Austrofred: Hard on! / Austrofred
Wien: Czernin Verlag 2013
ISBN: 978-3-7076-0463-4
© 2013 Czernin Verlags GmbH, Wien
Gestaltung: Mitter Klaus
Umschlagbild: Plakatmalerei Reinhold Busch nach einer Vorlage von Mitter Klaus
Lektorat: Sabine Edith Braun
Produktion: www.nakadake.at
ISBN E-Book: 978-3-7076-0463-4
ISBN Print: 978-3-7076-0462-7
Danke: Habbel Conny, Wagner Karin, Bayrhuber Wolfgang, Futscher Christian, Brunbauer Oliver, Kaindlstorfer Günter, Pertramer Ingo, Preiml Bernd
Alle Rechte vorbehalten, auch das der auszugsweisen Wiedergabe in Print- oder elektronischen Medien.
Der Inhalt dieses Buches ist hinsichtlich sowohl Handlung als auch handelnder Personen frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeiten mit lebenden Personen wären rein zufällig.
Wahnsinn – anders kann, nein, anders darf man das nicht nennen, was sich in dem brechend vollen Club abspielt. Purer, unpackbarer Wahnsinn. Hunderte Menschen feiern, jubeln, verlieren sich in Ekstase. Brutaler Sound durchzuckt die Körper der Tanzenden, von den modernen Stahlbetonwänden hallen ihre Schreie wider. Kondenswasser fließt in breiten Strömen den Boden entlang, verdampft, sorgt für tropisch-heiße Atmosphäre. Erregt erleben wir die pulsierenden Schlussminuten eines Rockkonzertes. Die Menschen starren auf die Bühne, fasziniert, gebannt, gefesselt …
Wer aber ist das Ziel ihrer Projektionen, ihrer Wünsche, ihrer Sehnsüchte? Wer steht da auf der Bühne, der die Leute derartig ausrasten lässt und sie gleichzeitig in ihrem innersten Wesen berührt? Indem er sie erkennt? Nur mit seiner Music, seinem Body, seiner Personality? Es ist ein schlanker, dunkelhaariger Mann. Dynamisch, gut aussehend, jung oder zumindest beste Jahre, auch er in Ekstase. Wild wirbelt er das Mikrostativ um seine weltgewandten Hüften, stöhnt er wie ein Stier! Er hat bei dieser Show alles gegeben.
Aber nicht nur er, auch sein Publikum hat sich verausgabt. Erwachsene Männer umarmen sich, streicheln sich, können nicht fassen, was sie da erleben. Einzelne weinen sogar. Die Tränen rinnen ihnen in die buschigen Oberlippenbärte, von denen man überdurchschnittlich viele sieht an diesem Abend. Wahrscheinlich wollen die Männer – und komischerweise sind es wirklich fast nur Männer – ihrem ebenfalls barttragenden Idol möglichst ähnlich sein.
Gelenkig wie ein Fakir schüttelt sich der Feschak auf der Bühne jetzt die übermenschliche Anspannung vom Leib. Da! Er reißt sich sein Leiberl herunter, steht plötzlich mit nacktem Oberkörper da. Schweißperlen rinnen den muskulösen Körper entlang, ein Lächeln umspielt seine geschürzten Lippen. Mit lockendem Augenaufschlag flüstert er etwas ins Mikrofon, fast verschämt. Man versteht es kaum, doch die Intimität ist spürbar, lässt allen im Raum den Atem stocken. „Pfiat eich“, haucht er gerührt. Dann löst er sich scheinbar im Bühnennebel auf. – Magie.
Wie aus einem Traum erwacht jetzt das Publikum. Ist das Konzert denn schon zu Ende? Darf es schon zu Ende sein? Erste Stimmen fordern bereits eine Zugabe, weitere gesellen sich dazu, immer mehr und noch mehr. Formiert zu einem unüberwindbaren Strom, skandieren sie den Namen des Künstlers: „Üz-trü-früd! Üz-trü-früd!“
Üz-trü-früd?, wird sich der aufmerksame Leser jetzt denken, wieso denn Üz-trü-früd und nicht Aus-tro-fred, wie der Name des Sängers – das habt ihr nämlich längst erraten – in Wirklichkeit lautet? Und wer sind die vielen bärtigen Männer im Publikum?
