungen vorbehalten.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

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Für Tiffany

INHALTSVERZEICHNIS

EINLEITUNG

TEIL I: NEBENPROJEKTE

KAPITEL 1: DAS TAL DER LEIDEN

AIRBNBS FRÜHE JAHRE

KAPITEL 2: JAM SESSIONS

DIE FRÜHEN JAHRE VON UBER

KAPITEL 3: DIE GESCHEITERTEN

SEAMLESSWEB, TAXI MAGIC, CABULOUS, COUCHSURFING, ZIMRIDE

KAPITEL 4: DER GROWTH HACKER

AIRBNB STARTET DURCH

KAPITEL 5: BLUT, SCHWEISS UND RAMEN

WIE UBER SAN FRANCISCO EROBERTE

TEIL II: EIN IMPERIUM ENTSTEHT

KAPITEL 6: DER KRIEGS-CEO

AIRBNB KÄMPFT AN ZWEI FRONTEN

KAPITEL 7: DAS TAKTIKBUCH

UBER EXPANDIERT

KAPITEL 8: DAS GESETZ VON TRAVIS

AUFSTIEG DES RIDESHARINGS

KAPITEL 9: TOO BIG TO REGULATE

AIRBNBS KAMPF IN NEW YORK

TEIL III: FEUERPROBE FÜR DIE AUFRÜHRER

KAPITEL 10: DER „GOD VIEW“-SKANDAL

UBERS HOLPRIGE FAHRT

KAPITEL 11: FLUCHTGESCHWINDIGKEIT

KÄMPFE UND MÄRCHENSTUNDEN MIT AIRBNB

KAPITEL 12: GLOBALES MEGA-EINHORN-DUELL BIS ZUM TOD

UBER GEGEN DEN REST DER WELT

EPILOG

DANKSAGUNG

FUSSNOTEN

ÜBER DEN AUTOR

EINLEITUNG

Etwas ganz Großes stand bevor. Am 19. Januar 2009 sollte Barack Hussein Obama als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika vereidigt werden, weshalb nahezu zwei Millionen Menschen in jener Woche nach Washington strömten. Aber nicht alle waren nur gekommen, um dieses historische Ereignis mit eigenen Augen zu sehen. Unter den zahllosen Menschen, die sich im kühlen Atlantikküsten-Winterwetter versammelten, waren auch zwei Gruppen junger Unternehmer aus San Francisco, die nicht nur miterleben wollten, wie Geschichte geschrieben wird, sie standen ihrerseits kurz davor, Geschichte zu machen.

Die drei Gründer der damals wenig bekannten Website Airbedandbreakfast.com hatten erst kurzfristig beschlossen, an Obamas Amtseinführung teilzunehmen. Brian Chesky, Joe Gebbia und Nathan Blecharczyk überredeten noch einen Freund, sie zu begleiten, Michael Seibel, den CEO der Videostreaming-Website Justin.tv. Über Eintrittskarten verfügten die vier Mittzwanziger ebenso wenig wie über Winterkleidung oder eine genauere Vorstellung dessen, was in dieser Woche passieren würde. Ihr Unternehmen krebste seit etwas mehr als einem Jahr vor sich hin, ohne besonders viel erreicht zu haben. Jetzt würden die Augen der Welt auf die Hauptstadt gerichtet sein und das wollten sie zu ihrem Vorteil nutzen.

Sie fanden eine billige Übernachtungsmöglichkeit in Washington, ein Apartment in einem zugigen dreistöckigen Haus in der Nähe der Howard University. Es waren harte Zeiten damals und wie so viele andere Gebäude war auch dieses Haus zwangsgeräumt worden. Die Räume waren unmöbliert bis auf ein Sofa, das sich ausziehen ließ. Die anderen überließen Seibel das Sofa, sie selbst packten sich zum Schlafen gemeinsam mit ihrem Gastgeber, dem Manager eines örtlichen Restaurants, auf Luftmatratzen (also auf „Airbeds“ – worauf auch sonst?), die auf dem Hartholzfußboden lagen.

Ihr Gastgeber war eigentlich nur ein Mieter, der auf seine unvermeidbare Zwangsräumung wartete. Er lebte in der Erdgeschosswohnung und hatte die AirBed&Breakfast-Webseite genutzt, um den leerstehenden ersten Stock zu vermieten. An drei weitere Gäste hatte er sein eigenes Schlafzimmer, das Wohnzimmer und den begehbaren Schrank vermietet. Chesky witterte eine gute Gelegenheit, Werbung in eigener Sache zu machen, und schrieb eine E-Mail mit der Geschichte über den zum Schlafplatz umfunktionierten Schrank an die Redaktion von Good Morning America. Ein Produzent der beliebten Frühstücksfernsehsendung griff die Anregung dankend auf und so schaffte es der Schrank in einen Bericht darüber, was im Zusammenhang mit der Amtseinführung des neuen Präsidenten so alles an ungewöhnlichen Schlafplätzen genutzt wurde. 1

Tagsüber verteilten die Gründer und Seibel Flyer von AirBed-&Breakfast an der U-Bahn-Haltestelle Dupont Circle. „Vermieten Sie Ihre Zimmer! Vermieten Sie Ihre Zimmer!”, riefen sie den winterlich vermummten Pendlern zu, die sie jedoch größtenteils ignorierten. Abends trafen sie andere AirBed&Breakfast-Gastgeber aus Washington, besuchten alle Amtseinführungspartys, zu denen sie Zutritt ergattern konnten, und beantworteten zahlreiche E-Mails einer unzufriedenen Kundin – der Frau, die im Erdgeschoss unter ihnen das Schlafzimmer belegte. Sie war mit ihrem VW-Bus und ihrem Therapiehund, einem Chihuahua, den ganzen Weg aus Arizona nach Washington gefahren, und nun war sie ganz offenbar nicht allzu begeistert davon, wie voll das Apartment war. Sie sei sicher, Marihuana gerochen zu haben, jemand habe den Saft getrunken, den sie in den Kühlschrank gestellt hatte, und das Haus erfülle nicht die Auflagen des Behindertengleichstellungsgesetzes, beschwerte sie sich in einem steten Strom von E-Mails an die Firmenadresse.

Sie drohte sogar mit der Polizei. Die Firmengründer saßen unterdessen nur einige Meter über ihr und versuchten, die aufgebrachte Frau, einen ihrer wenigen echten Kunden, so gut es ging zu beruhigen.

Am Tag der eigentlichen Amtseinführung stand die Gruppe um drei Uhr morgens auf, um sich in der National Mall einen Platz zu sichern, von wo aus man einen guten Blick auf die Prozedur haben würde. Sie liefen über drei Kilometer zu der großen Promenade und kauften sich unterwegs an einem U-Bahn-Kiosk wärmere Mäntel, Hüte und Gesichtsmasken. Um vier Uhr hatten sie einen Platz auf einer für die Öffentlichkeit freigegebenen Grünfläche gefunden, nur wenige Hundert Meter von dem Podium entfernt, auf dem Barack Obama den Amtseid ablegen würde.

