Whitley Cox

Hired by the Single Dad

Mark

Übersetzt aus dem amerikanischen Englisch von Michelle Landau

Liebe LeserIn,

Danke, dass Sie sich für einen Titel von „more – Immer mit Liebe“ entschieden haben.

Unsere Bücher suchen wir mit sehr viel Liebe, Leidenschaft und Begeisterung aus und hoffen, dass sie Ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubern und Freude im Herzen bringen.

Wir wünschen viel Vergnügen.

Ihr „more – Immer mit Liebe“ –Team

Über das Buch

Der alleinerziehende Vater, Dr. Mark Herron, ist sprachlos. Am Kneipentisch nebenan feiert eine junge Frau fröhlich ihre Scheidung. Seine eigene Trennungsgeschichte war alles andere als lustig und seitdem versucht Marc verzweifelt seinen Job und den Alltag mit seinem autistischen Sohn Gabe unter einen Hut zu bekommen. Doch die Ausgelassenheit der jungen Frau fasziniert ihn. Als er mitbekommt, dass sie einen Job sucht, weiß er, dass das kein Zufall sein kann …

Tori spielt allen perfekt vor, dass sie glücklich ist. In ihr sieht es jedoch ganz anders aus. Ihr Mann hat sie nicht nur betrogen, sondern auch ihr ganzes Geld genommen, einschließlich der Summe, die sie für ihr Studium gespart hatte. Damit ist nicht nur ihre Ehe vorbei, sondern auch ihr Traum zu studieren und Kindern mit besonderen Bedürfnissen zu helfen.

Als dieser gutaussehende Typ ihr einen Job als Nanny seines Sohnes anbietet, weiß Tori, dass das ihre Chance ist …

Auftakt der zehnteiligen „Die Single Dads of Seattle“ Reihe. Alle Titel der Reihe können unabhängig voneinander gelesen werden.

Über die Autorin

Whitley Cox ist an der kanadischen Westküste geboren und aufgewachsen. Sie studierte Psychologie und unterrichtete zeitweise in Indonesien, bevor sie in ihre Heimat zurückkehrte. Heute ist sie mit ihrer Highschool-Liebe verheiratet und Mutter von zwei Töchtern.

Inhaltsübersicht

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Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Epilog

Impressum

Kapitel 1

„Auf deine Scheidung!“

„Hört, hört!“

„Sei froh, dass du den los bist!“

War das eben ein genervtes Stöhnen gewesen?

Mark Herron horchte auf, als er die Jubelrufe der Frauen hinter sich vernahm. Gläser klirrten, und rings um den großen Tisch in der angesagten Bar The Ludo Lounge in Seattle wurde lautstark gekichert. Er wagte es nicht, sich zu den Frauen umzudrehen – noch nicht –, aber er blendete den Rest der Bar aus und konzentrierte sich ganz auf das interessante Gespräch am Tisch hinter seinem.

Wer feierte denn bitte eine Scheidung?

Er sicherlich nicht.

Für ihn war es die furchtbarste, herzzerreißendste Erfahrung gewesen, die er jemals hatte durchleben müssen. Ganz zu schweigen davon, wie sehr Gabe darunter gelitten hatte. Nein, Marks Scheidung von Cheyenne war wirklich grausam gewesen.

Und doch schienen diese Frauen aus demselben Grund hier zu feiern. Zumindest einige von ihnen.

Die Bar war auf jeden Fall der richtige Ort dafür. Große Tische in dunklen Nischen, wummernde Musik, eine kleine Tanzfläche und horrende Getränkepreise – selbst für ein einfaches Glas Hauswein –, die all jene fernhielten, die sich nur betrinken und abgeschleppt werden wollten. Diese Bar hatte Klasse. Aber das bedeutete natürlich nicht, dass man hier keinen Spaß haben konnte, und genau darauf waren die Frauen hinter ihm wohl aus.

„Komm schon, Tori, das ist doch ein Grund zu feiern“, sagte eine Frau aufmunternd. „Du bist ihn endlich los, für immer.“

„Ja …“, erklang eine leise, beinahe zögerliche Stimme. „Für immer.“ Sie wirkte bei Weitem nicht so enthusiastisch wie der Rest der Gruppe. „Aber genau genommen sind wir ja noch gar nicht geschieden. Ich habe nur offiziell die Trennung beantragt.“

„Na, das ist doch ein Anfang!“, jubelte eine dritte Frau.

„Nachdem er mich rausgeschmissen hat“, fügte die zweite leise hinzu.

„Ach, komm schon, du hast doch noch dein ganzes Leben vor dir“, mischte sich eine weitere Freundin ein. „Und Seattle ist voller attraktiver Single-Männer.“

„Stimmt. Pack das Leben bei den Eiern, Chica!“ Diese Frau klang unglaublich betrunken. Mark konnte sich bildlich vorstellen, wie sie bei dem Satz einen imaginären Hoden packte, der über dem Tisch baumelte. „Die Welt liegt dir zu Füßen! Oh, wisst ihr, was wir jetzt brauchen? Austern! Die sind doch ein Aphrodisiakum, und Tori braucht heute unbedingt einen heißen One-Night-Stand.“

Mark schauderte. Wer auch immer diese Tori war, sie hatte sein aufrichtiges Mitgefühl.

