LORA LEIGH

Breeds

Tanners Begehren

Roman

Ins Deutsche übertragen

von Silvia Gleißner

Zu diesem Buch

Lange hat Tanner auf diese Gelegenheit gewartet: Um sich an seinem Erzfeind zu rächen, entführt er Scheme Tallant, die Tochter eines Generals, der für zahlreiche Gräueltaten an den Breeds verantwortlich ist. Auch Scheme war an den Machenschaften ihres Vaters beteiligt, davon ist Tanner überzeugt. Schließlich hatte sie die Dokumente unterzeichnet, die den Tod von Breeds anordneten, und entscheidende Informationen vernichtet, um die Spuren der Reinheitsfanatiker des Genetics Councils zu verwischen. Sobald er ihr die Informationen, die er brauchte, entlockt hätte, würde er sie zur Vollstreckung des Breed Law ausliefern. Doch als er der hübschen Scheme gegenübersteht, entfacht diese ein Verlangen in ihm, das er nicht kontrollieren kann – und nie hätte er damit gerechnet, dass er sich in sie verlieben könnte. Nachdem er erfährt, dass General Tallant einen Auftragskiller auf Scheme angesetzt hat, ahnt Tanner, dass er sich in ihr getäuscht haben könnte, und setzt fortan alles daran, sie zu beschützen.

Für Scheme.

Danke, dass du meine Freundin bist.

Prolog

General Cyrus Tallant saß in seinem Büro. Nur die Lampe auf seinem Schreibtisch spendete ihm Licht, als er mit Tränen in den Augen das Bild in seinen Händen betrachtete.

Seine Tochter. Seine kleine Intrigantin.

Seine Lippen verzogen sich zu einem traurigen Lächeln, als er an ihren Namen dachte: Scheme – Intrige. Natürlich war es seine Idee gewesen, ihr diesen Namen zu geben. Es hatte gar keine Alternative gegeben: In dem Augenblick, da er ihren winzigen Körper in seinen Armen gehalten hatte, war ihm klar gewesen, dass aus ihr einmal eine kleine Manipulantin werden würde.

Und er war stolz gewesen: auf ihre schokoladenbraunen Augen, ihr dichtes schwarzes Haar, die Art, wie sie zu ihm aufsah, als würde sie sich fragen, wie sie diesen Mann wohl zu ihrem Nutzen einsetzen könnte – selbst damals schon.

Ein tränenersticktes Kichern drang leise durch das Büro. Sie war immer ein helles Köpfchen gewesen, berechnend so wie er – und wie ihre Mutter. Leider Gottes ähnelte sie ihrer Mutter vielleicht ein bisschen zu sehr.

Die liebe Dorothy. Sie hatte ein Komplott gegen ihn geschmiedet und diesen widerwärtigen Breeds zur Flucht verholfen. Und nun quälten ihn Callan Lyons und das kleine Rudel, das er anführte. Dorothy hatte ihnen bei der Flucht und der Zerstörung des Labors in New Mexico geholfen; damals war Scheme kaum zehn Jahre alt gewesen.

Er hätte damals schon wissen müssen, dass Dorothys plötzliche Skrupel sein Kind korrumpiert hatten. Dorothy hatte viel Zeit mit Scheme verbracht und eine Beziehung zu ihr aufgebaut, wie sie nur zwischen Mutter und Tochter möglich war. Er hätte ahnen müssen, dass seine Tochter den Mangel an mentaler Stärke geerbt hatte, die nun einmal notwendig war, um zu tun, was getan werden musste – um die Breeds zum Gehorsam gegenüber ihren Herrn und Meistern zu zwingen.

Und jetzt führte sein heiß geliebtes Kind Dorothys Vermächtnis fort.

Er wischte die Träne fort, die ihm langsam übers Gesicht lief.

Scheme wollte ihn vernichten. Und falls es ihr gelang, tatsächlich Jonas Wyatt zu kontaktieren, würde sie ihn vernichten. Das durfte er nicht zulassen. Er durfte nicht zulassen, dass sie sich zu den Kreaturen flüchtete, denen sie offensichtlich jahrelang geholfen hatte.

Dabei war ihm das Glück zu Hilfe gekommen, und es war ihm gelungen, Wyatt aus Washington fortzulocken. Nun musste er sich nur noch um seine Tochter kümmern.

Er musste sie töten.

Er ließ den Blick durch sein Büro schweifen. Er hätte sich darum kümmern sollen, bevor sie zu der Party aufgebrochen war, auf der sie ihn verraten wollte, aber er hatte einfach nicht die Kraft dazu gefunden.

Er konnte sie nicht in ihrem Zuhause töten, wo sie aufgewachsen war, wo er mit ihr gespielt hatte, als sie ein Kind gewesen war, wo er mit ihr gelacht hatte – vor der Zeit, die sie auf der Akademie verbracht hatte.

Er konnte ihr Blut nicht in dem Haus vergießen, in dem sie zur Welt gekommen war. Das wäre nicht richtig gewesen.

Er hob den Kopf und blickte über den Schreibtisch hinweg den Mann an, der dort noch immer auf seine Befehle wartete.