„Wir haben uns in der Mall praktisch Rücken an Rücken hingehockt und versucht, irgendwie warm zu bleiben“, erinnert sich Brian Chesky, heute Milliardär und CEO des inzwischen als Airbnb firmierenden Unternehmens. „Ich habe in meinem Leben noch nie einen derart kalten Morgen erlebt. Alle jubelten, als die Sonne aufging.“

Auch Garrett Camp und Travis Kalanick nahmen in jener Woche an den Feierlichkeiten teil und ihre Erfahrungen waren ähnlich unglamourös. Der Investor Chris Sacca, der dem Organisationskomitee für die Amtseinführung angehörte, hatte die beiden überredet, nach Washington zu kommen. Der aus Los Angeles stammende Kalanick hatte kürzlich sein Start-up-Unternehmen an den Internet-Dienstleister Akamai verkauft. Er spendete dem Komitee 25.000 Dollar und teilte sich mit Camp die Ausgaben. Beide waren damals Anfang 30 und obwohl die Weltwirtschaft gerade in eine schwere Krise gerutscht war, setzten die beiden große Erwartungen in die transformativen Möglichkeiten der Technologie. Beide hatten sie eine ambivalente Haltung gegenüber der Politik, aber einen historischen Moment – oder mindestens genauso wichtig, eine epochale Party – wollten sie sich dann doch nicht entgehen lassen.

Auch sie waren nicht darauf vorbereitet, was die Feierlichkeiten rund um die Amtseinführung eines Präsidenten so alles mit sich bringen. Einige Tage vor der Veranstaltung flogen sie nach New York und kauften sich in einem Hugo-Boss-Geschäft Smokings. Weil sie nicht wie Zwillinge aussehen wollten, entschied sich Kalanick für eine Fliege, Camp für einen regulären Schlips.

Am Abend vor der Amtseinführung standen sie in einer langen Schlange vor dem Newseum und warteten darauf, Einlass zu der Party zu bekommen, die das Online-Nachrichtenportal Huffington Post veranstaltete. Es war windig, es war kalt und die beiden hatten nur eine Wollmütze dabei, die sie im Rhythmus von zehn Minuten tauschten, während sie einen der Gastgeber der Party mit SMS bombardierten und um Einlass baten.

Am großen Tag selbst standen Camp und Kalanick nicht wie die Airbnb-Gründer in aller Herrgottsfrühe auf, sie schliefen vielmehr aus. Kalanick hatte über die Website VRBO, auf der Ferienwohnungen vermietet werden, etwas Schickes in der Nähe des Logan Circle gebucht, aber von dort waren es noch einige Kilometer bis zur Mall und Taxis waren keine zu bekommen. Schließlich mussten die beiden Seite an Seite eine halbe Stunde lang die breiten Avenuen von Washington entlangrennen. Als sie schließlich ihre Sitze erreichten – sie saßen mit Sacca und dessen einflussreichen Freunden aus dem Silicon Valley oberhalb der Plattform, auf der die Amtseinführung stattfand –, waren sie komplett durchgeschwitzt. Als der Schweiß trocknete, befiel eine unerträgliche Kälte die beiden Männer.

„Abends litt ich ganz definitiv an einer Form leichter Unterkühlung“, erinnert sich Kalanick. „Alle fragten mich: ‚Was ist denn mit dir?‘ und ich sagte bloß: ‚Ich bin völlig durchgefroren.‘“ Und Camp fügte hinzu: „Ich bin in Kanada aufgewachsen, ich weiß, wie es ist, wenn einem sehr kalt ist. Aber das war eines der schlimmsten Kälte-Erlebnisse meines ganzen Lebens.“

Camp versuchte damals, Kalanick für eine Geschäftsidee zu begeistern, die er gerade entwickelte: Er wollte, dass sich jeder Besitzer eines Smartphones mit einem einzigen Klick eine Limousine bestellen konnte. Kalanick war zwar interessiert, aber nicht übermäßig begeistert. Es mochte eine gute Idee sein, aber nicht zwingend eine, die zu etwas Großem führte. Nun aber hatten sie in Washington gerade erlebt, dass es durchaus Bedarf an einem derartigen Service gab. Camp konnte aus eigener Beobachtung bestätigen: Stehen in großen Städten keine anderen Transportmöglichkeiten zur Verfügung, könnte ein Angebot, bei dem man per Telefon einen Wagen kommen lassen kann, von Bedeutung sein.

„Siehst du?“, wandte sich Camp an Kalanick, während die Menge „O-ba-ma! O-ba-ma!“ skandierte und die Welt darauf wartete, dass die neue First Family die Bühne betrat: „Wir brauchen das wirklich.“

Schon damals trug der Dienst in Camps Vorstellung einen Namen, den die Welt schon bald sehr kennen würde: Uber.

Das war vor acht Jahren.

Seitdem hat sich vieles verändert – der Präsident der Vereinigten Staaten beispielsweise. Aber nur wenige Veränderungen waren so weitreichend wie diejenigen, die die beiden Unternehmergruppen angestoßen haben, die an jenem Tag anonymer Teil der Menschenmenge waren.

Sie erhielten dabei jede Menge Hilfe. Der inzwischen verstorbene Apple-Mitgründer Steve Jobs hatte sieben Monate vor Obamas Amtsantritt das erste iPhone vorgestellt. Zwei Monate später verkündete Jobs, dass auf dem iPhone auch Softwareprogramme von Drittanbietern laufen würden, sogenannte Mobile Apps oder kurz Apps. Zum damaligen Zeitpunkt waren noch weitere wichtige Technologietrends am Wirken. Die Beliebtheit von Facebook, dem sozialen Netzwerk, das 2004 in einem Studentenwohnheim in Harvard gegründet worden war, nahm explosionsartig zu und brachte Internetnutzer in Scharen dazu, sich eine Online-Identität zu erschaffen. Der Suchmaschinenriese Google erleichterte es anderen Unternehmen, seine Kartensoftware Google Maps in ihre eigenen Apps und Webseiten zu integrieren. Computer und Telefone wurden günstiger und leistungsstärker. Breitband-Internet verbreitete sich mit rasender Geschwindigkeit.

All diese sich überlappenden Trends lösten tektonische Umwälzungen aus, wie man sie in der Informationstechnologie seit der Erfindung des Webbrowsers nicht gesehen hatte. Innerhalb von zehn Jahren verlagerte eine Mehrheit der Menschen in der modernen Welt weite Teile ihres Lebens ins Internet, vor allem mithilfe der schlanken, Smartphone genannten Blöcke aus Kunststoff, Glas und Silizium, die man bequem in die Hand nehmen und in der Tasche mit sich herumtragen konnte.

