To beam
or not to beam?
Essays: Klaus Vieweg
Illustrationen: Olivia Vieweg
Impressum: TO BEAM OR NOT TO BEAM? – DIE LITERATUR IN STAR TREK wird herausgegeben von Cross Cult, Teinacher Straße 72, 71634 Ludwigsburg.
Verleger: Andreas Mergenthaler, Autor: Klaus Vieweg; Illustrationen: Olivia Vieweg;
verantwortlicher Redakteur und Lektorat: Markus Rohde; Lektorat: Kerstin Feuersänger;
Korrektorat: Peter Schild; Satz: Rowan Rüster; Cover Artwork: Olivia Vieweg; Printed in Germany.
© 2021 by Cross Cult. All rights reserved.
Print-on-Demand ISBN 978-3-96658-176-9 (März 2021)
eISBN 978-3-96658-407-4
WWW.CROSS-CULT.DE
Dieses Buch ist Gene Roddenberry
zu seinem 100. Geburtstag gewidmet.
»Das Raumschiff Enterprise
war für Gene Roddenberry seine Metapher
für das Raumschiff Erde.«
– George Takei
Ȇberall kennt man Star Trek.
Sie alle wissen, daß durch die Vision
dieses einen Mannes die Welt
wirklich besser werden kann.«
– Whoopi Goldberg
Einleitung
Logbuch des Raumschiffs Enterprise
I.So rot kann der Alarm gar nicht sein – Epidemien im Star Trek-Universum
II.Beißende Satire und feine Ironie – Gullivers fantastische Reisen in Regionen, die noch nie ein Mensch betrat
III.Apoll, der Große und Alexander, der Kleine – Götter- und Heldengespräche
IV.Die Vögel in Wolkenkuckucksheim – Die Wolkenstadt
V.»Keiner bewegte sein Herz« – Die absolute Arroganz des Narziss
VI.Ist das Ihr Utopia? Utopisches und Dystopisches
VII.a) Shakespeare als Star in Star Trek
b) Shakespeare und die Narrenweisheit des Mr. Spock
c) Helena von Troja und Der Widerspenstigen Zähmung
d) Das unentdeckte Land
VIII. Schach – Das königliche Spiel im Weltall
IX.Zeitmaschinen und Zeitreisen
X.Der weiße Wal Moby Dick – Besessenheit und Fanatismus
XI.Der doppelte Kirk – Dr. Jekyll und Mr. Hyde
XII.Die Androidin Rayna Kapec
XIII.»Der große Bruder sieht dich« – 1984 von George Orwell
XIV.»Wir haben keine Bücher« – Das Gedächtnis und das Vergessen – Fahrenheit 451 von Ray Bradbury
Literaturliste
»Das Leben ist wie ein Garten.
Perfekte Momente können erlebt,
aber nicht bewahrt werden,
außer in der Erinnerung.«
– Leonard Nimoy (23.2.2015)
»Im Luftschiff der Bahn
der Wandelsterne folgen.«
– Jean Paul
»Das ist des Tribbles Kern.«
– Dr. Leonard McCoy (Bones/Pille)
Im Titel dieses Büchleins sind Star Trek und Literatur unmittelbar miteinander verknüpft. Shakespeares weltberühmter Ausspruch »To be or not to be, Sein oder Nichtsein« verbindet sich mit der faszinierenden Technik des Raumschiffs Enterprise, dem Beamen. Dies ist der blitzartige Transport eines in seine allerkleinsten Bestandteile zerlegten Gegenstandes oder Menschen an einen anderen Ort und das dortige Wiederzusammenfügen. In der Star Trek-Originalserie wird dies zumeist veranlasst vom schottischen Chefingenieur Montgomery Scott (Scotty).
Nachdem wir zum 50. Geburtstag von Star Trek in dem Buch Wozu braucht Gott ein Raumschiff? Die Philosophie in Star Trek die Frage nach der Wahrheit ins Zentrum stellten, soll es jetzt zum 100. Geburtstag des Serienschöpfers Gene Roddenberry um die Schönheit, die Schönheit des Literarischen, des Poetischen gehen. In Star Trek-Sprache: Is There in Truth no Beauty?
