Menschen neigen zur Vereinfachung. Das ist kein Wunder angesichts einer komplexer werdenden Welt. So manchem rutschen da aufgrund der Informationsüberflutung oder aus Unkenntnis auch schon einmal ganze Länder ins Klischee ab.
Was also fällt Ihnen zu Rumänien als Erstes ein? Dracula? Der Diktator Ceauşescu? Die dunklen Wälder Transsylvaniens? Die Turnerin Nadia Comaneci oder der deutschstämmige Präsident Klaus Iohannis?
Einen Kulturschock wird sicherlich der Rumänienreisende erleben, dessen geistiges Reisegepäck vor allem aus Stereotypen besteht, die sich aus dem Dracula-Mythos speisen. Rund um den Karpatenbogen steht eben nicht an jeder Ecke ein in Nebel gehülltes Gruselschloss und die ländlichen Bewohner des transsylvanischen Hochlandes treten ihre wohlverdiente Nachtruhe keinesfalls nur mit Holzpflock und Knoblauchgirlanden bewaffnet an.
Eigenartig tief haben sich, trotz Vernunft und Aufklärung, finstere filmische Bilder und literarische Mythen über Rumänien in den Köpfen festgesetzt. Hinzu kommen moderne Themen, die vor allem vom Sensationsfernsehen so gerne bedient werden. Neben Dracula geisterten bald auch noch verwahrloste Kinder und Hunde, zum Verkauf angebotene Waisen und Klebstoff schnüffelnde Jugendliche durch unsere Köpfe. Ein Land, das gerade einmal zwei Flugstunden von uns entfernt liegt, ist in den Köpfen der meisten Menschen weiter weg als Thailand oder Mexiko.
Zu den ersten, die sich von Klischees und Stereotypen frei machen konnten, gehörten Rumänienreisende, die einen Kur- oder Badeurlaub am Schwarzen Meer verbracht hatten. Bald zog es immer mehr Deutsche und Österreicher mit rumänischen Wurzeln in die Karpaten, zu den Moldauklöstern und in die stillen Täler des Maramureş. Sie kehren zurück mit Geschichten über uralte Riten, Maskentänze und Pferdemärkte, erzählen von herrlichen Klöstern, Burgen, Wehrkirchen und mittelalterlichen Städten Siebenbürgens. Die Donaudelta-Touristen berichten von Pelikanen, Kormoranen, Seeadlern, Schilflabyrinthen, Zandern, schwimmenden Hotels und Ausflügen zu den Schlammvulkanen. Heute erkunden Touristen die weitläufigen Höhlensysteme der Karpaten, ziehen mit den Schäfern über die Almen, machen Ziegenkäse, lernen auf einem Öko-Bauernhof reiten, entdecken neue Rezepte beim Transilvanian Brunch oder bauen Flöße, um die Schluchten des Olt-Flusses zu durchfahren. Abenteurer und Outdoor-Sportler schwingen sich mit Gleitschirmen in die Lüfte, paddeln im Delta, suchen Spuren der Braunbären, fahren mit Mountainbikes durch die Banater Berge oder klettern in den Felswänden der Bicaz-Klamm.
Rumänien ist überraschend vielfältig. Es gleicht einer Zwiebel: Wenn man begonnen hat, die braune Schale der Klischees zu entfernen, zeigt sich eine neue, tiefere Schicht. Rumänien ist kein Land für Express-Reisende. Die Menschen wollen, dass man ihnen begegnet, suchen das Gespräch und den Austausch. Gastfreundschaft hat hier einen hohen Wert und ist auf liebenswerte Weise mit einer Prise Neugier und Humor gewürzt.
Dieser Humor hat vielen Rumänen, wie ein kurzer Blick in die Geschichte und kleine Rückblenden in die Vergangenheit zeigen werden, auch in den schwierigsten Zeiten und absurdesten Situationen geholfen. Als Leser erhalten Sie einen Einblick in die rumänische Kunst der Improvisation und in die unglaubliche Ausdauer, die Rumänen entwickeln können, wenn es ums Feiern, Tanzen und Musizieren geht.
Rumänien ist ein Land zwischen den Zeiten und zwischen den Welten. Auf seinem kurvigen und abenteuerlichen Weg in die europäische Gemeinschaft wurden die inneren Spannungen besonders deutlich. Während in den abgeschiedenen Tälern uralte Traditionen gepflegt werden, ist das Schäferstündchen in den pulsierenden Städten längst abgeschafft. Als Autor kann ich nur jeden darin bestärken, den direkten Kontakt zu den Rumänen zu suchen. Denn dann wird man die außerordentliche Vielfalt dieses Landes am besten sehen können. Selbst für ausgewiesene Kenner ist Rumänien immer wieder für eine angenehme Überraschung gut!
Joscha Remus
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■ Aberglaube: Im heutigen Rumänien ist die Mehrzahl der Einwohner aufgrund eines Überangebots an abergläubischen Inhalten und Symbolen der Meinung, Aberglaube sei Unsinn. Doch häufig wird (lächelnd) nachgeschoben, dass der Aberglaube schon hilfreich sei.
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Kein Wunder, Rumänien, insbesondere Transsylvanien, gilt nach wie vor als „Epizentrum“ magischen Denkens. Schließlich hat ein walachischer Fürst namens Vlad Ţepeş den irischen Schriftsteller Bram Stoker zu seinem Roman „Dracula“ inspiriert. Und in welchem anderen europäischen Land tummeln sich berufsmäßig heute noch so viele Hexen, Wahrsager und Wahrsagerinnen? Welches andere Land kann für sich in Anspruch nehmen, Vampire, Werwölfe und andere Untote, sogenannte strigoi morti, mühelos in die ländliche Tageskultur zu integrieren? Gerade auf dem Land ist der Aberglaube fest verankert und den rumänischen Gazetten gehen die spannenden, teils sehr skurrilen Geschichten nicht aus. So wird beispielsweise von der moldauischen Putzfrau erzählt, die entlassen und deren Besen sichergestellt wurde, weil sie ihren Arbeitgeber verflucht haben soll. Oder die der Bewohner des Dorfes Marotinu de Sus, die auch international Wellen schlug: Einige hatten nachts das Grab eines angeblichen Untoten geöffnet, das Herz seiner Leiche entnommen, es verbrannt und dann die Asche in Wasser aufgelöst und getrunken. Nicht nur die Presse, sondern auch der rumänische Staat versuchen, aus dem anhaltenden Glauben an das Übersinnliche Kapital zu schlagen. Seit 2011 gibt es ein Gesetz, das Hexen und Wahrsagen mit einer Steuer belegt. Aufgebrachte Mitglieder dieser Berufsstände haben zwar dagegen demonstriert und hochkonzentrierte Alraunwurzel in die Donau geschüttet, doch es bleibt dabei: Wahrsagen und Hexen ist – offiziell – nur noch gegen Ausstellung einer Quittung erlaubt.