Es waren nicht die Branchenriesen Uber und Airbnb, die diese Welle technischer Innovation anstießen, aber mehr als alle anderen Unternehmen sind sie während der vergangenen acht Jahre auf dieser Welle geritten und haben von ihr profitiert. Die beiden Unternehmen aus San Francisco (ihre Firmensitze liegen gerade einmal 1,5 Kilometer voneinander entfernt) zählen, was Umsatz, Marktwert und Zahl der Mitarbeiter angeht, zu den am schnellsten wachsenden Unternehmen aller Zeiten. Für die dritte Phase des Internets – die Innovationsära nach Google und nach Facebook, die Zeit, in der die digitale Welt in die reale Welt hinüberschwappte – haben diese beiden wie niemand sonst bemerkenswerte Geschichten zu den Annalen des Unternehmertums beigesteuert.

Sie haben Schwindelerregendes erreicht, obwohl ihre Unternehmen nur wenige Sachwerte besitzen. Man kann Airbnb mit Fug und Recht als das größte Hotelunternehmen der Welt bezeichnen, dabei besitzt es im eigentlichen Sinne nicht ein einziges Hotelzimmer. Uber zählt zu den weltgrößten Automobildienstleistern, beschäftigt aber keinerlei Berufsfahrer und betreibt auch keine eigene Fahrzeugflotte (bis auf eine kleine Zahl experimenteller selbstfahrender Fahrzeuge). Sie sind die ultimativen Internetfirmen des 21. Jahrhunderts, sie bringen für die Menschen, die diese Dienstleistungen anbieten und nutzen, nicht nur neue Möglichkeiten mit sich, sondern bergen auch neue Risiken, deren sich die Menschen oftmals nur wenig bewusst sind.

Wie man weiß, ermöglicht es Uber jedem, sich bequem ein Fahrzeug heranzurufen, auf einer virtuellen Landkarte zu verfolgen, wie weit das Fahrzeug noch entfernt ist, und sich dann von einem Chauffeur fahren zu lassen, dessen Zuverlässigkeit mit einem Wert nach einem Bewertungssystem von einem bis fünf Sternen angezeigt wird. Der Fahrgast bezahlt, ohne dass umständlich Geld die Hände wechselt oder dass zeitaufwendig mit einem Kreditkartenleser hantiert wird. Die Genialität dieser reibungslosen Transaktion ist in den von LCD-Lampen beleuchteten Fluren des Silicon Valleys so widerstandslos akzeptiert worden, dass es inzwischen eine Flut von Firmen mit ähnlichen Bezahlmodellen gibt, seien es Lieferdienste, Paketabholer, Babysitting-Agenturen oder Ähnliches.

Airbnb wiederum hat dafür gesorgt, dass eine Auslandsreise heute eine Erfahrung sein kann, die weitaus mehr ist als die künstliche Welt eines Hotels und einer Tour durch das zentrale Tourismusviertel. Das Konzept dahinter war ganz simpel: Jeder soll seine ungenutzte Couch, sein leerstehendes Schlafzimmer, seine ungenutzte Einliegerwohnung oder das Ferienappartement Reisenden zur kurzfristigen Nutzung anbieten können. Die Idee an sich nicht war nicht unbedingt neuartig (VRBO, HomeAway, Couchsurfing und Craigslist waren da schneller), aber bei der Eleganz des Lösungsansatzes war Airbnb ungeschlagen. Sorgfältig ausgesuchte Fotos und Beurteilungen früherer Transaktionen dienen dazu, Gastgeber und Gast ein Gefühl füreinander zu vermitteln, bevor sie sich tatsächlich kennenlernen. Wie bei Uber auch spielt Bargeld hier keinerlei Rolle: Airbnb kassiert vom Gast bei der Buchung die Transaktionsgebühr und überweist sie – abzüglich seines Anteils – an den Gastgeber, sobald der Aufenthalt beendet ist.

Im Verlauf dieser acht Jahre konnten die beiden Unternehmen ihre jeweilige Marke in einen festen Bestandteil der Popkultur verwandeln. Die Namen haben sich zu eigenen Hauptwörtern entwickelt und werden gelegentlich auch als Verben genutzt. Sie werden genutzt von Rentnern, die sich auf diesem Weg etwas dazuverdienen wollen, von Millennials auf der Suche nach authentischen Reiseerfahrungen und von jungen Menschen, die kein Interesse daran haben, kostspielige Dinge wie ein Auto zu besitzen. Uber ist zum Bestandteil von Rap-Songs geworden (Drake in Conflict: „’Bout to call your ass a Uber, I got somewhere to be“) oder zum Thema von Stand-up-Comedy in Late-Night-Shows (Jimmy Kimmel: „Etwa ein Viertel der Uber-Fahrer ist über 50, viele sind sogar deutlich älter. Es hat etwas von Ihr Chauffeur ist Miss Daisy.“)

Airbnb fand sogar bei Präsident Obama höchstpersönlich Beifall. Bei einem Pressetermin während der ersten Kuba-Reise eines US-Präsidenten seit über 80 Jahren sagte Obama am 21. März 2016: „Lassen Sie mich einen Moment mit Brian [Chesky] angeben. Er zählt zu unseren herausragenden jungen Unternehmern, die eine Idee hatten und sie dann in die Tat umsetzten.“

In vielen Punkten unterscheiden sich die Geschichten der beiden Unternehmen, aber sie sind sich auch sehr ähnlich, was einige zentrale Aspekte anbelangt. Die ursprünglichen Motive wurden nicht vergeistigt formuliert wie bei Google („Die Informationen der Welt organisieren und sie für alle jederzeit verfügbar und nützlich gestalten“) oder bei Facebook („Eine offene und vernetzte Welt“). Camp, Kalanick und ihre Freunde wollten stilvoll in San Francisco herumfahren. Chesky und seine Leute suchten nach einem Weg, sich Geld dazuzuverdienen, wenn eine Messe in der Stadt stattfand.

Beide Start-up-Firmen gaben alten Ideen (Fahrzeug teilen, Zuhause untervermieten) einen neuen Dreh und sorgten damit für ein erstaunliches Maß an Offenheit unter Menschen, die einander nie zuvor gesehen hatten. Vor nicht allzu langer Zeit hätten viele Menschen vermutlich Probleme gehabt, zu jemand völlig Fremdem in den Privatwagen zu steigen oder dessen unbeleuchtetes Zuhause zu betreten. Zu tief hatten sich die Schlagzeilen über Verbrechen und die Mahnungen unserer Mütter eingebrannt, gegenüber Fremden lieber Vorsicht walten zu lassen. Airbnb und Uber waren nicht die Auslöser der „Sharing-Economy“, der „On-Demand-Economy“ oder der „Ein-Klick-Wirtschaft“ (all diese Bezeichnungen schienen nie so recht zu passen). Nein, beide Unternehmen stießen vielmehr eine neue „Vertrauens-Wirtschaft“ an und halfen im Zeitalter des allgegenwärtigen Internets ganz gewöhnlichen Menschen dabei, sich Beförderungs- und Übernachtungsmöglichkeiten zu beschaffen.