Geschätzte Leserinnen und Leser,
liebe Fans,
also, ich muss ganz ehrlich sagen, der Anfang von diesem Buch ist mir schon einmal super gelungen, spannungstechnisch, das kann mir keiner abstreiten. Weil erst glaubt man, aha, alles klar, da wird ein ganz ein normales Austrofred-Konzert beschrieben, aber halt mehr literarisch, gehoben, und auf einmal, zack zack, schreit das Publikum „Üztrüfrüd!“, und man kennt sich nicht mehr aus. Was ist da los?, fragt sich der neugierige Leser.
Ich darf das Geheimnis jetzt lüften: Und zwar handelt es sich bei den jubelnden Schnauzbartträgern um türkische Austrofred-Fans. Ach so, wird der vife Leser kombinieren, am Ende spielt dieses Buch während einer Türkenbelagerung? Weil wer weiß, vielleicht hat sich der Austrofred mit der Zeitmaschine aus seinem letzten Buch1 zurückgebeamt ins circa 17. Jahrhundert, und dort sitzt er jetzt und schnapst eine Runde mit dem Prinz Eugen. Oder mit dem Großwesir Kara Mustafa – je nachdem halt, zu wem er hilft. Das Gegenteil ist der Fall: Nicht die Türken belagern nämlich Wien, sondern der Austrofred belagert die Türkei und erobert triumphal die Istanbuler Clubszene! Und wie es zu dem gekommen ist, darum geht es in diesem Buch.
1 Du kannst dir deine Zauberflöte in den Arsch schieben – Mein Briefwechsel mit Wolfgang Amadeus Mozart, Czernin Verlag 2010.
Bekannterweise habe ich schon etliche Bücher geschrieben, sehr erfolgreiche sogar, wie ich zwecks Vollständigkeit erwähnen darf, aber in einem gewissen Sinn ist dieses Buch trotzdem auch ein bisschen ein Debüt, indem es nämlich mein erster Roman ist, im Endeffekt. Weil die anderen Bücher waren ja autobiografisch und von dem her keine Romane. Wobei das hier im Prinzip auch autobiografisch ist – alles ist genauso passiert, wie es hier steht! –, aber ich habe es halt spannend geschrieben, mit Anfang und Schluss und allem, und teilweise in der Er-Form. Also, ER haut sich ein Stamperl hinein statt ICH haue mir. Sprich: mehr Story, weniger Ego. Weil ich sage es ganz ehrlich, ich brauche das nicht mehr, dass ich mich selber immer in den Mittelpunkt stelle. Über diese Phase bin ich hinweg. Trotzdem lasse ich es mir natürlich nicht nehmen, dass ich hie und da auch einmal in die Ich-Form herüberswitche, wenn ich meinen Fans meine Gedanken und philosophischen Überlegungen quasi kommunizieren möchte. Das ist einfach direkter und ehrlicher, und mit dieser Ehrlichkeit bin ich immer gut gefahren.
Apropos: Dieser Roman ist das Dokument einer sehr schweren Zeit. Es geht darin durchaus auch um Niederlagen, die ich erlitten habe, durch Fremdverschulden in erster Linie, aber auch durch den einen oder anderen Fehler, den ich selbst gemacht habe, indem ich ja auch nur ein Mensch bin. Von dem her stehe ich in diesem Buch nicht immer nur als der Lässige da. Es gibt sogar Passagen, wo ich mir denke, wenn ich das jetzt im Nachhinein lese, da geniere ich mich richtiggehend dafür. Möchte ich überhaupt, dass mich meine Fans so sehen? Aber ich habe mir nun einmal vorgenommen, dass ich meinem Publikum gegenüber immer zu hundert Prozent aufrichtig und offen bin. Und dass ich diese Offenheit besitze, das ist schon sehr bewundernswert,
findet Euer
Unter frenetischem Jubel und zahllosen Isteriz!-Rufen – dabei hat er schon drei Zugaben gegeben! – gleitet der gutaussehende Mann, den sie hier Üztrüfrüd nennen, ausgepowert von der Bühne. Trotz seiner extremen Erschöpfung tupft er sich nur kurz mit einem Badetuch die Schweißtropfen von der Stirn, schleudert den drecknassen Fetzen dann ins Eck und federt mit überraschend dynamischem Schritt Richtung Backstageraum, wo vor der Tür schon unzählige Fans auf ihr Ütügrümm warten.