■ Anrede, Begrüßung und Verabschiedung: Als übliche formelle Anrede wird der Nachname benutzt, dem man ein doamna (Frau) oder domnul (Herr) voranstellt. „Guten Tag Herr Popescu“ heißt somit Bună ziua, domnul Popescu. Die Höflichkeitsform „Sie“ lautet im Rumänischen dumneavostră. Wenn man sich bereits besser kennt, kann man dem doamna und domnul auch den Vornamen folgen lassen. Unter Freunden allerdings wirkt ein domnul Peter etwas gestelzt.
Freundliche informelle Begrüßungen, wie zum Beispiel dragă Mihail (lieber Mihail), sind in Rumänien nicht nur als Einleitung in Briefen, sondern auch in der Alltagssprache gebräuchlich. Das Wörtchen dragă weist dabei eine enorme Spannbreite auf, die von „lieber“ über „hallo“ bis hin zum sehr informellen draga mea (w), dragul meu (m) (meine Liebe, mein Lieber) reichen kann. Für schlichte Begrüßungen, die unserem „Hallo“, „Grüß Dich“ oder „Hey“ entsprechen, verwendet man ein Salut (Hallo, Grüß Dich) bzw. Bună (Hey). Als Begrüßung gelten in Rumänien übrigens auch die Fragesätze Ce mai faci? (Wie geht’s?) und Ce mai faceţi dumneavostră? (Wie geht es Ihnen?).
Das Rumänische kennt sehr schöne informelle Verabschiedungen und Wünsche. Angefangen von cu drag (mit besten Grüßen), über toate cele bune (alles Gute) bis hin zu „alles Liebe“ für das man gleich drei Steigerungsformen kennt: cu drag, cu mult drag und cu toată dragostea. Wer seinen Abschied mit schönen Wünschen versehen möchte, kann eine der Formen verwenden, die dem deutschen „Prosit“ entsprechen: noroc (viel Glück), mulţi ani (viele Jahre) und sanatate (Gesundheit).
■ Ansehen/Gesicht wahren: Zu den ersten Saisonarbeiten, die Rumänen und Rumäninnen Anfang der 1990er-Jahre in Italien oder Spanien ausübten, zählte auch das mühevolle Ernten auf den Erdbeerplantagen. Und obwohl in den darauffolgenden Jahren andere Arbeiten wie die in Seniorenheimen, als Putzhilfen, in Olivenhainen oder bei der italienischen Müllabfuhr hinzukamen, wurden alle im Ausland Tätigen in Rumänien fortan căpşunarii, „Erdbeerpflücker“, genannt. Dieser Begriff galt damals und gilt bis heute als gesichtswahrend für all diejenigen, die teilweise entwürdigende Arbeiten in der Ferne verrichten. Familienmitglieder zu Hause wissen aus Gründen des Ansehens und der Gesichtswahrung oft nicht genau, was ihre Verwandten im Ausland machen. So kommt es mitunter zu kreativen, euphemistischen Berufsbezeichnungen und aus rumänischen Pförtnern werden„Fachkräfte für Einlasstechnik“, aus Spülhilfen „Experten für Systemgastronomie“.
Als besonders stolz und auf ihr Ansehen bedacht, ist die Gruppe der rumänischen Roma bekannt, die sich in Rumänien und teilweise auch im restlichen Europa sehr selbstbewusst als Ţigani, also als „Zigeuner“, bezeichnet. Wer diesen Begriff verwenden möchte, sollte wissen, wie er korrekt ausgesprochen wird, nämlich [tzigan], und natürlich ein freundliches Gesicht dazu machen. Die Grundregel lautet: „Mit einem Lächeln gewinnst du eher Freunde als mit einem langen Gesicht.“
■ Autofahren: Es sei an dieser Stelle ausdrücklich gesagt: Autofahren in Rumänien ist eine abenteuerliche Angelegenheit. Im Vergleich aller EU-Länder nimmt das Land bei der Anzahl der tödlichen Verkehrsunfälle einen der vorderen Plätze ein. Viele Autobahnabschnitte befinden sich Immer noch im Bau und so finden sich zahlreiche Lastkraftwagen im Transitverkehr auf den gewöhnlichen Landstraßen. Diese Lkw dürfen in Rumänien, anders als in Deutschland, genauso schnell fahren wie Pkw und so kommt es mitunter zu halsbrecherischen Überholmanövern. Hinzu kommen unterschiedliche Qualitäten des Straßenbelags. Es ist also Vorsicht geboten. Das Überholen trotz Gegenverkehrs scheint vor allem für männliche Fahrer ein Nervenkitzel zu sein. Die rustikale, oft rücksichtslose Fahrweise führt in Kombination mit Schlaglöchern oder ungesicherten Baustellen zu der eingangs erwähnten hohen Zahl tödlicher Unfälle. Bei Einbruch der Dunkelheit sollte man besonders vorsichtig sein, weil langsame und häufig schlecht beleuchtete Pferdefuhrwerke eine zusätzliche Gefahr darstellen. Natürlich gibt es Fahrer, einschließlich des Autors, denen jahrzehntelang auf rumänischen Straßen niemals etwas passiert ist.
(Zu Straßengebühren, Geldstrafen und der Promillegrenze auf rumänischen Straßen s. Seite 273.)
