Cover

Jürgen Tautz und Diedrich Steen

DIE
WUNDERWELT
DER BIENEN

Ein Rundgang durch die Honigfabrik

Die deutsche Originalausgabe erschien 2017 unter dem Titel »Die Honigfabrik. Die Wunderwelt der Bienen – eine Betriebsbesichtigung« beim Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh.

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Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2017 by

Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Umschlag: Hafen Werbeagentur

Umschlagmotiv: Westend61 / GettyImages

Umsetzung eBook: Greiner & Reichel, Köln

ISBN 978-3-641-25083-6
V002

www.penguin-verlag.de

Gewidmet meinen Kindern Mona, Silke und Meiko
sowie meinen Enkeln Anton und Oskar
(Jürgen Tautz)

Dirk Steen zum 80. Geburtstag
(Diedrich Steen)

INHALT

EINLEITUNG

KAPITEL I

FENG SHUI IN DER FINSTERNIS –

DAS BETRIEBSGEBÄUDE UND DIE
PRODUKTIONSMITTEL DES BIENENVOLKES

1. Vom Baum zur Beute

Beräuberte Höhlen

Erste imkerliche Betriebsweisen

Die Sache gewinnt Raum und bekommt einen Rahmen

Moderne Fabrikgebäude in der Honigproduktion

2. Nicht nur Lagerraum und Kinderstube – Netzwerktechnologie Wabe

Man nehme einen Verbundwerkstoff

Die Wabe als Kinderstube

Störungen im Haustelefon

KAPITEL II

SAISONARBEIT IM RHYTHMUS DER
JAHR
ESZEITEN –

TEAMWORK IN DER HONIGFABRIK

1. Frauenpower im Bienenvolk – von dicken Mädchen, Geschwisterliebe und wütenden Amazonen

Winterbienen

Rudelkuscheln in der Kiste

Schluss mit Kuscheln und ran an den Speck

Hauswirtschaft und Kinderpflege

Climatronic in der Kinderstube

Bee-onik im Wachs und Wabenbau

In der Honigküche – die Honigmacherinnen

Hier kommt nicht jede rein – die Türsteherinnen

Spezialkräfte im Außendienst – die Spurbienen

Vielseitig, abgebrüht und kampferprobt – Sammlerinnen

Zu müde zum Angriff – vom Schlaf der Honigbienen

Toll, eine andere macht’s – Warum Bienen faul sein dürfen

2. Routenplaner im Blütenmeer: Der Bienentanz – mit altem Wissen neu gedacht

Mit welcher Genauigkeit sind die Tanzbewegungen messbar?

Immer der Nase nach!