Ja, der Kontakt zu seinen Fans war für den Üztrü- beziehungsweise Austrofred immer schon sehr wichtig – er sieht sich ja in erster Linie als Diener seines Publikums und erst in zweiter Linie als Genie –, aber in Istanbul hat die Beziehung zu seinem Publikum noch einmal eine ganz andere Dimension gekriegt, und zwar eine tiefer gehende. Entgegen dem in Österreich vorherrschenden Klischee sind die Türken nämlich extrem gefühlsbetonte und positivistische Menschen. Sie umarmen einen, sie herzen einen, sie busseln einen ab. Sehr körperlich.
Oft passiert es dem Austrofred in einer Location, dass ihm einer auf die Hinterpartie greift – dauernd, eigentlich –, und er sich umdrehen und „Sen sen!“ sagen muss. Das ist türkisch und heißt „Du du!“ Aber das findet er nicht so tragisch, weil er weiß ja, dass die Leute das nicht machen, weil sie so lästig sind, sondern aus einem Freundschaftsgefühl heraus. Der Türke sucht einfach den Körperkontakt, die direkte Nähe zum Künstler. Er braucht das. Er streichelt dir den Oberarm oder reibt dir den Rücken und drückt damit aus, wie sehr er dein kräftiges Organ schätzt, deine powervolle Voice.
Wie freudlos geht dagegen der westeuropäische Mensch mit seinen Idolen um! Sicher, er stellt einem Goethe oder einem Grillparzer schnell einmal ein Denkmal wo auf – aus kühlem Gips oder hartem Stein. Aber wer weiß, vielleicht wäre es dem Goethe viel lieber gewesen, man hätte ihn nicht als Marmorstatue in die städtischen Grünflächen gestellt, sondern es hätte sich zu Lebzeiten öfter einmal einer an ihm gerieben.
Jedoch, genug von diesen Gedanken, weil sie tun einem Künstler nicht gut. In Wirklichkeit tut ihm nur der Schädel weh davon. Seit einem halben Jahr lebt der Austrofred jetzt schon am Bosporus, aber immer wenn er an seine alte Heimat zurückdenkt, an seine Landsleute, dann verdüstert sich sein Blick. Er ist zu sehr enttäuscht worden …
„Ja, was treibt denn dieser Austrofred in Istanbul?“, höre ich schon die Literaturkritiker sempern, „ist das literarisch überhaupt motiviert?“ Aber da sollen sie ruhig sempern, die feinen Herren, weil das ist nämlich sehr wohl motiviert, dass der Austrofred geflohen ist. Und zwar vor niemand anderem als vor ihnen selbst und ihren Kollegen, den Musikkritikern, die mir voriges Jahr meine Fire, Light & Austrofred-Tournee so verrissen haben, diese Arsch-, mit Verlaub, -löcher.
Fire, Light & Austrofred war meine bislang ambitionierteste Live-Show, eine philosophische Laser-Experience, die weit über ein normales Rockkonzert hinausgegangen ist, fast schon in Richtung Kunst. Dieser Event war die wahrscheinlich größte österreichische Musik-Innovation, seit der Joe Zawinul den Hip-Hop2 und der Falco den Rap entwickelt haben, und das ist doch schon wieder einige Jahre her. Aber das haben die „Fachleute“ natürlich nicht übernasert.
2 Das ist übrigens keine Übertreibung, dass der Zawinul den Hip-Hop erfunden hat, weil das hat er selbst oft genug in Interviews gesagt. Allerdings hat er bei ihm noch nicht Hip-Hop geheißen, sondern Zawa-Beat.
Ja, wenn ich ihnen einmal mehr meine Greatest Hits heruntergedrückt hätte, meine mittlerweile ins quasi Allgemeingut eingegangenen Queen-Interpretationen, dann hätten sie brav applaudiert, weil das sind anerkannte Klassiker. Wenn da einer etwas dagegen schreibt, dann wird er ausgelacht. Aber bei dieser – ich zitiere aus meinem Pressetext – „atemberaubenden Mehrzweckhallen-Klangwolke“, da haben sie sich gedacht, jetzt können wir uns einmal beim Austrofred dafür revanchieren, dass wir uns in seinem Schatten immer so klein und nichtig vorkommen. Endlich können wir dem Austrofred das Hackl ins Kreuz hauen.
