Pass Me By – Peggy Lee
I Enjoy Being A Girl – Linda & Company
Born Too Late – The Poni-Tails
Simple Symphony Op. 4: II Movement 2 (Playful Pizzicato) – English Chamber Orchestra
Rock The Boat – Hues Corporation
Papa Loves Mambo – Perry Como
Happy Days Are Here Again – Barbra Streisand
Moonlight Serenade – Glenn Miller
American Beauty Rose – Frank Sinatra
Nevertheless (I’m In Love With You) – The Mills Brothers
Witchcraft – Frank Sinatra
Can’t Take My Eyes Off You – Frankie Valli
Summer Montage / Madeline – Justin Hurwitz
Moon River – Henry Mancini
Love Really Hurts Without You – Billy Ocean
I’ll Be Satisfied – Jackie Wilson
z
Tina Köpke
© 2021 Romance Edition Verlagsgesellschaft mbH
8700 Leoben, Austria
Covergestaltung: © Rebecca Wild
Titelabbildungen: © Yashkin Ily,
© Avigator Fortuner, © Anna Gorbenko,
© phM2019, © kantver, © Julia 700702
Lektorat & Korrektorat: Romance Edition
ISBN-Taschenbuch: 978-3-903278-61-5
ISBN-EPUB: 978-3-903278-62-2
www.romance-edition.com
Prolog
»Weißt du schon, dass Jake wieder da ist?«
Emma setzte ihr Rotweinglas ab und musterte ihre beste Freundin Olivia ratlos. »Welcher Jake?«, fragte sie leichthin und genoss den beerigen Geschmack des Weins, den Mia für diesen Abend ausgesucht hat. Sie hatte ein wirklich gutes Händchen für edle Tropfen.
Olivia strich sich eine ihrer Afrolocken aus der Stirn und nahm sich einen der Chocolate Chip Cookies, die Emma extra für das Treffen gebacken hatte. »Na, Jake Walsh.«
»Jake Wal... Oh.«
Mehr brachte sie nicht heraus. Einen halben Namen und ein jämmerliches Oh. Dafür würde ihr wohl niemand eine Auszeichnung verleihen.
Auf der alten Verandabank neben Emma saß Mia, ihre andere Freundin. Mia wickelte eine blonde Haarsträhne um ihren Zeigefinger, starrte dabei auf Olivias blühenden Vorgarten und wirkte, als könnte sie das Thema nicht weniger interessieren. Emma wusste es besser. In diesem Moment waren die beiden anwesenden Frauen definitiv nicht desinteressiert. Genauso wenig wie sie selbst; sonst müsste sie sich nicht solche Mühe geben, um die aufkommende Hitze in ihrem Magen zu ignorieren. Dennoch schaffte sie es, sich der Neugierde zu entziehen.
»Er ist zurück in Maywood«, fuhr Olivia fort und betrachtete sie dabei eindringlich. Vermutlich rechnete ihre Freundin damit, dass sie jeden Moment ausflippen würde. Stattdessen senkte sie nur den Blick und blieb beängstigend ruhig.
»Wie schön für ihn«, erwiderte Mia trocken, griff nach der Weinflasche und zog eine Grimasse.
Emma hielt ihr das leere Glas hin. Ihr Mund war plötzlich staubtrocken. Diese Neuigkeiten musste sie erst einmal verdauen. Ohne zu zögern, kam Mia ihrer stillen Bitte nach und schenkte ihr ein.
Was wollte er bloß hier? Es gab in Maywood doch nichts mehr, was für ihn von Bedeutung sein dürfte.
Während ihre Freundinnen versuchten, den Abend zu retten, indem sie zum Klatsch und Tratsch übergingen, betrachtete Emma die dunkelrote Flüssigkeit in ihrem Glas, in der Hoffnung, dort eine Antwort zu finden. Jake Walsh ist wieder da. Die Erkenntnis drang schwer und zähflüssig in ihr Gehirn, das auf Durchzug geschaltet hatte.
Emma führte ihr Glas an die Lippen. Ein Schluck und sie hatte es erneut bis zur Hälfte geleert. Normalerweise hätte sie Mia der Höflichkeit wegen für ihren Wein gedankt, aber Emma funktionierte nicht mehr gesellschaftstauglich. Ihr Programm für Smalltalk in persönlichen Krisenmomenten war defekt.
Immer wieder fragte sie sich, was er hier wollte. Wieso er, nach all den Jahren ausgerechnet jetzt hier aufschlug. Selbst als seine Eltern noch hier gewohnt hatten, hatte er sich ihres Wissens nach kein einziges Mal in der Stadt blicken lassen. Und der Ort war klein. Emma entging nichts.
Nach allem, was sie miteinander verbunden hatte, wäre es doch das Mindeste gewesen, sich zuerst bei ihr zu melden, oder nicht? Aber vermutlich hatte er nicht einmal an sie gedacht. Oder er war zu feige. Letzteres könnte sie sogar nachvollziehen. An seiner Stelle wäre sie das auch.
Sie kippte den Inhalt des Glases hinunter und hoffte, dass der Alkohol sie ein wenig sanftmütiger stimmte.
Gedankenverloren starrte sie in den Vorgarten, während sich die Flüssigkeit warm und behaglich in ihrem Magen ausbreitete.
»Emma?« Mias vorsichtige Stimme holte sie zurück in die Gegenwart. Erst jetzt fiel ihr auf, dass Mia und Olivia aufgehört hatten, miteinander zu reden. Stirnrunzelnd betrachteten sie Emma, als erwarteten sie jede Sekunde eine Reaktion, die über das Vor-sich-hinstarren hinausging.
Vermutlich machen sie sich langsam Sorgen. Vermutlich sogar zurecht, denn ihr Weinglas war schon wieder leer. Mit glühenden Wangen sprang sie auf, wodurch sich der wadenlange Faltenrock um ihre Beine wickelte und sie beinahe zum Stolpern brachte.
»Emma, alles okay?«, fragte Mia.
Emma schnaubte und nickte dann. Sie zupfte die weiße Bluse, die im Bund ihres Rockes steckte, etwas zurecht und schob sich eine dicke rotbraune Locke hinters Ohr. Das musste reichen.
Sie machte einen Schritt nach vorn und wankte. Alles drehte sich ein wenig, aber zu ihrer eigenen Überraschung schienen ihre Beine noch mitzumachen. Ziemlich gut sogar. Obwohl ihr Gehirn ihr befahl, sich wieder hinzusetzen, hörten ihre Füße brav auf die Wut in ihrem Bauch, die nun die Leitung ihres Körpers übernommen hatte.
Sie würde ihn zur Rede stellen. Sofort. Wie sagte man so schön? Wenn der Berg nicht zum Propheten kam, dann ... nun ja. Musste sie eben zu dem Berg, um Antworten zu erhalten.
Damit war die Jagdsaison auf Jake Walsh eröffnet.
1. Kapitel
Einige Stunden zuvor ...
Emmas Montag hatte wie jeder Montag in Maywood, Connecticut, begonnen. Sie stand um sieben Uhr auf, wusch sich die Nachtcreme aus dem Gesicht, um ein dezentes Tages-Make-up aufzulegen, und löste mit größter Sorgfalt die Lockenwickler aus ihren schulterlangen Haaren. Wenn sich ein paar Strähnen verirrt hatten und ein schmerzhaftes Ziepen Gänsehaut auslöste, verzog sie keine Miene. Da ihr einziges weibliches Familienvorbild ihre verstorbene Großmutter gewesen war, wuchs sie unter deren oberstem Credo auf: Wer schön sein will, muss leiden.
