Mira Lyn Kelly, Maggie Cox, Cathy Williams
JULIA EXKLUSIV BAND 282
IMPRESSUM
JULIA EXKLUSIV erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
| Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: kundenservice@cora.de |
| Geschäftsführung: | Thomas Beckmann |
| Redaktionsleitung: | Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.) |
| Produktion: | Jennifer Galka |
| Grafik: | Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto) |
Erste Neuauflage in der Reihe JULIA EXKLUSIV
Band 282 - 2017 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg
© 2010 by Mira Lyn Sperl
Originaltitel: „Tabloid Affair, Secretly Pregnant!“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Alexa Christ
Deutsche Erstausgabe 2011 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,
in der Reihe JULIA, Band 152011
© 2011 by Maggie Cox
Originaltitel: „One Desert Night“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Rita Koppers
Deutsche Erstausgabe 2012 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,
in der Reihe JULIA, Band 2005
© 2010 by Cathy Williams
Originaltitel: „Powerful Boss, Prim Miss Jones“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Irmgard Sander
Deutsche Erstausgabe 2012 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,
in der Reihe JULIA, Band 2004
Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 03/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733709228
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY
Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de
Werden Sie Fan vom CORA Verlag auf Facebook.
Blitzlicht explodierte vor seinen Augen. Aufgeregte Reporterstimmen, die sich gegenseitig zu übertönen suchten, drangen wie Maschinengewehrfeuer an sein Ohr.
„Mr. Evans!“
„Schauen Sie bitte einmal hier rüber!“
Nate Evans stand mit angestrengtem Lächeln unter dem Vordach eines der exklusivsten Hotels von Chicago, gab vage Antworten auf die eher leichten Fragen und wartete insgeheim auf die eine Frage, die garantiert noch kommen würde.
Es dauerte nicht lange.
„Mr. Evans! Würden Sie uns erklären, warum Sie sich in den vergangenen Monaten so völlig aus dem gesellschaftlichen Leben zurückgezogen haben?“
Die Frage durchschnitt die Stille dieses frühen Herbstabends wie ein Messer.
Die Meute wusste, dass sie auf einer heißen Spur war.
Doch er war auf den Angriff vorbereitet. Genau genommen, begrüßte er ihn sogar.
Nate täuschte Überraschung vor, tat so, als müsse er einen Moment überlegen, und entgegnete dann: „Ich schätze, ich hatte beruflich so viel zu tun, dass ich gar nicht gemerkt habe, wie sehr ich mich abgekapselt habe.“
Seine Antwort befriedigte nicht mal die mildeste Neugier. Außerdem handelte es sich um eine Lüge. Er hatte sich in den vergangenen sechs Monaten bedeckt gehalten. War untergetaucht, um der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu entgehen. Währenddessen strebte der Albtraum seines Lebens ganz allmählich einem unbefriedigenden Ausgang zu. Sechs Monate fernab des Schweinwerferlichts, weit weg von irgendwelchen Kameras, nur um festzustellen, dass seine Abwesenheit verdächtig genug wirkte, um neue Gerüchte und Spekulationen zu produzieren.
Welche Schönheit hat diesem Junggesellen das Herz gebrochen?
Die reißerische Schlagzeile hatte ihn wie eine Faust in den Unterleib getroffen. Es war ein kleines Vermögen nötig gewesen, um sie verschwinden zu lassen.
Sein Dad hatte eine solche Art Publicity nicht verdient.
Genauso wenig wie Bella – das kleine Baby, das Gefühle in ihm geweckt hatte, die Nate nie für möglich gehalten hätte. Sie war so rein und kostbar und liebenswert. Und auch wenn sie nicht zu ihm gehörte, hatte er doch geschworen, sie vor allem Unbill dieser Welt zu beschützen.
Genau aus diesem Grund war er heute hier. Die erste Gala-Veranstaltung, die er besuchen konnte, um die Presse von seiner Fährte abzulenken.
Er schenkte den Kameras sein schönstes Raubtiergrinsen. „Ich schaue also besser mal nach, ob sich einige der Ladys da drinnen noch an mich erinnern.“ Mit diesen Worten wandte er sich ab und ging die paar Schritte bis zu dem großen Eingangsportal hinüber. Dabei sah er so aus, als wolle er nicht eine Minute der Party verpassen. In Wirklichkeit hätte er sich lieber einen Weisheitszahn ziehen lassen als die „Society-Hochzeit des Jahres“ zu besuchen.
Aber er brauchte ein Ablenkmanöver – je schneller, desto besser. Also war er hier.
Er würde sich kopfüber in das Meer aus schimmernder Seide und angeberischem Gepränge stürzen und nach dem größtmöglichen Skandal suchen. Er würde eine Schönheit an Land ziehen, die die Boulevardpresse auf ihren Titelseiten ablichten konnte. Eine, die so viel Aufsehen erregte, dass die Medien sich nicht länger für seine jüngste Vergangenheit interessierten.
Eine, die wusste, wie der Hase lief.
Das war der heikle Part, denn Nate gehörte nicht zu der Sorte Mann, die sich an eine Frau band. Mit der Liebe hatte er nichts am Hut. Genauso wenig wie mit „für immer und ewig“.
Rasch überflog sein Blick die gesellschaftliche Elite Chicagos, die in dem goldenen Ballsaal versammelt war. Er suchte nach einer Frau, die auf seiner Wellenlänge lag, einer, die er für sein Vorhaben einspannen konnte. Doch nach kaum fünf Minuten realisierte Nate, dass er sich verrechnet hatte – und zwar nicht zu knapp.
Eine Frau zu finden, die er zur Schau stellen konnte, war einfach genug. Es gab mindestens hundert Kandidatinnen, die willig mit den Wimpern klimperten. Doch wann immer ein perfekt frisierter Kopf sich kokett in seine Richtung drehte, verwandelte sich die Apathie, die in den vergangenen sechs Monaten so mühelos dafür gesorgt hatte, dass er allein blieb, in etwas Dunkleres. Überall witterte er Hintergedanken.
Und dann sah er sie.
Payton Liss schob sich durch die Menge und benutzte geschickte Ausweichmanöver, um den Händen, die geschüttelt werden wollten, zu entgehen, und um sich nicht auf den tratschenden Smalltalk einzulassen, der jede Hochzeit begleitete – egal, was das gesellschaftliche Protokoll vorschrieb.
Das brave Mädchen aus seiner Vergangenheit. Brandts kleine Schwester. Miss Tabu höchstpersönlich.
Payton brauchte sein Geld nicht. Seinen Namen würde sie auch nicht wollen. Und sie würde ihm trotz allem, was damals mit Brandt geschehen war, helfen, weil sie gewohnheitsmäßig das Richtige tat.
Na ja, meistens tat sie das Richtige.
Seine Mundwinkel zuckten, als er beobachtete, wie sie sich ein paar Hors d’œuvres vom Buffet schnappte und klammheimlich aus der Tür schlüpfte.