Es ist schon auffällig, dass beide Unternehmen nahezu gleichzeitig auftauchten. Während seines ersten Lebensjahrs war Airbnb ein Nebenprojekt, das viele als viel zu weit hergeholt abtaten. Warum sollte jemand, der bei gesundem Menschenverstand war, im Bett eines Fremden übernachten wollen? Acht Jahre später bewerteten Investoren das Unternehmen mit 30 Milliarden Dollar und damit höher als irgendeine Hotelkette auf diesem Planeten. Und die Gründer, die seinerzeit in Washington auf dem Fußboden geschlafen hatten? Jeder von ihnen ist – zumindest auf dem Papier – etwa drei Milliarden Dollar schwer. 2

Ubers Potenzial haben selbst seine eigenen Schöpfer unterschätzt. Für sie war es ein nützliches Werkzeug für San Francisco, wo die Taxibranche den Bedürfnissen einer boomenden Wirtschaftsmetropole nicht gewachsen war. Aber das Start-up wuchs explosionsartig über die Stadtgrenzen von San Francisco hinaus nach New York, Los Angeles, Chicago, London, Paris, Peking und in nahezu jede andere Großstadt. Die Early Adopter erzählten ihren Freunden voller Begeisterung davon, woraufhin sich diese anmeldeten. Das Unternehmen begann, weniger kostspielige Variationen anzubieten (statt Limousinen reguläre Autos und die Möglichkeit, Fahrgemeinschaften zu bilden), und immer mehr Menschen verließen sich auf das Angebot. Ende 2016 lag die Bewertung von Uber bei 68 Milliarden Dollar. Weltweit konnte kein anderes nicht börsennotiertes Start-up eine ähnliche Bewertung vorweisen. Das Vermögen von Kalanick und Camp beläuft sich jeweils auf geschätzte sechs Milliarden Dollar.

Kontroversen begleiteten die Entwicklung beider Firmen nahezu ohne Unterlass. In vielen Städten umging Uber Gesetze, die bei Berufsfahrern eine strenge Ausbildung voraussetzen, sie zwingen, für eine Zuverlässigkeitsüberprüfung ihre Fingerabdrücke abzugeben und eine kostspielige staatliche Lizenz als Chauffeur zu erwerben. Taxiunternehmen und Gesetzgeber liefen Sturm gegen Uber, es kam sogar zu gewalttätigen Protesten. In Berlin legten Taxifahrer die Autobahn lahm, in Paris blockierten sie die Straßen rund um den Flughafen Orly. In Mailand kassierten Uber-Fahrer Prügel von Taxifahrern, in Mumbai wurden Uber-Angestellte bedroht. Jeden Monat bricht irgendwo ein neuer Kampf aus und das unsensible Vorgehen des Unternehmens sowie seine Wachstum-um-jeden-Preis-Mentalität tragen ebenso wenig zur Entschärfung der Situation bei wie die leidenschaftliche Ablehnung der alteingesessenen Taxiunternehmen, die miterleben müssen, wie sich ihr Geschäft praktisch über Nacht dramatisch verändert. Gegen Uber laufen Hunderte Klagen und bei vielen davon geht es um den Rechtsstatus der Fahrer, die vom Unternehmen als Subunternehmer bezeichnet werden, nicht als Mitarbeiter. Sie können ihre Arbeitszeiten frei festlegen, genießen aber auch nicht das Maß an sozialer Absicherung, wie sie eine Festanstellung mit sich bringt.

Airbnbs Aufstieg verlief ähnlich turbulent. Dem Unternehmen entstanden unter anderem in New York, Barcelona, Amsterdam und Tokio Probleme durch eine Gesetzgebung, die darauf abzielt, das Betreiben illegaler Hotels zu unterbinden, und die festlegt, wie viele Nächte pro Jahr man sein Zuhause zwischenvermieten darf. Gesetzgeber, Aktivisten und Hotelgewerkschaften werfen Airbnb vor, in angesagten Stadtvierteln die Wohnungsnot zu verschlimmern, die Immobilienpreise in die Höhe zu treiben und sich vor Hotelsteuern zu drücken. Ende 2016 verklagte Airbnb New York City und seine Heimatstadt San Francisco wegen Bestimmungen, die dem Unternehmen und seinen Gastgebern 1.000 Dollar Bußgeld für jeden Fall androhten, bei dem ein potenzieller Gastgeber über den Dienst ein Angebot einstellte, das gegen die Auflagen der Städte zur Zwischenmiete verstieß.

Gemeinsam stehen diese Unternehmen mittlerweile für einen neuen Geschäftskodex, der Kommunalverwaltungen dazu zwingt zu hinterfragen, wie streng sie sich an althergebrachte Regeln halten wollen. Die zum Betreiben eines Taxiunternehmens erforderlichen Konzessionen wurden Anfang des 20. Jahrhunderts eingeführt, um zu verhindern, dass zu viele Fahrzeuge die Straßen der Städte verstopfen, und um zu gewährleisten, dass Taxifahrer ordentlich ausgebildet waren, kein Sicherheitsrisiko darstellten und sich auch tatsächlich in der Stadt zurechtfanden. Baugesetze sowie städtische Verordnungen zum Bau von Hotels und Pensionen sorgten dafür, dass in den Wohnvierteln keine kommerziellen Aktivitäten stattfanden und dass Hotelzimmer einen bestimmten Sicherheitsstandard erfüllten. Airbnb und Uber setzten stattdessen auf Werkzeuge der Selbstregulierung, wie sie Online-Marktplätze wie eBay eingeführt hatten: Passagiere bewerteten ihre Fahrer, Gäste bewerteten ihre Gastgeber und umgekehrt.

Für einige Beobachter stehen Uber und Airbnb auch sinnbildlich für den maßlosen Hochmut der Techno-Elite. Kritiker werfen den Firmen vor, die Grundregeln des Beschäftigungsverhältnisses zu untergraben, für einen Kollaps des Straßenverkehrs zu sorgen, friedliche Viertel zu ruinieren und all das nur, um den ungezügelten Kapitalismus in liberale Städte zu tragen. Einiges davon ist wohl etwas übertrieben, aber ihr Geschäftsmodell hat durchaus Folgen gezeitigt, mit denen auch die Firmen selber nicht gerechnet hatten.

Im Zentrum dieses Mahlstroms stehen die jungen, wohlhabenden und charismatischen Firmenlenker Travis Kalanick und Brian Chesky. Sie repräsentieren eine neue Art von IT-CEO und sind überhaupt nicht zu vergleichen mit Bill Gates, Larry Page und Mark Zuckerberg, den unbeholfen wirkenden, introvertierten Innovatoren, die die vorige Generation der IT-Genies verkörpern. Kalanick und Chesky sind extrovertierte Geschichtenerzähler, denen es gelingt, ihr Unternehmen in einen Kontext einzubetten, der der Menschheit dramatischen Fortschritt verspricht. Sie rekrutieren nicht nur Heerscharen von Softwareentwicklern, sondern können auch Fahrer, Gastgeber, Lobbyisten und politische Entscheider von ihrer Sache überzeugen.