Und das tat man im Stillen.
Obwohl sie es hasste, beim Frühstück zu hetzen, blieb ihr an diesem Morgen nichts anderes übrig, denn montags traf sich das Veranstaltungskomitee der Stadt. Maywood war ein beschauliches und friedliches Fleckchen Erde, das am Long Island Sound in der Nähe von New York City lag. Es gab feste Traditionen, wie den Fireman’s Ball, den Pumpkin Run oder das Chili-Cook-Off. Die Sommer waren warm, die Winter kalt und schneereich. Das Wetter konnte durch den Zugang zum Wasser schnell wechseln, Wind war keine Seltenheit. Ein großer Teil der knapp dreitausend Einwohner arbeitete in Geschäften, die so idyllische Namen wie Tilly’s Garage, Macho Nacho oder Afterlife Vintage trugen. Immer wenn Emma an ihnen vorbeiging, kam sie nicht umhin, ein tiefes Gefühl von Zufriedenheit zu spüren. In Maywood war die Welt noch in Ordnung. Alles folgte gewissen Regeln und Mustern.
Jeder kannte jeden. Anonymität war ein Fremdwort, das man hier weder verstand noch für sich beanspruchte. Sobald man sich einer Person vorgestellt hatte, verbreitete sich der Name wie ein Lauffeuer in der gesamten Stadt. Was Emma so schätzte, war, dass Neulinge mit offenen Armen willkommen geheißen wurden. Hier stritt man sich nur darüber, wer den besten Kuchen für den Highschool-Basar gebacken hatte. Oder über die Häufigkeit der Stadtversammlungen, zu denen alle Bürger eingeladen wurden, um über wichtige Themen abzustimmen.
Das waren die größten Querelchen, die Maywood vorzuweisen hatte. Das und die Frage, ob man Republikaner oder Demokrat war.
Es lebte sich normalerweise recht entspannt hier. Nur in den letzten Wochen waren die Zusammenkünfte des Veranstaltungskomitees ein wenig stressiger ausgefallen als sonst, da bald die Gründertagsfeier stattfinden würde. Dreihundert Jahre gab es diesen himmlischen Flecken Erde nun schon und nicht nur Emma, sondern auch ihre Nachbarn und zahlreiche Touristen, die sich bereits im Nostalgia Hotel angekündigt hatten, wollten das feiern. Es musste also ein großes Fest werden und jeder war der Ansicht, zu wissen, was ein großes Fest beinhalten sollte.
Diese Planungen raubten Emma den letzten Nerv, aber das würde sie nie zugeben. Sie beschwerte sich nicht über die viele Arbeit, denn tief in ihr drinnen liebte sie es. Das Organisieren. Die Streitereien. Das jeder ihre Meinung zur Deko, zum Essen und zu der Musikauswahl hören wollte. Für die Gemeinschaft war sie wichtig und das wiederum gab ihr nicht nur ein besseres Gefühl, sondern lenkte sie auch ein wenig von den Sorgen ab, die seit dem letzten Jahr immer wieder an ihr nagten.
Aber gut, zum Jammern war heute keine Zeit. Es gab Wichtigeres zu tun.
Zum Beispiel mit Mrs Butterworth zu diskutieren, die ebenfalls schon seit Jahrzehnten Teil des Komitees war. Sie bestand darauf, dass ihre Hunde in die Feiertagsparade integriert wurden. Schließlich besaß sie eine über die Stadtgrenzen hinaus bekannte Zucht von Weltklassepudeln und wurde nie müde, diese bei jeder Gelegenheit zur Schau zu stellen. Aber Pudel gehörten weder für Emma noch für die anderen Mitglieder des Komitees zu den wichtigen Bestandteilen einer Gründerparade, was in einer zweistündigen Diskussion ausgeartet war, in der sich Mrs Butterworth – zum Glück! – nicht hatte durchsetzen können.
Am Nachmittag verabschiedete sich das Komitee wieder voneinander. Jeder ging mit einem Stapel Flyer, auf denen groß und bunt die Gründertagsfeier beworben wurde, in eine andere Richtung. Auf dem Weg nach Hause hinterlegte Emma ein paar davon bei Fernsby’s Nachrichtenstand und machte einen kurzen Abstecher zu Culpepper’s, Maywoods einzigem kleinen Supermarkt, um zwei Zettel gut sichtbar an das schwarze Brett zu pinnen. Sie begrüßte Mr Culpepper, den Ladenbesitzer, und der ältere Herr schenkte ihr ein stummes Nicken, nur um gleich darauf in den Gang mit den Konserven zu flüchten.
Ja. Er flüchtete.
Mr Culpepper konnte mit seinen fast achtzig Jahren kaum mehr richtig laufen, aber als er Emma sah, nahm er die Beine in die Hand. Er verschwand so schnell, als wäre er Speedy Gonzales.
Viel seltsamer war seine wortkarge Begrüßung, weil er ein sehr gesprächiger Mann war. Nach dem Tod seiner Ehefrau nutzte er jede sich bietende Gelegenheit, um mit anderen zu plauschen. Innerlich hatte sich Emma schon darauf vorbereitet, ihm ein bisschen ihrer Zeit zu widmen, doch nun starrte sie ihm blinzelnd hinterher. Schien wohl nicht sein Tag zu sein. Sie beschloss, ihm morgen früh ein Stück Kuchen vorbeizubringen, um ihn aufzumuntern. Irgendwo im Tiefkühler hatte sie bestimmt noch welchen auf Vorrat.
Da es ein warmer Julitag war, spazierte Emma nach Hause und verteilte in den Briefkästen, die ihr unterwegs begegneten, weitere Flyer. Zu dieser Jahreszeit gab es so gut wie keinen Vorgarten, der nicht wenigstens saftig grün war. Bei dem Anblick der bunten Rhododendronbüsche, der verschiedenfarbigen Schwertlilien oder der graustämmigen Weiß-Eichen, die in der ganzen Stadt verteilt standen, musste Emma lächeln. Im Sommer gab es keinen schöneren Ort als Maywood, dessen war sie sich sicher.
Die rotleuchtenden Rosenköpfe aus Mrs Montgomerys Vorgarten fielen ihr besonders ins Auge. Die rustikale Lady war an der Maywood High Emmas Geschichtslehrerin gewesen, inzwischen war sie aber pensioniert. Zusammen mit ihrem Mann und vier Katzen wohnte Mrs Montgomery in einem malerischen Häuschen mit weißer Fassade, vor dem das Rot der Blüten noch besser zur Geltung kam. Jedes Jahr kämpfte sie gegen Emmas beste Freundin, Olivia Parker, um den Preis für die schönsten Rosenbüsche.
Ich hätte Mrs Parker in Geschichte durchfallen lassen sollen. Dann hätte sie jetzt wichtigere Dinge zu tun, als sich um ihre verdammten Rosen zu kümmern, pflegte Mrs Montgomery immer wieder zu zetern, wenn Emma sie danach fragte, wie es um ihre Blumen stand. Eine reine Höflichkeitsfloskel, denn die alte Dame liebte es, eine schlechte Verliererin und eine noch schlechtere Gewinnerin zu sein.