„Mir geht es gut, Mädels, ehrlich“, vernahm er wieder die schüchterne Stimme. „Ich brauche kein Aphrodisiakum. Heute hat hier niemand einen One-Night-Stand … also, zumindest nicht ich. Ich brauch erst mal ’ne Pause von Männern.“

„Ich glaube nicht, dass Ken eine Pause macht“, sagte die unsympathische, Austern liebende Freundin. „Er hat es ja nicht mal geschafft, während eurer Ehe treu zu bleiben. Wieso sollte er also jetzt eine Pause machen?“

„Tut er ja auch nicht. Ich weiß, dass er jetzt mit Nicole zusammen ist, dieser Zahnarzthelferin, mit der er mich betrogen hat. Seine Schwester hat mir erzählt, dass die schon vor ein paar Monaten bei ihm eingezogen ist.“

„Siehst du? Umso wichtiger also, dass du schnell wieder in den Sattel steigst.“

„Aber diesmal auf einen echten Hengst! Ken war ja wohl eher ein lahmes Pony, noch dazu mit nur einem Ei.“

O Mann, diese betrunkene Tussi war echt anstrengend. Mark hätte zu gern einen Blick auf sie erhascht.

„Er hatte Hodenkrebs.“ Wieder die leise Stimme. Sie klang nicht wirklich kleinlaut, nur deutlich weniger begeistert als der ganze Rest. Und sie klang müde. Traurig.

„Okay, dann ist er eben ein halb kastriertes, lahmes Pony. Wie auch immer. Lass den Ponystall endlich hinter dir und such dir einen Hengst, den du ohne Sattel reiten kannst.“

„Können wir bitte mit diesen Pferde-Vergleichen aufhören? Ich finde das echt widerlich“, sagte Tori mit einem Seufzen.

„Tori …“ Oh, sehr gut, diese Freundin klang deutlich nüchterner und aufrichtiger. „Wir wissen, dass Ken echt eine fiese Nummer mit dir abgezogen hat.“

Ich habe die Trennung offiziell gemacht. Ich habe entschieden, dass es vorbei ist.“

„Und mit gutem Recht. Du hast dich in drei Jobs halb zu Tode geschuftet, um diesem Bastard das Zahnmedizinstudium zu finanzieren. Er hat dir versprochen, dass er nach seinem Abschluss das Gleiche für dich tun wird, damit du deinen Master nachholen kannst. Aber stattdessen hat er dich mit irgendeiner dahergelaufenen Tusse betrogen und einfach hängen lassen.“

„Ja …“

„Ja?“

„Aber …“

Aber was? Mark musste sich zusammenreißen, um nicht herumzuwirbeln. Sein Beschützerinstinkt übermannte ihn beinahe. Wer, um alles in der Welt, tat jemand anderem so etwas an? Noch dazu seiner eigenen Ehefrau? Er kannte diese Frau noch nicht mal und wäre trotzdem am liebsten losgestürmt, um diesen Vollidioten zu finden und ihm mal gehörig die Meinung zu sagen.

„Aber … er war eben mein Mann. Wir haben ein Versprechen abgelegt. In guten wie in schlechten Zeiten.“

„Ja, aber was Ken da abgezogen hat, war jenseits von schlechten Zeiten. Das war einfach nur verachtenswert – und absolut unverzeihlich. Du hast nichts falsch gemacht, Tori. Also mach dir keine Vorwürfe, sondern feier endlich.“

„Genau!“ O nein, nicht die betrunkene Freundin schon wieder. „Auf deine Scheidung!“

Erneut wurde klirrend angestoßen, und noch mehr Frauen stimmten in die Jubelrufe ein.

Mark konnte selbst nicht genau sagen, ob es schiere Dummheit, Neugierde oder der Whisky in seinem Blut war, der ihn dazu bewegte, aufzustehen und sich umzudrehen. Verdammt, die Gruppe war noch größer, als er gedacht hatte. Es saßen mindestens sechs Frauen an dem Tisch in der Nische.

Er räusperte sich. „Entschuldigt bitte die Störung, Ladys, aber ich habe zufällig mitbekommen …“

„Zufällig?“, fiel ihm die nervige Betrunkene ins Wort.

„Halt die Klappe, Mercedes, und lass diesen gut aussehenden Mann ausreden“, schimpfte eine andere und gab Mercedes einen Klaps auf die Schulter. „Also … äh … du wolltest sagen?“ Sie warf Mark ein weiß poliertes Lächeln zu und blinzelte ihn mit überschminkten braunen Augen an.

Er unterdrückte den Drang, die Augen zu verdrehen, und erwiderte das Lächeln flüchtig. „Danke. Also, ich saß gleich an dem Tisch dort drüber und habe wie gesagt mitbekommen, dass ihr eine Scheidung feiert.“

„Das stimmt“, sagte Mercedes mit einem Nicken. Dann warf sie ihre glatten blonden Haare so affektiert über die Schulter, wie man es eigentlich nur von launischen Teenagern kennt. „Tori hier hat sich gerade von Ken getrennt, dem König der Arschlöcher, und das wird ge-fei-ert!“ Dabei wies sie auf eine Brünette mit leuchtend blauen Augen an der gegenüberliegenden Tischseite. Die unverwechselbare Farbe von höchster Peinlichkeit färbte die Haut über ihren hohen Wangenknochen.

„Ähm, ja, also jedenfalls wollte ich anbieten, dem ganzen Tisch eine Runde zu spendieren“, fuhr Mark fort. „Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie unschön so eine Trennung und Scheidung sein kann und wie weh das tut. Ich wünschte, ich hätte damals auch so einen loyalen Freundeskreis gehabt, wie ihr es seid.“

Tori sah ihn jetzt direkt an. Mannomann, sie sah echt umwerfend aus. Ihre Schönheit wirkte völlig mühelos, das klischeehafte Mädchen von nebenan. Volle Lippen, lange, geschwungene Wimpern und das kleine Lächeln, das sie ihm schließlich schenkte, raubten ihm sprichwörtlich den Atem.

„Ach, was solls, ich übernehme die Rechnung für den ganzen Abend. Alle Getränke gehen auf mich.“ Das war ihm rausgerutscht, bevor er überhaupt darüber nachdenken konnte. Hatte ihn die Frau in der Ecke etwa so schnell in ihren Bann gezogen?