Spock: »Die Schönheit war immer der Gott der Welt.«1
McCoy: »Das ist doch nicht Spock!«
Spock: »Das war ein Zitat von Schiller, falls Sie das nicht wissen, Doktor!«
McCoy: »Das ist Spock!«
Die Star Trek-Originalserie (TOS) aus Hollywoods Traumfabrik begeht im Jahr 2021 zwar ihren 55. Geburtstag, aber sie ist jung geblieben und steht deswegen hier im Zentrum der Aufmerksamkeit. Sie gehört keinesfalls in die cineastische Mottenkiste, im Gegenteil: Ihre Storys und die behandelten Themen sind brandaktuell. So steht der Essay So rot kann der Alarm gar nicht sein – Epidemien im Star Trek-Universum am Beginn. Spocks Hinweis »Wir müssen aufpassen, dass wir nicht verseucht werden« war ein Leitspruch für den Corona-Lockdown im Frühjahr 2020. In diesen Monaten entstand das vorliegende Büchlein (wie es in einem wunderschönen Lied aus Italien heißt: maledetta primavera – verfluchtes Frühjahr!).
Nachdem die beiden Autoren bereits Essays und Illustrationen über den philosophischen Gehalt der Geschichten des Star Trek-Originals der Öffentlichkeit vorgelegt haben, soll jetzt die poetische Dimension der Kultserie im Mittelpunkt stehen. Diese Essays können literaturwissenschaftliche Reflexionen in keiner Weise ersetzen, wollen aber Anregungen zur Lektüre der erwähnten poetischen Werke geben.
Im Mittelpunkt stehen wieder die »glorreichen Sieben« auf der Kommandobrücke des Raumschiffs: Captain James Tiberius Kirk (William Shatner), der vulkanische Wissenschaftsoffizier Spock (Leonard Nimoy) und der Bordarzt Dr. Leonard McCoy (DeForest Kelley), zusammen mit dem Herrscher des Maschinenraums Montgomery Scott (James Doohan), der Kommunikationsoffizierin Nyota Uhura (Nichelle Nichols), dem japanischen Navigator Hikaru Sulu (George Takei) sowie dem russischen Offizier Pavel Andreievich Chekov (Walter Koenig).
Laut Barack Obama war Leonard Nimoy alias Spock »ein lebenslanger Freund der Philosophie und der Künste«. Natürlich bestehen Parallelen zwischen Literatur und Philosophie, beide versuchen wesentliche Gedanken zu vermitteln, allerdings in unterschiedlicher Form. So wird es auch sehr begrenzt Wiederholungen aus dem Philosophie-Büchlein geben müssen. Thematisiert werden in diesem Buch ausgewählte Beispiele des Rückgriffs auf literarische Vorbilder, auf poetische Werke, auf Bilder der Fantasie. Das Spektrum literarischer Bezüge der Star Trek-Originalserie auf die Poeten und ihre Werke ist sehr breit gespannt, es reicht von Homer und den antiken Tragödien- und Komödiendichtern über Ovid und Lukian, William Shakespeare und Thomas Morus bis hin zu Friedrich Schiller und Johann Wolfgang Goethe, Mary Shelley, Alexandre Dumas, Charles Dickens, Edgar Allan Poe, Robert Louis Stevenson, Lewis Carroll, Oscar Wilde, Herbert George Wells, Stefan Zweig, Albert Camus, Ray Bradbury und George Orwell, um nur einige zu nennen. Die Bandbreite der poetischen Werke reicht von Homers Odyssee, Sophokles’ Antigone2, Aristophanes’ Die Wolken und Die Vögel, Lukians Luftreise und Ovids Narziss über Shakespeares Hamlet und Macbeth, Morus’ Utopia, Goethes Faust bis zu Frankenstein von Mary Shelley, Poes William Wilson und Die Maske des Roten Todes, Lewis Carrols Alice im Wunderland und Alice hinter den Spiegeln, Stevensons Dr. Jekyll und Mr. Hyde, Wells’ Die Zeitmaschine bis zu Bradburys Fahrenheit 451 und Orwells 19843. Auch das von den Brüdern Grimm aufgeschriebene Märchen über Aschenputtel wird erwähnt, von Chekov als russisches (!) Märchen deklariert. Spock beruft sich gar auf Arthur Conan Doyles Sherlock Holmes: »Einer meiner Vorfahren hat immer gesagt: Wenn man das Unmögliche ausschließt, muss, was auch immer bleibt, die Wahrheit sein.«