Auch jetzt stand sie mit einem Sonnenhut auf dem silberfarbenen Haar und abgenutzten Crocs an ihren Füßen vor ihren Pflanzen und redete leise auf diese ein.
»Mrs Montgomery, gut sehen Sie aus!«, begrüßte Emma sie vom Gartenzaun aus. Lächelnd hob sie den Flyer hoch. »Möchten Sie einen? Es geht um die Gründertagsfeier.«
Mrs Montgomery starrte sie an, als hinge ihr noch Spinat vom Mittagessen zwischen den Zähnen. Was nicht der Fall war, das hatte sie sowohl nach dem Essen als auch vor dem Verlassen des Komiteetreffens sorgfältig überprüft.
»Geht es Ihnen gut? Sie sehen aus, als hätten Sie ein Gespenst gesehen«, hakte Emma vorsichtig nach. Bitte kein Herzinfarkt, dachte sie und schubste ihr Gehirn an, sich an den letzten Erste-Hilfe-Kurs zu erinnern. Keine Chance. Würde die Rentnerin ein Notfall ereilen, wäre Emma ihr keine große Hilfe.
»Alles gut«, murmelte Mrs Montgomery und riss ihr den Flyer aus der Hand. »Einen schönen Tag noch«, schob sie hastig nach und lief, ohne sich noch einmal umzudrehen, zurück zum Haus. Scheppernd fiel die Haustür hinter ihr ins Schloss und schreckte die Spatzen auf, die in einer kleinen Vogeltränke gebadet hatten.
Fassungslos starrte Emma ihr hinterher. War ein Virus im Umlauf, dass sich alle so seltsam benahmen?
Zum Glück waren Montage seit Jahren Verandaabende. Gegen zwanzig Uhr trug Emma drei Kristallgläser, die noch aus dem Besitz ihrer Großeltern stammten, rüber zu Olivia, die mit ihrer Frau und deren Sohn direkt nebenan wohnte. Mia, die Dritte im Freundschaftsbund, war hingegen für den Wein verantwortlich, weil sie sich damit am besten auskannte. Woher sie ihr Wissen nahm, hatte sie ihnen selbst auf Nachfrage nie erzählt, aber wenn jemand von ihnen über etwas nicht reden wollte, wurde er nicht bedrängt. Höchstens abgefüllt, um seine Zunge zu lockern, aber das hatte bei Mia bisher nie sonderlich gut funktioniert.
»Liv, du sollst deinen Wein trinken, und ihn nicht zu Tode fotografieren«, schlug Mia vor. Sie saß neben Emma auf der Bank, deren weiße Farbe allmählich abblätterte, und streckte ihre nackten Beine aus. Bei jeder kleinen Bewegung klapperte das silberfarbene Kettchen an ihrem Knöchel, das sie von ihrer Schwester Ivy zu Weihnachten bekommen hatte.
Olivia hockte vor einer zu den Verandamöbeln passenden Kommode, auf der ein Stapel Bücher lag. Ihr Weinglas hatte sie dekorativ neben dem neuesten Stephen King Bestseller in Szene gesetzt.
»Ich hab’s gleich«, sagte sie und tippte mehrmals auf den Bildschirm ihres Smartphones. Sie begutachtete das Ergebnis, woraufhin sich ihr Gesicht erhellte. »Perfekt. Nur noch ein bisschen die Farbe anpassen und es wird ein Klick-Hit.«
»Ein Klick-Hit?«, wiederholte Emma und lachte. »Fühlst du dich nicht zu alt für Instagram?«
Irgendwie konnte sie mit diesem Kram nichts anfangen, aber Olivia betrieb für den örtlichen Buchladen Rain & Sunshine Books einen Account auf der bildlastigen Plattform.
Eine Windböe fegte durch Olivias dicke, dunkle Haarpracht. »Meine achttausend Follower sind der Meinung, dass ich mit achtundzwanzig Jahren noch genug draufhabe, um mithalten zu können.«
Waren achttausend Follower viel? Zumindest waren es mehr Menschen, als in Maywood lebten. Erheblich mehr. Deswegen war das Geschäft auch so erfolgreich und im Gegensatz zu Mrs Butterworths Pudeln tatsächlich außerhalb der Kleinstadt bekannt. In einem Reiseführer für Connecticut wurde Rain & Sunshine Books inzwischen sogar als besondere Sehenswürdigkeit deklariert. An dem Abend, als Olivia davon in Kenntnis gesetzt worden war – es war zufälligerweise ein Veranda-Rotwein-Abend gewesen –, hatten sie mit den angrenzenden Nachbarn eine ganze Kiste Wein geleert. Woraufhin sich Emma schwor, nur noch in Maßen zu trinken.
Diesen Vorsatz vergaß sie, als Olivia den Geist von Jake Walsh in die vertraute Runde einlud. Mit der Erwähnung seiner Rückkehr war die Stimmung in den Keller gefallen.
Typisch für diesen Kerl. Er konnte einem alles ruinieren.
Sogar den besten Abend der ganzen verdammten Woche.
z
Jetzt ...
Die Rufe von Olivia und Mia verebbten nach den ersten Metern, die Emma strammen Schrittes in Richtung Stadtzentrum hinter sich gebracht hatte. Wenn Jake wieder zurück war, dann würde er hier irgendwo stecken und sie würde ihn finden. Dies war immerhin ihre Stadt. Sie hatte, als Jake abgehauen war, das volle Sorgerecht dafür übernommen. Sie kannte jeden Winkel in- und auswendig.
Emma blieb abrupt stehen. Wieso hatte Olivia von Jakes Rückkehr gewusst, aber sie nicht? Eine solche Neuigkeit hätte hier schnell die Runde gemacht. Warum also hatte Emma noch nichts davon gehört? Weder hatten ihre Freunde beim Veranstaltungskomitee etwas erwähnt, noch einer der Nachbarn, denen sie danach begegnet war. Sie hatten sich ihr gegenüber nur sehr seltsam benommen ...
Emma stöhnte und hätte sich am liebsten die Hand an die Stirn gehauen. Natürlich. Die anderen hatten davon gewusst, nur wollte niemand der- oder diejenige sein, der ihr diese Nachricht überbrachte. Was sie verstand, denn sie hätte das lieber auch vor sich selbst verheimlicht.
Kaum war Jake wieder da, verursachte er nichts als Chaos in ihrer geregelten kleinen Welt.
Umso wichtiger war es, dass sie ihn fand. Emma kannte die Stadt und alle Lokalitäten gut, Jake trug allerdings leider keinen Peilsender, mit dem sie ihn hätte orten können. Menschen änderten sich in ein paar Jahren nicht allzu sehr, dessen war sie sicher, daher lief sie auf das Gebäude zu, in dem er neben dem Eishockeyfeld die meiste Zeit seiner Teenagerjahre verbracht hatte – das Robin.
Der volle Name der einzigen Bar in Maywood lautete The American Robin. Benannt nach dem Staatsvogel von Connecticut, der Wanderdrossel, wurde dieses Etablissement von George O’Harris geleitet, der es wiederum von seinem Vater geerbt hatte. So zog es sich schon durch die gesamte Familienlinie der O’Harris’. Es gab nur wenige Geschäfte, von denen behauptet wurde, sie würden bereits seit der Gründung der Stadt existieren – das Robin konnte getrost dazu gezählt werden. Eines Tages, wenn George sich dazu bereit erklärte, würde er die Bar an seinen Sohn Mike übergeben.