Chazzon St. Marks war ein hervorragender Killer; leise und unsichtbar. Er hinterließ nie Spuren und befolgte immer seine Befehle. Einen besseren Killer konnte man sich nicht wünschen.

Und wegen dieses Mannes hasste seine Tochter ihn abgrundtief. Vielleicht war es ein Fehler gewesen, grübelte er im Stillen, als er Chaz vor Jahren befohlen hatte, ihr Liebhaber zu werden, das Herz seiner Tochter zu erobern und ihre Geheimnisse herauszufinden.

Chaz hatte nicht viel in Erfahrung gebracht, außer dass Scheme Cyrus verdächtigte, ihre Mutter ermordet zu haben, und dass sie bedauerte, ohne den Einfluss dieser Schlampe aufgewachsen zu sein. Und sie hatte Chaz anvertraut, dass sie von einem Leben weit weg von ihrem Vater träumte.

Und dann war sie schwanger geworden.

Chaz war ein guter Killer, aber sein Genmaterial eignete sich nicht für einen Erben. Cyrus hatte nicht zulassen können, dass sein Enkelkind mit diesem Vater zur Welt kam. Ganz besonders kein männlicher Enkel.

In seiner Eigenschaft als Schemes Vater hatte er die Entscheidung getroffen, das Kind abtreiben zu lassen.

Erst jetzt war Cyrus klar geworden, dass sie nie verstanden hatte, dass er sie damit nur hatte schützen wollen. Er hatte nur versucht, sie anzuleiten, zu führen.

»Bereust du das mit dem Kind?«, fragte er Chaz.

Kalte, sehr kalte blaue Augen erwiderten seinen Blick, und harte Lippen verzogen sich spöttisch. »Ich habe sie für Sie betäubt. Wenn ich das Balg gewollt hätte, wäre ich mit ihr abgehauen.«

Ja, das hätte er getan. Chaz gewährte seine Loyalität nur freiwillig, und er hatte keine Bedenken, sich etwas zu nehmen, wenn es ihm in den Kram passte. Cyrus respektierte das.

»Haben wir Beweise?« Sein Kummer wog schwer.

Er hatte seine Tochter über die Jahre viele Male bestraft, in seinem Bemühen, sie zu trainieren, sie zu stärken und sie zu lehren, welchen Wert es hatte, wenn sie ihm ihre Loyalität schenkte. Er war hart mit ihr umgegangen, zugegeben. Einmal hatte er sie sogar getötet, um sie die Bedeutung des Todes zu lehren. Sollte sie ihn je hintergehen, wäre dies ihre Strafe. Damals hatte er keine Beweise gehabt, nur einen Verdacht, und seine Schuldgefühle waren immer drückender geworden, jedes Mal wenn Scheme ihn mit anklagendem Blick ansah.

Ohne einen Beweis konnte er sie nicht endgültig töten, weil diese anklagenden braunen Augen ihn bis in alle Ewigkeit verfolgen würden. Er brauchte absolute Gewissheit.

»Ihre ID war ins Übermittlungssystem eingeloggt. Sie hat sich große Mühe gegeben, ihre Spuren zu verwischen, aber ich habe Beweise gefunden.« Chaz übergab ihm das ID-Protokoll.

Da stand es schwarz auf weiß: ihre Versuche, die Spuren im System zu löschen – und die Nachricht, die früher am Tag an das Büro für Breeds-Angelegenheiten geschickt worden war. In dieser Nachricht ersuchte sie um Asyl bei Jonas Wyatt. Es war reines Glück gewesen, dass sein Spion sich in den Büroräumen in Washington aufgehalten hatte, als die Nachricht eingegangen war. Cyrus unterdrückte sein Seufzen und Bedauern.

»Offensichtlich hatte sie nicht genug Zeit, um den Job gründlich zu erledigen«, murmelte er. Er wusste genau, dass sie es mit ausreichend Zeit geschafft hätte.

»Und ich vermute, dass ihr das klar ist. Sie dachte, sie hätte stattdessen genug vom internen Speicher gelöscht, um genügend Zeit zu haben, Jonas Wyatt zu erreichen. Sie ist der Spion, Cyrus. Es ist an der Zeit, es sich einzugestehen. Die Frage ist, welche Informationen hat sie mitgenommen? Denken Sie, sie weiß von der Entführung des Breed-Kindes?«

Er musste es sich endlich eingestehen. Er hatte es mehrere Male vermutet und sein eigenes Kind gefoltert, um ihr das Geständnis abzuringen, war jedoch jedes Mal gescheitert. Jahrelang hatte er sich selbst gehasst, war von Schuldgefühlen geplagt gewesen, nur um am Ende zu erfahren, dass sie noch hinterhältiger gewesen war, als selbst er es für möglich gehalten hatte.

Er hatte Prügel angeordnet, sie mehrere Male lebendig begraben, und ihr einmal sogar gestattet zu sterben, bevor er sie rasch wiederbelebt hatte. Er hatte sie verdächtigt und unbedingt ihren möglichen Verrat verhindern wollen, um die Notwendigkeit ihres Todes zu vermeiden.