Aber so ist das halt: Wer Erfolg hat, der hat auch Neider. Für mich selbst ist Neid dagegen ein Fremdwort. Ich gönne einem jeden, der etwas leistet, von Herzen seine Anerkennung. Oft gehe ich nach dem Auftritt von einem Kollegen zu ihm hin und sage, „Gratulation, das hast du super gemacht“. Weil aus eigener Erfahrung weiß ich, wie gut das tut. Und wenn ich schon einmal im Backstageraum bin, hole ich mir natürlich geschwind auch noch zwei, drei Gratis-Biere aus dem Künstler-Kühlschrank.
Besonders hervorgetan bei meiner öffentlichen Hinrichtung hat sich ein untersetzter Salzburger Kritiker namens Sigi Neidhart,3 der gleich in mehreren Zeitungen auf mich hingebissen hat, teilweise sogar unter falschem Namen! Das war direkt schon ein Mobbing, das der da begangen hat! Dabei hat dieser feine Herr selbst in seinem ganzen Leben nichts geleistet, künstlerisch. Angeblich hat er einmal in ein paar sogenannten Elektropop-Bands gespielt, aber was beweist das schon? Das beweist, dass er einen Drumcomputer einschalten kann. Ergo kann er zwei Worte Englisch: On und Off. Für mich ist das keine große Leistung. Neidhart ist für einen solchen ein sehr passender Name, weil den hat wirklich der Neid verhärtigt – der Neid auf diejenigen, die es geschafft haben!
3 Hier habe ich ganz bewusst den Vornamen von Didi auf Sigi geändert, und zwar aufgrund von einem gewissen Datenschutz, beziehungsweise damit er mich nicht anzeigen kann. Außerdem unterstreicht das noch einmal den fiktiven Charakter von diesem Buch.
Überhaupt gibt es eine ganze Reihe richtiggehend entlarvender Namen in der österreichischen Kritikerszene. Einer heißt zum Beispiel Fasthuber – wie in fast, aber nicht ganz –, ein anderer Fluch. Und genau so schreibt er auch. Ein dritter nennt sich Schachinger – was klarerweise auf das Schachspiel verweist, bei dem es auch nur darum geht, wie man dem Gegner möglichst gefeanzt ein Haxl stellt – und ein vierter Ostermayer – wo sich ein jeder besprochene Künstler natürlich sofort mit den Kreuzesqualen des Jesus Christus identifiziert, der ja ebenfalls von den Ungläubigen hingerichtet worden ist. Nomen ist omen, kann ich da nur sagen. Wenn die alle auch noch mit Vornamen Würstel heißen täten, dann wäre es perfekt, weil um genau solche handelt es sich bei diesen verkrachten Existenzen. Ein jeder von denen ist nur glücklich, wenn er etwas hat, wo er hinpecken kann! Das ist ihr natürlicher Hinpeckreflex, der vor keiner Menschenwürde halt macht.
Das geht teilweise so weit, dass vor einigen Jahren im Wiener Falter, einem besseren Kinoprogrammheftl, gestanden ist, original, „der Austrofred ist ein Trottel“. Wortwörtlich. Für so etwas könnte ich sie eigentlich verklagen. Das tue ich aber nicht, weil da bin ich mir zu gut dafür. So etwas ignoriere ich. Außerdem, sagt mein Anwalt, ist es sehr schwierig, dass man das Gegenteil beweist, juristisch gesehen. Trotzdem können sich diese Herrschaften eines ins Stammbuch schreiben: Ein Austrofred vergisst nichts, niemals. Ich habe alles in meinem Hirn gespeichert!