Erst schickt man sie, dann zieht’s sie hin

Eine veränderte Sicht und die Folgen

3. Callboys für die Königin – die Drohnen

Halber Kerl statt ganzer Mann

Angriff der Spermabomber

Multikulti mit vaterlosen Gesellen

Epigenetik, oder: Warum Bienen sich ihre Schwestern backen

4. Monarchin mit beschränkter Macht – die Königin

Der Duft der Herrscherin

Wechsel in der Chefetage: Wie ein Bienenvolk die CEO auswechselt

5. Der Bien – Superorganismus mit Köpfchen

Wie Bienen die Welt erfahren – Klugheit mit dem siebten Sinn

Eine graubunte Welt in Zeitlupe – Wie Bienen sehen

Ein Kosmos aus Parfüm und Spannung – Wie Bienen riechen und was sie spüren

Lernen, planen, unterscheiden – Phänomene der Klugheit bei Bienen

Compañeras mit Tradition

KAPITEL III

HONIG IST NICHT ALLES, ABER OHNE HONIG
IST ALLES NIC
HTS –

DIE PRODUKTPALETTE DER HONIGFABRIK

1. Gespritzt, geschwitzt und ausgespuckt – Was aus einer Biene so alles rauskommt

Schmerzhaft, aber gut gegen Rheuma – das Bienengift

Wunderpudding für die Königin – Gelee royale

Duftender Baustoff mit Leuchtkraft – Wachs

2. Abgeschabt und abgestaubt – Propolis, Pollen und Bienenbrot

Panzerband von Blütenknospen – das Propolis

Kraftnahrung aus dem Blütenmeer – der Pollen

3. Crème de la Crème – der Honig

Blütensaft und Läusepipi – Rohstoffe und wie Bienen an sie herankommen

Tanzen und arbeiten – Wie Bienen Nektar holen

Munkeln im Dunkeln – Wie Bienen sich zum Tanzen finden

Wie Imker bestimmen, was ins Glas kommt – Sortenhonige

Mit Geduld und Spucke – Wie aus Nektar Honig wird

Bienen unter Dampf – der Wassergehalt der Stockluft

Der Bienen Werk und Imkers Beitrag

Es geht rund – Honigschleudern

Es geht immer noch rund – die Honigbearbeitung

Wer nehmen will, muss geben können – Winterfütterung

KAPITEL IV

EINE TOCHTERFIRMA WIRD GEGRÜNDET –

DER SCHWARM

1. Es ist wie immer: Es sind die Triebe

2. Schwarmintelligenz – Wie Bienen umziehen

Späher werden ausgeschickt

Die Makler mühen sich

Pieplaute mit Sprengkraft

Jede muss alles können – die Plastizität des Bien

Kurz und bündig – Wie Imker die neue Wohnung organisieren

3. Zickenterror mit Todesfolge – Wie es am Stammsitz weitergeht

Es kann nur eine geben – Kampf um den Thron

Arm und obdachlos – die Nachschwärme

4. Der Imker als Spaßbremse

Wer arbeitet, kommt nicht auf dumme Gedanken – meistens nicht

Die Spaßbremse als Retter in der Not

Faule Eier im intakten Volk

Fummelei mit kleinsten Larven – Wie Königinnen gezüchtet werden

KAPITEL V

BETRIEBSSPIONAGE, RAUBÜBERFÄLLE UND
ALIENS AUS ASIEN –
BIENEN IM KAMPFMODUS

1. Unfreundliche Übernahmen – Wie Bienen sich beklauen

2. Die Biene und die Bestie

Ein Killer geht um die Welt

Vampire in der Bienenbrut – Was die Varroamilbe so gefährlich macht

Zusammen stark sein – Bienen und Menschen im Kampf gegen die Milbe

Was im Gefieder von Vögeln funktioniert, klappt auch im Bienenvolk

KAPITEL VI

TOD DER KÖNIGINNEN? –

BIENEN IM KAMPF UMS ÜBERLEBEN

1. Der Mythos vom großen Sterben der Honigbienen

Vom Nebenerwerb zum Hobby – Strukturwandel in der Imkerei in Deutschland

Bedrohtes Leben – Warum Bienen es dennoch schwer haben

2. Keine Entwarnung – Das große Sterben bleibt eine Möglichkeit

Industriell genutzte Bienenvölker – Bestäubungsimkerei in Amerika

Bienengesundheit – Der Mensch als Gefahr für den Superorganismus Bien

Honigbienen – die Raupenkiller der Zukunft?

3. Zurück in die Zukunft – alte Wege, neu entdeckt

Biene und Wald – Aus den Anfängen Neues lernen

Sehen die Bienen die Bäume vor lauter Wald nicht?

EPILOG:

BIENEN – EIN LEBENSGEFÜHL

Sind Bienen selbstlos? – Ein Gespräch

DANK

ANHANG

REGISTER

Bildteil

EINLEITUNG

Es könnte jetzt so schön sein. Abends nach der Arbeit noch ein paar Schritte hinters Haus, unter die Eichen, zu den Völkern. Den letzten Heimkehrerinnen zuschauen, wie sie taumelnd herabsinken und nektarschwer auf die Flugbretter plumpsen. Eine kurze Begrüßung durch eine Wächterin, dann hinein in den dunklen Stock, wo schon die Schwestern warten, um die kostbare Fracht aufzunehmen.

Und dann dieser Duft! Ende April blühen die Kirschbäume noch, Löwenzahn, Apfel, Pflaume, Birne – alles entfaltet jetzt seine Nektar versprechende Pracht oder steht kurz davor. Nach guten Flugtagen riecht es bei den Bienen wie an einer Zuckerwattebude auf dem Jahrmarkt. Das warme, süße, schwere Aroma eines nektarreichen Tages atmen, dazu das tieftönende Summen aus den Kästen hören. Alles ist gut.