Nates Füße hatten sich bereits in Bewegung gesetzt, noch ehe er seinen Plan zu Ende gedacht hatte.
Ganz in schlecht sitzenden Taft gehüllt, lehnte Payton Liss die Schultern an die Wand hinter sich. Sie streckte die Beine auf dem Boden ihres Verstecks aus – einem wundersamerweise unverschlossenen Hauswirtschaftsraum, den sie rein zufällig drei Hochzeiten zuvor entdeckt hatte – und blockierte die Tür mit einem Fuß. Sie war eine Brautjungfer aus der zweiten Garde, und sie befand sich auf der Flucht.
„Keine Chance, Nate. Die Frauen werden dich garantiert aufspüren. Geh und such dir deine eigene Abstellkammer.“
Durch den Spalt zwischen Tür und Rahmen wurde sie von einem Paar eisblauer Augen gemustert, was ihr schlagartig in Erinnerung rief, welche Wirkung dieser Blick einst auf sie gehabt hatte. „Du öffnest jetzt die Tür, Payton, oder ich kehre schnurstracks zur Party zurück – und dort erzähle ich jedem Idioten, den ich treffe, dass du allein hier drin bist … und heulst.“ Das letzte Wort verkündete er mit der arroganten Selbstgefälligkeit eines Mannes, der wusste, dass er bereits gewonnen hatte.
Ihr stockte der Atem, während sie ihn voller Empörung anstarrte. „Ich heule nicht!“ Sich verstecken, ja. Auch ein bisschen schmollen. Aber heulen? Niemals.
„Denk bloß mal an das Gerede“, fügte Nate schadenfroh hinzu.
Ihr Magen verkrampfte sich. Das Gerede war ja der Hauptgrund, weshalb sie hierher geflüchtet war.
Das Gerede um die „arme Payton“.
„… so ein gutes Mädchen … hatte sich so auf ihre Hochzeit gefreut … war ganz verzweifelt, als er sie verlassen hat … genau das, was ihr Vater sich gewünscht hat, aber was hat er denn erwartet …“
Sie konnte all das nicht mehr hören.
Von denen hatte doch keiner eine Ahnung. Doch selbst wenn sie die Wahrheit herausgebrüllt hätte, würde ihr niemand glauben. Sie hatte zu lange und zu überzeugend ein ruhiges, stets fügsames Mädchen gespielt, das gar nicht existierte. Und wofür? Für nichts und wieder nichts! Auch wenn ihr Verhalten noch so perfekt gewesen war, es hatte ihren Vater nicht vor dem schwachen Herz schützen können, das ihn die letzten fünfzehn Jahre seines Lebens plagte. Wenn sie an seinen Tod vor einem Jahr dachte, kamen ihr immer noch die Tränen. Immerhin ruhte er jetzt in Frieden, und auch wenn sein Tod ihr das Herz gebrochen hatte, so befreite er sie doch auch.
Aber trotz aller Veränderungen, die sie vorgenommen hatte, blickte niemand wirklich hinter die Fassade auf die wahre Frau, die sich darum bemühte, auszubrechen. Deshalb würde dies ihr letztes gesellschaftliches Ereignis sein. Sie brauchte ein richtiges Leben. Eines, das sie nach ihrem eigenen Geschmack gestalten konnte.
Der gelangweilte Seufzer holte Payton in die Gegenwart zurück. Zu Nate, der sich wieder in ihr Leben mischte, nachdem er vor all den Jahren daraus verschwunden war. „Letzte Chance, Baby, oder ich rede. Da draußen treiben sich genug Leute rum, die nur drauf warten, sich den Mund zu zerreißen.“
Er würde es wirklich tun, der Mistkerl, dachte sie und gab dem unerklärlichen Lächeln nach, das aus der Asche der Erinnerungen zu steigen schien, die sie mit diesem Mann verband.
Nate kannte keine Tabus, wenn es darum ging, das zu bekommen, was er haben wollte. Und jetzt – nach einer Dekade, in der sie wenig mehr getan hatten, als sich flüchtig zu grüßen, wenn sie sich zufällig begegneten – wollte er in ihr Versteck eindringen.
„Jetzt, Payton.“
Mit einem widerwilligen Seufzen nahm sie den Fuß von der Tür und brachte sich in eine sitzende Position auf dem Boden, den sie mit einem Stoß Tischtücher ausgelegt hatte.
„Also gut, komm rein. Aber beeil dich, damit dich niemand sieht.“
„Kluges Mädchen.“ Er schlüpfte durch die Tür, die er mit einem Fuß zustieß. Es war eine geschmeidige Bewegung, die Payton dazu veranlasste, ihn genauer unter die Lupe zu nehmen.
Verdammt, er sah besser aus, als es einem Mann gestattet sein sollte. Sein Haar war immer noch dunkelblond und ein bisschen kürzer als früher, aber in seiner herrlichen Zerzaustheit wirkte es einfach unwiderstehlich. Schultern und Brust schienen breiter zu sein, auch wenn er immer noch athletisch schlank war und ein Selbstbewusstsein ausstrahlte, das in seiner Umgebung Komplexe auslösen musste. Der maßgeschneiderte Smoking stand ihm hervorragend. Die Flasche Champagner, die er lässig in der Hand hielt, war wie ein perfekt abgestimmtes Accessoire.
Nate wirkte in seiner ungezwungenen Eleganz auf eine Weise einschüchternd, der gegenüber sie eigentlich immun war.
Andererseits handelte es sich hier um Nate Evans. Mit ihm war es von Anfang an anders gewesen. Ja, er verkörperte alles, was Payton sich niemals zugestand.
Endlich fragte sie ihn: „Was machst du hier?“
Er schaute sie eindringlich an, seine Mundwinkel zuckten nur ein ganz klein wenig. „Ich suche nach dir.“
Es war sicherlich nicht als der Verführungsversuch gemeint, nach dem es klang, da war sie sicher. Nate hatte sie nie unter diesem Blickwinkel betrachtet und würde es auch nie tun. Sie wartete darauf, dass er seine Aussage erläuterte, doch stattdessen schaute er sich in dem kleinen Raum um, in dem sich Geschirr, Servierwagen und Tabletts stapelten. „Hübsch hast du es hier.“
„Vielen Dank, es ist ganz praktisch. Noch ein paar Wochen, und ich werde Besuch empfangen können.“
Er hob eine Augenbraue, als er ihre provisorische Sitzgelegenheit entdeckte. Sein Blick verdüsterte sich. „Aber jetzt erwartest du doch keinen Besuch, oder?“
Hitze breitete sich über ihren Hals und ihre Wangen aus, als ihr klar wurde, wie ihr kleines Nest auf einen Playboy wie ihn wirken musste. „Nein, nein.“ Heftig schüttelte sie den Kopf. „Ich mache es mir nur für eine Weile gemütlich. Ich kann mich frühestens in einer Stunde verabschieden, aber bei all dem Gerede habe ich es einfach nicht ausgehalten zu bleiben.“
„Verstehe. Sie sind wie die Geier da draußen.“ Er tippte mit der Schuhspitze gegen ihre Hüfte. „Rutsch rüber. Ich will auch rein ins Nest.“
Payton rückte zur Seite und machte ihm Platz. Als er sich zu ihr niederließ, spannte der Stoff seiner Hose kurz, und darunter zeichneten sich harte Muskeln ab. Augenblicklich schnellte ihr Puls hoch und damit auch die Temperatur in dem Raum, der ihr noch vor einer Minute eher kühl vorgekommen war.