Der unmenschlichste von allen ist aber sicherlich besagter Neidhart, der mir in den Pongauer Nachrichten allen Ernstes vorgeworfen hat, ich treffe keine richtigen Töne mehr. Dabei treffe ich heute mehr Töne als je zuvor! Dann schreibt er noch, sinngemäß, dass meinen Schas sowieso keinen mehr interessiert und dass es mir nur ums Geld geht und nicht um die künstlerische Leidenschaft. Weil wenn du mit deiner Musik Geld verdienst, dann ist das in den Augen von solchen Kritikern – aber auch von einigen Häusln unter den Fans4 – natürlich ganz besonders verwerflich. Letzten Endes entblödet er sich nicht einmal, mir den Stromverbrauch von meiner Lasershow vorzuhalten. Ich bin neugierig, ob im alten Rom, wie der Michelangelo die Sixtinische Kapelle ausgeweißelt hat, auch irgendwer gesagt hat, „geh Michelangelo, vertu nicht so viel Farbe!“. Ich glaube nicht.
4 Merke: Ich rede hier nicht von den vielen wunderbaren Fans, die dieses Buch gekauft haben und es jetzt gerade lesen, sondern von den anderen.
Was mich an den Hervorbringungen vom Neidhart besonders ärgert, ist, dass er seine Anschüttungen feig von Salzburg aus schreibt. Alle anderen Kritiker sitzen wenigstens in Wien, da kann ich mich, wenn der Fluch zum Beispiel im Standard etwas geschrieben hat, wo ich sage, das gehört sich nicht, einfach bei einem Konzert an die Bar stellen und warten. Und wenn er dann kommt – weil er muss ja noch die letzten zehn Minuten mitkriegen, damit er eine geschmalzene „Rezension“ schreiben kann –, dann sage ich, „he, Charly, das war aber nicht ganz ok, was du da wieder zusammengeschustert hast“, und dann entschuldigt er sich und wir trinken ein Seiterl und es passt wieder. Oder ich mache es so wie beim Tartarotti vom Kurier, der mich beim Judas-Priest-Konzert schief angeschaut hat. So schnell hat er gar nicht wieder gerade schauen können, ist mir schon das Bier aus der Hand gerutscht! „Mea culpa tausend Mal, das wollte ich nicht, jetzt bist du ja ganz nass!“ – So einfach geht das in Wien. Nur: Wann (und für was) komme ich denn schon nach Salzburg?!
Freilich, was soll man sich auch anderes erwarten von einem solchen Typus wie dem Neidhart. Schon allein wie der ausschaut! Ein gestauchter, gedrungener Rumpf und eine finstere Visage – direkt fürchten müsste man sich, wenn man nicht lachen müsste. Sein Markenzeichen: ein Strohhut, den er aber nicht nur im Sommer auf hat, sondern auch im tiefsten Winter. Wie gestört ist das denn, bitte?! Im Winter setzt man keinen Hut auf, sondern eine Haube, weil die geht über die Ohren. Mir tut er jedenfalls nicht leid, wenn er sich verkühlt. So ein Depp. Dass er trotzdem, wie man hört, einen gewissen Erfolg hat bei den Damen, das kann ich mir echt nicht erklären. Wahrscheinlich sind das lauter Publizistik-Studentinnen, die gerne einmal ein Praktikum bei ihm hätten. Weil eines seiner journalistischen Spezialgebiete, habe ich mir sagen lassen – ich selber lese so etwas ja nicht –, ist nämlich die sogenannte „Geschlechterpolitik“. Ja, das kann ich mir vorstellen!
Auf jeden Fall haben mich diese Anwürfe sehr getroffen, weil ich habe ja niemals etwas anderes im Sinn gehabt als das Wohl von meinem Publikum. Und das Publikum – diese Anmerkung sei mir an dieser Stelle schon auch einmal erlaubt – war begeistert von Fire, Light & Austrofred, ich möchte sogar sagen, überwältigt! Bei meinem Auftritt in Innsbruck war eine Behindertengruppe von der Lebenshilfe unter den Zuschauern, von denen haben nicht weniger als sieben einen epileptischen Anfall gekriegt, wie ich mit den Strobos hineingefahren bin. Das hat mir natürlich extrem leidgetan und ich habe allen Betroffenen umgehend eine Schachtel Milka-Herzen zukommen lassen. Trotzdem zeigt diese Geschichte, was für eine Power die Show gehabt hat. Zwei der diensthabenden Zivildiener sind danach sogar freiwillig von der Lebenshilfe zum Bundesheer gewechselt.