Mike war der Grund, wieso Emma davon ausging, dass sich Jake dort aufhalten würde. In der Highschool waren die beiden Mannschaftskollegen und Freunde gewesen. Auch wenn sie damals nicht das nötige Alter gehabt hatten, um trinken zu dürfen, waren sie trotzdem oft dort gewesen, um mit den anderen Sportlern in der Bar abzuhängen.
Mit schweren Beinen (der Wein entfaltete allmählich seine Wirkung) überquerte Emma die Main Road. Sie konnte das Robin bereits sehen, dessen warmes Licht durch die Fensterscheiben auf die Straße drang. Die Tür stand aufgrund der Sommerwärme offen und laute Musik, vermischt mit den Stimmen der Gäste, schallte ihr entgegen. Eine kräftige junge Frau mit schwarzen Haaren, die von neonpinken Strähnen durchzogen wurden, trat ins Freie, um sich eine Zigarette anzuzünden.
»Hey, Susan«, sprach Emma sie direkt an. Die beiden kannten sich aus Monroe’s Palace, dem Diner, in dem auch Mia tagsüber arbeitete. »Ist Jake dort drin?«
»Mensch, jetzt hast du mich aber erschreckt.« Susan lachte eine Oktave zu schrill, schob sich die Zigarette zwischen die Lippen und hantierte ungeschickt mit ihrem Feuerzeug herum. »Welchen Jake meinst du?«
»Du weißt, welchen ich meine.«
Susan war alt genug, um zu wissen, dass Emma nur von einem Jake reden konnte. Sie kannte die Story. So ziemlich jeder in Maywood, der nicht wesentlich jünger war als sie, hatte von dieser Geschichte gehört. Ihrer Geschichte.
»Keine Ahnung«, antwortete Susan knapp und wich ihrem Blick aus. Sie schob einen leisen Fluch hinterher, weil ihr Feuerzeug seinen Dienst versagte.
Emma ging einen Schritt auf sie zu. Ihre Zunge fühlte sich an, als würde sie jeden Moment am Gaumen kleben bleiben. Verdammter Wein. Es gab bessere Zeitpunkte, um sein Sprachvermögen einzubüßen.
Sie hielt Susan die Hand hin, damit diese ihr das Feuerzeug reichte. Es zahlte sich aus, dass Emmas Vater, kaum etwas hatte alleine machen können. Zumindest nicht in den letzten Jahren, die er hier auf der Erde verbracht hatte. Jeden Morgen und jeden Abend hatte sie ihm einen der Glimmstängel angezündet. Es war alles, was er vom Leben noch gehabt hatte.
Emma brauchte nur zwei kurze Anläufe, ehe eine kleine Flamme aufleuchtete und Susan endlich ihre Zigarette anzünden konnte. Sie nahm einen tiefen Zug, stieß den Qualm aus und seufzte erleichtert. »Er ist drinnen. Sitzt an der Bar. Der Bastard sieht immer noch so gut aus wie früher, wenn nicht besser.«
Das war mehr an Informationen, als Emma hatte hören wollen. »Danke«, sagte sie und ging an ihr vorbei.
»Emma.« Sie warf einen Blick über die Schulter. Susan kaute auf ihrer Unterlippe herum. »Muss ich mir Sorgen machen, dass morgen im Maywood Journal dein Gesicht auf der Titelseite prangt? Mit der Überschrift Beliebtes Gemeindemitglied wird zur Mörderin?«
Der Wein in Emma ließ sie wie die besagte Mörderin grinsen. »Vielleicht. Falls ja, schick mir bitte ein paar Schokobrownies mit einer Feile ins Gefängnis, ja?«
»Abgemacht«, hörte Emma sie leise hinter sich sagen, ehe sie die Bar betrat.
Es war so voll, wie es von außen geklungen hatte. Maywoods Bewohner waren die anständigsten Menschen, die Emma kannte, aber auch sie konnten sich einem Bier in netter Gesellschaft nicht verwehren. Countrymusik und Gesprächsfetzen schlugen ihr zusammen mit dicker Luft entgegen. Es war schon eine ganze Weile her, seit sie einen Fuß in dieses Lokal gesetzt hatte. Wenn sie sich allerdings so umschaute, sah alles noch genauso aus wie früher. Dunkles Holz für die Tische, Stühle, Wände und Theke. Grün als Akzentfarbe, weil Mr O’Harris versucht hatte, dem Robin einen Irish Pub Touch zu verleihen. Lediglich die Andenken und Fotos der Eishockeymannschaft der Maywood High, die dekorativ an den Wänden hingen, ruinierten das irische Ambiente ein wenig. Trotzdem wirkte es gemütlich. Nicht wie eine billige Absteige irgendwo auf der Landstraße.
Emma ließ ihren Blick erst zu den belegten Sitzplätzen, dann zur Bar wandern. Das Seitenprofil eines Mannes zog ihre Aufmerksamkeit auf sich – breite Schultern, braune Lederjacke, dunkelbraunes Haar.
Jake.
Er hatte sich kaum verändert und ihn zu sehen, löste ein vertrautes Kribbeln in ihrem Bauch aus. Unzählige schöne Erinnerungen blitzten vor ihrem inneren Auge auf, aber es waren die zuletzt vor allem sehr verletzenden, die umgehend die Wut in ihr hochkochen ließen. Denn Wut war bekanntlich immer besser als Tränen.
Mike, der hinter der Bar stand und ein Glas polierte, lachte über etwas, das ihr gemeinsamer alter Freund zu ihm gesagt hatte. Unweigerlich fühlte sich Emma in der Zeit zurückversetzt. Sie war sechzehn, im zweiten Jahr der Highschool, und Mike und Jake mit ihren achtzehn Jahren im Abschlussjahrgang. Sie hätten nicht im Robin sein dürfen, aber es war tagsüber gewesen und sie tranken nur Cola. Diese Erinnerung ähnelte stark der Szenerie, die sich vor ihr abspielte, und es versetzte ihr einen weiteren Stich ins Herz, dass jetzt alles anders war. Sie waren nicht mehr jung oder befreundet oder verliebt.
In einem Paralleluniversum, in dem Jake es nicht mit ihnen verbockt hatte, würden sie möglicherweise immer noch hin und wieder an der Bar sitzen, sich unterhalten und gemeinsam über Mikes schreckliche Witze und Fraueneskapaden lachen. Stattdessen hatte Jake es nicht nur geschafft, ihr das Herz aus der Brust zu reißen, sondern auch ihre Freundschaft zu Mike aufs Abstellgleis zu befördern, sodass sie sich heute lediglich einen Gruß zuwarfen, wenn sie sich zufällig begegneten.
Emma lief auf den Pumps etwas wankend zu einem nahestehenden Tisch, an dem ein paar Bauarbeiter saßen, deren Gesichter ihr fremd waren. Sie mussten auf Montage hier sein, einer der wenigen Gründe, wieso sie jemanden in Maywood nicht kannte.
»Darf ich?«, fragte sie mit einem verkrampften Lächeln und deutete auf zwei Gläser mit einer klaren Flüssigkeit.
»Nur zu«, sagte einer der Männer, der über seinen rostroten Bart strich.