■ Baden/Nacktbaden: Während es vor dem Mauerfall zahlreiche DDR-Bürger an die Strände des Schwarzen Meers zog, genießt der reine Strandurlaub im modernen Tourismus einen immer geringeren Stellenwert. Außer den bekannten, meist überfüllten Badestränden in Mamaia, Eforie und den nach den Planeten benannten Küstenorten Venus, Jupiter, Neptun und Saturn locken längst ganz andere Badefreuden: Rumänien erlebt in den letzten Jahren einen rasanten Aufstieg in den Bereichen Kur und Wellness. Kein Wunder, denn während es „nur“ 70 Küstenkilometer sind, die am Schwarzen Meer zum Schwimmen einladen, sprudeln andernorts mehr als 300 Mineralwasserquellen. Über ein Drittel aller europäischen Heilquellen sind in Rumänien zu finden. Das wussten schon die alten Römer zu schätzen und die Entdeckungen vieler Karpatenquellen lassen sich bis ins Altertum zurückverfolgen, wie auch der Name des Kurorts Baile Herculane zeigt, das „Herkules-Bad“. Der Name leitet sich vom lateinischen ad acquas Herculi sacra ab und bedeutet „die heiligen Wasser des Herkules“. Viele mineralstoffreiche Badeseen, beispielsweise die in Sovata, liegen im Gebirge, das vulkanischen Ursprungs ist. Andere, wie der St. Annasee in der östlichen Karpatenregion Harghita, gehören zu den kristallklarsten Gewässern schlechthin. Und die zahlreichen Seen rund um Ocna Sibiului gehen auf früheren Bergbau zurück, wie der auf Deutsch übersetzte Name „Salzburg“ zeigt – ein Kurort, der sogar einen unterirdischen Badesee aufweist.
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Um der Schwarzmeerküste nicht vollends Unrecht zu tun, muss gesagt werden, dass auch hier gekurt werden kann. Rund um Murighiol sind Bäder mit Heilschlamm zu finden. Im äußersten Südosten des Landes, in der Gemeinde Vama Veche an der bulgarischen Grenze, finden sich Strandbäder der anderen Art – bereits zu Ceausescus Zeiten frönte man hier dem Nacktbaden. Eigene Strandabschnitte dazu braucht es bis heute nicht.
■ Bären, Wölfe und Löwen: Ja, in Rumänien gibt es wildlebende Tiere. Viele Landstriche sind immer noch so dünn besiedelt, dass sich Bären, Wölfe und Luchse hier ihre letzten Refugien suchen. Und obwohl die Bären- und Wolfspopulationen zu den größten in Europa gehören, wird man die scheuen Tiere wohl nur mit Hilfe von Experten in Nationalparks aufspüren. In die Dörfer und an den Rand der Städte kommen sie nur im Schutz der Nacht. Angriffe auf Menschen durch diese Tiere sind bislang völlig unbekannt. Gefährlich ist Rumänien also diesbezüglich nicht. Allenfalls vor wild streunenden Hunden sollte man sich in Acht nehmen. (Empfehlung eines Schäfers: Einen Steinwurf andeuten, um sie zu verscheuchen. Im Notfall hilft Pfefferspray.)
Nur zögerlich setzt sich in Rumänien der Natur- und Tierschutz durch. Den einstigen Besitzern von Tanzbären, die sich ursari nannten, zahlten die Tierschützer großzügige Entschädigungssummen. Einige von ihnen legten sich in den 1990er-Jahren daraufhin kleine Affen oder auch Löwen zu, die sie Touristen vorführten. Die private Haltung von Affen und Löwen ist allerdings mittlerweile gesetzlich verboten.
■ Behördengänge und Bürokratie: Da die alten Strukturen des rumänischen Staatsapparats nach dem Übergang vom Realsozialismus zur Demokratie nur kaum oder äußerst zögerlich transformiert wurden, erweisen sich auch die meisten Gänge zu Behörden nach wie vor als anstrengend und unerfreulich. Häufig nutzen unmotivierte Beamte auch im modernen Rumänien ihre Machtfülle aus und versuchen, Antragsteller abzuwimmeln und an Kollegen zu delegieren. Zwar kommt es kaum noch zum offensichtlichen Einfordern von Zuwendungen (die Bearbeitungen sichtlich beschleunigen können), doch ist die lange Tradition des Bestechens (siehe rechts: „Bestechung“) immer noch tief in den Köpfen verhaftet. Hier gilt es, Ruhe zu bewahren und freundlich aber bestimmt aufzutreten. Ein Gang zu rumänischen Behörden ist nach wie vor die beste Übung, sich in einem (unnütz) emotional aufgeladenen Umfeld in Geduld und Höflichkeit zu üben.
■ Beleidigungen: Es gibt einen interessanten Zweig der Psycholinguistik, den man als Malediktologie bezeichnet. Es handelt sich dabei um die wissenschaftliche Untersuchung des Fluchens, Verwünschens und Schimpfens. Kein Wunder, dass mich ein Rumäne auf dieses interessante Studienfach aufmerksam machte. Schimpfwortforscher hätten rund um den Karpatenring ihre helle Freude. Viele Flüche und Verwünschungen machen in wortwörtlicher Übersetzung keinen Sinn, so zum Beispiel imi sare mustarul, wörtlich übersetzt „aus mir springt der Senf“. Gemeint ist jedoch: Du bringst mich zur Weißglut! Diese Äußerung und auch Ausdrücke wie dute dracului (geh’ zum Teufel, fahr’ zur Hölle) zählen noch zu den harmlosen Varianten des rumänischen Fluchwortschatzes. Bei Verwünschungen wird so ziemlich alles herangezogen, was das heilige, geachtete Leben so hergibt, besonders leidenschaftlich aber die Mutter, deren Schoß, der Teufel, die Hölle, die Kirche und Jesus. Der kreativen Derbheit sind in der rumänischen Kunst des Fluchens keine Grenzen gesetzt. Den bislang härtesten gehörten Fluch könnte ich allenfalls mit: „Ich scheiße gebratene Hoden auf das Grab deiner Mutter“ übersetzen.