Es geht bei Star Trek um Fantasieflüge in ferne Welten, aber wie bei Gullivers Reisen von Jonathan Swift wird dabei stets auf die Erde, auf uns geblickt. Nicht zufällig sollte der Captain der Enterprise zunächst James Gulliver heißen. Und wie bei Swift werden in Star Trek abenteuerliche Reisen im Sinne der Gewinnung von Wissen, also Entdeckungsreisen vorgeführt. Laut dem schottischen Denker David Hume gibt es nichts Bewunderungswürdigeres als die Fantasie, sie »eilt von einem Ende des Weltalls zum anderen, um die Vorstellungen oder Bilder zusammenzuholen, die zu einem Gegenstand gehören«.4 Unsere Einbildungskraft bewegt sich souverän in den beiden Zeitdimensionen Vergangenheit und Zukunft, was die Darstellung von Zeitreisen und Zeitmaschinen ermöglicht (Essay IX – Zeitmaschinen und Zeitreisen). So sind sowohl die antike als auch die moderne Welt thematisiert, die griechischen Götter wie die modernen Roboter und Androiden (Essay III – Apoll, der Große und Alexander, der Kleine – Götter- und Heldengespräche sowie Essay XII – Die Androidin Rayna Kapec). Die Fantasie liefert die Grundlage für Mythen, Märchen, Epen, Romane, Gemälde, Melodien – für das gesamte Spektrum der Kunst. Ihr Spielen hat jedoch ein doppeltes Gesicht, ist unruhig und kann regellos sein, Menschliches und Unmenschliches, Himmel und Hölle können geschaffen werden. In Essay VIII – Schach – Das königliche Spiel im Weltraum geht es auch in Bezug auf Alice im Wunderland sowie Alice hinter den Spiegeln um Einbildungen, Halluzinationen, um Tagträume. Das Spielen vermag Ungeheuer aller Art zu zeugen, aber auch die Kämpfe gegen diese Monster und »Himmelswege der Hoffnung« (Jean Paul) sollen Darstellung finden (Essay VI – Ist das Ihr Utopia? Utopisches und Dystopisches; Essay XIII – »Der große Bruder sieht dich« – 1984 von George Orwell). Außerdem konnte sich das Star Trek-Unternehmen kreativ aus dem mit Kronjuwelen gefüllten Schatz von William Shakespeare bedienen, dem großen Meister des Tragischen und Komischen. Der Essay VII – Shakespeare als Star in Star Trek wird in vier Teilen präsentiert.
Eine faszinierende Form fantasievoller Erzählung bildet der imaginäre Reisebericht, Beispiele sind die Fahrten des Odysseus oder der Bericht des buddhistischen Pilgermönches Xuanzang aus dem China des 6. Jahrhunderts. In der modernen Zeit erhält der Reiseroman eine herausgehobene Bedeutung, von Jonathan Swifts Gullivers Reisen, über Yoricks Reisen von Laurence Sterne, Goethes Wilhelm Meister und Huckleberry Finn von Mark Twain bis hin zu Stanley Kubricks Odyssee im Weltraum (Essay II – Gullivers fantastische Reisen in Regionen, die noch nie ein Mensch betrat). Diese Erzählungen sind poetische Selbstporträts, Wanderungen im Ich, Erzählungen des Schicksals, der Bildung von Individuen, ihrer Lehr- und Wanderjahre, poetische Selbstporträts als Lebensläufe, Reisen und Spaziergänge als Streifzüge im Individuum selbst. Manche Ausflüge sind skurril, kurios oder humorvoll, man reist um seine Schnupftabakdose, um sein Zimmer, ins mittägliche Italien oder ins Blaue hinein. Meist ist man als ein Vagabund unterwegs, pour mon plaisir, nur zu seinem Vergnügen ohne Karte und festes Ziel: »Denen, die mich nach dem Grund meiner Reisen befragen, pflege ich zu sagen, daß ich wohl weiß, was ich fliehe, aber nicht, was ich suche« (Michel de Montaigne). »Seitdem Laurence Sterne eine empfindsame Reise angestellt, so läßt halb Deutschland anspannen, und ein gut Teil ist schon unterwegs. Unfehlbar ist diese allgemeine Reisesucht schuld daran, daß ich mir Schriftsteller wie Leser wie ein Paar Reisende vorstellte, die in einem Posthause zusammentrafen. ›Wohin?