»Danke. Der Typ an der Bar dort«, sie deutete auf Jake, »wird euch gleich eine Runde spendieren.«
Die Männer jubelten noch, als Emma entschlossen nach den Gläsern griff, tief durchatmete und in Richtung der Bar lief.
Sie sollte gehen. Das war ihr irgendwo weit hinten in ihrem Kopf bewusst. Noch hatte sie die Gelegenheit, umzudrehen und die Bar wieder zu verlassen. Aber ihre Vernunft machte eine Cocktailpause und überließ dem sechszehnjährigen Mädchen mit dem gebrochenen Herzen von damals die Oberhand. Und das wurde von verletztem Stolz und blindem Zorn gesteuert – und dem guten Rotwein, den Mia so freigiebig nachgeschenkt hatte.
Mike bemerkte sie als Erster. Langsam ließ er das Geschirrtuch sinken und hob die Brauen. Wie immer sah er gut aus. Damals in der Schule hatten viele Mädchen für ihn geschwärmt, weil er diesen klassisch-kalifornischen Surferlook besaß. Nicht, dass man an der Küste von Maywood surfen konnte, aber die Sommersonne hatte seine Haut in einen sanften Braunton gefärbt, die die Helligkeit seiner blonden Haare betonte. Dazu grünblaue Augen, die an das Wasser des Long Island Sound erinnerten, und einen jungenhaften Charme, dem viele Frauen bis heute noch erlagen.
Mit jedem Schritt, den Emma Jake näherkam, zitterten ihre Hände mehr. Ihr eigener Herzschlag, der in ihren Ohren dröhnte, übertönte die laute Musik und die Gespräche um sie herum. Sie blieb stehen, als Mike seinem Freund mit einem Nicken andeutete, sich umzudrehen. Jake kam der Aufforderung nach und in dem Moment holte Emma aus und kippte ihm den Inhalt des Glases ins Gesicht. Mike lachte schadenfroh.
Erschrocken kniff Jake die Augen zusammen und wischte sich mit dem Handrücken über das nasse Gesicht. »Em.«
»Das war für die Abschlussparty«, erklärte sie und war um Ruhe bemüht, ehe sie das zweite Glas anhob, »und das ist dafür, dass du wieder zurück bist.« Sie setzte es an ihre Lippen, trank es in einem Zug leer und stellte fest, dass der Schnaps Wasser gewesen war. Damit hatte sie nicht gerechnet, und so, wie Mike und Jake sie ansahen, konnten sie ihr diese Erkenntnis wie aus einem offenen Buch vom Gesicht ablesen. Nur in Maywood tranken Bauarbeiter Wasser aus einem Schnapsglas.
»Schön, dich wiederzusehen«, sagte Jake, in dessen Augen sich ein amüsiertes Funkeln zeigte – und noch etwas, was sie in ihrem Zustand jedoch nicht deuten konnte.
Emma knallte beide Gläser auf den Tresen. »Mike, bitte etwas, das brennt, wenn man es anzündet.«
»Ich glaube besser nicht«, erwiderte er leise, sichtbar darum bemüht, nicht zu grinsen. »Allerdings kann ich dir ein Wasser anbieten. Oder Bier.« Mike reichte Jake das Küchenhandtuch zum Abtrocknen.
Emma schnaufte nur.
»Starker Auftritt. Nächstes Mal solltest du aber an dem Glas riechen, um sicher zu gehen, was drinnen ist«, empfahl Jake ihr, während er das Handtuch über sein Gesicht rieb. Er wirkte hin und her gerissen zwischen Belustigung und Frustration über ihre Handlungen.
Hitze schoss in Emmas Wangen. Auf der Suche nach einer schlagfertigen Antwort, die ihr Gehirn ihr verweigerte, betrachtete sie Jake und was die zwölf Jahre aus ihm gemacht hatten. Seine Gesichtszüge waren etwas markanter, das dunkelbraune Haar an den Seiten kurz geschnitten und nach oben hin länger, weshalb ihm ein paar Strähnen in die Stirn fielen. Bartstoppeln zogen sich um seine Kinn- und Mundpartie. Bestimmt hatte er immer noch diese furchtbar niedlichen Grübchen, wenn er lächelte.
Er sah leider gut aus. Die Zeit hatte an ihm wie bei einem guten Wein gearbeitet. Das Älterwerden stand ihm. Gott wusste, dass Emma Jake Schlimmeres gewünscht hatte. Sehr viel Schlimmeres. Und nicht einmal diesen Gefallen hatte er ihr getan.
»Falls du nach einer schlagfertigen Reaktion suchst ...«
»Halt die Klappe«, fuhr sie ihn an und holte tief Luft. Sie kam sich wie ein Hund vor, der in die Ecke gedrängt worden war. Ihr Kopf war vernebelt und diese Blamage machte sie nur noch zorniger. Warum ging sie nicht einfach?
Klare Antwort – ihre Beine hatten ausgerechnet jetzt zum Streik ausgerufen. Und etwas in Emma freute sich auf sehr masochistische Weise darauf, mit Jake zu streiten. Nachdem er ohne jedes Wort abgehauen war, war er ihr einen verdammten Streit schuldig.
Jake beugte sich ihr entgegen. Er musterte sie aufmerksam, ehe er die Nase rümpfte. »Hast du getrunken?«
Irritiert schüttelte sie erst den Kopf, nickte und schüttelte wieder den Kopf. Von der hektischen Abfolge dieser Bewegungen wurde ihr schwindelig. »Das geht dich nichts an. Nicht mehr«, schob sie hinterher. Erneut sprach aus ihr das verletzte sechszehnjährige Mädchen, das er zurückgelassen hatte, um Profisportler zu werden.
»Wow, ich hätte nie gedacht, dich mal angetrunken zu erleben.« Jakes Mundwinkel zuckten. »Und Mike meinte, du wärst langweilig geworden.«
Emma schenkte dem Barkeeper einen finsteren Blick, der daraufhin das Gesicht verzog, als erleide er körperliche Schmerzen. Danach wandte sie sich wieder an Jake. »Warum bist du in meiner Stadt?«
Er lachte. »Deine Stadt?«
»Da du gegangen bist, ja.«
»Und bevor ich weggezogen bin, war es meine?«
»Nein, da gehörte Maywood uns beiden.«
»Emma, dieser Ort ist kein Scheidungskind und du hast nicht das alleinige Sorgerecht bekommen.«
Sie ballte ihre Hände zu Fäusten. Jake machte sie wahnsinnig. Mia hatte ihr einmal erzählt, wie befriedigend es war, jemandem eine zu verpassen. Wenn er so weitermachte, würde sie diese Theorie an ihm testen.
»Du hättest bleiben sollen, wo du warst«, flüsterte sie leise.
»Wäre ich gern, ging aber leider nicht.«
Emma hatte keine Kraft mehr für dieses Gespräch. Streit hin oder her. Solange sie nicht bei klarem Verstand war und der Rotwein die Oberhand hatte, blamierte sie sich nur noch mehr und diese Form von Sieg wollte sie Jake nicht gönnen. »Meinetwegen. Du schuldest den Jungs dort drüben übrigens eine Runde«, sagte sie beiläufig und machte auf dem Absatz kehrt. Finger legten sich um ihr Handgelenk und ein wohliger Schauer breitete sich bis zu ihren Schultern aus. Sie blieb stehen.