Zu den üblicheren Hardcore-Flüchen zählen, neben den in südlichen Ländern gemeinhin bekannten „Deine Mutter ist eine…“-Kombinationen, Sprüche wie futute dracul in cur (Der Teufel soll dich in den Allerwertesten ...) oder pisda moţi! Dieser zweifellos beliebteste aller rumänischen Flüche bezieht sich auf den Wunsch, der Beschimpfte solle sich gefälligst in den (selbstverständlich mit vulgärstem Ausdruck bezeichneten) Mutterschoss zurückziehen, sprich „schleunigst dahin verschwinden, wo man ursprünglich hergekommen ist“.
■ Berührung/Körperkontakt: Wer in Frankreich, Spanien oder Italien schon Übung mit dem Begrüßen gewonnen hat, kann seine Kenntnisse in Rumänien mühelos anwenden. Schließlich ist Rumänien in vielerlei Hinsicht ein südliches romanisches Land. Fremde begrüßen sich zwar anfangs, ebenso wie bei uns, mit einem Händedruck, doch wer sich schon kennt, begrüßt sich persönlicher.
Sowohl bei der Begrüßung, als auch bei der Verabschiedung haucht man sich zwischen Mann und Frau sowie unter Frauen zwei Wangenküsschen – links und rechts – entgegen. Männer, die ein freundliches Verhältnis pflegen, umarmen sich. Sind sie gute Freunde, kommen auch hier die Wangenküsse als besonderer Sympathiebeweis ins Spiel. Unter echten Freunden ist Rumänen die reine Ritualisierung nicht wichtig, dann wird je nach Person und Charakter umarmt, geherzt, gehaucht, geküsst, gezärtelt … Der Handkuss ist eine ganz besondere Variante der Begrüßung von Mann zu Frau, wenn der Mann ihr gegenüber seinen besonderen Respekt, seine Wertschätzung oder seine Bewunderung ausdrücken möchte. Es erfordert eine gewisse Eleganz, diese Begrüßung in bewusst unvollendeter Art einzusetzen. Dabei berühren die Lippen des Mannes nicht die Hand, sondern verharren darüber. Dabei wird üblicherweise auch die Grußformel Sărut mâna, „Küss die Hand“, gesprochen. Auch in unseren modernen Zeiten wird dieses gesprochene Sărut mâna, vor allem in ländlichen Gebieten, älteren Personen (Männern und Frauen!), bewunderten Frauen und Würdenträgern weiterhin entgegengebracht.
Grundsätzlich gilt: Rumänen berühren sich gerne und häufig. Auch die beiläufige Berührung eines Westeuropäers, beispielsweise während eines Gesprächs, ist keineswegs unhöflich gemeint. Der kulturell bedingte Abstand, den Nordlichter so gerne einhalten, erscheint einem Rumänen höchst fragwürdig: „Warum soll man jemandem die Hand geben, wenn man sich auch küssen kann?“
■ Bestechung/Schmiergelder: Die Kunst des Schmierens erfordert ein eigenes Kapitel (s. hierzu Seite 118). An dieser Stelle sei nur soviel erwähnt: Die rumänische Sprache kennt etwa 30 Bezeichnungen für Bestechungsgeld. Die häufigsten sind bacşiş und șpagă. Die Korruption wurde in Rumänien lange Zeit nach einem strikten Kodex ausgeführt, der sich manual de șpagă nannte. In dieser Gebrauchsanweisung fürs Bestechen war fein säuberlich aufgeführt, was man dem behandelnden Arzt oder der Krankenschwester zustecken musste, um die gewünschte Behandlung zu bekommen. Diese Form des Bestechens hat sich tief in die rumänische Gesellschaft eingegraben und auch heute noch gilt es in manchen Landesteilen als völlig normal, dem Arzt eine Kleinigkeit für seine Bemühungen mitzubringen und sei es auch nur eine Flasche guten Weins. Eine EU-Studie von 2010 bezeichnete die Korruption in Rumänien immer noch als Massen- und Alltagsphänomen, das alle gesellschaftlichen Ebenen durchdrungen hat.
■ Bettelei und Armut: Rumänien galt lange als das Armenhaus Europas. Und auch heute geht weiterhin ein tiefer Riss durch die EU. Während Dänemark und Luxemburg das europäische Wohlstandsranking anführen, liegen Rumänien und Bulgarien auf den letzten Plätzen. Das monatliche rumänische Durchschnittseinkommen lag im Juli 2014 bei 387 Euro. Seit 2011 wird der rumänischen Bevölkerung ein rigoroses Sparprogramm verordnet. Die Immobilienblase platzte, was wenige wissen, etwa zur gleichen Zeit wie in Spanien. Bereits 2009 musste Rumänien ein Rettungsabkommen in Höhe von 20 Milliarden Euro mit dem IWF schließen. Wer sich wundert, dass es, anders als in Griechenland und Spanien, nicht zu Massenprotesten in Bukarest gekommen ist, sollte bedenken, dass die rumänische Wirtschaft keinen Absturz erlebt hat, sondern bereits seit langer Zeit auf dem Boden liegt.
Natürlich werden Besucher des Landes, insbesondere in den Regionen der Moldau, auf Armut stoßen. Nach wie vor schlagen sich viele Rumänen auf dem Land mehr schlecht als recht durch. Immer noch gibt es hier Gebiete, in denen es am Notwendigsten fehlt, z. B. an Kanalisation, medizinischer Versorgung, Strom, Wasser und Gas. Andererseits gibt es mittlerweile auch ein starkes Wohlstandsgefälle zwischen den Städten und dem Land. Siebenbürgen gilt dabei als reichster Landesteil, hier leben prozentual die wenigsten Menschen am Existenzminimum.
Wer auf den Straßen Bukarests oder in anderen Städten bettelnden Frauen mit Babys auf dem Schoß, Kindern oder verwahrlost aussehenden Jugendlichen begegnet, sollte bedenken, dass einerseits die Grenzen zwischen Bettelei, Trickbetrug und Taschendiebstahl fließend sein können, diese Bettler aber auf der anderen Seite selbst fast ausnahmslos Opfer sind. Meist wird die Bettelei in Rumänien durch Erwachsene organisiert, die sich strafrechtlich gesehen häufig an der Grenze zum Menschenhandel bewegen. Die bettelnden Kinder und Frauen finden sich zumeist am unteren Ende eines streng hierarchischen, mitunter skrupellosen Systems wider.