Aber nichts ist gut, und ich mache mir Sorgen. Zuerst wollte der Winter einfach nicht zum Winter werden. Um Weihnachten herum noch zweistellige Tagestemperaturen, kein Nachtfrost. Die Königinnen hörten nicht auf, Eier zu legen. Die daraus schlüpfenden Larven mussten gefüttert werden. Die Zahl der Bienen in den Völkern blieb zwar hoch, aber der Futtervorrat für den Winter schmolz schnell. Wird er bis zur Weidenblüte im März reichen? Einige Imkerfreunde berichteten schon im Februar von verhungerten Völkern. Habe auch ich im Spätsommer zu wenig eingefüttert? Es gibt für Imkerinnen und Imker keinen beschämenderen Anblick als ein verhungertes Volk.

Anfang April dann endlich ein paar warme Tage. Die Futterlage verbessert sich, die Saalweide blüht, etwas Nektar kommt herein, die Königin legt jetzt bis zu 1.200 Eier täglich. Sie wird diese Zahl noch auf bis zu 2.000 Eier steigern. Jetzt muss das Wetter halten! Doch dann: Polare Kaltluft. Seit zehn Tagen schon. Werden die vielen Larven, die das Volk schon pflegt, durchkommen? Können die Ammenbienen sie ausreichend füttern und das Brutnest wärmen? Es friert nachts wieder! Wird der Futtervorrat reichen?

Am 1. Mai endlich die Wende. Das Hochdruckgebiet kommt, der Wetterwechsel ist angekündigt. Es ist Sonntagmorgen 10.00 Uhr, blauer Himmel, das Thermometer zeigt 12 Grad: In zwei Stunden werden es 15 Grad sein. Dann wird es für die Nektarsammlerinnen kein Halten mehr geben. Es kann losgehen!

So in etwa, liebe Leserinnen und Leser, haben im Frühjahr 2016 Imkerinnen und Imker an vielen Orten in Deutschland gedacht und gefühlt. Ja – gefühlt, denn der Umgang mit Bienen ist eine leidenschaftliche, eine emotionale Angelegenheit. Und das nicht nur in der aktuellen Wahrnehmung in den Medien, wenn es um Berichte vom Bienensterben und dem darauf unmittelbar bevorstehenden Untergang der Menschheit geht. Wer anfängt, Bienen zu halten und auch nach drei Jahren, wenn alle Anfängerdramen durchlebt sind, noch Bienenvölker hat, der hat keine Bienen mehr, sondern umgekehrt: Den haben die Bienen! Es gibt Imker, die mit über 100 Jahren noch Völker führen (DBJ 1/2017) – notfalls mit geländegängigem Rollator und dem auch schon etwas in die Jahre gekommenen Sohn als Sklaven zum Heben für die schweren Kästen.

Bienen zu halten ist so faszinierend, weil Bienen selbst die, die schon Jahrzehnte mit ihnen umgehen, immer noch zu überraschen wissen. »Das haben sie noch nie gemacht!« ist ein viel gehörter Ausdruck des Erstaunens, wenn Imker von ihren Erfahrungen berichten. Jedes Bienenvolk hat seinen eigenen Charakter, jedes Bienenjahr seinen eigenen Verlauf. Mit Bienen wird es nie langweilig! Der komplexe Organismus eines Bienenvolkes ist wie ein Buch, das man in jedem Jahr neu lesen kann und das bei jedem Lesen immer wieder andere, spannende Geschichten erzählt.

Wir möchten Sie mitnehmen in die Welt dieser Geschichten. Wir, das sind Diedrich Steen und Jürgen Tautz. Der eine, Verlagslektor und seit 20 Jahren Imker, der andere Doktor der Biologie, seit 27 Jahren Professor an der Universität Würzburg und einer der international renommiertesten Bienenforscher. Der eine wird Ihnen die Dinge erzählen, die er immer erzählt, wenn er auf Fragen antwortet wie: »Sag mal, ich hab’ gehört, du hast Bienen. Wie ist das eigentlich mit ….?« Der andere wird dafür sorgen, dass das Erzählte auch stimmt. Vor allem aber wird er das Praxiswissen des Imkers auf den spannenden Hintergrund von Wissenschaft und Forschung stellen. Diese Abschnitte erkennen Sie am Mikroskop vor den Überschriften und an der Punktierung am Seitenrand.

Gemeinsam laden wir Sie zu einer »Betriebsbesichtigung« ein, zu einem Gang durch die Honigfabrik. Wir werden die Fabrikhalle und die Produktionsmittel, das Personal, die Chefetage und die Produkte kennenlernen. Wir werden erfahren, wer wie mit wem zusammenarbeitet (oder auch nicht), wir werden von Faulpelzen und Schnorrern, aber auch von eifrigen Spezialisten hören und eintauchen in eine Welt voller verblüffender Regelwerke. Denn auch wenn es beim Blick in ein Bienenvolk so aussieht, als bestünde das Leben darin vor allem in einer anarchischen Krabbelei – Bienen wissen, was sie tun. Sie haben einen Plan, den sie mit erstaunlichem Geschick, faszinierenden Fähigkeiten und in beeindruckender Teamarbeit umsetzen.

Wir wählen das Bild der Honigfabrik, weil Bienenvölker aus der Perspektive des Imkers und der Imkerin genau das sind. Betriebe mit bis zu 50.000 Mitarbeiterinnen in der Honigproduktion und ein paar wenigen männlichen Saisonkräften. Bienen sehen das sicher etwas anders. Würde man eine fragen, ob sie in einer Honigfabrik tätig sei, würde sie vermutlich verständnislos mit den Fühlern wackeln. Honig zu produzieren ist für Bienen nicht Sinn und Ziel ihres Daseins. Sie wollen das Überleben und die Vermehrung ihres Volkes sichern. Honig ist dafür nur das Mittel, der Energielieferant und der Treibstoff. Erst Imker und Imkerinnen machen den Honig zum Zweck eines Bienenvolkes und Bienen damit zu Mitarbeiterinnen einer Honigfabrik.

Ist das unfair? Ein verwerflicher Eingriff in die natürlichen Abläufe eines Lebewesens, dem gegenwärtig so viel Sympathie zuteil wird? Es gibt Menschen, die das so sehen. Aber auch für Bienen gilt das, was für die meisten Tiere gilt, die sich in der Obhut des Menschen befinden: Wir haben sie zu Nutztieren gemacht. Bienen lassen sich nutzen, lassen sie sich aber auch benutzen? Oder sind es nicht vielmehr der Imker und die Imkerin, die sich den Bienen anpassen und deren Bedürfnisse sehr gut kennen müssen, wenn die Honigfabrik Erfolg haben soll? Wir werden sehen …

Ein paar Worte noch zur Absicht und zum Aufbau des Folgenden. Dieses Buch will erzählen, wie es in einem Bienenvolk so zugeht, und einen Eindruck vom spannenden Gesamtzusammenhang eines Bienenvolkes vermitteln. Es ist darum keine Imkerschule, mit der man die Bienenhaltung erlernen kann. Natürlich hoffen wir, dass Anfänger und Anfängerinnen und vielleicht sogar mancher schon erfahrene Imker hier Anregendes und Unterstützendes für die Ausübung ihres Hobbys finden. Vor allem aber soll dieses Buch all denen ein Verständnis von Bienen vermitteln, die sich für diese wunderbaren Insekten interessieren, auch weil ihnen deren Produkt, der Honig, so gut schmeckt.

Damit sich dieses Verständnis einstellt, sollten die Kapitel dieses Buches tatsächlich der Reihe nach gelesen werden, denn sie bauen aufeinander auf. So ist das Kapitel über das Schwärmen der Bienen spannender, wenn man vorher schon erfahren hat, wozu die Waben dienen und wie Bienen miteinander sprechen. Wer trotzdem hin und her springen möchte, findet am Ende ein Register, das erschließt, wo Informationen zu einzelnen Begriffen oder Sachverhalten zu finden sind. Der Hinweis »Bild« weist zusammen mit einer Nummer auf eine Abbildung im Bildteil dieses Buches hin, den Sie am Ende dieses Buches finden. Hier wird manches, von dem im Folgenden erzählt wird, etwas anschaulicher.

Und nun: Herzlich willkommen in der Honigfabrik und in der Wunderwelt der Bienen!