»Emma.« Konnte dieser Idiot bitte aufhören, ihren Namen zu sagen? Milch und Honig waren ein verdammter Mist dagegen. »Können wir uns die Tage mal unterhalten?«
Ein Lachen schlüpfte aus ihrem Mund. Selbst sie konnte hören, wie verletzt es klang. Sie sah in Jakes blaue Augen und spürte den Schmerz von vor zwölf Jahren, der niemals verheilt war.
»Jetzt willst du reden?« Sie schüttelte den Kopf. »Du hättest damals mit mir sprechen können. Stattdessen bist du einfach abgehauen wie der feige Idiot, der du bist. Vermutlich rennst du gerade wieder vor irgendwas weg, und ich werde bestimmt nicht diejenige sein, die dir eine Zuflucht bietet.« Trotzig schob sie das Kinn nach vorne. Wenn sie sich schon blamiert hatte, würde sie diese Bar wenigstens mit Würde verlassen. »Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt, Mr Walsh.«
2. Kapitel
Emma wenige Stunden nach seiner Ankunft in Maywood zu treffen, hatte nicht auf Jakes Agenda gestanden. Sicher, er hatte jeden nach ihr gefragt, dem er begegnet war. Der alte Mr Culpepper hatte ihm zähneknirschend versichert, dass sie noch hier lebte. Mrs Montgomery, seine ehemalige Highschool-Lehrerin, hatte ihm erzählt, dass Emma den halben Tag über mit dem Veranstaltungskomitee beschäftigt wäre. Und Mike hatte ihm noch vor einer Stunde bestätigt, dass Emma seit zwölf Jahren keinen Fuß mehr ins Robin gesetzt hatte. Er war davon ausgegangen, ihr hier nicht über den Weg zu laufen. Zumindest so lange, bis ihm etwas einfallen würde. Doch dann tauchte sie auf und brachte sein neues Leben damit schlagartig ins Wanken.
»Du konntest dich nicht ewig vor ihr verstecken«, sinnierte Mike munter.
Damals wie heute konnte sein alter Freund solchen Situationen eine gewisse Komik abgewinnen, weshalb er zu Schulzeiten den Titel des Weiberhelden und Klassenclowns innehatte. Jake hatte ihn deswegen sehr gemocht. In Mikes Nähe war es stets einfach gewesen, eine gute Zeit zu haben. Auch aus diesem Grund war es eine seiner ersten Handlungen gewesen, ihn aufzusuchen. Während ihm alle übrigen seinen Fehler nachzutragen schienen, war Mike ... eben Mike. Er hatte ihn mit offenen Armen an der Theke empfangen, so wie er es mit jedem tat, der einen Drink und etwas Aufmunterung suchte.
Doch gerade dominierte eine andere Person hartnäckig Jakes Gedanken. Er schaute Emma hinterher, die die Bar mit festen Schritten verließ. Sie sah noch genauso umwerfend aus wie an dem letzten Tag, an dem er sie gesehen hatte. Das rotbraune Haar war etwas kürzer und ihre Kleidung passte inzwischen so gut in seine alte Heimat, dass er langsam das Gefühl hatte, in die fünfziger Jahre zurückversetzt worden zu sein. Aber das hatte nichts an ihrem ausdrucksstarken Gesicht geändert. Nichts an dem herausfordernden Blick, der es ihm früher schon angetan hatte. An dem schmalen Kinn, das sie gerne nach vorne schob, um ihren Standpunkt zu untermalen, wenn sie sich mit jemandem zankte. An den blauen Augen, die so viel Liebe oder Wut ausdrücken konnten, wie er es nie wieder gesehen hatte. Einmal leidenschaftlich, immer leidenschaftlich.
Emma war wahnsinnig wütend auf ihn. Zurecht. Jake konnte es ihr nicht verübeln. Seit er zurück in Maywood war, holten ihn gefühlt jede Minute jene Schuldgefühle ein, die er während der letzten Jahre erfolgreich verdrängt hatte.
Jake wandte sich der Bar und damit Mike zu. »Ein Bier«, bestellte er.
Mike kam seinem Wunsch nach und öffnete eine braune Flasche. Nachdem Jake vor zwei Jahren zum ersten Mal europäisches Bier getrunken hatte, war die heimische Variante nicht mehr sein Fall. Amerikaner hin oder her, aber Bier konnten seine Landsleute einfach nicht so gut brauen wie zum Beispiel die Deutschen.
»Dachtest du, sie hätte es vergessen?«, erkundigte sich Mike.
Hatte er das? Nein. Emma war kein naives Blondchen. Er war sich sehr sicher, dass sie noch genau wusste, was er getan hatte. Aber das änderte nichts daran, dass er sich – für sie beide – etwas anderes erhofft hatte. Etwas, das leichter wäre. Dass sie wenigstens einander freundlich Hallo sagen könnten. Oder zumindest, dass der eine dem anderen beim ersten Treffen kein Getränk ins Gesicht kippte.
So was eben.
Jake trank einen Schluck. »Vielleicht. Es wäre angenehmer gewesen.«
»Ich weiß, du hast in den letzten Jahren den einen oder anderen Puck abbekommen, aber das kannst du nicht wirklich erwartet haben. Wir reden hier von Emma.«
Wären es nur Pucks gewesen, wäre Jake jetzt nicht hier und würde sich den Kopf darüber zerbrechen, wie er sich ein neues Leben in Maywood aufbauen konnte.
Er verzog nachdenklich den Mund. Eigentlich hatte er andere Sorgen als die Befindlichkeit seiner Ex-Freundin. So sehr er sie damals geliebt hatte, so sehr musste er sich jetzt darum kümmern, wieder auf die Beine zu kommen. Keine Frau würde ihn davon abbringen, seinen einstigen Traum zu realisieren. Nicht einmal, wenn sie Emma hieß. »Sie wird damit klarkommen müssen. Die Stadt ist nicht groß genug, um ewig sauer auf mich zu sein.«
»Ich wiederhole: Wir reden von Emma. Letztes Jahr hätte sie fast einen stadtweiten Frauenstreik initiiert, damit Samantha Field am vierten Juli die Rolle von George Washington in der Schulaufführung spielen durfte. Und die kleine Sammy war nicht einmal gut. Es ging dabei nur ums Prinzip.«
Jake unterdrückte ein Grinsen. »Klingt ganz nach Emma.«
»Sie wird sich irgendwann mit dir hier abfinden, aber erwarte nicht, dass das allzu bald passieren wird.«
»Zum Glück habe ich genug andere Dinge zu tun, als darüber nachzudenken.«
Mike lehnte die verschränkten Arme auf den Tresen und hob eine Augenbraue. Das hatte er früher auch immer getan, wenn sich die Hockeymannschaft nach zehrenden Trainingseinheiten hier auf ein Getränk versammelt hatte: Gute Ratschläge verteilt. Damals wusste jeder schon, dass er einmal die Bar übernehmen und in die großen Fußstapfen seines Dads treten würde. Der geborene Barkeeper.
»Was planst du denn?«, fragte Mike neugierig.