Cyrus hob den Blick zu dem Ölgemälde an der Wand gegenüber. Seine Scheme, strahlend in feuerroter Seide, auf seinem Bürosessel. Ihr langes schwarzes Haar fiel ihr wie ein Wasserfall über die Schulter, und ihre dunklen Wimpern verbargen den Ausdruck ihrer Augen. Er redete sich oft ein, dass sie dahinter ihre Liebe für ihn versteckte. Ihr Verständnis.

»Es spielt keine Rolle, was sie weiß. Unser Agent ist inzwischen so nahe dran, dass die Entführung des Kindes kein Problem sein wird. Sie kennt das genaue Datum nicht, höchstens ein ungefähres. Selbst wenn sie ihnen das verrät, wird das nichts ändern.«

Aber sie wusste noch andere Dinge. Dinge, für die sie vielleicht keine Beweise besaß, die ihn aber dennoch vernichten konnten.

»Sie ist zu einer Belastung geworden, Cyrus. Sie haben die richtige Entscheidung getroffen«, versicherte Chaz.

»Sie ist gerade auf einer Party für diesen Tigerbastard Reynolds. Ich will, dass sie noch vor Sonnenaufgang tot ist.« Die Worte drohten ihn zu ersticken. »Barmherzig, Chaz, ich bitte dich.«

Chaz neigte zustimmend den Kopf. »Ich kümmere mich um sie, Cyrus«, versprach er leise. »Kurz und schmerzlos.«

Ja, das würde Chaz tun. Er empfand Zuneigung für Scheme, das wusste Cyrus. Aber, anders als Scheme, verstand Chaz ihre Zukunftspläne und worauf sie hinarbeiteten.

»Denkst du, es wäre anders gekommen, wenn sie das Kind hätte behalten dürfen?«

Diese Frage verfolgte ihn.

»Ich bezweifle es, Cyrus. Sie hat auf das hier hingearbeitet, seit dem Tag, an dem ihre Mutter starb. Sie hat immer gewusst, dass Sie sie getötet haben, trotz Ihrer Geschichte. Sie hätten später auch noch ein Enkelkind töten müssen.«

Ja. Cyrus nickte zu den Worten des Killers. So wie er seine Frau getötet hatte, war er nun gezwungen, seinem Kind das Leben zu nehmen. Er hätte es nicht ertragen können, das Gleiche einem Enkelkind anzutun, das er mit aufgezogen hatte.

»Also gut.« Er nickte und stellte das Foto zurück an seinen Platz. »Ich vertraue darauf, dass du dich darum kümmerst.«

Chaz stand auf und hielt inne, bevor er sich umdrehte. »Ich hätte mein Kind nicht töten können, Cyrus«, sagte er. »Wäre es geboren worden, hätte ich Sie anstelle des Kindes getötet. Sie haben die richtige Entscheidung getroffen. Dieses Kind hätte uns beide schwächer gemacht.«

Ja, so wäre es gewesen. Das Kind wäre eine noch größere Schwachstelle gewesen, als Scheme es schon war. Cyrus nickte wieder. »Barmherzig, Chaz. Sanft.«

Bedauern flackerte im Blick des Jüngeren auf, bevor er sich umdrehte und zur Tür ging. Chaz würde, wie auch er selbst, den Verlust bedauern, aber er würde es durchziehen.

»Lebe wohl, Prinzessin«, flüsterte er und streckte den Finger aus, um ihr Gesicht auf dem Foto zu streicheln, während ihm eine weitere Träne über die Wange lief. »Es tut mir leid.«

1

Sie war der Inbegriff von Grazie, Mysterium und Schönheit. Tanner Reynolds beobachtete Scheme Tallant, wie sie an den Wänden des Saales entlangflanierte und hier und dort ein wenig plauderte. Ihr kühles Lächeln war eine Herausforderung, die ihn reizte.

Er hätte ihren Tod in dem Augenblick anordnen sollen, als er erfahren hatte, dass sie die Einladung zur Party angenommen hatte. Aber etwas hatte ihn davon abgehalten. Irgendetwas hielt ihn immer davon ab. Nicht zum ersten Mal waren seine Handlungen in Bezug auf sie von Lust geleitet.

Sie war die Tochter von General Cyrus Tallant. Die Saat des Bösen in Person. Cyrus Tallant hatte das Ausbildungsprogramm für die Breeds geleitet, bis zu deren Rettung vor zehn Jahren. Manipulativ und zerstörerisch, wie er war, hatte er es geschafft, nach außen eine saubere Weste zu bewahren und sicherzustellen, dass es keinen echten Beweis für die Position gab, die er innegehabt hatte. Doch Tanner und die Breeds, denen er vor Jahren aus dem Labor in New Mexico gefolgt war, hatten immer von der finsteren Heimtücke dieses Mannes gewusst.

Und von der Boshaftigkeit seiner Tochter. Sie arbeitete mit ihm zusammen, sie arbeitete für ihn. Sie hatte die Dokumente unterzeichnet, die den Tod von Breeds anordneten, und sie hatte entscheidende Informationen vernichtet, um die Spuren des Genetics Council zu verwischen.

Es war ihnen gelungen, Dutzende Mitglieder des Councils anzuklagen, aber der Kopf der Bestie war immer noch intakt. Zur Führung des Councils, die aus zwölf Mitgliedern bestand, mussten sie erst noch durchdringen. Solange diese Leute nicht zur Strecke gebracht waren, würde es keinen Frieden für die Breeds geben.