„Was ich nicht verstehe, ist, warum du allein hierherkommst. Und ich bete wirklich, es liegt nicht daran, dass du diesen Idioten von Exfreund namens Clint zurückhaben willst“, sagte Nate.
Payton verdrehte die Augen. Zu viel der Hoffnung, dass Nate die Gerüchte um ihre Trennung nicht zu Ohren gekommen waren. „Nein, Gott, nein. Das hier ist mein größter Albtraum. Ich hatte geplant, mir etwas Ansteckendes einzufangen, sodass ich hätte absagen können. Aber eine Brautjungfer ist mir zuvorgekommen, und so wurde ich vom einfachen Gast aufgewertet. Was für ein Glück!“
Nate lächelte amüsiert, während er ihr wenig vorteilhaftes Brautjungfernkleid begutachtete. „Wenn du meinst.“
Plötzlich musste Payton laut losprusten. „Und was ist mit dir? Es ist eine Hochzeit, und du stehst seit drei Jahren auf der Liste der begehrtesten Junggesellen ganz oben. Du bräuchtest schon an jedem Arm eine Begleiterin, um diese Veranstaltung unbeschadet zu überstehen. Ich bin erstaunt, dass du es aus dem Ballsaal geschafft hast, ohne eine lange Schlange von Single-Frauen hinter dir herzuziehen.“
Diesmal war es Nate, der lachte und dabei seinen Kopf zurückwarf. „Payton, Payton. Das ist ganz schön frech für ein braves Mädchen wie dich!“
Ihr Herz machte einen Satz, und ihr Blick glitt unwillkürlich zu seinen Lippen.
„Und wie kommt es nur, dass ich der Einzige bin, der dein freches Mundwerk zu hören bekommt?“
Sie konnte nicht zulassen, dass er sie weiterhin so ansah. Das Letzte, was sie brauchte, war Nate Evans, der sie daran erinnerte, was sie nicht haben konnte. Mit ihm zu flirten, wenn er in ihr nie mehr sehen würde als Brandts kleine Schwester. Das brave Mädchen.
Genug. Sie musste wissen, was der Mann, der vor all den Jahren wortlos aus ihrem Leben verschwunden war, jetzt von ihr wollte, und dann musste sie dafür sorgen, dass er verschwand, ehe sie etwas wirklich Dummes tat. „Was willst du?“
Die Frage stand im Raum. Nate hob die Champagnerflasche, nahm einen tiefen Schluck, drehte den Kopf und schaute sie eindringlich an. „Ich will dich, Payton. Du musst so tun, als wären wir liiert. Schon seit einem ganzen Monat, um genau zu sein.“
Nate beobachtete, wie Payton erst erbleichte und dann feuerrot anlief. Sie keuchte ungläubig, ehe sie das eine Wort ausstieß, das Klarheit bringen sollte. „Was?“
Nun, er hatte nicht erwartet, dass sie einfach so zustimmen und applaudieren würde.
Und verdammt, auch wenn er ihr Erröten wirklich anziehend fand, sollte er sich definitiv keine Gedanken um Paytons wundervolle Kurven machen, die sich so perfekt an seine Schenkel schmiegten. Keine gute Idee. War es noch nie gewesen.
„Ganz ruhig, Prinzessin. Trink einen Schluck.“
Payton schob die Champagnerflasche, die er ihr hinhielt, ungeduldig zur Seite. „Du willst, dass ich vorgebe, wir wären ein Paar?“
Er nickte. „Hier ist der Deal. Die Presse ist hinter mir her. Sie wollen etwas ausbuddeln, das vergraben bleiben soll. Deshalb brauche ich eine Ablenkung. Etwas Saftiges, in das sie ihre Zähne schlagen können. Und dafür brauche ich eine Freundin – jemanden, dem ich vertrauen kann. Du bist perfekt. Du bist sehr bekannt, geachtet, und alle werden glauben, dass du eine Beziehung zu mir nicht in der Öffentlichkeit ausgebreitet sehen willst.“
„Warum nicht?“, fragte sie. Dabei runzelte sie so verwirrt die Stirn, dass Nate am liebsten laut losgelacht hätte.
„Du bist Payton Liss. Du wünschst dir einen respektablen Ehemann. Eine ordentliche Familie.“ Er trank noch einen Schluck Champagner, ehe er sich ihr wieder zuwandte. „Einen angesehenen Namen.“
Und jeder wusste, dass Nate kein Mann zum Heiraten war. Es hatte mal eine Zeit gegeben – als er zum ersten Mal im Wirtschaftsteil der Zeitungen auftauchte – in der die Frauen mit „Liebe“ in den Augen und einem Ehevertrag in der Tasche Schlange gestanden hatten. Was für eine Wende für den Jungen, der keine Begleitung für den Abschlussball gefunden hatte, weil er keinen Treuhandfonds vorweisen konnte! Aber er war weder für die Liebe noch die Ehe geschaffen. Gott sei Dank erkannten das auch die Frauen irgendwann.
Unter seinem Blick schien sich das sanfte Braun von Paytons Augen zu verdunkeln, ihr Körper erstarrte, und ihre Stimme klang kühl. „Wenn das meine Prioritäten sind, warum sollte ich dann überhaupt eine Affäre mit dir haben?“
„Weil ich quasi die verbotene Frucht darstelle, eine nette Abwechslung“, versetzte er mit dreistem Grinsen. „Du mischst dich mal eine Zeit lang unter das gemeine Volk, nachdem die Sache mit Clint in die Hose gegangen ist. Ein Lückenbüßer, bis dir der nächste Blaublütler ins Netz geht.“
„Gemeine Volk?“, wiederholte sie ungläubig. „Du könntest meine Familie dreimal aufkaufen und wieder verkaufen.“
Sicherlich konnte er das … mittlerweile.