Bevor sie ihre Start-ups in die erste Liga der Weltwirtschaft führten, waren beide Männer vergleichsweise unbekannt, dennoch haben beide ein außergewöhnliches Maß an Ehrgeiz und Kühnheit an den Tag gelegt sowie die Bereitschaft gezeigt, alles auf eine Karte zu setzen, obwohl sie damit Gefahr liefen, krachend zu scheitern.

Wie also kam es dazu? Wie manövrierten sie sich an eingesessenen, politisch mit allen Wassern gewaschenen Platzhirschen vorbei und setzten sich dort durch, wo andere vor ihnen gescheitert waren? Wie konnten sie in einer derart atemberaubend kurzen Zeitspanne so große Konzerne aufbauen? Wie stark spielte das Glück eine Rolle bei ihrem Erfolg? Was ist nötig, um im modernen Silicon Valley zu überleben und voranzukommen?

Das waren die Fragen, von denen ich 2014 dachte, es würde sich lohnen, dass man ihnen in Buchlänge nachgeht. Aber vorher musste noch eine praktische Frage beantwortet werden: Würden die Startups sich überhaupt auf ein derartig weitreichendes Projekt einlassen? Bei den meisten Technologie-Unternehmen des Silicon Valleys wurden die Zeit der Spitzenmanager und ihr öffentliches Image eifersüchtig gehütet. Auch Uber und Airbnb gehörten inzwischen zu diesen Kreisen, in denen Geheimniskrämerei großgeschrieben wird.

Es gab nur einen Weg, herauszufinden, ob ich eine Antwort bekommen würde: Ich musste nachfragen.

Ganz im Sinne seiner Mission, für mehr Gastfreundschaft in der Welt zu sorgen, lud mich Airbnb prompt zu sich ein, um über das Projekt zu sprechen. Ich traf Brian Chesky am Stammsitz seines Unternehmens in der 888 Brannon Street in San Francisco, einer großzügig renovierten ehemaligen Batteriefabrik. Der Eingang zum Gebäude ist majestätisch, das Atrium ist fünf Stockwerke hoch und so beeindruckend wie unpraktisch. Ein Teil der Wand ist über drei Stockwerke hinweg mit einer Vielzahl von Pflanzen bestückt, die nahezu ständiger Pflege bedürfen. Auf den Fluren, die Airbnb belegt, sind inspirierende Sprüche in die Wände geprägt, während die Konferenzräume exotischen Übernachtungsmöglichkeiten nachgebildet sind, die man über die Website buchen kann.

Ich traf Chesky in der „Founders’ Den“, einem mit Holzpaneelen verzierten Überbleibsel des Vormieters, einem Papiervertrieb. Vier braune Ledersessel sind rund um einen runden Kaffeetisch angeordnet, der auf einem orientalischen Teppich steht. Inmitten all der Pracht und dem Exzess des Internetbooms im San Francisco des 21. Jahrhunderts war dies eine Zeitreise in die 1950er-Jahre. Auf der anderen Straßenseite waren Kräne mit dem Bau neuer Luxuswohnungen beschäftigt.

Chesky ist 1 Meter 75 groß und vom regelmäßigen Sport durchtrainiert. Er sprach rasch, wobei sein Mund gelegentlich vor Anspannung zuckte. Die Geschichte vom kometenhaften Aufstieg seines Unternehmens schilderte er anhand der Momente, in denen es die dramatischsten Widerstände zu überwinden galt.

In den Anfangszeiten von Airbnb war es, „als stehe die Welt gegen uns und als würde jeder über uns lachen“, erzählte er. Obwohl die Investoren größtenteils abwinkten, kämpfte das Start-up-Unternehmen weiter, setzte sich gegen einen unerbittlichen Wettbewerber aus Europa zur Wehr und überstand auch die Flut an schlechter Presse, die über das Unternehmen hereinbrach, nachdem einer der ersten Gäste das Zuhause eines Gastgebers verwüstet hatte. „Niemand glaubte an uns“, erzählte mir Chesky. „Wir waren unsicher und hatten keine Ahnung, was wir da taten.“

In der jüngeren Vergangenheit waren die Hauptgegner eher Regulierer und Aktivisten. Einige wollen auf der politischen Bühne punkten, indem sie ein sehr prominentes Ziel anfeinden, andere machen sich berechtigte Sorgen, wie sich Airbnb auf die Bezahlbarkeit von Wohnraum auswirkt. Im Gegensatz zu seinem Freund Travis Kalanick gibt sich Chesky als sympathischer Verbündeter der Menschen, die in die zweite Kategorie fallen: „Wir wollen, dass die Städte reicher werden. Wir wollen kein Gegner von bezahlbarem Wohnraum sein“, sagte er. „Ich denke, wir können in dieser Diskussion auf der richtigen Seite stehen. Wir sorgen dafür, dass viele unserer Nutzer in ihrem eigenen Zuhause bleiben können. Das ist der Grund, weshalb wir gegründet wurden. Hätte ich nicht das Geld gebraucht, um die Miete zu begleichen, hätte ich das Unternehmen nicht gegründet.“

Gegen das Buchprojekt hatte er keine Einwände und so sprach ich im Verlauf des folgenden Jahres mit Chesky, mit seinen Mitgründern und mit Spitzenmanagern von Airbnb. Die Presseabteilung war hilfreich, aber natürlich auch nervös, was die ganze Sache anging. Die Pressemitarbeiter baten darum, dass ich Interviewfragen im Voraus einreiche, sie saßen bei Gesprächen dabei und sie machten sich ausführlich Notizen.

Aber es war noch eine gewaltige Herausforderung zu meistern – wie sollte ich Travis Kalanick davon überzeugen, mitzumachen? Kalanick ist berühmt für seine Streitlust und gilt als Querdenker, der leidenschaftlich für die Interessen seines Unternehmens eintritt. Er enttäuschte mich nicht. Als wir uns im März 2015 zum Abendessen im Burritt Room & Tavern trafen, einem Restaurant des Mystic Hotels in San Francisco, sagte er mir: „Aus Respekt Ihnen und Ihrer Arbeit gegenüber bin ich zu diesem Treffen gekommen. Aber ich komme mit der Haltung: ‚Auf keinen Fall werde ich zum jetzigen Zeitpunkt an einem Buch über Uber mitwirken.‘“

Kalanick hatte ein Jahr negativer Schlagzeilen hinter sich. Es ging um die Methoden, mit denen Uber gegen Wettbewerber vorging, es ging um die nicht durchweg positiven Folgen, die der Dienst für Städte hatte, und es ging um das angespannte Verhältnis des Unternehmens zu seinen Fahrern. David Plouffe, früher Wahlkampfleiter von Barack Obama und damals Kalanicks Pressechef, begleitete uns zum Essen. Sein Lächeln deutete ich als Amüsiertheit über einen Journalisten auf Selbstmordmission.