Wenn sie Cyrus Tallant ausschalten konnten, wäre der Kopf des Councils ernsthaft geschwächt. Scheme Tallant war die Schwachstelle ihres Vaters. Unglücklicherweise war es bisher niemandem gelungen, sie zum Reden zu bringen.

Tanner war überzeugt, dass er es schaffen würde.

Ein Lächeln spielte um seine Lippen, und er war sicher, dass sich Lust und Vorfreude darin spiegelten. Heute Nacht. Heute Nacht würde er sie sich schnappen. Jonas Wyatt, Direktor des Amts für Breeds-Angelegenheiten, war nicht in der Stadt; er konnte also kein Veto gegen die Mission einlegen. Am Ende würde er die Informationen haben, die er brauchte, so schwor sich Tanner. Oder Scheme Tallant wäre tot.

Er hatte es satt, dass Jonas sich zwischen ihn und die Frau stellte. In seiner Eigenschaft als Direktor des Amts für Breeds-Angelegenheiten hatte Jonas Tanner befohlen, abzuwarten, was passierte, um Tallant eine Chance zu geben, Mist zu bauen.

Doch Tallant würde keinen Mist bauen. Er würde keinen Fehler machen. Genauso wenig wie seine Tochter. Und Tanner hatte es satt, zu warten.

Heute Nacht würde er sie sich schnappen. Ihr Vater würde ahnen, wer sie hatte, aber er hätte keinen Beweis dafür. Und Tanner wusste, wo er sie verstecken konnte. An einem Ort, wo kein Mann und kein Breed sie jemals finden würde.

Es war an der Zeit, dass Scheme Tallant für ihre Rolle bei den Mordbefehlen bezahlte, die unzählige Breeds in den Tod geschickt hatten. Es war an der Zeit, die Samthandschuhe abzulegen und die Informationen zu beschaffen, die sie brauchten. Nicht nur über ihren Vater, sondern auch über die Identität des Spions in Sanctuary und die Standorte der Blutreinheitsfanatiker und Rassistengruppen. Die Gefahr, dass sie die Verteidigung des Breed-Lager durchbrachen, wurde von Tag zu Tag größer.

Es war an der Zeit zurückzuschlagen.

Der Goldjunge der Breed-Gemeinschaft war zugegen, umschmeichelt und geliebt von allen. Tanner Reynolds. Playboy, PR-Genie und möglicherweise ihr Scharfrichter, falls er es tatsächlich schaffte, ihrer in einer dunklen Gasse habhaft zu werden.

Sie war zur Party gekommen, um sich in Sicherheit zu bringen. Hier wollte sie den Breed treffen, mit dem sie die letzten acht Jahre zusammengearbeitet hatte, aber er war nicht da. Er nicht, dafür aber viele andere.

Langsam bewegte Scheme sich durch den Saal, beobachtete die anwesenden Breeds und ordnete die Namen den Akten zu, die sie über die Jahre studiert hatte. Cabal St. Laurens, Tanners genetischer Zwilling, war nicht anwesend, aber das war nichts Ungewöhnliches. Er war kein Partylöwe.

Auch von den verheirateten Paaren unter den Breeds war keines hier, aber Scheme wusste, dass sie eingeladen worden waren. Mehrere Enforcer in schwarzer Uniform waren da. Auf ihren Uniformen war das Abzeichen der speziellen DNA ihres Trägers an der Schulter aufgeprägt. Viele Löwen, ein paar Panther, und sie war sicher, vorhin einen Puma gesehen zu haben – aber keine Tiger.

Der einzige Tiger im Saal war Tanner, und er war kein Enforcer. Zumindest hatte das Amt für Breeds-Angelegenheiten ihn nicht als solchen benannt. Doch Scheme wusste es besser. Sie wusste, welch harte Vergeltungsschläge er austeilen konnte, wenn die Situation es erforderte. Einmal war sie sogar gestorben, nachdem sie den Beweis einer seiner Vergeltungsaktionen vernichtet hatte. Bei dem Gedanken verzogen sich ihre Lippen zu einem spöttischen Lächeln. Als Doppelagentin für die Breeds zu arbeiten konnte gesundheitsschädlich sein. Vor allem dann, wenn der einzige Breed, der über ihren Status Bescheid wusste, anscheinend gerade nicht auffindbar war.

Vorsichtig bewegte sie sich durch den Ballsaal, in dem sich mindestens zwei Dutzend Breeds befanden. Aber der eine, den sie suchte, war nicht gekommen. Jonas Wyatts Abwesenheit war auffallend. So etwas kam nur selten vor. Extrem selten.

Scheme nippte an ihrem Champagner und schlenderte auf die Schiebetüren und den Garten dahinter zu. Sie musste der erdrückenden Atmosphäre der Party mit all den argwöhnischen Blicken unbedingt entfliehen. Noch dringender musste sie jedoch Wyatt finden. Verdammt, er hätte hier sein müssen!