„Die Sache mit dem Namen“, gab er mit einem Achselzucken zurück. „Altes Geld mischt sich mit neuem. Geh auf meinen Plan ein, und du verleihst dem Gerede eine ganz andere Qualität. Du wirst kein Mitleid mehr zu spüren bekommen, weil dieser Idiot dich nicht geheiratet hat. Die Leute werden schockiert sein … und neidisch.“
Paytons Miene hellte sich auf. „Selbstvertrauen ist ein echtes Problem für dich, was?“
„Hey, du bist diejenige, die von der langen Schlange gesprochen hat“, verteidigte er sich. Doch das Lachen verging ihm, als er ihr tief in die Augen blickte. „Ich brauche dich. Die Presse muss endlich aufhören, danach zu forschen, was ich in den vergangenen sechs Monaten getan habe. Sie sollen glauben, dass sie das große Geheimnis bereits gelüftet haben. Dass du das Geheimnis bist.“
Ihr Blick wanderte ruhelos durch den kleinen Raum.
Das hier sollte es sein. Der letzte gesellschaftliche Auftritt. Sie wollte aus den Zeitungen verschwinden und das Leben vorantreiben, auf das sie hinarbeitete. Das Leben, in dem man sie aufgrund ihrer Leistungen beurteilte und nicht aufgrund der Tatsache, wie erfolgreich sie ein Kleid trug oder was die Presse für ihre Prioritäten hielt.
Doch Nate wäre niemals zu ihr gekommen, wenn sein Geheimnis nicht wichtig wäre.
Und sie musste zugeben, dass ein Teil ihrer Seele, den sie viel zu lange vernachlässigt hatte, bei dem Gedanken frohlockte, was ihre Verbindung mit Nate Evans für ein Aufsehen erregen würde. Ja, da hätte das Gerede in der Tat eine andere Qualität.
Brandt würde toben. Innerlich musste sie grinsen, doch schnell wurde sie wieder nüchtern. Was auch immer zwischen Brandt und Nate vorgefallen war, die Zeit hatte es nicht abgemildert. Selbst nach zehn Jahren löste die Erwähnung von Nates Namen immer noch einen Tobsuchtsanfall in ihrem Bruder aus … und sie verstand immer noch nicht, warum. Genauso wenig wie sie begriff, weshalb Nate sich so abrupt von ihr abgewendet hatte. Und so vollständig.
Rasch warf sie einen Seitenblick auf den in einen Smoking gekleideten Schurken und erkannte dabei, dass dies ihre Chance sein könnte, es herauszufinden.
„Was ist damals mit Brandt geschehen? Warum hast du ihn so verletzt?“
Nates Unterkiefer verkrampfte sich. „Vielleicht hatte Brandt es verdient, ein bisschen verletzt zu werden.“
Ihr Bruder hatte im Laufe der Jahre eine Menge Dinge getan, die sie nicht guthieß. Nicht verstand. Insgeheim hatte sie immer angenommen, dass … „Wo bist du die ganze Zeit gewesen?“, fragte sie.
Ihre ruhige Frage ließ ihn innehalten, und die feinen Linien um seine Augen verloren ihr Lachen. „Die letzten sechs Monate habe ich hauptsächlich in Deutschland verbracht.“ Er rutschte unbehaglich umher, streckte ein langes Bein aus. „Ich habe ein neues Projekt gehütet, das sich nicht so entwickelt hat, wie ich es erwartet habe.“
Das war nicht das, was sie gemeint hatte. Sie hatte sich eher gefragt, wo er die letzten zehn Jahre gewesen war. Sie hatten sich so nah gestanden. Waren Freunde gewesen. Und dann, eines Tages, waren sie es nicht mehr. Bloß dass er jetzt zurückgekehrt war. Und sie darum bat, ihm die Freundin zu sein, die er brauchte.
„Willst du mir verraten, worum es hier eigentlich geht?“
Nate fuhr sich mit einer Hand übers Kinn. „Wenn ich ganz ehrlich bin, würde ich dein kleines Nest hier gerne verlassen.“
Er stand auf, griff in seine Hosentasche, um ein paar Geldscheine herauszunehmen, die er zusammen mit der Champagnerflasche auf einem der Servierwagen hinterließ. „Was hältst du davon?“ Er streckte die Hand aus und zog sie zu sich hoch. „Wir kehren in den Ballsaal zurück und geben der Meute etwas, worüber sie reden können.“
Es war verlockend. Zumal Nates leichte Berührung eine glühende Hitze in ihr auslöste. Sie wollte nicht, dass das aufhörte, doch als er sie auf den Gang hinausführte, wurden ihre Schritte immer langsamer.
Nate drehte sich um. Ihr Zögern schien ihn zu wundern. „Was?“
„Ich muss darüber nachdenken.“
Der Gedanke, dass das Getuschel um sie nicht länger mitleidig sein würde, war verlockend, und die Gelegenheit, wieder etwas Zeit mit Nate zu verbringen – nun, sie wusste nicht so genau, wie sie darüber dachte. Über eine Entscheidung solcher Tragweite sollte sie jedenfalls erst mal eine Nacht schlafen. „Gib mir den heutigen Abend, und ich rufe dich morgen an.“
Vor ihnen öffnete sich die Tür zum Ballsaal einen Spaltbreit, während ein Kellner oder sonst jemand hindurchging. Payton machte einen Schritt zurück, doch Nate hielt sie fest.
„Hör zu, Payton.“ Seine stahlblauen Augen ließen sie nicht eine Sekunde los. „Ich habe bereits darüber nachgedacht. Es ist eine hervorragende Gelegenheit, und das Ergebnis wird uns beiden nützen.“
Er hatte bereits … „Was?“
Sein lockerer Griff verfestigte sich, so als könne sie jeden Moment davonstürmen. „Vertrau mir“, drängte er in einem Ton, der voller verführerischer Überzeugungskraft war.
Energisch schob sie das Kinn vor. Sie hatte Nate bereits gekannt, als er gerade erst anfing, diesen Ton zu kultivieren, und auch wenn sie nicht gänzlich immun war, so dachte sie gar nicht daran, dem nachzugeben. „Nein.“
Das konnte er gleich vergessen, dass er sie um den kleinen Finger wickelte, wie er es bei jeder anderen Frau, jedem Kind und jedem Mann auf diesem Planeten tat! Sie wusste ganz genau, wie er zu Werke ging, und das Letzte, was sie brauchte, war ein überheblicher Mann, der sie zu kontrollieren versuchte.
Um seine Mundwinkel zuckte es. Etwas an seinem Lächeln, das sie bereits unzählige Male gesehen hatte und das nichts Gutes verhieß, ließ sie äußerst wachsam werden. Ihr Magen flatterte. „Oh, nein, das tust du nicht“, keuchte sie.
„Komm schon … vertrau mir.“
Dieses Grinsen!
„Ich vertraue dir nicht“, schoss sie zurück, wobei ihr Herz wie verrückt pochte. Sie war eine Närrin, einem Mann zu vertrauen, der sie auf diese Weise ansah – als hätte sie gerade seine Woche gerettet mit diesem kleinen Katz-und-Maus-Spiel.