Der Start war wenig vielversprechend, aber Kalanick schien wenigstens bereit zu sein, mir zuzuhören. Er wollte wissen, was er davon habe, wenn er mit mir kooperiere. Ich erklärte ihm: „Wenn Sie wollen, dass die Menschen sich für eine radikale Zukunft erwärmen, in der sie ihre Autos aufgeben, müssen Sie zulassen, dass Journalisten Ihre Geschichte erklären und entmystifizieren. Wenn Sie die Art und Weise verändern wollen, wie Städte funktionieren, müssen die Menschen Uber begreifen.“

Das war schon mal nichts: „Inspirieren Sie mich“, forderte er mich auf. „Sagen Sie mir, welchen Nutzen wir davon haben.“ Er war direkt und im Transaktionsmodus – oder anders formuliert: Travis war einfach Travis.

Irgendwann während der Roggen-Whiskey-Cocktails und der Flat-Iron-Steaks mit Knoblauch-Paprika-Pommes erwärmte er sich kurzfristig für das Potenzial, das diese Geschichte als Film bieten würde. „Man würde mit einer Sitzung des Stadtrats beginnen“, sinnierte er. „Die Stadträte sitzen alle zusammen, aber sie sind falsch informiert. Sie denken vor allem darüber nach, woher sie ihre nächste Wahlkampfspende bekommen. Es ist auch ein Uber-Vertreter im Raum, aber er ist quasi völlig auf sich gestellt. Er versucht Menschen, die davon keinerlei Ahnung haben, eine fremde und ihnen nicht vertraute Technologie zu erklären.“

„Der Typ von Uber hat einen Lobbyisten, aber der Lobbyist arbeitet nebenbei auch für die anderen Leute. Und schließlich sind da noch die Jungs von den großen Taxiunternehmen und sie haben den Stadtrat in der Tasche.“

„Schnitt zu den Taxifahrern am Flughafen. Sie alle stehen da stundenlang rum, spielen Karten oder was sie sonst so treiben, während sie darauf warten, einen Fahrgast zu bekommen. Und da ist dieser Rekrutierer für Uber und alle stehen sie um ihn herum, während er den Taxifahrern das neue System erklärt …“ Kalanick fing sich und verstummte. „Na ja, so jedenfalls sollte der Film anfangen.“

Als wir nach dem Essen auf der Straße standen, sagte er erneut: „Sie müssen mich inspirieren.“ Hatte ich nicht gerade zwei Stunden damit verbracht, ihm meine besten Argumente vorzutragen? Dann gingen er und Plouffe los, zu Fuß zurück ins Büro.

Sechs Monate gingen ins Land und obwohl ich wiederholt nachfasste, hörte ich nichts mehr. Aber nachdem ich mit Dutzenden Regulierern, Wettbewerbern sowie ehemaligen und aktuellen Uber-Mitarbeitern gesprochen hatte, gelang es einem neuen PR-Manager irgendwie, Kalanick zur Zusammenarbeit zu bewegen. Letztlich sprach ich mit zwei Dutzend Uber-Managern aus allen Perioden der kurzen Unternehmensgeschichte und erhielt noch einmal einige Stunden Zugang zu Kalanick, um einige Interviews zu ergänzen, die ich im Verlauf meiner fünf Jahre als Autor für Bloomberg Businessweek mit ihm geführt hatte.

Das Ergebnis ist dieses Buch. Es ist über keines der beiden Unternehmen ein abschließender Bericht, denn die außergewöhnliche Geschichte von Uber und Airbnb ist noch immer im Entstehen begriffen. Vielmehr ist es ein Buch über einen entscheidenden Moment in der seit hundert Jahren aufziehenden technologischen Gesellschaft. Es geht um eine wichtige Phase, während deren Althergebrachtes gestürzt wurde, neue Anführer auftauchten, Wildfremde neue Sozialverträge schlossen, die Topografie von Städten einer Veränderung unterzogen wurde – eine Phase, in der die Aufrührer über diesen Planeten streiften.

TEIL 1

NEBENPROJEKTE

KAPITEL 1

DAS TAL DER LEIDEN

AIRBNBS FRÜHE JAHRE

Jedes große Start-up beginnt als Nebenprojekt, das für niemanden absolute Priorität hat. AirBed & Breakfast war für uns ein Weg, unsere Miete zu bezahlen. Es war ein Weg, die Miete zu bezahlen, uns Zeit zu erkaufen und uns zu helfen, die große Idee zu entwickeln.

— Brian Chesky

Der allererste Gast, der Airbedandbreakfast.com nutzte, war Amol Surve, der kurz zuvor seinen Abschluss am BiodesignInstitut der Arizona State University gemacht hatte. 1 Am 16. Oktober 2007, einem Dienstag 15 Monate vor der historischen Amtseinführung Barack Obamas, traf er am späten Nachmittag bei seiner gemieteten Unterkunft ein. In Empfang nahm ihn dort Joe Gebbia, 26 Jahre alt und einer der Gründer der Website. Gebbia bat Surve höflich, vor dem Betreten der Wohnung doch bitte die Schuhe auszuziehen.

Gebbia führte ihn dann herum in Wohnung C im obersten Stockwerk von 19 Rausch Street, einem engen Reihenhaus in einer Nebenstraße von San Franciscos chaotischem Stadtviertel South of Market. Die Wohnung war großzügig geschnitten, verfügte über drei Schlafzimmer, zwei Bäder und ein gemütliches Wohnzimmer. Über die Haupttreppe gelangte man auf eine Dachterrasse mit Blick über die goldene Stadt, die zu diesem Zeitpunkt gerade ihre monumentale Neuerfindung durchlief. Keiner der beiden Männer hatte damals eine Ahnung, dass dieses Appartement in den kommenden Jahren zum Ausgangspunkt für eine weltweite soziale Bewegung und ein globales Wirtschaftsphänomen namens „Sharing-Economy“ werden würde.

Der in Mumbai geborene Surve war für den World Design Congress nach San Francisco gekommen, eine Konferenz, die alle zwei Jahre vom International Council of Societies of Industrial Design (ICSID) abgehalten wird. Surve hatte über das Internet für 80 Dollar die Nacht eine Luftmatratze gebucht, denn alle Hotels waren ausgebucht oder ihm zu teuer. Entsprechend gering waren seine Erwartungen, was das gebuchte Zimmer anging, aber was er dort vorfand, sah sehr vielversprechend aus. Das Bücherregal stand voll mit Designbüchern und im Wohnzimmer wartete ein gemütliches Sofa. Er konnte sich morgens Frühstücksflocken und Milch aus der Küche holen und es gab ein kleines Schafzimmer mit aufgeblasener Luftmatratze, Bettdecke und Bettlaken. Seine Gastgeber waren überraschend aufmerksam. Gebbia reichte ihm ein kleines Täschchen, das unter anderem die Hausregeln enthielt, das WLAN-Passwort, einen Stadtplan und etwas Kleingeld für die Obdachlosen in der Nachbarschaft.