Scheme hob den Rock ihres leuchtend scharlachroten Abendkleides, stieg die Marmorterrasse hinab und folgte dem Steinpfad, der in den spärlich beleuchteten Garten führte. Es war nicht gerade der sicherste Aufenthaltsort für sie – nicht bei den vielen Breeds, die hier herumliefen –, aber sie brauchte die Stille, um ihre Optionen abzuwägen, nun da ihr Zielobjekt nicht erschienen war.

Ihr Erscheinen bei dieser Party war ein riskanter Schachzug – nicht nur weil sich hier jede Menge Breeds befanden, die ihr gerne ein Loch in den Kopf gepustet hätten, sondern auch weil zu viele Augen ihr Vorhaben beobachten konnten. Cyrus Tallant zu hintergehen, war keine gute Idee, schon gar nicht so offen, wie sie es geplant hatte.

Mit der Einführung der Breed-Gesetze vor mehreren Jahren war Scheme mehr oder weniger zu einer Zielscheibe geworden. Als Assistentin ihres Vaters war sie die Schnittstelle zu seiner Kontaktperson im Council gewesen, und als der Mann verhaftet und für seine Verbrechen vor Gericht gestellt wurde, war auch Scheme ins Visier geraten. Und unter Verdacht. Sie war der Schutzschild ihres Vaters gewesen und hatte es nicht einmal gewusst.

Sie wanderte durch den Garten, immer weiter weg von der Party und immer tiefer in den schattigen Frieden, den ihr die üppige Gartenlandschaft bot. Hier gab es nicht so viele Augen, die ihr folgten, mit manchmal verachtenden, aber immer misstrauischen Blicken.

»Im Dunkeln umherzuwandern, könnte gefährlich sein, Miss Tallant. Sie sind nicht gerade beliebt dieser Tage.«

Beim Klang seiner Stimme blieb sie wie angewurzelt stehen. Tief und weich wie alter Whiskey. Tanner Reynolds glitt aus der Dunkelheit und musterte sie aus einer kleinen Grotte heraus, in der das beruhigende Plätschern eines nahen Springbrunnens zu hören war.

Das Ambiente bot pure Romantik: dezente Beleuchtung, im Hintergrund plätscherndes Wasser, Schatten um sie herum. Einen Augenblick lang, nur einen Augenblick, gestattete Scheme sich ein Gefühl von Bedauern. Bedauern, weil die Atmosphäre und die plötzliche Anspannung in ihr nicht einem Liebhaber galten, sondern einem Mann, der in ihr seinen Feind sah.

Er trug einen Smoking. Herr im Himmel, Männern wie Tanner Reynolds sollte es verboten werden, einen Smoking zu tragen! Man sollte es als Verbrechen ahnden. Es war, als würde man einem Tiger eine Fliege umbinden. Die natürliche Gefährlichkeit der Bestie wurde dadurch nur noch unterstrichen.

»Ich wurde eingeladen«, versicherte sie ihm und wunderte sich dabei über den belegten Klang ihrer eigenen Stimme.

»Natürlich wurden Sie eingeladen«, antwortete er sanft. »Dafür habe ich gesorgt.«

Das reichte völlig aus, um die Nerven einer Frau vor Schock erbeben zu lassen. Ihre Nippel richteten sich interessiert auf. Das war nicht gut, und zwar aus dem einfachen Grund, weil Breeds die Erregung einer Frau fühlen und wittern konnten.

»Sie haben dafür gesorgt?« Sie legte den Kopf schief und ließ ihr Haar über die Schulter nach vorn fallen, sodass es ihr Gesicht abschirmte. »Und warum sollten Sie das tun?«

Vielleicht, um dich umzubringen, erinnerte sie da eine zynische und plötzlich gänzlich unerfreute innere Stimme. Vergessen war die plötzliche Wärme zwischen ihren Beinen und die sinnliche Knospung ihrer Brustwarzen. Dieser Breed würde sie eher töten, als mit ihr zu schlafen.

Sie konnte ihm noch nicht mal einen Vorwurf machen. Er wusste nichts über sie als den Eindruck, den sie während der letzten zehn Jahre zu erwecken versucht hatte: dass sie die Tochter von Cyrus Tallant war, und zwar nicht nur aufgrund ihrer Blutsverwandtschaft, sondern auch im Hinblick auf ihre Gnadenlosigkeit. Sie hatte sich stets als Teil jener Interessengruppen ausgegeben, die entschlossen waren, die Breeds zu vernichten – eine Feindin ebenjener Spezies, für deren Rettung sie unzählige Male ihr Leben riskiert hatte.

Und sie konnte ihm nicht die Wahrheit enthüllen. Nicht jetzt. Erst musste Jonas herausbekommen, wer der Spion in den Reihen der Breeds war. Erst musste sie Jonas finden und dafür sorgen, dass die Informationen, die sie besaß, in die richtigen Hände gelangten.

»Sagen wir, ich hielt es für an der Zeit, dass wir uns begegnen«, erklärte er. »Wir scharwenzeln nun schon seit Jahren umeinander herum und achten darauf, uns aus dem Weg zu gehen. So langsam verliere ich die Geduld bei diesem Spiel.«

»Dann spielen wir also ein Spiel?« Scheme runzelte neugierig die Stirn. »Die Spielregeln müssen wohl in der Post verloren gegangen sein.«

»Ich denke, die Regeln sind Ihnen wohlbekannt.« Er trat aus den Schatten auf den Weg, neben sie, und gleichzeitig schien jeder Sauerstoff aus der Luft zu entschwinden.