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■ Bußgelder: Wer in Rumänien gegen Regeln im Straßenverkehr verstoßen hat, kann sich leider nicht auf einen einheitlichen Bußgeldkatalog berufen. Es liegt immer im Ermessensspielraum des aufnehmenden Verkehrspolizisten, wie viel für den Verstoß berechnet wird. Bestimmte Beträge sollten jedoch nicht wesentlich überschritten werden. Eine Anhaltsgröße für das Telefonieren mit dem Handy am Steuer wäre nach Hinweisen des ADAC etwa 70 Euro (Stand 2015). Wer als Autofahrer im 0,0-Promilleland Rumänien mit Alkohol im Blut erwischt wird, kommt nicht unter 150 Euro davon. Den gleichen Betrag müssen auch diejenigen bezahlen, die wesentlich zu schnell fahren, also über 50 km/h zu schnell. Kurioserweise ermitteln rumänische Behörden bislang nicht in Sachen Wildpinkeln und somit gibt es dafür auch keinerlei Bußgeld. Deutsche Strafen fürs Freiluft-Urinieren werden in Rumänien allenfalls belächelt.
■ Diebstahl: Ich werde gelegentlich gefragt, ob ich bei meinen zahlreichen Rumänienreisen nicht Angst um mein Auto hätte. Klare Ansage: Nein! Dies mag zum einen am nicht gerade verführerischen Modell meines Kleinwagens liegen. Andererseits rangieren die rumänienweiten Zahlen für Diebstahldelikte von Fahrzeugen deutlich unter denen deutschsprachiger Länder. Professionelle Autodiebe ziehen zweifelsfrei mitteleuropäische Metropolen und luxuriösere Modelle vor. Dennoch muss unbedingt davor gewarnt werden, in Rumänien irgendetwas sichtbar im Auto liegen zu lassen. Gelegenheitsdiebe haben es nicht unbedingt nur auf Wertgegenstände abgesehen. Das gilt landesweit. Das Risiko, bei der Rückkehr zum Parkplatz eine eingeschlagene Seitenscheibe vorzufinden, steigt an, wenn im Fahrzeug beispielsweise ein Taschenschirm oder eine Kühltasche sichtbar ist, geschweige denn ein Navigationsgerät. Grundsätzlich sollte man in Rumänien nichts – gar nichts! – sichtbar im Auto liegen lassen. Auch was die Zahlen für Kleinkriminalität wie Taschendiebstahl und andere sogenannte Bagatelldelikte betrifft, liegen diese deutlich unter denen von Berlin oder Barcelona. Diese Zahlen sind sogar stark rückläufig, was mancher auf die Auslandstätigkeit professioneller Diebesbanden und Trickbetrüger zurückführt. Dennoch sollte man bei allen Massenveranstaltungen wie Musikfesten, insbesondere beim gemeinsamen Feiern auf der Straße (Taufen, Hochzeiten etc.), und überall dort, wo Bargeld als Geschenkgabe erwartet wird, die Augen besonders offen halten. Am besten nimmt man zu solchen Veranstaltungen von vornherein keine Wertgegenstände mit.
■ Einladungen: Einladungen an Touristen und Fremde sind unüblich. Erste Treffen erfolgen normalerweise in einem Restaurant, einer Bar, einem Café oder im Sommer draußen in einem Biergarten. Bei solchen ersten Zusammenkünften macht man sich keine Geschenke. Ganz anders sieht es aus, wenn man bereits bekannter ist und zu einem Essen in ein rumänisches Haus eingeladen wird: Für die Gastgeber hält man selbstverständlich eine Aufmerksamkeit bereit – Wein, Pralinen oder andere kulinarische Köstlichkeiten. Wer bei einer Einladung einen Blumenstrauß mitbringt, sollte bedenken, dass man keinesfalls eine gerade Anzahl an Blumen verschenkt. Lebenden Personen schenkt man immer eine ungerade Anzahl. Eine gerade Menge an Blumen findet man allenfalls auf Gräbern, denn die geraden Zahlen sind den Toten und ihrem Andenken vorbehalten.
■ Einkaufen/Märkte: Das Einkaufen von Lebensmitteln unterscheidet sich in rumänischen Kleinstädten mittlerweile kaum mehr vom Einkaufen in Deutschland, Österreich oder anderen europäischen Ländern. Das liegt an den allgegenwärtigen Supermarktketten, die man auch aus unseren Gefilden kennt. Trotz dieser Vereinheitlichung findet man in den lokalen Filialen immer wieder erstaunliche Überraschungen, die man sich auch bei uns wünschen würde, wie preiswerten trinkbaren Ziegenmilchjoghurt. Das Preisniveau des Sortiments liegt meist leicht unter dem deutschen, vor allem was einheimische Käsesorten betrifft.
Wer sich in Siebenbürgen, beispielsweise in Hermannstadt auf dem berühmten Cibinmarkt oder auch in Schäßburg auf den Gemüsemärkten, umschaut, wird reihenweise Tomaten, Zwiebeln, Zucchini, Kohl und Möhren finden und auch vielerlei andere spannende Gemüsesorten, erstaunlicherweise jedoch keinen Salat. Auf Nachfragen nach Salatsorten wird man in angrenzende kleine Läden verwiesen, in denen man dann allenfalls Kopfsalate und Eisbergsalat findet. Salatliebende Großstädter, die auf ihren Märkten in den letzten Jahren mit diversen Sorten wie Endivien, Ruccola, Römersalat, Eichblattsalat, Lollo Rosso und Feldsalat verwöhnt wurden, finden hier nicht, was sie suchen. Mischungen aus diversen Sorten des bei uns beliebten Gemüses gar findet man allenfalls in Großmärkten.
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Eine besondere Eigenart des rumänischen Warenangebots sind die Händler, die entlang der Straßen Töpfer- und Korbwaren, Tischdecken, Kupferkessel, ja ganze aus Kupfer gefertigte Destillieranlagen anbieten. Im Gebirge und in Waldgebieten sieht man am Straßenrand Honig- und Knoblauchverkäufer sowie Pilz- und Beerensammler. Vor allem bei letztgenannten ist beim Erwerb von größeren Mengen in Eimern Vorsicht geboten. Kontrollieren Sie unbedingt die Früchte, die den Bodensatz bilden.