Jake winkte ab. »Ich weiß noch sehr gut, wie viel hier geredet wird.«
»Ist das dein Ernst? Du kommst her und machst einen auf Mr Mysteriös?«
Ja, es war sein ernst. Er hatte sich für sein Vorhaben keinen besseren Ort vorstellen können als Maywood. Fakt war aber auch, dass es noch ein paar Details gab, die er abklären musste, und er wollte nicht, dass ihm jemand Steine in den Weg legte. Daher grinste er nur, leerte sein Bier und legte einen Fünf-Dollar-Schein auf den Tresen. »Gute Nacht, Mike.«
»Mach so weiter und ich gebe Emma nächstes Mal Rückendeckung.«
»Du weißt doch, wie es heißt: Ist der Ruf erst ruiniert ...«
Jake hörte seinen alten Freund hinter sich lachen, ehe er die Bar verließ und vor der Tür die frische Abendluft einatmete.
Maywood war ein harter Kontrast zu New York und Boston, wo er die letzten Jahre abwechselnd gelebt hatte. Als Profieishockeyspieler hatte er ein bisschen was von der Welt sehen dürfen und in großen Städten das hektische Leben genießen können. Ein Leben, in dem es keine spießigen Vorgärten gab, dafür aber einen Starbucks an jeder Ecke oder einen Fremden, der einen zu allen Tageszeiten in ein Gespräch verwickelte, wenn man sich danach fühlte.
Außerhalb des Robin herrschte in Maywood um diese Uhrzeit tote Hose. Das war schon immer so gewesen. Aus keinem der Fenster drang Licht, es gab keine Menschen, die zu einem Imbissstand spazierten, oder das nervöse Hupen ungeduldiger Autofahrer.
Jake wandte den Blick gen Himmel. Zum ersten Mal seit sehr langer Zeit konnte er die Sterne in so einer Fülle sehen. Keine einzige Wolke versperrte ihm die Aussicht und Lichtsmog kannte man hier auch nicht. Als würde der Abendhimmel nur für diese Stadt leuchten. Es hatte etwas Magisches an sich. Etwas, das er bisher nur hier erlebt hatte.
Er zog das Handy aus seiner Gesäßtasche und wählte Claires Nummer. Ihm war klar, dass er das nicht tun sollte, schließlich hatte er sie verlassen, nachdem sie mit seinem Mannschaftskollegen Kenny gevögelt hatte. Aber es war eine Gewohnheit. Eine alte, dumme Gewohnheit. Sie waren immerhin fast elf Jahre ein Paar gewesen, neun davon verheiratet. Er musste wissen, dass sie klarkam, auch wenn vor zwei Wochen aus dem wir ein ich geworden war. So richtig konnte er aus dem Muster des Ehemannes noch nicht ausbrechen.
»Hallo?«, hörte er Claire verschlafen nuscheln. Sofort hatte er den Anblick vor Augen, wie sie in einem bequemen Queen Size Bett lag, vermutlich in einem ihrer Satinnachthemden, das lange blonde Haar geflochten, damit es am nächsten Morgen nicht überall hin abstand. Sie war eine schöne Frau. Schön und kalt, wie er mittlerweile herausgefunden hatte.
»Hey, Claire. Ich bin’s. Jake.«
»Oh, nicht schon wieder«, stöhnte sie. »Jake, Baby, du solltest das lassen.«
»Meinst du, meine Ex-Frau am späten Abend anzurufen, um zu hören, ob alles okay bei ihr ist?«, fragte er trocken.
»Unter anderem.«
Er rieb sich mit der Hand über den Nacken, schaute sich kurz um, ob ihm jemand zuhörte, und setzte sich in Bewegung. »Und? Ist alles in Ordnung bei dir?«
»Natürlich. Ich bin kein kleines Kind.«
»Okay, weil ...« Er verstummte. Sollte er ihr sagen, dass er sich um sie sorgte, obwohl sie ihn mit seinem Kollegen betrogen hatte? Dass die Rückkehr nach Maywood ihn an ihre gemeinsame Jugend erinnerte und er sich fragte, was gewesen wäre, wenn alles einen anderen Weg genommen hätte? »Na ja, ich bin gerade aus dem Robin raus und musste daran denken, wie wir früher dort abgehangen haben.«
»Jake, das ist schon so lange her.«
»Mit solchen Aussagen lässt du uns älter klingen, als wir sind.«
Sie seufzte und da wusste er, dass sie wenig Lust auf ein Gespräch mit ihm hatte. Würden sie jemals wieder miteinander reden können, als wäre nichts vorgefallen?
Nicht wie ein Paar. Jake wusste, dass der Zug für sie beide abgefahren war. Aber wie zwei Menschen, die sich schon lange kannten. Die einander alle Geheimnisse anvertraut hatten. Er hatte vor zwei Wochen schließlich nicht nur seine Ehefrau verloren, sondern auch eine Freundin. Und deswegen tat es gut, ihre Stimme zu hören. Eine Stimme, die seine Vergangenheit mit seiner Gegenwart verband, denn Claire war genau wie er in Maywood geboren und aufgewachsen. Sie wusste, wie die Stadt und ihre Bewohner tickten.
Nach dem Vorfall mit Emma damals hatte er den Großteil seines Beliebtheitsstatus eingebüßt. Jeder hatte es ihm unter die Nase gerieben. An seinem ersten Tag zurück wollte außer Mike kaum einer mit ihm reden. Jake hätte damit rechnen müssen, aber in New York und Boston, wo er zuletzt abwechselnd gelebt hatte, musste er keinen Gedanken an seine Heimat und die nachhaltigen Folgen seiner Handlung als junger Erwachsener verschwenden. Zum Teufel, es war nie geplant gewesen, überhaupt noch einmal zurückzukommen. Zurückzuschauen. Selbst den letzten wenigen Familienfeiern, die hier vor Jahren stattgefunden hatten, war er dank guter Ausreden entgangen.
Aber nun war er wieder da und lief über den weichen Rasen des kleinen Parks, der das Herz der Stadt bildete; passierte die alte Kirche und all die Geschäfte, die die Touristen so süß fanden.
Er war zurück und konnte seine Fehler nicht mehr rückgängig machen.
»Baby, geht es dir denn gut?«, fragte Claire.
Er blieb stehen und ballte die Hand zur Faust. Wenn sie ihn Baby nannte, in einem Ton, der ihn an all die Nächte erinnerte, die sie über viele Jahre miteinander geteilt hatten, dann wollte er auf etwas einschlagen. Sie durfte ihn nicht mehr so nennen und einmal mehr wurde ihm klar, dass er sie nicht mehr anrufen und stattdessen nach vorne schauen sollte.
»Tut mir leid für die späte Störung«, sagte Jake knapp. Bevor sie etwas erwidern konnte, legte er auf und holte tief Luft.
Er war von sich selbst genervt. Claire kam ohne ihn aus. Sie hatte nun Kenny, der sich um sie kümmerte. Und genau deswegen war Jake hergekommen. Er war von allen Pflichten entbunden und es war Zeit, zu vergessen. Einen Neuanfang zu starten. Seine Träume fernab der Eisfläche und der Öffentlichkeit zu realisieren.
Jake hob seine Hand und starrte auf den Ehering. Weißgold, weil Claire Gelbgold hasste. Ihre beiden Namen waren auf der Innenseite eingraviert. Für die Ewigkeit gemacht.