»Das glauben Sie vielleicht«, meinte sie leise. »Aber dafür müsste ich zuerst das Spiel verstehen. Was wollen Sie, Mr Reynolds?«

»Sie nennen mich ja gar nicht Breed«, erinnerte er sie tadelnd, und der Klang seiner Stimme strich über ihre empfindsamen Nerven. Ihr lief es doch tatsächlich eiskalt über den Rücken. »War es denn nicht die Ansicht Ihres Vaters, dass uns die Verleihung eines Namens den irrigen Eindruck vermitteln würde, dass unser Leben von irgendwelchem Wert wäre? Dass wir menschliche Wesen sein könnten.«

Warnende Anspannung lag in der Luft. Er drohte ihr. Scheme beschloss, es zu ignorieren. Viel zu lange war sie diesem Zusammentreffen aus dem Weg gegangen, und sie war des Kämpfens müde. Sie hatte genug davon, ihm aus dem Weg zu gehen und Ausreden zu erfinden. Sie hatte genug von der Angst, von Blut und Tod.

»Ich arbeite nur für meinen Vater, Mr Reynolds, ich lebe nicht seine Ansichten«, stellte sie fest.

Sein leises Lachen war tief und gefährlich. In diesem hinteren Bereich des Gartens war es so dunkel, dass sie nur das goldene Glitzern seiner Augen sehen konnte, als sie zu ihm aufblickte. Und auch die waren hypnotisierend.

Erneut lief es ihr kalt über den Rücken, als er die Hand hob und ihr das Haar zurückstrich. Die langen seidigen Strähnen glitten über ihre bloßen Schultern und machten ihr seine Präsenz noch bewusster.

Der tiefe Ausschnitt ihres trägerlosen Kleides bot keinen Schutz vor seinen Fingern, die über ihre nackte Schulter und ihr Schlüsselbein strichen. Warme Haut, leicht rau, berührte sie und löste ihre Anspannung. Die Berührung entspannte sie und entfachte zugleich Hitze in ihr.

Ihr Herz raste, hämmerte in ihrer Brust, voller Angst. Oder Erregung? Angst, mahnte sie sich, denn von etwas so Winzigem wie der kaum spürbaren Berührung seiner Fingerspitzen würde sie sich nicht in Erregung versetzen lassen.

»Ihr Vater sollte Sie besser beschützen«, meinte er leise. »Bei dem Angriff auf Sanctuary letzten Monat wurde Blut vergossen. Wir wissen, dass Sie beide darin verwickelt waren. Wir müssen es nur beweisen.«

»Und Beweise haben Sie keine«, erinnerte sie ihn ebenso leise. »Mich im Dunkeln zu belästigen wird Ihnen auch keine verschaffen.«

Er hielt inne, und seine Nasenflügel weiteten sich, als er sie mit fragendem Blick musterte. Er war gefährlich, noch viel gefährlicher als die anderen Breeds, das wusste sie.

Ihre Erregung konnte sie nicht vor ihm verbergen; sie wusste, dass er sie wittern konnte. Sie sah es in der Anspannung seines Körpers und dem Glitzern der Lust in seinen Augen. Tanner war die Antwort der Breeds auf einen Hollywood-Playboy. Er war der Bad Boy, der sich mit Freuden seiner Sinnlichkeit und seinen erotischen Gelüsten hingab.

»Sagen Sie mir eines, Scheme.« Er beugte sich zu ihr und blockierte damit das Licht, während sie in seine hypnotisierenden Augen sah. »Haben Sie gar keine Angst? Ich könnte Ihnen das Fleisch von den Knochen reißen und Ihre Leiche so verschwinden lassen, dass kein Mann und kein Breed sie jemals finden würden. Ich könnte Ihnen Schmerzen bereiten, die alles in den Schatten stellen, was Sie je erlebt haben.«

»Schmerz ist nicht das, was Sie mir zeigen wollen«, flüsterte sie zurück. »Und im Augenblick verschwenden Sie auch keinen Gedanken an Mord, nicht wahr, Tanner?«

»Führen Sie mich nicht in Versuchung.« Seine dunkle Stimme klang tiefer und hatte nun einen unmissverständlich erotischen Unterton. »Sie wären völlig überfordert mit dem, was ich Ihnen geben könnte.«

Sie zwang ihre Lippen zu einem kleinen Schmollmund. »Aber Tanner, Sie in Versuchung zu führen wäre doch ein solcher Spaß«, meinte sie gedehnt. »Sie wissen doch sicher, dass das mein liebstes Hobby ist? Gute Jungs dazu zu verleiten, böse Jungs zu sein.«

»Ich bin schon ein böser Junge«, grollte er und ragte plötzlich noch näher über ihr auf. »Einer von der übelsten Sorte. Sie wollen nichts von mir; damit könnten Sie nicht umgehen.«

»Oh, eine Herausforderung!« Sie reizte ihn, und der verbale Schlagabtausch machte ihr tatsächlich Spaß. »Wenn mein Terminkalender nicht so voll wäre, würde ich darauf ganz sicher eingehen.«

»Sie würden tatsächlich mit einem Tier schlafen?«, fragte er. »Aber Miss Tallant, Ihren Vater würde der Schlag treffen.«

Schön wär’s.