„Das solltest du aber“, schmeichelte er und trat einen Schritt auf sie zu. „Ich habe den Dreh raus. Bei mir gehen die Dinge immer auf.“
Payton starrte zu ihm hoch, während er immer näher kam – bis zu dem Punkt, an dem sich ihre Beine berührten. Er war ein böser Junge. Ein verdammt unwiderstehlicher böser Junge.
„Du bist arrogant“, warf sie ihm vor und lachte auf, als sie beinahe gegen seine Brust taumelte.
„Aber es gefällt dir“, neckte er und schaute sie auf eine Weise an, die sie dazu herausforderte, es doch zu leugnen. Aber, Gott steh ihr bei, das konnte sie nicht. Sein verrücktes Selbstvertrauen hatte sie schon immer geliebt.
Halbherzig stieß sie mit den Händen gegen seine Brust. „Was in aller Welt …?“
In diesem Moment öffnete sich die Tür zum Ballsaal weit, und Nate zog Payton geschickt und mühelos an seinen harten, festen Körper.
Er zwinkerte ihr zu, ehe er eine Hand um ihren Nacken legte. „Vertrau mir. Ich habe das schon zuvor getan.“
Payton öffnete protestierend den Mund, doch es kam kein Ton heraus, weil Nate bereits den Kopf gesenkt hatte und zielstrebig ihre Lippen eroberte.
Der Kuss war kühn und intensiv, eine offene Demonstration der Leidenschaft. Seine Lippen bewegten sich so verführerisch und erotisch auf ihren, dass sie unter ihnen erbebte. Wenn Payton dem Licht der Öffentlichkeit schon nicht entgehen konnte, dann gab es wahrlich Schlimmeres, als vor einer versammelten Hochzeitsgesellschaft herauszufinden, wie es sich anfühlte, von Nate Evans geküsst zu werden.
Es war absolut verzehrend.
In seiner Berührung lag etwas ganz Besonderes, etwas Instinktives und völlig Unerwartetes. Sie verstand es nicht – konnte sich nicht dagegen wehren, denn in seiner Umarmung erblühten all ihre Sinne.
Deshalb klammerte sie sich an das Revers seines Smokings und presste sich verlangend an ihn. Natürlich wusste sie, dass all das nur Show war, aber keine Fantasie hatte sich je mit dieser Erfahrung messen lassen, und Publikum hin oder her – sie konnte ihre Reaktion auf einen Kuss, den sie sich bereits als Dreizehnjährige erträumt hatte, einfach nicht kontrollieren.
Sie zeichnete die Konturen seiner breiten Schultern nach, folgte der Linie seines Halses, bis sie die Finger in den dichten Strähnen seines Haars vergraben konnte. Das in Kombination mit dem erotischen Kuss war einfach zu viel, zu gut und gleichzeitig nicht genug – Payton entfuhr ein flehender Seufzer an seinen Lippen.
Nate erstarrte.
Oh, nein, er hatte sie gehört. Hatte den verlangenden Unterton gehört in diesem Kuss, der eigentlich nur eine Demonstration für ihr Publikum war. Sie konnte sich nicht rühren, bekam keine Luft – konnte ihren wild pochenden Herzschlag nicht kontrollieren, denn sie wünschte sich nichts sehnlicher, als diesen Wahnsinn noch weiter zu treiben.
„Payton“, stöhnte er heiser.
Dann schlossen sich seine Arme noch fester um sie, und plötzlich war diese Umarmung von einer ganz anderen Qualität als noch vor einer Minute. Langsam und aufreizend erkundeten seine Hände ihren Körper.
Von dieser Berührung ging eine verzehrende Hitze aus. All ihre Sinne erwachten zum Leben. Jede Nervenfaser wurde zu einer empfindsamen Antenne für Nates spezielle Magie.
Sie musste dem ein Ende bereiten.
Offensichtlich hatte er ihren Seufzer so interpretiert, dass er die Show noch weiter anheizen sollte. Doch Payton stieg das Ganze jetzt schon so sehr zu Kopf, dass ihr Körper nicht mehr zwischen Sein und Schein unterscheiden konnte. Als er mit der Zunge langsam ihren Mundwinkel liebkoste, erfasste sie ein Schauer vom Scheitel bis zur Sohle, und sie öffnete sich wie ein Blütenblatt im Morgentau der herrlichen Sinnlichkeit, mit der Nate sie überschüttete. Payton vergaß Vernunft und Verstand und versank in einem einzigen Meer der Begierde. Sie wollte ihn. Mehr als nur seinen Kuss. Sie wollte alles, was er zu geben vermochte.
Nur dass es bereits endete. Ganz langsam lösten sich seine Lippen von ihren, bis nur noch ein Atemhauch und der flüchtigste Kontakt sie miteinander verband. Doch diese verweilende Berührung deutete an, dass auch er davor zurückscheute, den Kuss ganz zu beenden.
Ein Kuss, der so leidenschaftlich, so heiß und stürmisch gewesen war, dass er unmöglich nur …
Sei nicht so dumm! Natürlich konnte er nur Show gewesen sein.
Immerhin hatte sie es hier mit dem berüchtigten Nate Evans zu tun, einem Playboy von legendärem Ruf. Er spielte in einer komplett anderen Liga als sie, und sie war völlig verrückt geworden. Und vermutlich für ihr Leben ruiniert wegen eines einzigen Augenblicks des Wahnsinns, den sie dummerweise nicht verhindert hatte. Payton brachte es nicht über sich, ihm in die Augen zu sehen. Seine Gedanken zu lesen oder zu riskieren, dass er die ihren las.
Deshalb richtete sie ihren Blick stur auf seine Schultern, die sie vor der Hochzeitsgesellschaft abschirmten, und riss sich zusammen. Auf diese Weise gelang es ihr sogar, eine Situation herunterzuspielen, die sie in ihren Grundfesten erschüttert hatte. „Du hättest mich vorwarnen können“, schalt sie mit einem Lachen und betete dabei, dass es überzeugender klang, als es sich anfühlte.
Eine Sekunde verging. Und dann noch eine. Sie schloss die Augen, um sich gegen den wachsenden Schmerz zu wappnen. Diesem verrückten Gefühl der Verzweiflung, auf das sie kein Recht hatte. Sie wollte mehr. Wollte die Art Frau sein, die ein Mann wie Nate mit nach Hause nahm. Aber er hatte es bereits zuvor erwähnt: Sie war das brave Mädchen.
Sanft nahm er ihr Kinn zwischen Zeigefinger und Daumen. Als sie den Blick hob, stockte ihr der Atem. Die Zurückhaltung, die er sich auferlegte, hatte harte Linien um seinen Mund gezeichnet, und lodernde Begierde verdunkelte seine Augen. Seinem ganzen Gesicht war die Anspannung anzusehen.