Doch das mit Abstand Überraschendste, was Surve an diesem ersten Nachmittag sehen sollte, war ein Bild auf Gebbias Laptop – es war ein Bild von Amol Surve selbst. Gebbia und sein Mitbewohner und Geschäftspartner Brian Chesky stellten gerade eine Präsentation über ihren neuen Home-Sharing-Dienst zusammen. Gedacht war die Präsentation für ein Pecha Kucha [Japanisch für „Geschwätz“], eine Veranstaltung, bei der Entwickler ihre neuen Produktideen vorstellen, und zwar auf 20 Folien. Für jede Folie hatten sie 20 Sekunden Zeit.

Als allererster Gast dieses neuen Dienstes war Surve zum Teil der Präsentation geworden. Sein Aufenthalt hatte noch nicht einmal begonnen und schon war er Teil von Kapitel 1 einer Geschichte, die nach dem Willen seiner Gastgeber eine sehr lange Geschichte werden sollte. „Das war schon sehr merkwürdig“, sagte Surve Jahre später.

Er freute sich einfach darüber, eine bequeme Übernachtungsmöglichkeit aufgetan zu haben, am Ende erhielt er gleich noch eine Einführung in die Arbeitsweise der Start-up-Szene des Silicon Valleys. Surve verbrachte an diesem Wochenende viel Zeit mit Gebbia und Chesky auf dem Sofa. Sie sprachen über Design und untersuchten das neue Gerät von Apple, das allererste iPhone. Der Name Steve Jobs sagte Surve damals gar nichts und vom iPhone hatte er erst recht noch nichts gehört. Auch mit der Litanei von motivierenden Jobs-Zitaten, mit denen Gebbia und Chesky immer wieder um sich warfen („Wir sind hier, um eine Delle im Universum zu hinterlassen“), war er nicht im mindesten vertraut.

Mit Kat Jurick, einem weiteren Gast aus der Rausch Street, nahm Surve an dem Pecha Kucha teil. Einige Tage darauf führte ihn Gebbia in der Stadt herum, zeigte ihm Sehenswürdigkeiten wie die berühmte Lombard Street und den Lebensmittelmarkt vor dem Ferry Building. Gebbia stellte seine Designer-Ader gerne mit modischen Gegenständen wie bunten Sneakers und angesagten übergroßen Brillen unter Beweis. An jenem kühlen Herbsttag trug er eine Fliegermütze mit Pelzohren.

Im Anschluss an die Konferenz hatte Surve noch einen Tag in der Stadt und den wollte er nutzen, um sich die berühmte d.school anzusehen – das Designinstitut der Uni Stanford. Auch Chesky war daran interessiert, also bot er Surve an, ihn zu fahren. In Stanford saßen die beiden in der ersten Reihe bei einer kostenlosen Vorlesung, die der italienische Designer Ezio Manzini hielt. Anschließend stellten die beiden sich Bill Moggridge vor, Mitgründer der legendären Designfirma Ideo und Vorsitzender der gerade beendeten Designkonferenz. Es muss ein ungewöhnlicher Anblick gewesen sein: Der 2012 verstorbene Moggridge war knapp zwei Meter groß, Chesky, breit wie ein Eishockeyspieler gebaut und ein Workout-Fanatiker, war über 20 Zentimeter kleiner. Während er zu ihm hochblickte, legte der Schnellsprecher Chesky mit einer Beschreibung von AirBed & Breakfast los. Man könne die Website doch zum offiziellen Übernachtungspartner der Industrial Designers Society of America machen, regte er an. Im Rahmen dieses improvisierten Verkaufsgesprächs stellte er gleich Surve als den ersten Gast des Dienstes vor. Erneut wurde Surve damit zum Teil der Story. Moggridge habe kommentarlos genickt und eher skeptisch dreingeschaut, erinnert sich Surve.

Später sollte Chesky erklären, dass AirBed & Breakfast damals nur ein Jux gewesen sei und nicht mehr als Nebenprojekt, aber Surve erinnert sich, dass sein neuer Freund im Auto während der 45-minütigen Rückfahrt nach San Francisco vor Begeisterung fast platzte. „Amol, mit diesem Konzept müssen wir eine Delle im Universum hinterlassen“, erklärte er ihm.

Brian Chesky wuchs in einem Vorort im Osten von Schenectady im Bundesstaat New York auf – Niskayuna, eine Kleinstadt, von der noch nie jemand gehört hatte, gelegen außerhalb einer Stadt, die die meisten Menschen nicht auf der Landkarte finden würden. Seine Familie war solide Mittelklasse und lebte in einem Haus im Kolonialstil mit fünf Schlafzimmern und einem großen Garten hinter dem Haus. Einen Hund gab es auch. Seine Eltern stammten von italienischen und polnischen Einwanderern ab. Beide waren Sozialarbeiter und beide überschütteten Chesky und seine jüngere Schwester Allison mit Liebe. Waren die Eltern nicht bei der Arbeit (wo sie gelegentlich die Regeln Regeln sein ließen und die Personen und Familien, die sie berieten, zu sich nach Hause einluden), verbrachten sie ihre Zeit damit, sich um ihren Nachwuchs zu kümmern. „Wir hatten kein Leben“, sagt Brians temperamentvolle Mutter Deb. Und sein Vater Bob ergänzt: „Einige Menschen investieren alles in ihre berufliche Laufbahn. Wir haben alles in unsere Kinder investiert.“

Schon früh interessierte sich Chesky für das Zeichnen. Wiederholt besuchte er das Norman-Rockwell-Museum, das von seinem Heimatort ungefähr eine Stunde entfernt in Stockbridge liegt. Seine Eltern wunderten sich, dass der Junge über lange Zeiträume hinweg sitzen und zeichnen konnten, Lehrer sprachen von Ähnlichkeiten mit Rockwells Stil und gaben aufregende Prognosen für Cheskys weitere Entwicklung ab. „Ihr Sohn wird eines Tages berühmt sein“, erklärten die Lehrkräfte den Eltern.

Parallel dazu spielte er Hockey und sah sich als den nächsten Wayne Gretzky. Er war schnell, beweglich und erarbeitete sich in der ganzen Region Anerkennung. Nach zwei Schlüsselbeinbrüchen entschieden seine Sportlehrer an der Highschool jedoch, er sei zu klein und zu schwach, um auf dem Eis eine echte Zukunft zu haben. Seine Eltern schienen diese Einschätzung zu teilen. „Er war zu klein, um ein Star zu sein“, sagt Deb.

Chesky war jedoch nicht bereit, diese Niederlage einfach so hinzunehmen. Er begann, ins Fitnessstudio zu gehen und Gewichte zu heben, und er kippte einen Kreatin-Eiweiß-Shake nach dem anderen herunter, um an Muskelmasse zuzulegen.