»Alle Männer sind Tiere, egal, als was sie geboren wurden«, behauptete sie und versuchte dabei mit aller Gewalt die Bitterkeit zu unterdrücken. »Keine Sorge, von so etwas lasse ich meine Entscheidungen nicht beeinflussen.«

Er neigte sich zu ihr, und plötzlich lagen seine Lippen an ihrem Ohr. Sie streichelten die empfindsame Muschel, als er flüsterte: »Meine Schöne, du hattest mich noch nicht. Ich könnte dir zeigen, wie es wirklich ist mit einem Tier. Ich könnte dich dazu bringen, dass du um mehr flehst.«

Daran hatte sie keinerlei Zweifel. Falls ihr körperlicher Zustand irgendein Hinweis war, würde es nicht lange dauern, bis sie so weit wäre, zu betteln.

»Dazu müssten Sie mich erst mal in ein Bett bekommen.« Sie drehte den Kopf, bis ihre Lippen auch sein Ohr berührten, ließ ihre Zunge herausgleiten und leckte damit über sein Ohrläppchen. »Und ich habe es mir zur Regel gemacht, niemals mit Männern zu schlafen, die mich hassen. Damit sind Sie aus dem Rennen, Mr Reynolds.«

Er blieb absolut reglos stehen, die Hände an ihren Hüften, ohne sie wirklich zu berühren, sein Körper angespannt, in Bereitschaft, als würde er eine Gefahr wittern.

»Ich habe nie behauptet, dich zu hassen, Scheme«, flüsterte er schließlich und schob mit dem Kinn ihr Haar beiseite. Plötzlich lagen seine Lippen an ihrem Hals, und seine Reißzähne hinterließen eine brennende Spur auf ihrer Halsschlagader. »Aber eines schönen Tages wirst du mit mir schlafen. Es sei denn, ich töte dich vorher.«

Er kniff sie in den Hals, und sie zuckte überrascht zurück, hob die Hand an die brennende Stelle und funkelte ihn zornig an.

»Das war völlig unangebracht.« Ihre Stimme klang hart, sie straffte die Schultern und sah ihn finster an. »Kennst du etwa die Regeln nicht, Tanner? Man beißt nicht beim ersten Date, und schon gar nicht bei einem zufälligen Aufeinandertreffen im Dunkeln. Selbstbeherrschung kennzeichnet einen zivilisierten Mann aus.«

»Wer sagt denn, dass ich zivilisiert bin?« Jetzt lachte er, und bedrohliche Reißzähne blitzten auf, die in der Dunkelheit glitzerten. »Das war nur eine Warnung, meine Schöne. Wenn ich erst einmal meinen Schwanz in dich schiebe, wirst du mich anflehen, dich zu beißen.«

Oh ja, genau das war es, wovor sie Angst hatte. Gefährlich. Sehr gefährlich. Sie spielte gerade mit einem Feuer, das heißer war und noch größeres Potenzial hatte, sie zu vernichten, als das, mit dem sie die letzten zehn Jahre lang gespielt hatte.

»Nur in deinen Träumen.« Ihr Spott enthielt mehr Selbstsicherheit, als sie tatsächlich empfand. »Und wenn du mich jetzt entschuldigen würdest … So unterhaltsam dieses kleine Abenteuer auch ist, ich muss jetzt wirklich gehen. Es wird langsam spät.«

Sie wollte an ihm vorbeigehen, wurde jedoch abrupt von seinem breiten Brustkorb gestoppt, der ihr plötzlich den Weg versperrte.

»Du läufst davon«, meinte er vorwurfsvoll, hob eine große Hand und strich mit dem Finger über ihre Wange. »Glaubst du, ich habe dich mit so viel Aufwand hierhergelockt, damit du jetzt so einfach davonkommst?«

»Ich denke, ich habe genug von deiner charmanten Gesellschaft.« Ihr Körper flehte um mehr, aber zur Hölle noch mal, der besaß ja auch nicht genug Verstand, um sich anständige Liebhaber auszusuchen, warum sollte sie jetzt also auf ihn hören?

»Ich werde dich nehmen, Scheme. Dagegen anzukämpfen, wird dir nichts nützen, es verlängert nur den Kampf.«

»Ich zittere schon wie Espenlaub.« Sie verdrehte die Augen, trat zur Seite und ging – diesmal erfolgreich – an ihm vorbei. »Hast du es denn noch nicht gehört, Tanner? Die Jagd ist das halbe Vergnügen.« Genau genommen hatte sie festgestellt, dass es das einzige Vergnügen war, aber das männliche Ego zu beleidigen war selten ein kluger Schachzug. Schon gar nicht das eines Breeds. »Und nun wirst du mich entschuldigen müssen. Ich habe genug von der Party und deinen geistreichen sexuellen Anspielungen. Es ist Zeit für mich zu gehen.«

»Miss Tallant«, sagte er leise, als sie zurück zur Party ging, »es war mir definitiv ein Vergnügen.«

Tanner sah zu, wie sie den Garten verließ, eine schlanke Gestalt, umgeben von dem Licht, das aus dem Haus drang und ihr scharlachrotes Kleid wie Feuer aufleuchten und zugleich das üppige schwarze Haar noch dunkler erscheinen ließ.