■ Essen und Trinken: Im Kapitel „Alltag“ wird ausführlich auf die Nahrungsaufnahme sowie den dazugehörigen Trink-Knigge eingegangen (s. S. 307). Als wichtigste Verhaltensregeln sollte man wissen, dass man auch bei privaten Einladungen wartet, bis der Gastgeber einem einen Platz am Tisch zuweist. Man setzt sich also nicht einfach hin! Als übliche Eröffnung eines Essens gilt der Gruß Poftă bună (Guten Appetit). Üblicherweise sieht man es in Rumänien als höflich an, reichlich Nachschlag anzubieten. Wer nichts mehr möchte, kann dies durch eine mit den Zinken nach unten liegende Gabel und ein gekreuztes Messer auf dem Teller anzeigen. Was das Trinken betrifft, lautet die wichtigste Information vorweg: Niemals das deutsche „Prost“ verwenden! Prost bedeutet auf Rumänisch „Dummkopf!“
■ Feste und Feiern: In Rumänien feiert man viel und gerne. Ja, der Lebenszweck der Rumänen scheint geradezu darin zu bestehen, die Zeit zwischen dem Feiern möglichst kurz sein zu lassen. Doch kann zu häufiges Feiern, vor allem wenn es aus vielen Hochzeiten und Taufen besteht, durchaus ganze Familien ruinieren, schließlich wird man auf solchen Familienfesten reichlich Bargeld los. Die gezahlten Summen und der Name des Geldgebers werden von einem Geldeinsammler (gerne mit einem großen Geldschein auf der Stirn) lautstark ins Mikrofon gebrüllt. Schließlich soll man ja wissen, wer geizig und wer freigiebig war. Um sein Gesicht nicht zu verlieren, nehmen manche Familien lieber einen Kredit auf, als sich im Bekanntenkreis zu blamieren.
Die Gastfreundschaft der Rumänen ist legendär. Hochzeiten und Geburtstagsfeiern enden fast immer erst im Morgengrauen, wenn nicht gar erst nach Tagen. Ganze Wagenkolonnen vor beliebten Ausflugslokalen zeugen von Rang und Wohlstand der feiernden Gäste. Bei Roma-Taufen und -Hochzeiten reist meist der ganze Familienclan mit imposanten Fahrzeugen aus dem Ausland an und sei es aus Irland oder Portugal. Die Musik erreicht dabei mitunter Lautstärken, die in Mitteleuropa sofort zu Polizeieinsätzen führen würden. Wer also auf seiner Reise durch Rumänien am Wegesrand in einem hübschen, imposanten Hotel absteigt, sollte unbedingt vorab fragen, ob abends und nachts eine Hochzeitsfeier stattfindet. Dann sollte man sich auf eine schlaflose Nacht einstellen – oder einfach mitfeiern und mittanzen.
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■ Folklore: Rumänien hat sich vor allem in den ländlichen Regionen eine große Vielfalt an einzigartigen Gebräuchen und reichhaltiger Folklore bewahrt. Einflüsse aus der osmanischen Zeit, aus Ungarn oder dem Balkan tragen zur breiten Palette rumänischer Volkskunst bei. Besucher, die die folkloristisch meist anspruchsvollen Tänze und die komplexe Musik noch nicht kennen, werden sicherlich begeistert sein. Als typisch melancholischen Balladengesang sollte man sich eine Doina nicht entgehen lassen. Neben der landesweit verbreiteten Hora (einem Rundtanz der sogar Teil des UNESCO-Weltkulturerbes ist) und den anspruchsvollen Tänzen Sîrba und Brîu gibt es vor allem im Maramureş, in der Moldauregion und in Siebenbürgen viele regionale Tänze und eine Vielzahl folkloristischer Bräuche, so zum Beispiel winterliche Tiermaskentänze und Schäferfeste. Mittanzen wird übrigens bei allen Festen sehr gerne gesehen.
■ Fotografieren: Strikt verboten ist in Rumänien das Fotografieren von militärischen Einrichtungen und der meisten größeren Museen (vor allem mit Blitzlicht). Das Fotografieren von Sehenswürdigkeiten stellt im Allgemeinen selten ein Problem dar. Eine Ausnahme sind die Moldauklöster. Wer diese sakralen Bauten mit ihren imposanten Außenfresken fotografieren möchte, sollte sich vorab von seinen Fremdenführern oder den verantwortlichen Geistlichen vor Ort eine Genehmigung geben lassen. Leider gibt es nicht bei allen Klöstern eindeutige Hinweisschilder.
Problematisch kann das Fotografieren von Ţigani („Zigeunern“) und deren palastartigen Bauwerken werden. Auf jeden Fall sollte man vorab den Blickkontakt suchen und mit entsprechenden Gesten die Erlaubnis für ein Foto einholen. Bei einigen Roma-Gruppen gilt das Fotografieren als Tabu, weil sie glauben, dabei ihre Seele einzubüßen. Wer keine Probleme bekommen möchte, sollte keinesfalls heimlich fotografieren. Bei besonders begehrten Motiven, beispielsweise bunt gekleideten Roma-Frauen, kann es vorkommen, dass man für ein Foto um einen Obolus gebeten wird.
■ Freundschaften: Wer in Rumänien Freundschaften schließen möchte, sollte das Land mehrmals besuchen und die oft angekündigten Versprechungen („… ich schreibe oder melde mich mal aus Deutschland …“) tatsächlich einhalten. Nur durch Verbindlichkeit lassen sich Freundschaften vertiefen, die meisten Rumänien sind diesbezüglich sehr sensibel. Man trifft hier auf sehr offene, ausgesprochen gastfreundliche Menschen, die sich über freundschaftliche Kontakte ins Ausland freuen, auch wenn dies nicht verallgemeinert werden kann. Von Hinweisen auf eine mögliche Oberflächlichkeit der Rumänen sollte man sich aber nicht verunsichern lassen. Der Autor hat völlig andere Erfahrungen gemacht und in Rumänien sehr tiefe Freundschaften geschlossen und bewegende Menschen getroffen.