„Wow! Danke, Mann“, jubelte Mercedes, und ihre hellgrauen Augen glänzten im Licht der diffusen Strahler über dem Tisch. „Da hab ich dich wohl echt falsch eingeschätzt. Ich dachte, du kommst rüber, um uns zu sagen, dass wir leise sein sollen.“ „Willst du … ähm … dich zu uns setzen?“, bot eine andere Frau an.

„Mark, ich heiße Mark.“

„Na dann, Lust, dich zu uns zu gesellen, Mark?“ Sie rutschte ein Stück zur Seite. „Das ist schließlich das Mindeste, was wir tun können, wenn du unsere Rechnung übernimmst.“

„Und was für ’ne Rechnung das wird“, warf Mercedes ein.

Mark war sich ziemlich sicher, dass er diese Frau nicht mochte. Wie konnte die süße Tori bloß mit so einer befreundet sein? Ob sie wohl beste Freundinnen waren? Er hoffte es nicht.

Woher willst du denn wissen, ob Tori süß ist? Sie hat doch noch kein Wort zu dir gesagt.

Schon, aber dieser verträumte Schmollmund und die großen Puppenaugen sagten genug.

Mark setzte sich neben die Frau, die ihm Platz gemacht hatte, aber sein Blick blieb dabei auf Tori geheftet.

Wenig später tippte ihm seine Sitznachbarin auf die Schulter. „Ich müsste mal raus, bitte.“

Die Musik dröhnte inzwischen deutlich lauter durch die Bar, und man musste beinahe schreien, um gehört zu werden. Der neue DJ mochte es offenbar laut.

Kaum, dass er sich hingesetzt hatte, musste Mark also wieder aufstehen, um drei der Frauen (weil Frauen ja nie allein aufs Klo gingen) rauszulassen. Dankenswerterweise war Mercedes eine von ihnen.

„Ich bestell uns auf dem Weg zum Klo noch ’ne Runde“, rief sie im Weggehen.

Somit blieben nur noch Tori und zwei stille Frauen, die mit ihren Handys beschäftigt waren, am Tisch zurück. Und natürlich Mark.

Tori fing seinen Blick auf. „Danke.“

Er nutzte die Gelegenheit, rutschte auf der Bank bis zu ihr hinüber und beugte sich dicht an ihr Ohr, um sie nicht anschreien zu müssen. „Gern geschehen.“

„Du bist also auch getrennt?“

Er nickte. „Geschieden. Seit fast einem Jahr.“

„Das tut mir leid.“

„Ja, mir auch. Aber es ist besser so. Ich habe vorhin mitbekommen, dass du deinem Ex das Studium finanziert hast und dass er dich dann ausgerechnet mit einer Kollegin betrogen hat. Hattest du denn selbst auch noch die Möglichkeit zu studieren?“

Ihre saphirblauen Augen weiteten sich, und mit einem knappen Nicken griff sie nach ihrem Glas und trank es in einem Zug leer. „Ja und nein. Ich habe bisher leider nur den Bachelor machen können. Dank diesem Idioten bin ich nie dazu gekommen, meinen Master zu machen.“

„Wow. Das tut mir echt leid.“

„Danke.“

„In welchem Fach wolltest du denn deinen Master machen?“

Sie warf ihm aus dem Augenwinkel einen Blick zu. „Ist das deine übliche Anmach-Masche, oder was?“

Oha, sie hatte Biss. Das gefiel ihm.

Mit erhobenen Händen schüttelte er den Kopf und hoffte, dass sein Unschuldsblick überzeugend war. „Nein, wirklich nicht, ich verspreche es. Ich war heute Abend eigentlich mit einem Freund verabredet, aber dem ist in letzter Minute etwas dazwischengekommen. Deswegen wollte ich nur noch kurz mein Glas austrinken, bevor ich gehe. Und da habe ich eben euer Gespräch mitbekommen. Zu meiner Verteidigung muss ich aber auch sagen, dass deine Freundin Mercedes nicht gerade leicht zu überhören ist.“

Tori verdrehte die Augen. „Wir sind nicht wirklich befreundet. Sie hat mit meiner kleinen Schwester studiert und ist eigentlich mehr Iz’ Freundin als meine. Und ja, sie ist sehr laut.“ Sie biss sich kurz auf die Unterlippe und wandte sich Mark dann voll zu. Über ihr hübsches Gesicht huschte ein Ausdruck, der fast nach Panik aussah. „Aber sie hat ein großes Herz. Es ist nicht so, dass ich sie gar nicht mag. Als ich die Trennungs-Bombe habe platzen lassen, stand sie sofort mit Wein, Käse und Schokolade vor meiner Tür.“

Mark lachte leise. „Na, solange sie ein großes Herz hat.“

„Das hat sie …“ Sie warf den beiden anderen Frauen am Tisch, die noch immer in ihre Handys vertieft waren, einen kurzen Blick zu. „Aber auch eine große Klappe. Ich hoffe, sie ist dir nicht zu nahe getreten.“

„Es braucht einiges mehr, um mich zu beleidigen, mach dir keine Sorgen. Außerdem hat sie wohl schon ziemlich viel getrunken, da kann man so was schon mal durchgehen lassen.“

Mark ließ seinen Blick langsam über Toris Körper wandern. Sie trug ein schwarzes Kleid, dessen V-Ausschnitt einen tiefen Einblick in ihr Dekolleté gewährte. Ein solches Kleid konnte sie sich nur erlauben, da sie keine allzu große Oberweite hatte. Sie trug keinen Schmuck und nur minimalistisches Make-up. Die sexy Version des Mädchens von nebenan, korrigierte Mark seinen Gedanken von vorhin. Nicht prüde, sondern rein und perfekt mit einer Prise Schärfe und einem Hauch Verruchtheit.