Prüfend fuhr er sich mit der Zunge über die Zähne. Keine geschwollenen Drüsen. Einen Moment lang, nur einen kurzen Augenblick, hatte er ein Aroma in seinem Mund wahrgenommen, so ungewohnt, dass sein Herz ahnungsvoll kurz ausgesetzt hatte. Konnte Scheme Tallant seine Gefährtin sein? Die Frau, die er schon seit Jahren entführen wollte, die er mit fast schon fanatischem Eifer beobachtete, barg eine Faszination für ihn wie keine andere Frau je zuvor.

Die Symptome des Paarungsrausches waren in der Gemeinschaft der Breeds inzwischen allgemein bekannt: die geschwollenen Drüsen und jene ungewöhnliche lustvolle Hitze, die Körper und Verstand erfasste. Verlangen nach ihr durchfuhr ihn, stärker als alles, was er je erlebt hatte. Doch er bemerkte keines der körperlichen Anzeichen für den Paarungsrausch.

»Sie verlässt die Party«, meldete er über sein winziges Ohrmikro. Er wusste, das Team am anderen Ende würde seine Meldung erhalten.

»Haben wir gehört«, antwortete Cabal knurrend.

Tanner grinste leicht. Trotz seiner sexuellen Unbekümmertheit im Privaten fühlte Cabal sich bei öffentlichen Flirtereien nur selten wohl.

»Folgt ihr«, befahl Tanner und begab sich zurück in den Saal. »Ich will wissen, wann sie zu Hause ankommt und ob sie allein ist oder nicht.«

»Bist du sicher, dass das die beste Vorgehensweise ist, Tanner?«, fragte Cabal. »Es ist nie klug, einer Schlange in ihren Bau zu folgen.«

»So denkt ein Löwe«, erklärte Tanner mit einem Lächeln. »Sorgt nur dafür, dass das Haus sauber ist.«

»Wir haben es nach Wanzen durchsucht, bevor wir hergekommen sind«, antwortete Cabal. »Offenbar hat ihr allerliebster Daddy kein Vertrauen zu seiner kleinen Prinzessin. Jedes Zimmer in dem Haus ist verwanzt.«

Tanner verzog das Gesicht. Haltet einen Störsender für mich bereit. Ich will nicht, dass das aufgezeichnet wird.«

»Bereit und in Wartestellung.« Cabal seufzte. »Wird nicht einfach, dir bei dieser Sache den Rücken freizuhalten. Du hast verdammtes Glück, dass Jackal einen perversen Sinn für Humor hat, wenn es um deine Spielchen geht.«

Jackal schnaubte im Hintergrund. Er war einer der wenigen menschlichen Sicherheitsleute in Sanctuary.

»Er hatte nur eine langweilige Woche.« Tanner unterdrückte ein Lachen, als er sich der Terrasse näherte. »Ich bin draußen. Wir sehen uns in der Burg.«

Die Burg. Das Stadthaus der Prinzessin mitten in D. C. war über die letzten paar Tage von oben bis unten durchsucht worden. Sie hatten die Wanzen gefunden, doch nur wenig anderes. Merkwürdigerweise hatte die Prinzessin keinerlei intime Familienfotos – mit Ausnahme eines kleinen gerahmten Bildes ihrer toten Mutter, das neben ihrem Bett stand.

Ihr Zuhause war steril. Kalt.

»Merc fährt die Limo für dich vor«, meldete Cabal in Tanners Ohr, als der wieder den Ballsaal betrat und sich einen Weg durch das Gedränge an politischen und weniger politischen Gästen bahnte.

Tanner verabschiedete sich bei der Gastgeberin, marschierte durch das imposante Foyer des Hauses und ignorierte dabei ausnahmsweise die begehrlichen Blicke der Weiblichkeit, die ihm galten.

Es kam selten vor, dass er eine Party allein verließ. Aber er hatte nicht die Absicht, lange allein zu bleiben. Heute Nacht würde Scheme einem Breed sehr nahe kommen, und das auf eine Weise, die weder Blut noch Tod beinhaltete.

Zuerst würde er mit ihr schlafen, um diese Faszination loszuwerden, die er für sie empfand. Dann würde er sich die Informationen von ihr holen, die er brauchte, und danach würde er sie zur Vollstreckung des Breed Law ausliefern, so kaltblütig, wie sie in der Vergangenheit die Mordbefehle gegen Breeds unterzeichnet hatte.

Er hatte endlich den Beweis gegen sie, den er brauchte. Bilder, unterschriebene Befehle und das Geständnis ihres ehemaligen Liebhabers. Alles, was er jetzt noch brauchte, war ein letztes Geständnis von einem Soldaten oder einem Mitglied des Councils, um sie auszuschalten. Scheme Tallant würde bald zu einer bloßen Erinnerung für die Breeds verblassen.