■ Geduld: Eine der wesentlichsten Erfahrungen, die man auf dem rumänischen Land machen kann, ist die der Entschleunigung. So kommt man sich in Transsylvanien oder im Landesteil Maramureş mit seinen vielen Pferdefuhrwerken und den gemütlich agierenden Menschen häufig vor wie in einer anderen, längst vergangenen Zeit. Es gilt also, etwas Zeit mit im Gepäck zu haben. Rumänien ist nichts für Instant-Reisende.
■ Geschenke: Während man es in Deutschland als unhöflich empfinden mag, wenn jemand sich sofort nach der Entgegennahme auf ein Geschenk stürzt und es auspackt, ist dies in Rumänien durchaus üblich. Sofortiges Öffnen ist hier Gebot, damit von vorneherein jegliches mögliche Missverständnis, was dieses Geschenk betrifft, aus der Welt geschafft werden kann. Kleine Geschenke erhalten grundsätzlich die Freundschaft. Kaffee oder ein Deodorant waren in Rumänien früher Währungen und Luxusartikel. Das hat sich auf gewisse Weise kaum geändert. Blumensträuße für die Lehrerin, Pralinen für den Hausarzt, ein Küsschen für den Polizisten gelten immer noch als höflicher Akt, selbst wenn man dabei einen eigennützigen Hintergedanken haben sollte.
■ Handeln/Feilschen: Seit dem Eintritt Rumäniens in die Europäische Union im Jahr 2007 hat sich eine höhere Preisstabilität durchgesetzt. In Geschäften kann man grundsätzlich kaum mehr Handeln. Da Rumänen aber gerne über die Preise von Waren und Lebensmitteln verhandeln, kann man besonders auf Märkten weiterhin feilschen und sollte es auch auf jeden Fall tun. Denn insbesondere dort, wo Preisschilder fehlen, ist davon auszugehen, dass man als westlicher Tourist mit leicht erhöhten Preisen rechnen muss.
■ Handy: Man sollte sich von der gefühlt weiten Verbreitung von Smartphones in den Städten nicht in die Irre führen lassen. Weltweit liegt Rumänien mit nur 50 Handys pro 1000 Einwohner lediglich auf dem 128. Platz des Rankings, noch weit hinter Entwicklungsländern wie Lesotho, der Mongolei oder Uganda. Besonders erstaunlich ist, dass selbst der arme Nachbar Moldawien mit der Anzahl von 168 mehr als dreimal so viele Mobilgeräte pro Einwohner zu bieten hat. Was die mediale Erreichbarkeit betrifft, sollte man sich also in weiten Landesteilen auf Enthaltsamkeit einstellen. Bei längeren Aufenthalten lohnt sich der Austausch der eigenen SIM-Karte gegen die eines rumänischen Anbieters, um Roaming-Gebühren zu vermeiden.
■ Improvisation: Rumänen sind Meister der Improvisation, das haben sie vor allem in Zeiten des Mangels und der Entbehrungen unter Beweis gestellt. Projekte mit langen Lauf- und Bauzeiten dagegen führen in Rumänien auch heute nicht notwendigerweise zu qualitativ guten Ergebnissen. Bei schnellen, auch sehr kurzfristig angesetzten Projekten und Aufgaben, beispielsweise der Reparatur eines Automotors ohne passendes Ersatzteil, zeigen rumänische Mechaniker dann, was sie können. Dabei kommt ihnen ihre besondere Neigung zum kreativen und optimistischen Improvisieren entgegen. Ausländische Besucher mit einer Autopanne auf dem weiten Land dürfen also durchaus auf eine Reparatur durch die Improvisationskünstler vertrauen.
■ Kinder: Über auf der Straße spielende Kinder zu mitternächtlicher Stunde sollte man sich keinesfalls wundern. Kinder genießen die Freiheiten eines romanisch geprägten Landes inklusive später Bettzeiten. So wird es auch ausländischen Kindern in rumänischen Restaurants niemand übelnehmen, wenn sie herumlaufen und ihrer Lust aufs lärmende Spielen nachgehen. Materieller Wohlstand ist übrigens für Kinder nicht immer ein Kriterium dafür, sich glücklich und zufrieden zu fühlen. Laut der weltweiten Umfrage zur Kinderzufriedenheit von Children‘s World aus dem Jahr 2015 schätzen rumänische Kinder einer Rangliste zufolge ihr subjektives Wohlbefinden am höchsten ein, Deutschland liegt auf dem zehnten Platz der 15 Teilnehmerländer.
■ Kommunikation: In den Städten findet sich fast immer ein hilfsbereiter Mensch, der einem – eigene Kenntnisse vorausgesetzt – mit Englisch über eventuelle Sprachhürden hilft, und weil Rumänisch eine romanische Sprache ist, oft auch mit Italienisch oder Französisch. In großen Teilen des Banat, vor allem aber Siebenbürgens, trifft man auch auf Rumänen, die Deutsch sprechen. Wer sich mit einem Wörterbuch an die rumänische Sprache wagt, wird erstaunt feststellen, dass sich viele Bedeutungen leicht von anderen romanischen Sprachen ableiten lassen, zum Beispiel: buna ziua – bonjour (frz.) – guten Tag, la revedere – arrividerci (it.) – Auf Wiedersehen. Sprachkundige werden aber auch Erstaunliches entdecken, beispielsweise dass sich u. a. auch deutsche Wörter im Rumänischen tummeln wie şmirgel (Schmirgel) oder abţibilt (Abziehbild). Mehr zu den Themen Sprache und deutsche Spracheinflüsse findet sich ab Seite 174.