Er sollte sich endgültig von dem Ding trennen. Gleich morgen früh, wenn er etwas Schlaf und neue Energie getankt hatte. Danach würde er sich daran machen, eine Wohnung zu finden. Und vielleicht – es war ein ganz großes Vielleicht – würde Emma ihm irgendwann auch verzeihen. Oder wenigstens akzeptieren, dass die Stadt groß genug war, um ihnen beiden zu gehören, und nicht nur ihr.
z
»Das ist nicht antik.«
Bereits am nächsten Morgen stand Jake im Afterlife Vintage, dem Antiquitätenladen, der seit jeher von Eleanore Vinmore geführt wurde. Die Luft war stickig, es roch nach altem Papier, Möbelpolitur und diesem komischen Kräutertee, den sie zu jeder Jahreszeit trank. Schränke, Tische, Stühle, Gemälde, Vasen, Schaukelpferde und alles, was mehr als zwanzig Jahre auf dem Buckel hatte, stand hier bis an die Zimmerdecke gestapelt.
»Sie kaufen doch auch neuere Dinge an«, erwiderte Jake, der auf die Frau, Mitte fünfzig mit grau-schwarzem Topfhaarschnitt, hinabschauen konnte. Sie war so klein wie sie manchmal anstrengend war, aber immerhin war sie eine Koryphäe auf ihrem Gebiet.
Argwöhnisch beäugte sie den Ring mit einer Lupe. Er war im Grunde alles, was von seiner Ehe übriggeblieben war. »Sicher, aber würde ich jeden billigen Schmuck nehmen, den man mir anbietet, wäre ich Juwelierin geworden und nicht Antikhändlerin.«
»Der Ring hat im Set fast fünftausend Dollar gekostet.«
»Der Löwenanteil hat aber bestimmt in dem dicken Diamanten deiner Frau gesteckt.«
Touché. Claires Stein war nicht mickrig ausgefallen, aber sie hatte nie aufgehört, ihn mit den riesigen Klunkern zu vergleichen, die ihre Freundinnen an den Fingern trugen.
»Ich nehme an, er ist von Tiffany?«
»Ja, Ma’am.«
»Ihr Leute heutzutage seid wirklich wandelnde Klischees auf zwei Beinen.« Ms Vinmore schüttelte den Kopf. »Bei mir hättest du einen wunderschönen Diamantring bekommen, der bereits die Titanic überlebt hat.«
»Echt?«, fragte Jake mehr der Höflichkeit wegen und schob seine Hände in die Taschen der Jeans.
»Natürlich nicht. Aber er ist alt und junge, verliebte Touristen kaufen jeden Mist für viel Geld, wenn es nur eine gute Geschichte gibt, mit der sie vor ihren Freunden angeben können.«
Die kleine Frau war abgebrüht, das musste er ihr lassen. In Maywood war sie bekannt dafür, dass man sich besser nicht mit ihr anlegte; wenn man erst einmal anfing, mit ihr zu diskutieren, dann konnte sie wie ein Maschinengewehr auf einen losgehen. Letztendlich gab man ihr ohnehin recht und hätte sich eine Menge Zeit ersparen können, indem man direkt klein beigab.
Jake räusperte sich. »Haben Sie nun Interesse?«
Wieder brummte sie, hielt den Ring gegen das durch ein Schaufenster einfallende Licht, betrachtete ihn abermals durch die Lupe und wog den Kopf hin und her. »Wenn ich den Leuten sage, dass er einem prominenten Sportler gehört hat, könnte ich ihn loswerden.«
»So prominent bin ich nicht«, gab Jake leise zu bedenken. Er war vielleicht für Maywoodverhältnisse berühmt, aber die paar Jahre in der Eishockeyprofiliga hatten ihn nicht gerade in einen Kardashian verwandelt.
»Wenn mich jemand fragt, warst du es. Allerdings ist das nur ein Ring. Ohne den der Frau ist er nicht einmal halb so viel wert.«
Er seufzte. Allmählich zerrte ihre Art an seinen Nerven. Womöglich wäre es besser gewesen, das letzte Andenken an seine Ehe wegzuwerfen. Aber vielleicht konnte der Ring so noch eines der von Ms Vinmore angesprochenen jungen Touristenpaare glücklich machen. Eheringe waren schließlich nicht billig. »Ms Vinmore, es ist mir egal, wie viel ich dafür kriege. Ich will ihn nur loswerden.«
Sie hob den Blick und starrte ihn an. »Na, das ist doch Musik in meinen Ohren. Für zweihundert Dollar nehme ich ihn.«
Das war nicht die Welt, aber damit konnte er leben. »Meinetwegen.«
Jake folgte ihr zu der kleinen Glasvitrine, in der ein paar Schmuckstücke ausgelegt waren und auf der eine alte Kasse stand. Keine fünf Minuten später war er um zwei Scheine mit dem Porträt von Benjamin Franklin reicher.
»Einen kleinen Tipp gebe ich dir gratis dazu«, sagte Ms Vinmore, die nach der Transaktion ein sehr zufriedenes Lächeln auf den schmalen Lippen trug. »Du bist ein mieser Händler. Mit der Hintergrundgeschichte verkaufe ich das Teil für locker sieben- bis achthundert Dollar. Du hättest deine Karten nicht offenlegen sollen, bevor ich die Chance hatte, dir ein Angebot zu unterbreiten.«
Jake nickte. »Pech im Spiel, Glück in der Liebe«, entgegnete er, sich der Ironie seiner Umstände vollstens bewusst.
»Und das von dem Mann, der gerade seinen Ehering verkauft hat.«
Er rang sich ein Schulterzucken ab und verabschiedete sich von Ms Vinmore. Sicherlich hätte er mit ihr mehr über den Preis streiten können, aber was hätte es ihm gebracht? Er wählte Schlachten aus, die zu kämpfen sich lohnte, und all seine Energie sollte in Dinge fließen, die wichtiger waren. Er war seinen Ehering los und vielleicht wurde irgendein anderes Paar damit glücklicher.
Ms Vinmore war es definitiv. Noch bevor er den kleinen Laden verlassen hatte, hörte er, wie sie ein fröhliches Lied summte. Zumindest hatte er ihr eine Freude machen können. Seine Hand fühlte sich auch nicht mehr so schwer an.
Draußen zeigte sich Maywood an diesem Tag von seiner Küstenseite. Trist, kühl und stürmisch. Wind wehte ihm die Haare ins Gesicht. Er hatte vergessen, wie es hier war, wenn die Sonne nicht schien, die Vögel woanders zwitscherten und das Diner Monroe’s Palace keinen frischen Waffelduft verströmte. Was ihn wiederum daran erinnerte, dass es Zeit war, seinen Kaffeepegel anzuheben. Die Nacht war kurz und in einem Hotel nicht gerade bequem gewesen. Koffein war das Einzige, was ihn noch am Laufen hielt.
Er überquerte die Main Road, passierte Macho Nacho und steuerte auf das Diner zu, dessen kleiner Vorgarten mit Wildblumen bepflanzt war. Bevor er jedoch dort ankam, lenkten ihn zwei Dinge ab: Zum einen bemerkte er Olivia Parker, die sich unweit von ihm am Zeitungsstand mit einem Stapel Boulevardmagazine eindeckte. Zum anderen fielen ihm die einheitlichen Titelbilder ins Auge. Es war eine Roter-Teppich-Aufnahme von Claire und ihm, als sie vor drei Jahren zu der Verleihung zum Sportler des Jahres eingeladen worden waren.
Sein Magen verknotete sich. Jake hasste diese Schundblätter und er konnte sich bereits denken, worum es ging. Nicht einmal einen Monat hatte es gedauert, bis sich ein enger Bekannter des Paares an die Presse gewandt und alles ausgeplaudert hatte, was nicht