‹ – ›Nach xxx!‹ – ›Allerliebst, wir reisen zusammen!‹ Die Worte ›Wir reisen zusammen!‹ haben eine so sympathetische Kraft, daß Magnet und Eisen nicht so geschwind zusammen sind als diese beiden Herzen. Der Reisekoffer wird zu- und das Herz wird aufgeschlossen. Man erzählt sich seinen Lebenslauf.«5 Diese Haltung prägt auch die Entdeckungsfahrten der Enterprise: »Wohin? Nach xxx!«
Chekov: »Welcher Kurs, Captain?«
Kirk: »Der zweite Stern von rechts, bis zum Morgengrauen. Direkter Kurs.«
Dies ist ebenfalls eine literarische Anleihe: Aus Peter Pan von James Matthew Barrie – »Second star to the right and straight on to the morning.«6
Natürlich hat auch das Fliegen selbst, das Verlassen der irdischen Bande, schon immer die Fantasie der Poeten befeuert. In der griechischen Mythologie finden sich das geflügelte Pferd Pegasus sowie die Fliegenden Ikarus und Daedalus, beim antiken Komödiendichter Aristophanes fliegt der Held Trygaios mit einem Mistkäfer zu olympischen Höhen, die Komödien Die Vögel und Die Wolken spielen in luftigen Gefilden (Essay IV – Die Vögel in Wolkenkuckucksheim). Der spätantike Spötter Lukian von Samosata erzählt in Ikaromenippos oder die Luftreise die Erde satirisch aus kosmischer Perspektive, das Wissen über das Weltall will er kritisch-ironisch prüfen, selbst Kriege zwischen außerirdischen Völkern und Kolonisationen sind beschrieben.7 Doch reisten die Menschen bis ins 18. Jahrhundert zu Fuß, auf dem Kamel, dem Esel, dem Pferd, in der Kutsche, auf dem Kanu, dem Boot oder dem Schiff. Erst mit dem Ballon, anfangs mit der Montgolfiere (1783), dem Fluggerät der Brüder Montgolfier, ging es in die Luft. Und einen der ersten Reiseromane im Luftschiff schrieb der deutsche Dichter Friedrich Richter, der nach seinem Vorbild Jean-Jacques Rousseau den Künstlernamen Jean Paul verwendet: Des Luftschiffers Gianozzo Seebuch, ein komischer Anhang an seinen Roman Titan.
Aus der Vogelperspektive soll der Blick auf die Erde gerichtet sein, in der »Freiheitsluft« lässt sich auf die guten Taten wie auf die Sünden schauen. Wie ein Falke will der Held Jean Pauls auf Ungerechtigkeit, Böses oder den Krieg »herunterfahren«, auf die »zahllosen Blut- und Schweinsigel« der Erde, die ungestraft die Menschen aussaugen, stechen und rupfen. Essay II beschäftigt sich, ganz diesem kritischen Blick folgend, mit Gulliver als Spötter über Dummheit und Niedertracht.
Der Luftwanderer Gianozzo will speziell die »Narzissen-Jüngerschaft des Handels, des Militärs und der Justiz« entlarven – die Schlangen wechseln zwar oft die Haut, aber nie ihre Giftzähne.8 Der Essay V »Keiner bewegte sein Herz« – Die absolute Arroganz des Narziss widmet sich dem Thema der aus der Selbstverliebtheit entstehenden Selbstüberhebung (Hybris). Die Motive des Übermenschen, des Machtmissbrauchs und des totalen Überwachungsstaats behandeln die Essays XIII »Der große Bruder sieht dich« – 1984 von George Orwell und Essay XIV »Wir haben keine Bücher« – Das Gedächtnis und das Vergessen.
Der Poet will zu einer herrlichen, freien, weiten Reise zu »einer entfernten Sonnenstadt« aufbrechen, einem Gegenbild zum »Kampf-Wahnsinn« der Menschen. Seine »Lufthütte« ist deswegen kein Kriegs- sondern ein Observationsschiff, ein Entdeckungssegler. Das Motto der Sternenflottenakademie, der Ausbildungsstätte unserer Enterprise-Crew: From the Stars, Knowledge – Wissen von den Sternen (Essay X Der weiße Wal Moby Dick – Besessenheit und Fanatismus malt auch die Gegenbilder dieses humanen Anliegens). Jean Paul zündet ein Feuerwerk der Fantasie, schafft eine neue Welt von Bildern für das Durchstreifen des Kosmos. Das in der »Luftschiff-Werft« gebaute Schifflein trägt die Namen Paradiesvogel, fixer Wandelstern, Lufthütte oder Fregatte, der Dichter verfasst ein Fahrten- oder Flugbuch, ein Luftschiffjournal, eine Art Sterntagebuch des Lebens. Die Sprache der Seefahrt wurde auf die Luftreisen übertragen, dazu das Kapitel zu Moby Dick. Man sieht das Weltentheater: »Auf der Fläche, die auf allen Seiten ins Unendliche hinausfloß, spielten all die verschiedenen Theater des Lebens mit aufgezogenen Vorhängen«, und »auf dem langen Farbenklavier des Lebens lagen alle finsteren und lichten Farben« vor dem Auge des Dichters. Unter dem Titel Der doppelte Kirk (Essay XI) soll das Motiv der gespaltenen Natur des Menschen, seiner Zerrissenheit zwischen widerstreitenden Kräften – »zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust« – verbunden mit dem literarischen Motiv des Doppelgängers ins Zentrum treten.
Das vorliegende Büchlein fühlt sich ganz dem Hauptanliegen der originalen Star Trek-Serie verpflichtet, das Leonard Nimoy treffend charakterisierte: »Und mitten hinein in diese Paranoia und Furcht kam in Form von Star Trek eine strahlende Mitteilung von Hoffnung, die besagte: ›Ja, wir werden das atomare Zeitalter überleben. Wir werden Kontakt aufnehmen mit anderen intelligenten Lebensformen auf anderen Planeten; und sie werden unsere Freunde, und nicht unsere Feinde sein. Und wir werden zusammenarbeiten für das gemeinsame Wohl.‹«9 Whoopi Goldberg sagte über Gene Roddenberry: »Überall kennt man Star Trek. Sie alle wissen, daß durch die Vision dieses einen Mannes die Welt wirklich besser werden kann.«10
Bei vielen Themen hat man hoffentlich schon die Abenteuer des Raumschiffs Enterprise vor sich: »Der Sturm schnaubte um mich und mein flatterndes Schiffchen herum, und fuhr wild unter die Sterne hinaus und schien sie zu rütteln«. Und in für Jean Paul typisch poetischer Sprache lesen wir in seinem Flugschreiber: »Ich glitt warm angeweht auf einem unabsehbaren silbernen, auf dem zu zartem Schaum geschlagenen Sternen zusammenwallenden Meere weiter – ein Meer, weich und weiß wie Schneenebel, wie Lichtduft.« Ich flog »in dem über die Nachterde hingedeckten Wolkenhimmel, in dessen Flut der aufgegangne Mond wie ein Schwan mit seinem Glanzgefieder alle Wogen durchstrahlend stand, eh er herausflog ins Blaue.« Und ganz im Sinne von Star Trek lesen wir: »Ihr Geister! Wie gerne wollt’ ich Grenzsteine verrücken!«11 – Fremde Welten entdecken und erforschen, dorthin zu gehen, wo noch nie ein Mensch zuvor gewesen ist.
Besonderer Dank für Hinweise und Empfehlungen geht an Wolfgang G. Müller, Barbara Vieweg und Michael Möller sowie an Paul Louis Mikat, Michael Seifert und besonders an den Star Trek-Experten Jan Schliecker.
Olivia und Klaus Vieweg
August 2020
Captain Kirk: »Bericht über eine verheerende Pandemie auf dem Planeten Erde im Jahr 2020. Wir, die drei Wunderknaben Spock, McCoy und ich, müssen selbst helfen – sofortiger Zeitsprung ins Jahr 2020.«
Dr. McCoy: »Coronavirus – klingonisch: qoro’na javtIm – hat gesamte Erde überzogen. Unterentwickelte Medizin verfügt weder über Medikament noch über Impfstoff.«
Mr. Spock: »Primitive Zivilisation der Erdmenschen bevorzugt immer noch den selbstzerstörerischen neoliberalen Marktfundamentalismus. Halb gebildete, populistische Herrscher verharmlosen das Virus trotz der Warnung des Genies Edgar Allan Poe, populistisch-nationalistische Demonstranten missbrauchen in zynisch schamloser Weise das Wort ›Freiheit‹ und den Slogan ›Wir sind das Volk‹.
Verschwörungsfanatiker erfinden Lügenmärchen mit neuen Sündenböcken, in der früheren Menschengeschichte gab es nach Epidemien meist Rache an den Juden.
Die Menschheit leidet auch im 21. Jahrhundert am gefährlichsten Virus überhaupt – an der Dummheit, die sich als große Macht auf der Erde etabliert hat. Obwohl man den Impfstoff dafür kennt: Bildung.«
Spock: »Wir müssen aufpassen, dass wir nicht verseucht werden.«
Ein erheblicher Teil der Enterprise-Besatzung ist in Planet der Unsterblichen (Requiem for Methuselah)12 vom lebensbedrohlichen Rigelianischen Fieber infiziert, benannt nach dem hellblauen Stern Rigel aus dem für seine Nebel bekannten Sternbild Orion. Aufgrund der Epidemie des Rigelianischen Fiebers versucht die Mannschaft der Enterprise, den Impfstoff Ryetalyn vom Planeten Holberg 917G zu beschaffen. Allerdings stellt sich ihnen der bislang unbekannte Mr. Flint in den Weg, der sich als alleiniger Eigentümer des Himmelskörpers ausgibt. Nach seiner anfänglichen Reserviertheit stimmt er Kirks Ersuchen jedoch zu. Als Doktor McCoy die Wirkungen des Rigelianischen Fiebers mit denen der Beulenpest vergleicht, spricht Flint von der aus Konstantinopel in den Westen gekommenen Pest, die im 14. Jahrhundert auf grauenhafte Weise halb Europa tötete, die Ratten krochen durch die Nacht des Todes. Seit der Justinianischen Pest um das Jahr 542, der wohl schlimmsten Pandemie dieser Zeiten, die die spätantike Mittelmeerregion verheerend traf, galt Konstantinopel (heute Istanbul) wegen seiner Rattenplage als sehr gefährlicher Pestherd. In den von Flint erwähnten Jahren um 1350 waren blühende Städte wie Pisa, Neapel, Rom, Padua, aber auch viele Städte in Frankreich, England und Deutschland heftig vom Schwarzen Tod betroffen. Die Epidemie wurde besonders von den unhygienischen Zuständen, der »rohen Lebensweise und der Unkultur des Bodens« verursacht.13
Unter »Pest« wurde früher eine allgemeine Seuche verstanden, u. a. Pocken, Typhus, Cholera sowie die beiden Arten der eigentlichen Pest. Der römische Schriftsteller Ovid berichtet schon über die antike Pest auf der griechischen Insel Ägina, sein Kollege Terenz nannte die Erreger »winzige Kreaturen, welche man mit bloßem Auge nicht sehen kann, die durch die Luft fliegen und über Mund oder Nase in den Körper eindringen«. Die Seuchen forderten auch prominente Opfer wie Kaiser Marc Aurel, den bekannten mittelalterlichen Philosophen Duns Scotus oder die berühmten Maler Giorgone und Tizian. Solche Epidemien spielen in vielen religiösen und künstlerischen Überlieferungen eine bedeutsame Rolle, etwa wird auf dem Camposanto von Pisa der Pesttod als schwarz gekleidete Frau verbildlicht. Man hatte mit einer katastrophalen Ausnahmesituation zu tun, Kirk verweist dementsprechend in seiner extremen Zwangslage gegenüber Flint auf den Notfall.
Hinsichtlich des Epidemie-Themas waren für Gene Roddenberry und die Drehbuchautoren wohl Die Maske des Roten Todes von Edgar Allan Poe, Die Farbe aus dem All von Howard Phillips Lovecraft, Die Pest von Albert Camus und Die Triffids von John Wyndham Inspirationsquellen. Dies gilt für die Episoden Planet der Unsterblichen wie für Miri, ein Kleinling und Implosion in der Spirale sowie für bestimmte Szenen in Falsche Paradiese und Die Stunde der Erkenntnis.