Nur, was hilft dir die beeindruckendste Show, wenn du in der Presse verächtlich gemacht wirst und dir deswegen die Zuschauer ausbleiben. Freilich war dem einen oder anderen vielleicht auch der Eintritt zu teuer, weil die Show war technisch und personell so aufwendig, dass ich die Kartenpreise auf vierzig Euros plus hinaufevaluieren habe müssen. Und damit habe ich noch nicht einmal die Laser-Anschaffungskosten herinnen gehabt, sondern ich habe sogar noch eine Hypothek auf meine nächste Tour aufnehmen müssen – für die ich schon große Pläne gehabt hätte: Fünftausend Pappendeckel-Aufsteller habe ich produzieren lassen, von mir in Bühnenpose, voll in Action, die hätten neben und hinter mir auf der Bühne stehen sollen. Optisch der Überhammer.
Leider ist es zu dieser Tour nicht mehr gekommen: Nach der nicht ganz optimalen Auslastung von Fire, Light & Austrofred sind viele Veranstalter – darunter etliche damalige Freunde, von denen ich aber heute nicht einmal mehr die Namen weiß, weswegen ich sie leider auch nicht mehr grüßen kann – vorsichtig geworden, um nicht zu sagen feig, und haben ihre Bookings storniert. Ich hätte ihnen noch angeboten, dass sie mir die Gage in Zahngold auszahlen können oder dass ich ein Happy Birthday bei ihrer privaten Geburtstagsfeier drauflege, oder den Alten Kameraden, wenn einmal der Opa stirbt, aber das hat alles nichts geholfen – die Negativspirale war nicht mehr zum Aufhalten. Nach einem langen und ertragreichen Berufsleben in der höchsten Bonitätsstufe war ich in den Augen der Öffentlichkeit auf einmal auf Ramsch-Status heruntergestuft. Mit Stichtag 31. Jänner 2013 war das Austrofred-Kompetenzzentrum mitsamt meiner Probebühne, meinem Komponiertisch, den fünftausend Pappendeckel-Champions und meinem gesamten technischen Equipment Eigentum der Raiffeisen Genossenschaft mbH. Meine Mitarbeiter haben noch am selben Tag in den Schalterdienst wechseln müssen, und mir selber ist nichts geblieben als das, was ich am quasi Leib getragen habe. Zu meinem unendlichen Glück war das mein Bühnenoutfit …
Drei Dinge haben mir in dieser ausweglosen Phase das Leben gerettet. Erstens, dass ich meine wertvollen Outfits, ohne die keine Austrofred-Show denkbar wäre,5aus der Insolvenzmasse herauslösen habe können, zweitens die Tatsache, dass ich von meinem Naturell her einfach ein Stehaufmanderl bin und niemals den Glauben an mich selbst verliere, und drittens eine vom Timing her im Endeffekt schicksalhafte Konzertanfrage aus Istanbul.
5 Das stimmt so nicht ganz: Wie damals der Film Ganz oder gar nicht mit großem Erfolg im Kino gerannt ist, habe ich auf ein paar an den Film angelehnten Themenpartys nicht in meinem tradierten Outfit gespielt.
Und zwar hat sich da nämlich ein türkischer Event-Manager namens Sancar, der mich bei der Alleinunterhalter-Messe in Wischibrod gesehen hat, akkurat eingebildet, er muss bei sich daheim einen Austrofred-Gig veranstalten, unbedingt, weil so etwas wie mich haben sie nicht in Istanbul. Und obwohl ich auf elf seiner Booking-Anfragen abschlägig geantwortet habe, beziehungsweise am Schluss gar nicht mehr – weil ich habe mir gedacht, was tu ich da drunten –, hat sich wieder einmal ausgezahlt, dass da einer an seinen Traum geglaubt hat und konsequent am Ball geblieben ist: Weil beim zwölften Mal hat es dann, dank meiner finanziellen Verzweiflung, gepasst. Der Sancar hat endlich seinen Austrofred-Gig gekriegt und ich in dieser schwierigen Zeit ein Hoteldach über dem Kopf und eine halbwegs okaye Gage nebst Fahrt- beziehungsweise Fluggeld.
Tieftraurig, das weiß ich noch, bin ich damals am Schwechater Skylink in meinen Flyniki6