Während seiner Studienjahre nahm er an Bodybuilding-Wettbewerben ein, stand eingeölt auf der Bühne und ließ vor den Kameras und dem Publikum bei nationalen Wettbewerben die Muskeln spielen. „Damals waren mir die Folgen des Internets noch nicht bewusst“, sagte er später verlegen über die fotografischen Beweise aus jenem Lebensabschnitt. 2

Cheskys Freund und Airbnb-Mitgründer Joe Gebbia kam in Atlanta zur Welt. Er war das jüngste Kind von zwei freiberuflichen Vertretern, die im Süden der USA mit unabhängigen Reformkost-Supermärkten zusammenarbeiteten. Gemeinsam mit seiner älteren Schwester begleitete Gebbia seinen Vater auf langen Fahrten nach Alabama, Tennessee und South Carolina. Sie verkauften Obst und Bio-Säfte und halfen Ladenbesitzern beim Einräumen der Regale. Wie Chesky lebte auch Gebbia in seiner Jugend in verschiedenen Welten. Er spielte Tennis und Basketball, betrieb Leichtathletik, lernte aber auch Geige, bis er zu der Einsicht kam, er wolle doch bloß Jazzpiano spielen, ganz so wie sein Idol Dave Brubeck.

Eines Sommers – Gebbia steckte mitten in den Highschool-Jahren – besuchte er Kunstklassen an der Valdosta State University in Georgia. Das weckte in ihm den Wunsch, Maler zu werden. „Du hast etwas Besonderes“, sagte ihm ein Lehrer bewundernd und empfahl Gebbia, sich an der Rhode Island School of Design (RISD) anzumelden, einer der besten Kunstschulen des Landes. Den folgenden Sommer über besuchte Gebbia Kurse an der RISD. Die majestätischen Gebäude im französischen Stil und im Kolonialstil, die sich entlang des Ufers von Providence erstreckten, faszinierten ihn. 2000, ein Jahr nach Chesky, meldete sich Gebbia an der RISD an.

Sie trafen sich in Kunstklassen und bei den studentischen Veranstaltungen und stellten fest, dass sie gut harmonierten. Chesky leitete das Eishockeyteam der Schule, die Nads (Slogan: „Go, Nads!“), während Gebbia die Balls leitete, die Basketballmannschaft (Slogan: „Wenn es heiß zugeht, halten die Balls zusammen!“). An der RISD eine Sportmannschaft zu leiten war vor allem aus Marketingsicht anspruchsvoll. So wie die beiden es schildern, ging es den Teams weniger ums Gewinnen als vielmehr darum, während der Spiele Blödsinn zu veranstalten.

Beide fühlten sich vom Industriedesign-Studium angezogen und von der Vorstellung, etwas Legendäres und gleichzeitig Bezahlbares zu erschaffen, Dinge wie den klassischen Eames-Stuhl. „Ihr könnt in einer Welt leben, die ihr selbst entworfen habt“, lockten die Professoren. „Ihr könnt die Welt verändern, ihr könnt sie neu designen.“ 3 Das Institut trichterte seinen Studierenden eine Art praktischen Idealismus ein. Bei einer Exkursion wurden sie in Bussen zur städtischen Müllhalde gebracht und durch Müllgebirge gefahren. So konnten sie mit eigenen Augen sehen, wo ihre nicht so gelungenen Bemühungen landen würden.

In einem Sommer taten sich Chesky und Gebbia zusammen, um an einem Projekt für den Fönhersteller Conair zu arbeiten und an einer Idee, die der Bodybuilder Chesky die „Chesky-Lösung“ getauft hatte. Ihm schwebte vor, Palm Pilots und andere Mobilgeräte zusammen mit Körpersensoren dazu zu nutzen, die Gesundheit der Menschen zu erfassen. Keines der Projekte führte zu zählbaren Ergebnissen, aber die langen kreativen Brainstorming-Sitzungen festigten ihre Freundschaft. „Für mich passte alles, weil wir so viel Spaß hatten, an diesem Projekt zu arbeiten“, sagte Gebbia, der immer auf der Suche nach einem Geschäftspartner war. „Unsere Ideen waren so originell, so anders als die aller anderen.“

Seine Kommilitonen wählten Chesky dafür aus, 2004 die Abschlussrede zu halten. In einem Video der Rede sieht man, wie er zu Michael Jacksons „Billie Jean“ auf die Bühne stürmt. Voller Charisma und Selbstvertrauen streift er seine Robe ab. Darunter kommt ein weißes Sportjackett inklusive passendem Schlips zum Vorschein. Er macht einige Tanzschritte und lässt die Muskeln spielen. Dann bringt er sein Publikum die nächsten zwölf Minuten lang zum Lachen: „Eltern, ihr solltet wissen, dass es viel besser ist, in uns zu investieren als in irgendeine Aktie an der Börse“, sagt er vorausschauend. „Okay, stimmt schon: Ihr habt 140.000 Dollar dafür ausgegeben, dass wir mit Jell-O malen und uns in Knetmasse wälzen konnten. Aber wichtiger noch ist, dass wir Inspiration brauchten und dass wir hier an der RISD jede Menge davon gefunden haben.“

Bevor Chesky die Stadt verließ, um nach Niskayuna zurückzukehren, lud ihn Gebbia auf eine Pizza ein und verriet ihm, wie er die Zukunft sah: Eines Tages würden die beiden gemeinsam ein Unternehmen gründen und jemand würde ein Buch darüber schreiben. „Ich erkannte diese Gabe, die er hat; die Gabe, Menschen für etwas zu begeistern“, sagt Gebbia. „Hätte ich ihm nicht gesagt, was ich fühle, hätte ich mich unvollständig gefühlt.“

Nach dem Abschluss lebte Chesky einige Monate bei seinen Eltern, dann brach er die Zelte ab und zog nach Los Angeles. Dort kam er bei einigen ehemaligen Kommilitonen in einem Appartement in Hollywood unter, inmitten der Touristenströme und der kostümierten Schnorrer, nur wenige Blöcke von Grauman’s Chinese Theatre entfernt. Seine Eltern – immer noch die Fürsorge in Person – kauften von einem Händler in Los Angeles einen Honda Civic und ließen den Wagen zum Flughafen von Los Angeles bringen, wo er auf Chesky wartete.

Er lebte seine Uni-Träume aus: Er hatte einen echten Job, verdiente 40.000 Dollar im Jahr als Designer für das Beratungsunternehmen 3DID in Marina del Rey. Er arbeitete an Spielzeug für Mattel, an Gitarren für Henman, an medizinischen Geräten, an Schuhen, Hundespielzeug und Handtaschen.

„Als Designer an einer Schule – und vor allem als Industriedesigner – hat man einen großen Traum: Man will irgendein Produkt in die Läden bringen“, sagt Chesky.

Aber der erste Job erfüllte niemals so recht seine Erwartungen. Jeden Tag pendelte er erst 90 Minuten in die eine, dann 90 Minuten in die andere Richtung, immer über das Nadelöhr der I-405. Von den Projekten, an denen er arbeitete, schaffte es der Großteil niemals in die Läden. Und wenn doch, dann endeten die Dinge früher oder später auf Mülldeponien.

2006 wurde Cheskys Firma eingeladen, an American Inventor