„Dich vorwarnen? Nein.“ Seine Stimme klang ernst und belegt, gar nicht wie der unbekümmerte Nate, den sie kannte. Er schaute sie eindringlich an, so als müsse er etwas abwägen, und dann lächelte er langsam. „Ich glaube nicht, dass ich das gekonnt hätte.“
Zur Hölle, das hier war Payton Liss, die ihre Arme um seinen Nacken schlang und mit einem verträumten Seufzer unter seinem Kuss dahinschmolz – dieser Seufzer klang verteufelt sexy und stellte schlimme Dinge mit seiner Fantasie an. Brandts kleine Schwester, deren verführerische Kurven sich verlangend an seinen Körper schmiegten, erhitzte sein Blut auf unerträgliche Weise. Miss Hände weg höchstpersönlich, die ihre Finger in seinem Haar vergrub und ihre sinnlichen Lippen einladend öffnete. Sie flehte ihn geradezu an, sie zu nehmen. Und genau das wollte er.
Er wollte keine Scharade mehr spielen. Er wollte nichts weiter als die ungestörte Fortsetzung dieses Kusses, der ihm den Verstand raubte. Es gab sicherlich hundert Gründe, warum es eine ganz schlechte Idee war, dem Feuer in seinem Blut nachzugeben. Dummerweise fiel ihm gerade kein Einziger ein. In diesem Moment erkannte er lediglich mit völliger Klarheit, dass Payton Liss in sein Bett gehörte.
Die Musik wurde schwächer, bildete nur noch ein gedämpftes Hintergrundgeräusch. Nate richtete sich auf und warf einen Blick über die Schulter. Die Tür zum Ballsaal hatte sich geschlossen – wer auch immer sie geöffnet hatte, war gekommen, hatte genug gesehen und war wieder gegangen. Ob man Payton erkannt hatte, wusste er nicht, aber man hatte definitiv jemanden in einem verdächtigen Brautjungfernkleid gesehen. Fürs Erste reichte das.
Nate richtete seinen Fokus wieder auf die unerwartete Verlockung in seinen Armen. Er begehrte sie. Auf eine Art und Weise, die er nie zuvor erlebt hatte. Und sie war willig, ja, sie sah mit einem Blick zu ihm auf, der förmlich um mehr bettelte.
Nur dass bei einer Frau wie Payton mehr unter Umständen wesentlich mehr bedeuten konnte, als er zu bieten hatte. Sie kannte die Regeln dieses Spiels nicht, und er konnte nicht riskieren, dass sie in den Kuss, den sie gerade geteilt hatten, mehr hineinlas, als er zu geben bereit war.
„Du weißt, dass ich nicht der richtige Mann für dich bin, Payton.“
Es war eine Warnung. Schlicht und einfach. An sie beide.
Eine, von der er erwartete, dass sie sie ernst nahm.
„Vielleicht will ich gar nicht den ‚richtigen Mann‘.“ Sie schluckte schwer und errötete, hielt seinem Blick aber stand. „Vielleicht will ich zum ersten Mal einen Mann, der mir eine Nacht schenken kann, wie niemand sonst es wagen würde.“
Die Worte wirkten wie ein Stromschlag auf ihn. Sein Blut strömte mit aller Macht in seine Lenden. „Dann sollten wir aus dieser Halle verschwinden. Sofort.“
Ihre Augen leuchteten auf, und um ihre Mundwinkel spielte ein verführerisches Lächeln, während sie die Revers seines Smokings ergriff und ihn zurück in Richtung Haushaltsraum ziehen wollte. „Das Nest.“
Nate lachte ungläubig auf. Er umklammerte ihr Handgelenk und hielt sie fest. Wirbelte sie herum. „Keine Chance, Prinzessin. Für das, was niemand sonst wagen würde … brauchen wir definitiv ein Bett.“
Im nächsten Moment packte er ihre Hand und zog Payton in Richtung Küchentür, aus der gerade ein Kellnerlehrling trat und einen leeren Servierwagen herausschob. Nate packte ihn am Arm und steckte ihm einen Fünfzig-Dollar-Schein samt Visitenkarte zu. „Hol deinen Manager und sag ihm, dass ich das beste Zimmer haben will, das er hat … und zwar in den nächsten fünf Minuten.“
Viereinhalb Minuten später befanden sie sich allein in der Präsidentensuite und küssten sich stürmisch. Payton nahm den prachtvollen Raum ganz vage aus dem Augenwinkel heraus wahr, und dann trafen ihre Schultern auch schon auf edlen Damast.
Oh, Gott, ja. Sie waren nur wenige Schritte vom Bett entfernt, doch Nate hatte sie gegen die Wand gepresst.
Das Herz schlug ihr bis zum Hals, sie krallte die Hände in sein weißes Dinnerhemd und begegnete dem verführerischen Tanz seiner Zunge. Ihre Sinne waren aufs Äußerste geschärft, während sie in dem Geschmack, in der Berührung und in dem Duft von Nate versank. In dem Blick nackter Begierde, den er ihr schenkte, ehe er seine Lippen auf jene zarte Stelle am Übergang vom Nacken zur Schulter senkte, die so empfindsam war.
Seine Hände wölbten sich über ihren Brüsten, streiften das Mieder ihres Kleids langsam nach unten, bis es sich um ihre Taille bauschte. Das Stöhnen, das folgte, war voll männlicher Befriedigung. Sofort presste er seinen Mund auf ihre zarte Haut, liebkoste ihre Brüste, nippte an deren Spitzen. Payton hatte fast das Gefühl, als wäre sie das Geschenk für ihn und nicht umgekehrt.
„Du bist so weich.“
Und er war hart, jeder einzelne Körperteil von ihm. Sie spürte stählerne Muskeln, fühlte sich in seiner Umarmung wie eine zerbrechliche Puppe. Dies war der Mann ihrer verbotenen Fantasien. Mit einem einzigen Kuss machte er all ihre naiven Jungmädchenträume zunichte.
„Bitte“, flehte sie und bat um etwas, das sie sich nicht vorstellen konnte, von dem sie aber wusste, dass er es ihr geben konnte.
„Bitte?“, stieß er rau hervor, wobei seine Lippen den Ansatz ihrer Brüste liebkosten und eine feuchte Spur hinterließen, die wundersamerweise gleichzeitig kühl und brennend heiß war.
„Bitte, ich will dich.“ Schon so lange und aus so vielen Gründen.
Er hob den Kopf, wodurch sie das herausfordernde Funkeln in seinen blauen Augen sah. „Nur mich?“, neckte er, wobei er seine Hände über ihre Hüften gleiten ließ, über ihren Po zu den Rückseiten ihrer Schenkel. „Oder den Mann … der Dinge tut, die niemand sonst wagen würde?“
Payton stockte der Atem. Ihr Mund öffnete sich, um eine Antwort zu geben, die sie selbst nicht ergründen konnte. Sie wusste nicht, was sie von einer Nacht mit ihm erwarten konnte, vor allem nicht von einer, die er als Herausforderung zu begreifen schien. Und sie wusste auch nicht, wie sehr sie sich selbst überschätzte. Sie wusste lediglich, dass kein Mann sie jemals so angeschaut hatte wie er in diesem Moment. Als gebe es keinen Teil von ihr, den er nicht in Besitz nehmen wollte.
Und der Himmel stehe ihr bei, sie wollte ja, dass er sie nahm. „Ja.“
Zuerst ließ sie ihre Hände über seine Brust gleiten, über die harten Muskeln seines Bauchs, nur um ihre Finger schließlich unter seinen Kummerbund zu schieben.
„Ja, sagt sie“, wiederholte er amüsiert, wobei er mit beiden Händen den Stoff ihres Rocks packte und anhob – so weit, dass er ihre nackte Haut berühren konnte. „Ich dachte, dass deine Locken das einzig Ungezähmte an dir wären, aber das stimmt nicht. Du bist eine Wildkatze.“
Freude erfasste sie, und die hatte nichts mit Sex zu tun. Es war einfach eine Bestätigung dessen, was sie erhofft hatte. Dass er sie so sah, wie sie wirklich war – wo doch niemand sonst sich die Mühe machte, sie zu verstehen. Er war der Einzige.
„Du hast immer mein wahres Ich erkannt“, wisperte sie, während er mit seinen großen, geschmeidigen Händen ihre Beine streichelte – vor und zurück. Quälend nah an der Stelle, an der sie sich seine Berührung erträumte und doch schmerzhaft weit davon entfernt.
Langsam sank Nate nach unten und schob die Masse an Tüll und Taft, die über seinem Arm lag, bis über ihre Taille hinauf. „Großer Gott, das ist wirklich viel Rock.“ Mit einer Hand fuhr er ihr Bein hinauf und fand einen dünnen Hauch weißer Spitze. „Ohne allzu viel darunter.“ Er packte ihr Knie und legte sich ihr Bein über eine Schulter.
„Nate!“, protestierte sie, denn diese Art intimer Verletzlichkeit war völlig neu für sie – seine einzige Reaktion bestand allerdings aus einem schockierend erotischen Kuss, dem auch die hauchdünne Seide zwischen ihnen nicht standhalten konnte. Damit hatte Payton nicht gerechnet – allenfalls hatte sie geglaubt, dass er ihren Slip hinunterschieben und sie gegen die Wand nehmen würde. Eine kühnere Fantasie hatte sie sich nicht auszumalen gewagt, aber das hier – Nate, der vor ihr kniete und sie auf erschütternd intime Weise küsste, darauf war sie nicht vorbereitet.
Als er seine Zunge immer aufreizender über ihre empfindsamste Stelle gleiten ließ, hielt sie den Atem an. Sie stand kurz davor, die Kontrolle zu verlieren, weshalb sie sich an seinen Schultern festklammerte, ihre Finger in seinem Haar vergrub und nach einem Anker suchte, der ihr Sicherheit vor der immer stärker anschwellenden Woge der Lust gab.
„Oh, Gott!“, schrie sie und schnappte heftig nach Luft, während ihr Körper sich unter seinen Liebkosungen anspannte. „Ich … ich kann nicht …“ Sie hob die Hände ans Gesicht, wobei ihre Knie unkontrolliert zuckten. Doch Nate stützte sie, gab ihr Halt, während er sich im Rhythmus ihrer Hüften bewegte. Die feuchte Seide gab unter dem Druck seines Mundes nach, sodass er endlich das Zentrum ihrer Lust berührte. Payton strebte unaufhörlich auf eine Erlösung zu, die jedoch immer kurz außer Reichweite zu sein schien. Und dann presste Nate sie mit einem heiseren Stöhnen an sich, und sein rauer Kuss trieb sie über den Rand des Abgrunds hinaus, in einen freien Fall ungehemmter Verzückung.
Langsam nahm er ihr Bein von seiner Schulter und stellte es ab.
Halb benommen registrierte sie, wie sich seine Arme um ihren Rücken schlangen. Im nächsten Moment war ihr Kleid offen und sank in einer lavendelfarbenen Stoffmasse zu Boden, sodass sie mit gespreizten Beinen vor ihm stand, bekleidet nur mit einem durchnässten Seidenslip und sündhaft hohen Pumps. Es war verrückt nach allem, was gerade geschehen war, was sie ihn hatte tun lassen, doch sie wurde von einer plötzlichen Schüchternheit befallen und schlang instinktiv die Arme um ihren Körper.
Nate lehnte sich zurück. „Nein.“ Er wischte ihre Hände beiseite und ließ seinen heißen Blick über ihre nackte Haut wandern. Seine Brust hob und senkte sich heftig, so sehr machte ihm seine Zurückhaltung zu schaffen. Die Adern an seinem Hals traten deutlich hervor.
Sie lehnte sich an die Wand und ließ zu, dass dieser unglaubliche Mann sie mit Blicken verschlang.
Und dann lag sie in seinen Armen und wurde erneut leidenschaftlich geküsst. Nate presste seinen harten, erregten Körper an ihren. Seine Hände glitten über ihren Rücken, ihre Hüften und Schenkel.
„Ich will dich …“, wisperte sie. So viele Empfindungen attackierten sie, dass an Kontrolle längst nicht mehr zu denken war. „Ich will dich schon so lange.“
Nate stieß ein heiseres Stöhnen aus. Seine Hände legten sich fester um die Kurven, die er sich geschworen hatte, niemals zu berühren.
So lange …
Das hier war Payton. Brandts kleine Schwester. Ganz sicher war sie dem Irrtum verfallen, sie könnte ihm vertrauen. Doch nicht in dieser Nacht. Er konnte nicht auf ihre Gefühle Rücksicht nehmen, wenn sie so verzückt seufzte, wenn sie verführerisch an seinem Ohrläppchen knabberte und ihre nackten Brüste gegen sein Hemd presste. Nicht, wenn er noch den süßen Geschmack ihres Kusses auf den Lippen hatte.
Doch genauso wenig konnte er das unberücksichtigt lassen, was alle wussten. Dass sie sich ein „Und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende“ wünschte.
„Payton, warte“, brachte er mühsam hervor und ignorierte ihren verletzten Blick, als er sie ein Stückchen von sich schob. Sie musste begreifen. „Ich bin nicht an der Ehe interessiert.“
„Okay.“ Sie nickte, wobei sich ihr Blick bereits wieder an seinen Lippen festsaugte und sie sich an ihn schmiegte. Nate fragte sich, ob sie überhaupt verstanden hatte, was er gesagt hatte. Es war ein Risiko, das er nicht eingehen konnte. Also schob er sie erneut ein Stückchen von sich. Er musste sichergehen, dass die Frau, die ihn so um den Verstand brachte, tatsächlich noch Payton war. Die heiße, unglaublich aufreizende Payton, die gerade versuchte, mit den Fingern in seine Hose zu schlüpfen. Der Himmel stehe mir bei.
„Ich meine es ernst. Schau mich an.“ Warme braune Augen, dunkel vor Verlangen, blinzelten zweimal.
Er begehrte sie so sehr, dass es wehtat. Und dennoch konnte er nicht nachgeben. Noch nicht.
„Es ist nicht nur die Ehe. Payton, ich bin auch kein Mann für eine Beziehung. Ich kann das nicht.“
Sein wilder Herzschlag füllte die Sekunden, ehe sie antwortete. Etwas, worüber er nicht nachdenken wollte, flackerte in ihren Augen auf. Bedauern. Resignation. Akzeptanz. Und dann zündete ein Funke, den man nur als Entschlossenheit bezeichnen konnte.
„Willst du diese Nacht?“
Wie konnte sie nur fragen?
Ja, er wollte diese Nacht. Doch das war auch alles, was er wollte. Nun, das und dass Payton nicht verletzt wurde. Zwei mündige Erwachsene, die eine gute Zeit hatten, ohne irgendetwas zu erwarten. Doch manchmal kamen brave Mädchen wie Payton auf die falsche Idee – besonders wenn sie sich auf einer Hochzeit einem Mann hingaben.
Ehe er jedoch den Mund öffnen konnte, machte sie ihren Standpunkt deutlich. „Hör auf, mich anzuschauen, als wäre ich ein kleines Mädchen, das du beschützen musst.“ Ihre Hände glitten wieder tiefer nach unten. „Betrachte mich als die Frau, die eine einzige Nacht mit dir erleben will.“
So einfach konnte es nie und nimmer sein. So klar und geradeheraus. Nur dass in ihrem Blick eine Entschlossenheit lag, die nicht zu übersehen war.
Sie wollte ihn, und sie wusste, dass dies nicht der Anfang von „für immer und ewig“ war.
Es ging nur um diese Nacht. Eine Nacht hatte er – ein paar Stunden – um ihr das zu geben, was kein anderer Mann wagte.
Oh, ja.
Kein Zögern mehr. Genug Zeit verschwendet.
Nate riss Payton in seine Arme, marschierte mit ihr zum Bett und warf sie auf die Kissen. Mein Gott, sie trug nichts als einen Hauch Seide und diese unglaublichen High Heels, die ihn in den Wahnsinn trieben, und er war bis auf sein Jackett noch vollständig bekleidet. Dabei konnte er es nicht mehr abwarten, tief in sie einzudringen.
Hastig zerrte er an seinen Manschettenknöpfen. Er hatte das Hemd halb geöffnet, als ihre Stimme ihn innehalten ließ. „Nate?“
Sein Kopf schoss hoch. Payton lag da wie die personifizierte Verführung, und er sandte ein Stoßgebet gen Himmel, dass sie es sich nicht anders überlegt hatte. „Was?“
Ihre pinkfarbene Zunge hinterließ eine feuchte Spur auf ihrer Unterlippe. „Beeil dich.“
Er schluckte hart. Im nächsten Moment landete sein Hemd auf dem Boden, Manschettenknöpfe prasselten auf irgendwelche Oberflächen, gefolgt von Kummerbund, Hose und dem ganzen Rest. In rasender Eile streifte er sich ein Kondom aus seiner Hosentasche über, und dann war er bei ihr, riss ihr das Höschen herunter und verlor sich in ihrem Mund, in dem Gefühl ihrer weichen Brüste und der aufreizenden Berührung ihres Knies an seiner Hüfte.
Es war eine Qual, dennoch hielt Nate sich zurück, als er sich schließlich über sie schob. Er sah ihr tief in die Augen und gewährte ihr eine letzte Chance, Nein zu sagen.
Vielleicht lag es an all den Erinnerungen, die er mit ihr verband. Oder dass er nicht aufhören konnte, sie als unschuldiges Mädchen zu betrachten, das er vor Kerlen wie ihm beschützen wollte. Doch welchen Unsinn er auch denken mochte, er wurde zunichte gemacht, indem Payton den Kopf zurückwarf und sich ihm verlangend entgegenbog.
„Bitte.“ Und dann, als wäre das noch nicht genug, „J-a-a-a-a“, als er langsam in sie eindrang und sich in ihr zu bewegen begann.
Oh, ja, er liebte diesen Klang. Behutsam zog er sich zurück, nur um gleich wieder in sie einzudringen, immer tiefer und tiefer, bis er sich gänzlich in ihr versenkt hatte. Es fühlte sich unglaublich gut, unglaublich perfekt an.
Der rhythmische Pulsschlag ihres Körpers signalisierte ihm, dass sie nicht mehr weit vom Höhepunkt entfernt war. Sein Kiefer spannte sich an, so sehr bemühte er sich um Kontrolle. Er folgte jedem ihrer Seufzer, entdeckte, was ihr gefiel, was sie verrückt machte. Und als ihre sanften Hände seinen Körper entlangglitten, von seinen Schultern zu den Armen und zum Rücken, sich an ihm festklammerten, so als bräuchten sie Halt … da befriedigte ihn das auf eine Weise, über die er lieber nicht nachdenken wollte.
Sie war unglaublich. Sie zerbrach in seinen Armen und flehte ihn dennoch um mehr an.
Zur Hölle, ja, da war noch mehr. Eine ganze Nacht voll davon. Payton wollte heute nicht das brave Mädchen sein, und nach sechs langen Monaten sehnte er sich danach, den bösen Jungen zu spielen.
Payton erwachte langsam aus einem Zustand befriedigter Lethargie. Unter ihrer Wange hob und senkte sich eine Brust mit träger Regelmäßigkeit.
Nate.
Sie schluckte die Freude hinunter, die sie empfand, als eine Flut sinnlicher Bilder aus der vergangenen Nacht vor ihrem inneren Auge auftauchte.
Beim ersten Mal war er so zärtlich zu ihr gewesen. So behutsam. Und danach …
Sofort lief ihr ein Schauer über die Haut, wenn sie daran dachte, was er alles mit ihr angestellt hatte.
Immer und immer wieder hatten sie sich geliebt. Wenn sie einmal eingeschlummert war, weckte Nate sie kurz darauf mit seinen sinnlichen Berührungen wieder auf. Sein heiseres Stöhnen machte deutlich, wie sehr er sie begehrte. Es war nichts Geplantes, nichts Kontrolliertes oder Geziertes an ihrem Liebesspiel.
Es war einfach unglaublich.
„Was bringt dich denn so früh zum Lächeln?“ Nates raue Morgenstimme streichelte sie wie eine Liebkosung. Sie lagen eng umschlungen da. Arme und Beine und überall nackte Haut. Es fühlte sich so gut an. Auch wenn sie ab heute kein Liebespaar mehr waren, hatte Payton es nicht eilig, dem Bett zu entfliehen oder die Wärme seines Körpers aufzugeben. Noch nicht.