„Bist du fertig?“, fragte sie und räusperte sich.

Mark riss seinen Blick los und konzentrierte sich wieder auf ihr Gesicht. „Womit?“

„Mich mit deinen Augen auszuziehen.“

So leicht ließ er sich nicht aus der Fassung bringen. „Jap.“

Sie schnaubte und schüttelte mit dem Anflug eines Lächelns den Kopf. „Ich hoffe, du hast vorhin auch mitbekommen, dass ich im Moment absolut kein Interesse daran habe, einen Hengst zu finden, den ich ohne Sattel reiten kann. Ich brauche jetzt erst mal Zeit für mich. Ich muss mir überlegen, wie mein Leben weitergehen soll, was aus meinem Studium und meiner Arbeit wird.“

„Ja, das habe ich mitbekommen. Tut mir leid. Du bist wunderschön, aber ich werde mich nicht aufdrängen, versprochen. Ich verstehe, dass so kurz nach der Trennung alles noch schmerzhaft ist. So was ist nie leicht. Unsere Herzen sind nicht aus Gummi. Wenn man sie wegwirft, hüpfen sie nicht unbeschadet davon wie ein Flummi, sie zerbrechen.“

Ein kleines Lächeln zupfte an ihrem Mundwinkel. „Schöner Vergleich.“

„Mir wurde schon das ein oder andere Mal gesagt, dass ich ein Talent dafür habe.“

Augen so kristallblau wie der Lake Louise schimmerten ihm entgegen. Sogar in der dämmrigen Beleuchtung der Bar konnte er erkennen, wie wach und voller Leben sie waren. „Danke für dein Verständnis. Das weiß ich zu schätzen.“

Er lächelte. Sie waren wieder auf sicherem Boden, sehr gut. „Was genau arbeitest du denn? Und um meine Frage von vorhin aufzugreifen, was willst du studieren?“

„Wow, du hast uns ja echt ausgiebig belauscht.“

„Mercedes …“

Sie nickte. „… ist lautstärkenbehindert. Richtig.“

„Also? Was arbeitest du?“

„Na ja … Bis vor Kurzem habe ich in der Sunspear Bar gekellnert, drei Abende die Woche. Außerdem war ich drei Tage die Woche Hundesitterin, Katzensitterin bei Bedarf, und ich habe als Interventionstherapeutin und Lernassistentin mit Kindern mit Autismus-Spektrum-Störung gearbeitet. Meinen Bachelor habe ich in Kinder- und Jugendbetreuung gemacht, spezialisiert auf Kinder mit speziellen Bedürfnissen und Lernschwächen.“

Fast hätte Mark den Schluck Whisky wieder ausgespuckt, den er eben genommen hatte, schaffte es aber, ihn runter zu zwingen, wobei seine Speiseröhre unangenehm krampfte.

Hatte sie das bemerkt?

So, wie sie ihn ansah, hatte sie das wohl.

„Alles okay bei dir?“

„Ja, tut mir leid, es ist nur … na ja, ich glaube, ich hätte einen Job für dich.“

Sie zog skeptisch eine Augenbraue hoch. „Aha?“

Tori war ganz offensichtlich ein gebranntes Kind, was Männer betraf, und sie hatte ihm unmissverständlich klargemacht, dass sie an romantischer Anbandelei nicht interessiert war. Er musste seine nächsten Worte also vorsichtig wählen. Wenn sie auch nur für einen Moment vermutete, dass er ihr den Job anbot, um an sie ranzukommen, wäre sie sofort weg.

Seine Mutter, die mit der Seele eines Blumenkinds gesegnet war, würde diese Begegnung wohl Schicksal nennen.

Mark brauchte genau so jemanden wie Tori in seinem Leben. Und hier war sie.

„Was für eine Art Job wäre das denn?“ Sie ließ ihren Blick an ihm herabwandern und blieb im Schritt seiner Anzughose hängen.

Na, zumindest hatte sein kein Problem mit Direktheit.

„Du würdest nicht für mich arbeiten. Ich weiß nur zufällig, dass es diesen Job gibt. Ein Freund von mir sucht gerade nach einer Interventionstherapeutin. Sein Sohn hat eine Autismus-Spektrum-Störung, und sie mussten sich vor Kurzem von seiner bisherigen Therapeutin trennen.“

Sie horchte merklich auf, und der Zweifel in ihrem Gesicht verschwand, zumindest größtenteils. „Ein Freund von dir? Und was macht dieser Freund beruflich?“

„Er ist Arzt. Außerdem ist er geschieden, so wie ich. Er und sein Junge, Gabe, sind also ganz allein. Ein süßes Kind und verdammt klug.“

„Wie alt?“

„Achtunddreißig.“

Ihr Mund zuckte, als müsste sie sich ein Lachen verkneifen. „Ich meine Gabe. Wie alt ist Gabe?“ Sie verdrehte die umwerfend blauen Augen und schüttelte den Kopf. „Wieso sollte ich denn nach dem Vater fragen? Also ehrlich.“

Mark lachte. „Gabe ist fünf. Seit September geht er in die Vorschule.“

Sie nickte. „Und wie heißt dein Freund?“

Mark schluckte. „Ähm … Chris. Dr. Chris Herron.“

„Chris Herron?“

„Genau.“

„Oookay, nehmen wir mal an, ich wäre interessiert. Wie würde ich mich denn bei diesem Dr. Herron bewerben?“

„Ich arrangiere das gern. Ich kann dir seine Nummer geben, auf die Weise musst du mir nicht deine verraten. Du kannst ihm dann einfach eine Nachricht schicken. Ich sage ihm, dass ich jemanden gefunden habe, der Interesse an dem Job hat, und dass du ihn kontaktieren wirst.“

„Meinst du, eine Nachricht aufs Handy ist professionell genug?“

Mark nickte und spürte ein Prickeln im Nacken, als ihm klar wurde, dass seine kleine Notlüge gerade begann, ein Eigenleben zu entwickeln. „O ja, absolut. Er ist immer sehr beschäftigt. Kann deswegen nicht immer ans Telefon gehen, hat es aber immer dabei und antwortet auf Nachrichten.“

„Na, wenn du meinst.“ Sie zog ihr Handy aus der Tasche. „Okay, dann gib mir mal seine Nummer.“

***

„Uuuuuh, tauscht ihr da etwa gerade Nummern aus?“ Mercedes kicherte, als sie und der Rest der Gruppe zurück an den Tisch kamen. Sie hatten ein ganzes Tablett voller Drinks dabei.

„Nein, tun wir nicht“, sagte Tori knapp. „Mark hat mir nur von einem Job erzählt, der interessant sein könnte, und ich notiere mir die Details.“

Mercedes’ blutrot geschminkte Lippen verzogen sich zu einem Schmollmund, der jedoch kaum eine halbe Sekunde hielt. „Wir trinken jetzt Shots!“, rief sie dann.

Tori warf Mark einen kurzen Blick zu. Himmel, sah der Kerl gut aus.

Sie hatte Männern zwar fürs Erste abgeschworen, aber wenn es jemanden gab, der sie aus den dunklen Tiefen des traurigen Scheidungslebens herausholen konnte, dann war es dieser Typ. Denn – das wusste sie jetzt schon – er würde ihr heute Nacht ganz schön heiße Träume bescheren. Und vermutlich nicht nur ihr, sondern allen anderen Frauen am Tisch ebenfalls, sogar den verheirateten.

„Tut mir leid“, murmelte sie mit einem Seitenblick auf Mercedes.

Sein leises Lachen ließ das Blut in ihren Adern hochkochen und entfachte ein Feuer tief in ihrem Bauch. „Ich bin ja selbst schuld. Schließlich habe ich mich einfach in eure Ladys-Night gedrängt.“

„Diese ganze Party war übrigens nicht meine Idee“, sagte sie und zog nach einem Schluck ihres viel zu starken Drinks die Lippen kraus. Du liebe Güte, hatte Mercedes etwa Dreifache bestellt? Sie würde Mark in den finanziellen Ruin treiben.

„Es ist ja nichts falsch daran, mal ein bisschen Dampf abzulassen und zu feiern.“ Seine grünen Augen erinnerten sie an die saftigen Hügel Schottlands. Schon immer hatte sie sich gewünscht, eines Tages dorthin zu reisen. Bei der Art, wie sich sein Blick in den ihren bohrte, zogen sich ihre Muskeln vor Verlangen zusammen, ganz besonders zwischen ihren Beinen.

„Ist es das, was du hier tust?“, fragte sie. „Dampf ablassen?“

Offenbar war Mercedes noch nüchtern genug, um daran zu denken, auch Mark einen neuen Drink mitzubringen. Er hob das eisgefüllte Whiskyglas und nahm einen Schluck. „Nicht wirklich. Der Freund, den ich hier treffen wollte, macht gerade eine schwere Zeit durch und brauchte jemanden zum Reden. Aber seine Tochter ist krank geworden, deswegen konnte er nicht kommen.“

„Ich hoffe, es ist nichts Ernstes?“

„Ich glaube nicht, nur eine Erkältung. Ist ja gerade die Zeit dafür.“

Mark sah auf seine Uhr. Und was für eine teure Uhr das war! Auch darüber hinaus war er auffallend gut gekleidet; schickes, dunkelviolettes Hemd und schwarze Hose, und dazu trug er Toris absolutes Lieblingsaccessoire: einen Dreitagebart. Ken war immer glatt rasiert gewesen. Er meinte, dass es so unter der Mundschutzmaske in der Zahnarztpraxis weniger juckte. Aber Marks prägnantes Kinn war von einer guten Menge dunkler Stoppeln überzogen. Und sie hatten sogar die perfekte Länge. Nicht zu lang und nicht zu kurz. Genau richtig, um nach ausgiebigem Rumknutschen prickelnd wunde Lippen zurückzulassen.

Er fuhr sich mit der Hand durch die dunklen Haare und unterdrückte ein Gähnen. „Ich glaube, ich sollte langsam gehen. Es ist schon spät, und ich will euch auch nicht länger stören.“ Er erhob sich und wandte sich zum Gehen.

Die anderen hatten inzwischen entschieden, lieber zu stehen, sie und Mark saßen allein auf der Bank. Ein paar der Mädels flirteten mit dazugekommenen Männern, kichernd und schmachtend, während andere an ihren Handys hingen und ihren Freunden oder Männern schrieben.

„Willst du etwa schon gehen?“ Mercedes war wie aus dem Nichts aufgetaucht und legte ihre Hand auf Marks Bizeps. „Die Party fängt doch jetzt erst richtig an … dank dir.“

Mark schüttelte sie so sanft wie möglich ab und nahm seine Lederjacke von der Bank. „Ich fürchte, ich muss. Aber es hat mich gefreut, euch alle kennenzulernen.“ Sein Blick suchte Tori. „Ganz besonders dich, Tori. Ich hoffe, du meldest dich wirklich bei Dr. Herron, und das mit dem Job klappt.“

Alles in Tori kribbelte, als sie zu ihm aufsah. „Danke. Das hoffe ich auch.“

Sosehr sie auch zu ihrem Vorsatz stand, Männern fürs Erste abzuschwören, so schwer fiel es ihr nun, ihn gehen zu lassen. Sie wollte nicht, dass dieser Abend, diese Begegnung schon zu Ende war.

Sollte sie ihm doch ihre Nummer geben?

Sie wollte gerade etwas sagen, als er sich noch einmal zu ihr runterbeugte und mit seinem Mund ganz dicht an ihr Ohr herankam. Wollte er sie auf die Wange küssen? Sie atmete tief ein und roch seinen Duft. Mhm … was war das wohl für ein Parfüm? Es roch absolut umwerfend. Nach frischer Luft und … Mann. Nach purem Mann. Nach sexy Mann mit exzellentem Geschmack und dem perfekten Dreitagebart.

Aber er küsste sie nicht. Stattdessen flüsterte er: „Es wird besser. Ich weiß, dass es im Moment einfach nur wehtut. Im Moment hasst du alle Männer, vielleicht sogar die ganze Welt. Aber eines Tages wirst du aufwachen, und dir wird plötzlich klar werden, dass du ohne ihn viel besser dran bist. Es wird leichter, wirklich.“ Er strich ihr eine Haarsträhne hinters Ohr, richtete sich wieder auf und verschwand in der Menge.

„Wow!“, sagte Mercedes und pfiff anerkennend durch die Zähne. „Ich glaube, ich hatte gerade einen Miniorgasmus.“

Doch Tori nahm sie kaum wahr. Sie hatte automatisch die Augen geschlossen, als Mark sie berührte, und saß noch immer da wie in Trance.

Von wegen Miniorgasmus. Tori war sich ziemlich sicher, dass sie sich soeben Hals über Kopf verliebt hatte.

Kapitel 2

„Flush“, murmelte Mark und deckte seine Karten auf.

„Straight“, brummte Zak, schüttelte den zerzausten Rotschopf und leerte sein Bier in einem Zug.

„Aha!“ Liam, der Gründer ihres Clubs und heutiger Gastgeber, warf triumphierend seine Karten auf den Tisch. „Royal Flush. Seht’s euch an und weint, Loser!“ Seine dunkelbraunen Augen leuchteten begeistert, als er sämtliche Pokerchips auf dem Tisch zusammenraffte und zu sich zog.

Adam war gerade mit einer neuen Schüssel Kartoffelchips zurückgekehrt und setzte sich zu ihnen. „Was hab ich verpasst?“

„Ach, nur, wie unser Gastgeber uns voll abgezogen hat … schon wieder“, grummelte Adams jüngerer Bruder Zak und erhob sich. „Tja, es stimmt wohl, dass das Haus immer gewinnt.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich brauche mehr Bier. Sonst noch jemand?“

Rund um den Tisch wurde zustimmend gebrummt und genickt.

„Als ob der megaerfolgreiche Scheidungsanwalt mit dem sechsstelligen Jahresgehalt unser Geld nötig hat“, schimpfte Scott, Liams jüngerer Bruder, der als Erster aus dem Spiel geflogen war.

„Hey, es geht nicht darum, was ich nötig habe – es geht ums Gewinnen. Beim Poker ist eben alles erlaubt.“ Liams breites, durchtriebenes Grinsen erinnerte Mark an den Joker aus Batman. „Außerdem bin ich ja wohl nicht der Einzige hier, der sechsstellig verdient.“ Er nickte Mark zu. „Unserem Marky Mark fällt der Verlust von heute Abend doch nicht mal auf.“

Mark verdrehte übertrieben die Augen. Er liebte diese samstäglichen Pokerabende. Hier konnte er ganz er selbst sein und fand bei seinen Mitspielern immer Unterstützung und echte Freundschaft, denn sie waren alle so wie er: alleinerziehende Väter.

Liam Dixon, der diese Runde ins Leben gerufen hatte, war Scheidungsanwalt, sämtliche Anwesenden ehemalige Klienten. Eigentlich war es in seinen Kreisen höchst verwerflich, private Freundschaften mit Klienten zu pflegen, aber Liam hatte ein Hintertürchen gefunden und war nach Abschluss des Falls mit ihnen befreundet geblieben. Auf diese Weise hatte er schon einige Männer in seinen Club eingeladen. Männer, die Unterstützung dabei brauchten, das Chaos aus Trennung, Sorgerecht und Unterhaltszahlungen an Ex-Frau und Kinder zu bewältigen. Und bevor sie wirklich wussten, wie ihnen geschah, waren sie die Single Dads von Seattle und spielten jeden Samstag zusammen Poker.

Emmett setzte sich neben Mark. Er war auch schon früh aus dem Spiel ausgestiegen und hatte im Nebenraum telefoniert. Seine Tochter Josie war heute bei ihrer Mutter und höchst unglücklich darüber. Sie rief Emmett immer wieder an, damit er sie endlich abholte.

„Geht’s Jojo gut?“, fragte Mark und bedankte sich mit einem Lächeln bei Zak für das neue Bier.

Emmett nickte, konnte Mark damit jedoch nicht überzeugen, allzu deutlich stand Frustration in seinen bernsteinfarbenen Augen. Mark wusste, dass es ihn seine ganze Willenskraft kostete, nicht sofort aufzuspringen und zu seiner Tochter zu fahren.

„Tiffany hat einen neuen Freund, und obwohl ich strikt dagegen war, hat sie Jojo diesen Huntley heute vorgestellt. Jojo ist total unglücklich darüber, sie will nichts mit ihm zu tun haben, will nicht mit den beiden zu Abend essen und würde ihn am liebsten aus dem Haus werfen.“

Mark runzelte die Stirn. Arme Josie.

Scott griff sich eine Handvoll Kartoffelchips. „Wie lange seid ihr jetzt schon getrennt?“

„Geschieden“, korrigierte Liam. „Den ganzen Mist haben wir vor über einem Monat endlich abgeschlossen, deswegen ist Emmett ja überhaupt hier. Er ist jetzt nicht mehr mein Klient, sondern mein Freund.“ Er lächelte Emmett aufrichtig an.

Der verzog das Gesicht, was ihn aussehen ließ, als hätte er eine üble Verstopfung. „Wir sind seit über einem Jahr getrennt. Aber ja, geschieden sind wir offiziell erst seit November.“

„Und seit wann ist sie mit diesem Huntley zusammen? Was ist das überhaupt für ein bescheuerter Name?“, fragte Mark.

„Ja, oder? So nennt man doch nur seinen Hund.“ Emmett griff in die Schüssel mit Salzbrezeln, die neben seinem Ellenbogen stand.

„Stimmt! Der Hund in Coco, der neugierige Affe heißt so“, warf Scott lachend ein.

„Genau genommen heißt der aber Hundley, mit d“, korrigierte Adam. „Mira liebt Coco über alles. Und Hundley ist ihr Lieblingscharakter.“

„Ich finde Coco auch super“, meldete sich Zak zu Wort. „Er hat immer nur Unsinn im Kopf, aber am Ende ist er es, der mal wieder den Tag rettet.“

Mark warf ihm einen Blick zu. „Also in etwa so wie du?“

Zak wackelte mit den Augenbrauen. „Ich habe zumindest nichts dagegen, mich ab und zu zum Affen zu machen.“

Emmett stieß ein amüsiertes Grunzen aus. „Wie auch immer, Tiff hat mir jedenfalls erzählt, dass sie schon seit sechs Monaten zusammen sind. Wir hatten abgemacht, dass wir Jojo einen neuen Partner frühestens nach sechs Monaten vorstellen. Und das sollte dann ein langsames, vorsichtiges Kennenlernen sein. Die Scheidung war echt nicht leicht für sie.“ Er schob sich mehrere Brezeln in den Mund.

Mark zupfte an dem Etikett seiner Bierflasche herum. „Geht es ihr denn zumindest wieder besser?“

Emmett nickte mit vollem Mund. Er musste erst schlucken, bevor er antworten konnte. „Tut mir leid, dass ich gestern so kurzfristig absagen musste.“

Mark schob die auf dem Tisch verteilten Karten zusammen und begann abwesend, sie zu mischen. „Kein Problem.“

„Bist du dann einfach nach Hause gegangen?“

Er schüttelte den Kopf. „Na ja, ich wollte eigentlich nur noch in Ruhe austrinken, aber irgendwie habe ich dann die ganze Rechnung – über tausend Dollar – für einen Tisch voller Frauen übernommen, die dort die bevorstehende Scheidung ihrer Freundin gefeiert haben.“

Alle am Tisch hörten augenblicklich auf zu reden, zu trinken oder zu kauen.

„Du hast was getan?“, fragte Zak in die entstandene Stille hinein. Seine Scheidung war ganz besonders unangenehm gewesen, und die seelischen Wunden waren noch frisch. Wie Tori hatte auch er dem anderen Geschlecht erst mal für eine Weile abgeschworen, um sich ganz auf sein Geschäft zu konzentrieren. Er besaß drei Fitnessstudios in Seattle und wollte innerhalb der nächsten Jahre noch zwei weitere eröffnen.

Mark hob eine Schulter und mischte weiter die Karten. Es war leichter, wenn seine Hände beschäftigt waren. „Ich habe mitbekommen, worüber sie geredet haben, und die Frau tat mir eben leid. Ihr Mann hat sie dazu gebracht, ihre eigenen Träume zurückzustellen, um ihm durchs Studium zu helfen, nur um sie dann zu betrügen und sitzen zu lassen, kaum dass er seinen Abschluss in der Tasche hatte. Sie hat in drei Jobs gleichzeitig geschuftet, um ihn zu finanzieren, und jetzt hat sie kein Geld mehr für ihr eigenes Studium.“

„Weißt du, wer ihr Scheidungsanwalt ist?“

Mark schüttelte mit einem Schnauben den Kopf. „Keine Ahnung.“

„Und sein Anwalt?“

„Was weiß denn ich? Das habe ich sie nicht gefragt. Ich bin nur zu ihnen rübergegangen, weil ich ihnen eine Runde spendieren wollte.“

„Und diese Runde waren tausend Jakobsmuscheln, oder was?“, fragte Emmett.

„Na ja, ich habe dann wohl irgendwie angeboten, die Rechnung für den ganzen Abend zu übernehmen.“

„Alter.“ Liam schnalzte mit der Zunge. „Die Süße war dann hoffentlich eine Zehn oder Elf, wenn du für sie so ’ne Stange Geld ausgibst.“

„War sie … ist sie.“

„Hast du wenigstens ihre Nummer bekommen?“

Mark schüttelte den Kopf. „Nein. Nach dem Albtraum mit ihrem Ex will sie mit Männern erst mal nichts mehr zu tun haben.“

Zak schnaubte. „Kann ich absolut verstehen. Ich habe auch überhaupt kein Bedürfnis, in absehbarer Zeit wieder zu daten.“

„Mach’s einfach wie ich.“ Liam bedeutete Mark, die Karten zu verteilen. „Such dir eine heiße Braut, die was drauf hat im Bett und sonst nichts von dir will, und hab deinen Spaß mit ihr.“

„Schläfst du immer noch mit Richelle?“, fragte Scott.

„Sie kommt jeden Mittwoch vorbei, wenn Jordie bei Cidrah ist, und wir vögeln, bis die Wände wackeln. Sie bleibt nicht mal über Nacht.“

„Und das findet sie okay?“, fragte Mark.

„Hat sie selbst vorgeschlagen. Wir wollen beide nichts Ernstes oder am Ende sogar die Kinder ins Spiel bringen. Wir wissen schließlich, was eine Scheidung Kindern antun kann.“

„Wahre Worte“, murmelte Zak, während er seine Karten betrachtete.

„Wir haben uns ja sogar über das Thema kennengelernt. Sie hat die eine Seite vertreten, ich die andere, und wir mussten beide dabei zusehen, wie unsere Klienten ihre Kinder als Druckmittel und Spielchips missbraucht haben, um zu bekommen, was sie wollten. Echt widerlich.“

„Cidrah hat das mit dir doch auch versucht“, warf sein Bruder ein.

„Ja, sie hat’s versucht.“

„Gut, dass du der Beste in dem Business bist.“ Mark lachte.

„Und dass du höhere Rechnungen stellst als Beyoncé für eine Privatvorstellung“, fügte Emmett hinzu.

Liam grinste und wackelte spielerisch mit den Augenbrauen. „Habe ich meinen neuen Audi etwa nicht verdient, dafür, dass ich dir das geteilte Sorgerecht für Josie verschafft habe? Und noch dazu zahlst du nur halb so viel Unterhalt, wie Tiff verlangt hat.“

Emmett schnaubte und rieb sich den Nacken. „Ja …“ Er warf den anderen Männern am Tisch einen Blick zu. „Sie wollte über sechstausend im Monat.“

Adam verschluckte sich fast an seinen Kartoffelchips. „Fuck! Sechstausend? Nur für sie, ohne den Unterhalt für eure Tochter?“

Emmett nickte. „Nur für sie.“

Mark wusste das alles bereits, denn er und Emmett waren gute Freunde. Aber in dieser Gruppe hatte niemand ein Problem damit, über die eigene Scheidung zu reden. Das hier war eine sichere Zone. Hier konnten sie zusammen lästern, jammern und einfach offen reden. Eigentlich war es Liam natürlich verboten, über seine Fälle zu sprechen, aber in ihrem Club galten andere Regeln. Die Männer waren wie eine zweite Familie füreinander, sie hielten zusammen und unterstützten sich. Es gab keine Tabuthemen, hier konnten sie alles rauslassen.

„Aber Tiff ist doch Hautärztin, verdammt“, sagte Adam. „Die verdient doch selbst genug Kohle. Wie kommt sie denn auf die Idee, dass ihr so viel zusteht?“

Emmet schüttelte den Kopf. „Keine Ahnung.“

„Pure Gier“, warf Liam ein. „Aber genau der Fakt, dass sie selbst Ärztin ist, und auch die Tatsache, dass Jojo schon in den Kindergarten geht und Tiff deswegen wieder mehr arbeiten kann, haben die Unterhaltszahlungen für Emmett ganz schön reduziert.“

Adam nickte. „Na immerhin.“

„Nicht jede Scheidung verläuft so friedlich wie deine“, erwiderte Liam.

Adams Miene verriet, dass er nicht wirklich Liams Meinung war, aber er hatte offenbar keine Lust, das zu diskutieren. Adams Scheidung mochte größtenteils freundschaftlich verlaufen sein, aber leicht war sie trotzdem nicht gewesen.

„Na ja, jedenfalls hat Tiff dann gesagt, weil sie nicht so viel Geld bekommen hat, wie sie wollte, wird sie Huntley Jojo vorstellen, wie auch immer es ihr passt. Das ist ihre Rache“, sagte Emmett, den diese ganze Sache offensichtlich sehr bedrückte. „Ich weiß, dass wir uns auf die Sechs-Monate-Regel geeinigt haben, und daran hält sich Tiff. Aber ich fürchte, sie hat Jojo diesen Huntley regelrecht aufgedrängt. Er schläft bei ihnen, isst mit ihnen, ist die ganze Zeit da. Er versucht, Jojos neuer bester Freund zu werden, und sie hat da echt keinen Bock drauf. Sie nennt ihn nur den Kackfrosch.“

Die Männer am Tisch lachten und beteuerten, wie sehr sie die kleine Josie mochten.

Emmett war genau wie Mark Arzt in einer Klinik. Im Gegensatz zu Mark, der Radiologe war und deswegen häufig zu Hause arbeiten konnte, war Emmett Notfall- und Traumachirurg und musste zu den unmöglichsten Zeiten arbeiten. Er hatte mit Zähnen und Klauen für das geteilte Sorgerecht kämpfen müssen, weil Tiff, die von neun bis vierzehn Uhr in einer Privatpraxis arbeitete, behauptet hatte, er könne Josie mit seinen Arbeitszeiten kein stabiles Umfeld bieten. Doch Liam hatte in diesem Punkt nicht lockergelassen, und zum Glück war der Richter am Ende auf Emmetts Seite gewesen.

„Jetzt aber noch mal zu dieser Braut, die Mark gestern nicht abgeschleppt hat.“ Liam nickte in Marks Richtung, wobei ihm eine Strähne seines dunkelblonden Haars in die braunen Augen fiel. „Also, was war an ihr so besonders, dass du ’nen Tausender für sie und ihre Freundinnen auf den Tisch gelegt hast?“

Mark lächelte. Er lächelte auffallend oft heute, jedes Mal, wenn er an Tori und ihr sexy Kleid mit dem tiefen Ausschnitt dachte, mit dem sie aus jeder Kirche geflogen wäre. Sie musste irgendeine Art von Klebeband benutzt haben, um den Stoff an Ort und Stelle zu halten. So ein Kleid saß doch niemals ganz von allein so perfekt, ohne ungewollte Einblicke zu erlauben.

Liam lachte auf. „Seht ihn euch an. Der ist ja nur noch am Tagträumen.“

Mark verdrehte die Augen, während Liam seinen Einsatz für die nächste Runde auf den Tisch legte. „Ich weiß auch nicht. Sie hatte einfach etwas an sich. Wir haben uns ein bisschen unterhalten …“ Er betrachtete seine Karten, die verdeckt vor ihm lagen. „Und dann habe ich ihr einen Job als Gabes Therapeutin angeboten.“