■ Müll: Über ein ungewohntes Bild in Bezug auf Müllentsorgung sollten sich Besucher des Landes nicht wundern. Zwar wird in Rumänien europaweit pro Person am wenigsten Müll produziert, doch das nützt leider nicht viel, denn was die Wiederverwertung betrifft, steht das Land deutlich an letzter Stelle. Nach wie vor wird fast der gesamte anfallende Müll rumänischer Haushalte auf „wilden Halden“ gelagert, die meist nicht EU-konform sind. Nur ein Prozent aller Abfälle wird recycelt. Obwohl die EU mit umfangreichen Fördergeldern Sortier- und Verbrennungsanlagen unterstützt, wird deren Bau in Rumänien kaum umgesetzt. Das ökologische Umdenken in der Bevölkerung kommt nur sehr langsam voran. So wäre es u. a. sehr hilfreich, ein umfassendes Pfandsystem für Plastikflaschen zu etablieren. Dann würde das leidige Thema des Plastikmülls, der massenhaft in Bergbächen und Seen entsorgt wird, sicherlich schneller ein Ende finden.
■ Prost und halbvolle Gläser: Ein leidenschaftliches „Prost“ beim Umtrunk könnte in Rumänien zu langen Gesichtern führen. Schließlich heißt prost auf Rumänisch nichts anderes als „Dummkopf“. Hier wäre es also angebracht, kurz die rumänischen Varianten der Trinksprüche einzuüben: noroc (Glück), sănătate (Gesundheit) oder auch la mulţi ani (viele Jahre) kommt in Rumänien immer gut an und wer einem nur Gutes wünschen möchte, sagt es genau so: numai bine.
Bei einer Begrüßung im fremden Haus ist es durchaus üblich, einen Schnaps gereicht zu bekommen. Eine Ablehnung wird als Beleidigung empfunden (behauptet man zumindest). In Wirklichkeit nimmt es einem kein Rumäne übel, wenn man keinen Schnaps mag und dies auch klar sagt, oder wenn man noch Auto fahren muss. Als Beleidigung im umgekehrten Fall würde es aber jeder Rumäne empfinden, wenn man ihm zur Begrüßung nur ein halb volles Glas anbietet. Die Gastfreundschaft gebietet es, einem Gast in rumänischem Hause niemals nur „die halbe Wahrheit“ einzuschenken, denn das könnte als Geiz ausgelegt werden.
■ Prostitution: Rumänien wird neben anderen osteuropäischen Ländern wie Moldawien, der Ukraine und Bulgarien schnell genannt, wenn es um Herkunftsländer von Prostituierten geht, die in Deutschland, Österreich oder der Schweiz ihrem Gewerbe nachgehen. Tatsächlich arbeiten mittlerweile weitaus mehr rumänische Prostituierte in Westeuropa als in Rumänien selbst, wo Prostitution offiziell verboten ist. Wer sich politisch für eine Legalisierung einsetzt, weil sich im Rahmen der Illegalität in den letzten Jahren die Zahl der Geschlechtskrankheiten massiv erhöht hat, muss mit Anfeindungen rechnen. Leider ist, vor allem für rumänische und russische Zuhälter, Menschenhandel nach wie vor ein einträgliches und verlockendes Geschäft. Für die politisch Verantwortlichen am Karpatenbogen bleibt das Thema jedoch ein ausgesprochen heikles. (Weiteres dazu auch ab Seite 218.)
■ Restaurant, Café, Bar: Was die wichtige Spielregel des paarweisen Betretens eines Lokals betrifft, heißt es nicht nur „Bitte nach Ihnen“, sondern auch „Bitte vor Ihnen!“ Ein Mann betritt immer zuerst und vor einer Frau das Restaurant, die Bar, die Hotelhalle usw. Dieses Verhalten, das einige westliche Frauen als unhöflich empfinden mögen, können rumänische Männer wunderbar begründen. Der Mann geht nämlich zum „Schutz der Frau“ als Erster durch die Tür. Eventuell hält sie ihm noch höflich die Tür auf, ist sie doch dankbar, dass sie sich nicht als Erste den Blicken fremder Männer ausliefern muss. Der Mann sichert sozusagen das Terrain ab und sieht nach, ob die „Luft rein ist“ was eine eventuelle (Blick)-Gefährdung der Begleiterin betrifft. Beim Verlassen des Restaurants ist es natürlich genau andersherum. Hier darf die Frau vorangehen. Die Begründung: Der Mann schützt die Frau beim Verlassen einer Lokalität vor unangenehmen Blicken auf ihren Rücken und – wahrscheinlicher – auf ihren Po.
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■ Römertum: In der rumänischen Nationalhymne gibt es eine Zeile, die auf die Idee verweist, Rumänien hätte – im Gegensatz zu Italien – die direkte Nachfolge des römischen Imperiums angetreten: „… că-n aste mâni mai curge un sânge de roman.“ („Jetzt oder nie senden wir Beweise an die Welt, dass in diesen Adern noch Römerblut fließt.“) Noch heute sind viele Rumänen stolz auf eine angeblich jahrtausendealte römische Kontinuität und diskutieren darüber gerne, auch wenn moderne Historiker darauf verweisen, dass es sich um einen nationalistisch geprägten Mythos handelt. Dieser rührt nicht von ungefähr: In vielen rumänischen Städten findet man Statuen der mythischen römischen Zwillinge Romulus und Remus samt Wölfin. Viele Rumänen und Rumäninnen tragen römische Namen: z. B. Ovidius, Adrian, Adriana, Tiberius und eben Romulus und Remus. Dass man stark auf die Epoche der Römer zurückgreift, zeigt sich schließlich auch im Staatsnamen. Romania war in der Spätantike eine übliche Bezeichnung für das Römische Reich.
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■ Sauberkeit und Hygiene: In den Medien und in meinem Bekanntenkreis mangelt es nach wie vor nicht an Horrorberichten über rumänische Toiletten und Bäder. Aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen, dass Seife und Toilettenpapier in öffentlichen Toiletten (vor allem in der Nähe von Raststätten und Sehenswürdigkeiten) nicht immer vorhanden sind, also bitte parat halten! Auch in Bukarest kann die Benutzung vieler öffentlicher Toiletten aufgrund mangelnder Hygiene leider nicht empfohlen werden. Mittlerweile hat jedoch die steigende Zahl von westlichen Touristen dazu geführt, dass man im Hotel- und Gaststättengewerbe und bei einigen Sehenswürdigkeiten höchsten Wert auf Hygiene und Sauberkeit legt.
■ Taxi: