OSHO
Sex – das
missverstandene
Geschenk
Sexualität, Liebe und höheres Bewusstsein
Aus dem Englischen
von Peter Kobbe
Die Verurteilung des Sex erfolgte deswegen, weil alle Religionen gegen alles sein mussten, woran der Mensch Vergnügen finden kann. Es lag in ihrem persönlichen Interesse, den Menschen elend zu halten, ihm jede Möglichkeit zu zerschlagen, irgendeine Art Frieden, Trost, einen Moment erquickender Labsal zu finden. Es war eine absolut notwendige Zielsetzung, den Menschen jeglicher Möglichkeit, jeglichen Potenzials zur Freude zu berauben.
Warum war das für sie so wichtig? Es war wichtig, weil sie eure Gedanken und Gefühle anderswohin – zur anderen Welt hin – wenden wollten. Wenn ihr hier wirklich glücklich seid – warum solltet ihr euch dann über die andere Welt irgendwelche Gedanken machen? Euer Elend ist absolut notwendig dafür, dass die andere Welt existiert. Sie existiert nicht an sich, sie existiert in eurem Elend, in eurem Leid, in eurer Qual. Alle Religionen fügen euch bis heute diesen Schaden zu. Sie verursachen noch mehr Elend, noch mehr Leid, noch mehr Wunden, noch mehr Hass, noch mehr Wut – und das alles im Namen Gottes, das alles unter dem Mäntelchen schöner Worte.
Sie reden über Liebe und sie zerschlagen euch jede Möglichkeit, jemals verliebt zu sein. Sie reden über Frieden und schaffen alle Umstände für Krieg. Die Strategie ist sehr einfach – rede fortwährend über schöne Dinge, sorge dafür, dass die Menschen ständig mit Worten und Ideologien beschäftigt sind, und fahre, während sie mit Worten und Ideologien, mit Philosophien beschäftigt sind, unentwegt fort, ihnen die Wurzeln abzuhacken und sie vom Erdreich, von ihrer Lebensenergie zu trennen.
Eure Lebensenergie ist in eurem Sex verwurzelt.
Alle Gesellschaften wurden sich der Tatsache bewusst, dass es nur der Sex ist, der sich gegen Gott behaupten kann. Wenn ihr im Sex Erfüllung findet, braucht ihr Gott nicht, weil euer Leben erfüllt ist. Dann ist Gott einfach nur Godot. Wenn euer Sex aber zerstört, unterdrückt, verurteilt wird, wenn man euch dazu bringt, dass ihr euch seinetwegen schuldig fühlt, dann kann Gott ewig weiterleben. Er gewinnt seine Energie aus eurem Selbstmord.
Zugleich trifft es freilich zu, dass sexuell repressive Gesellschaften Zivilisiertheit und Kultiviertheit erreichten, reicher, philosophischer und wissenschaftlicher geworden sind. Sexuell expressive Gesellschaften – von denen es heute nur noch sehr wenige gibt, die Aborigines zum Beispiel sind arm, sie sind unkultiviert, unzivilisiert. Bei ihnen hat offenkundig keine solche Entwicklung stattgefunden wie bei den sexuell repressiven Gesellschaften. Das verlieh der religiösen Dummheit großen Aufschwung, denn die Religionen konnten den auf realen Fakten basierenden Nachweis erbringen, dass Gesellschaften mit sexuell expressivem Verhaltensmuster grundsätzlich in einem Zustand der Armut und Bedürftigkeit, des Ausgehungertseins verharren. Und die sexuell repressiven Gesellschaften haben sich in jederlei Hinsicht entwickelt. Je mehr Sexualunterdrückung, desto höher die kulturelle Entfaltung. Dies wurde für die Religionen zu einem Beweisargument, dass sexuelle Repression etwas absolut Notwendiges sei; andernfalls bleibt ihr einfach Barbaren. Und in gewisser Hinsicht ist das wahr, de facto wahr.
Ich bin nicht gegen den Sex. Für mich ist der Sex so heilig oder unheilig wie alle Phänomene des Lebens. Da gibt es nichts Profanes, nichts Heiliges. Das Leben ist eins; alle Aufteilungen sind falsch. Und der Sex ist das eigentliche Zentrum des Lebens. Daher müsst ihr begreifen, was da die Jahrhunderte hindurch passiert.
In dem Moment, in dem ihr den Sex unterdrückt, fängt eure Energie an, neue Möglichkeiten und Formen aufzutun, um sich auszudrücken. Energie kann nicht statisch bleiben. Das ist so etwas wie ein Grundgesetz: Energie kann nicht statisch bleiben, sie ist immer dynamisch, sie ist Dynamik. Wenn ihr Zwang auf sie ausübt und eine bestimmte Tür für sie versperrt, wird sie andere Tür öffnen; ihr könnt sie gewiss nicht in Knechtschaft halten. Wird der natürliche Fluss der Energie verhindert, dann fließt sie eben mehr oder minder unnatürlich. Deshalb wurden sexuell repressive Gesellschaften reicher.
Sobald ihr den Sex unterdrückt, müsst ihr eure Liebe durch irgendetwas ersetzen, durch irgendein Objekt. Nun ist ja die Frau gefährlich, sie ist der Zugang zur Hölle. Weil alle heiligen Schriften von Männern verfasst wurden, ist einzig und allein die Frau der Weg zur Hölle. Wie steht’s mit den Männern? Ist die Frau das Tor zur Hölle, dann können nur Männer hindurchfahren; Frauen können nicht zur Hölle fahren, denn das Tor bleibt, wo immer es ist, es fährt niemals irgendwohin. Sind also Frauen der Weg zur Hölle, dann ist die Hölle bestimmt voller Männer; dann ist sie einfach nur ein Chauvi-Klub.
Die Frau ist nicht der Weg zur Hölle, aber sobald ihr gemäß dieser Ansicht konditioniert seid, werdet ihr eure Liebe auf etwas anderes projizieren; ihr braucht ja ein Objekt für eure Liebe. Geld kann zu eurem Liebesobjekt werden. Warum gibt es so viel Habgier? Warum klammern sich die Menschen wie verrückt ans Geld? Es ist ihr Liebesobjekt. Irgendwie haben sie es geschafft, ihre ganze Lebensenergie aufs Geld auszurichten. Würde man von ihnen wollen, dass sie das Geld aufgeben, dann wären sie wiederum in Schwierigkeiten.
Politik wird zu ihrem Liebesobjekt. Im politischen System immer höher aufzusteigen wird zu ihrem Liebesobjekt. Der Politiker, die Politikerin betrachtet die Präsidentschaft oder das Premierministeramt mit dem gleichen leidenschaftlichen Verlangen wie ein liebender Mensch die von ihm geliebte Person.
Das ist Perversion. Jemandes Energie kann freilich auch in andere Bahnen, wie etwa Bildung, gelenkt werden; dann werden Bücher zum Liebesobjekt. Jemand kann religiös werden; dann wird Gott das Liebesobjekt. Und nähmt ihr mal die Viten eurer so genannten Heiligen unter die Lupe, dann wärt ihr wirklich perplex. Ich wundere mich immer wieder, dass ein Mann wie Freud diese Sache übersah. Er hätte als Erstes die Viten der heiligen Theresa, der heiligen Mira und anderer weiblicher Heiliger unter die Lupe nehmen sollen, denn Frauen sind aufrichtiger. Miras Lieder sind voller Liebesbegierde, weil sie sich den Umgang mit Männern versagte; Gott wurde zu ihrem einzigen Gefährten. Selbstverständlich ist das bloß eine Fantasievorstellung, aber in ihrer Fantasie ist sie absolut romantisch. Sie redet mit Krishna, ihrem Gott; sie schläft mit Krishna – selbstverständlich kann sie nicht den wirklichen Krishna finden, deshalb hält sie eine Statue von Krishna dicht am Herzen, wenn sie schläft. Die Art, wie sie Krishna besingt, kann, ohne jede Fehlinterpretation, durchaus als sexuell aufgefasst werden. Sie sagt: »Ich bin mit dir verheiratet, o mein Herr. Ich kann nur dir gehören, ich kann niemand anderem gehören. Du bist mein Herz, und ich warte auf dich, warte auf dich. Und ich werde bis in Ewigkeit warten. Jeden Tag mache ich das Bett zurecht mit schönen Blumen, und fortwährend warte ich, und du bist noch nicht erschienen.« Nun, gibt es da irgendeinen Zweifel, dass Krishna in ihrer Psyche zu einem Liebesobjekt geworden ist? Hätte Sigmund Freud sich mit Mira und ihrem Leben befasst, dann hätte er darin enorme Bestätigung für seine Ansicht gefunden, dass der Sex, wenn man ihn unterdrückt, sich irgendeine neue Bahn sucht.
Aber Energie muss sich bewegen. Sie kann sich einen religiösen Weg bahnen; dann sind die Priester beglückt. Sie kann akademisch werden; dann sind die Akademiker beglückt. Sie kann wissenschaftlich werden; dann sind die Wissenschaftler beglückt. Sie muss etwas werden – ebendeshalb haben sich sexuell repressive Gesellschaften in so viele Richtungen entwickelt.
Gewiss, sie sind sehr kultiviert, geschliffen, zivilisiert, gebildet, wissenschaftlich, technologisch geworden. Aber um welchen Preis? Sie haben alle Freude verloren, sie haben allen Frieden verloren. Sie haben alle Stille verloren. Sie haben alle Liebe verloren.
Ihr könnt eure Liebe auf ein imaginäres Objekt projizieren, aber es wird euch keine Erfüllung bringen. Ihr könnt fortwährend Gedichte über Krishna oder Christus schreiben, aber diese Poesie wird euch nicht die Erfahrung der Liebe bescheren. Ihr werdet ausgehungert bleiben. Und so ist denn die Gesellschaft in jederlei Hinsicht wirklich reich geworden, aber die Einzelperson ist abgestorben. Was hat es für einen Zweck, dass die Gesellschaft kultiviert, zivilisiert, gebildet und technologisch wird. Für wen denn? Die Einzelperson ist tot.
Diese Gesellschaft besteht letztendlich nur aus wandelnden Leichen – selbstverständlich sehr kultivierten, sehr distinguierten Leichen. Sie sprechen alle mit einem Oxfordakzent. Aber Leichen, selbst wenn sie mit einem Oxfordakzent sprechen, sind dennoch Leichen. Sie werden große Politiker, sie werden große religiöse Führer, aber schaut doch mal in diese Leute hinein: Sie sind hohl. Sie haben keine Substanz, es ist keine Seele da. Scheitern sie in einer bestimmten Richtung, dann fangen sie einfach an, sich in eine andere Richtung zu bewegen.
Die Gesellschaften, die den Sex nicht unterdrückten, blieben einfach deshalb unentwickelt, weil sie zufrieden waren. Es war keine Energie verfügbar, sich um Geld zu bemühen, sich um Politik zu bemühen, sich um Gott zu bemühen. Nein, sie tanzten, sie sangen. Sie hatten eine bescheidene, aber schöne Architektur – Hütten, die aber schön gestaltet waren. Sie führten ein sehr anständiges Leben; es gab keine Kriminalität, weil für kriminelle Akte keine Energie vorhanden war. Und jetzt müsst ihr begreifen, wie die Dinge zusammenhängen. Wenn keine Kriminalität vorhanden ist – wozu ist dann ein Richter nötig, wozu ist dann ein Gericht nötig, wozu sind dann die Bullen nötig? Wenn jeder glücklich ist und froh genießt und sich wegen seines Glücklichseins nicht schuldig fühlt – wen drängt es dann noch dazu, zu einem katholischen Priester zu gehen, um irgendwelche Schuldgefühle zu beichten?
Wenn die Menschen glücklich sind und sich nicht schuldig fühlen, weil ihnen ja niemand gesagt hat, dass Glücklichsein Sünde ist, gibt es natürlich keine Priester, keine Kathedralen, keine Tempel, keine Synagogen. Deshalb gibt es da keine Kultur – eurer Einschätzung nach. Das, was ihr unter Kultur versteht, ist nicht vorhanden, also sind sie zweifelsohne »unkultiviert«. Sie haben keine Religion, sie haben keine heiligen Bücher, sie haben keine Universitäten, sie haben keine Bibliotheken – wie könnte man sie als kultiviert bezeichnen, wie könnte man sie als zivilisiert bezeichnen?
Aber sie sind ungeheuer zufrieden.
Ich habe bei diesen Menschen gelebt, und ich habe sie nie über irgendetwas klagen gehört. Sie kennen keine eigentlichen Probleme. Sie akzeptieren das Leben, wie es eben kommt, und sie genießen es so intensiv, wie sie können. Sie leben freudig, sie sterben freudig – ohne irgendeine Sorge im Leben oder irgendeine Sorge darüber, was denn wohl nach dem Tod geschieht. Nichts bekümmert sie, für all diese Dinge ist keine Energie vorhanden. Gewiss, einen George Bernard Shaw bringen sie nicht hervor. Ihr Leben selbst ist ein so wundervolles Schauspiel – da ist ein George Bernhard Shaw ganz überflüssig. Sie malen, aber ihre Malerei ist nicht die eines Picasso; sie haben keine Energie dafür. Sie bemalen einfach nur ihre Wohnbauten mit unbedeutenden Darstellungen. Sie schaffen Musik, aber ihre Musik ist einfach – einfache Percussion. Hin und wieder versammeln sie sich; sie tanzen. Ihre Musikinstrumente sind nicht hoch entwickelt, sie können keinen Yehudi Menuhin oder Ravi Shankar hervorbringen; das ist auch nicht nötig.
Und da stehe ich vor einem Problem: Ich möchte nämlich, dass ihr lebendig seid – und in jeder Dimension so reich wie nur irgend möglich. Ich bin nicht bereit, zwischen diesen beiden zu wählen, entweder das eine oder das andere. Ich möchte nicht, dass ihr Aborigines werdet, und ich möchte nicht, dass ihr große Kultiviertheit und Zivilisiertheit erlangt und nur dem Geld und der Macht und dem Prestige hinterherlauft. Ich möchte nicht, dass ihr Politiker und Priester werdet. Aber ich möchte, dass ihr ein unbeschränkteres Leben habt. Und alles, was sich aus einem unbeschränkteren Leben heraus entwickelt, ist für mich wahre Kultur.
Aborigines führen ein Leben, das unbeschränkt, aber nicht überströmend ist. Die zivilisierten Gesellschaften der Welt verfügen über alle möglichen Entwicklungen in den unterschiedlichsten Bereichen, aber der Mensch, für den sie diese Dinge entwickeln, ist schon vor langer Zeit verschwunden. Weiter und weiter errichten sie Wolkenkratzer; sie haben völlig vergessen, für wen sie diese Wolkenkratzer errichten. Dieser Mensch ist tot – ihr solltet lieber kleine Gräber schaffen, keine Wolkenkratzer. Niemand braucht derart große Gräber; einfach nur hundertachtzig Zentimeter lang und sechzig Zentimeter tief – das reicht.
Da sind also einerseits die Aborigines – lebendig, aber nicht überströmend lebendig. Sie wissen nicht, dass die Lebensenergie schwinden kann und sich erweitern kann. Ihr könnt sie so verwenden, wie sie ist, von der Natur erhältlich, und ihr könnt damit zufrieden sein – aber ihr werdet in vielerlei Hinsicht arm bleiben. Ihr werdet keine Höhenflüge der Musik erfahren. Ihr werdet keine Höhenflüge der Malerei und Bildhauerei erfahren; ihr werdet keine Höhenflüge der Meditation erfahren. Ihr werdet fast wie Tiere leben – zufrieden.
Alle Tiere sind zufrieden. Sind euch schon mal irgendwelche unzufriedenen Tiere untergekommen, die euch auf die Pelle rückten mit ihrem Gefrage: »Mein Leben ist wirklich ein Elend – kannst du mir helfen? Was soll ich denn mit meiner Frau tun? Und die Kinder werden langsam erwachsen …« Nein, für die gibt es keine Probleme. Sie leben, und leben weitaus besser als euer zivilisierter Mensch, denn euer zivilisierter Mensch hat zu leben aufgehört. Er hat sich für die Zivilisation, die Kultur, die Technologie geopfert.
Ich kann mich für keine der beiden Alternativen entscheiden.
Ich hätte gern, dass ihr höher aufsteigt als die Tiere; und die einzige Möglichkeit, höher aufzusteigen als die Tiere, liegt darin, dass ihr Mittel und Wege findet, eure Energie zu erweitern. Und genau das bezeichne ich als Religiosität – die Wissenschaft vom Erweitern der Energie: damit ihr ein Alexis Sorbas sein könnt, und doch noch so viel übrig ist, dass ihr, gleichzeitig auch ein Buddha sein könnt.
Sorbas ist lebendig, weiß aber nichts von erhabeneren Höhenflügen. Er ist ganz zufrieden damit, auf der Erde zu kriechen, er ist fähig, seine Schwingen auszubreiten – aber er ist sich dessen nicht bewusst.
Sein Boss ist ein kultivierter Mann, sehr gebildet, reich, aber elend, ständig in Angst. Sorbas sagt zu seinem Boss: »Boss, du hast nur einen einzigen Fehler: Du denkst zu viel. Warum nicht leben? Ich versteh nicht, was das soll – warum immerfort denken? Was hast du denn davon? Lebe! Komm mit!«
Er nimmt sein Musikinstrument, zerrt seinen Boss zum Ufer des Flusses, wo sie wohnen, und fängt an, auf seinem Instrument zu spielen, fängt an zu tanzen. Und der Boss steht da, peinlich berührt: »Wenn jemand diesen Verrückten sieht, und ich steh hier bei ihm, was wird der denken?« Er tanzt nicht, sondern befürchtet, dass, wenn ihn da jemand sieht … Sorbas zieht ihn heran, und er sagt: »Fang an zu tanzen!«
Der Boss sagt: »Ich weiß ja gar nicht, wie man das macht.«
Sorbas sagt: »Niemand braucht zu wissen, wie man das macht. Tanzen ist keine Sache, die man erst lernen muss. Fang einfach zu hüpfen an, es kommt dann schon. Und ich spiel dir die Musik dazu – du legst einfach los.«
Da er sieht, dass Sorbas ihm sicher keine Ruhe lassen wird, fängt der Boss an, sich zu bewegen, und Sorbas puscht ihn fortwährend. Und schließlich vergisst er, in dieser Vollmondnacht, völlig seine Kultur, Bildung, Zivilisation – und zum ersten Mal wird ihm klar, dass er auch leben kann, dass er auch tanzen kann; dass seine Beine nicht bloß zum Gehen da sind. Er hat Flügel, Sorbas bringt ihm etwas von der Erde bei.
Sorbas tut mir Leid, und zwar deswegen, weil er starb, bevor ich mit ihm zusammentreffen konnte; sonst hätte ich ihm beigebracht, dass es auch noch einen höheren Tanz gibt. Und ich bin mir sicher – ich weiß nicht, warum, aber ich bin mir absolut sicher, dass er das begriffen hätte. Weil er die niedrigeren Tanzschritte gekannt und beherrscht hat, wäre es ihm sicher begreiflich gewesen, dass es auch höhere Tanzschritte geben kann.
Meine Meditationsmethoden werden euch dabei helfen, eure Energie zu erweitern. Energie ist wie Pflanzensamen.
Mir fällt da eine Geschichte ein. Ein alter, sehr reicher Mann hatte drei Söhne; die Schwierigkeit lag darin, dass alle drei Söhne gleichzeitig geboren wurden und somit gleich alt waren. Im Osten erbt der älteste Sohn vom Vater alles. Der alte Mann hatte also das Problem, wer denn nun erben sollte, weil ja alle drei gleich alt waren.
Er fragte einen Weisen: »Was soll ich tun? Wie soll ich entscheiden, wer erben wird?« Der Weise teilte ihm eine bestimmte Vorgehensweise mit. Der alte Mann ging nach Hause, er gab jedem Sohn eintausend Silberstücke und sagte den dreien: »Geht auf den Markt und kauft Blühpflanzensamen.«
Sie zogen los und kauften Samen. Viele, viele Karren voller Samen kamen an, denn eintausend Silberstücke waren in alten Zeiten eine Menge Geld, und dann bloß Blühpflanzensamen … Als alle Samen, die die Söhne gekauft hatten, eingetroffen waren, fragten sie: »Und was nun?«
Ihr Vater sagte: »Ich mache eine Pilgerfahrt. Sie kann ein Jahr, zwei Jahre, drei Jahre dauern. Ihr müsst diese Samen bei euch verwahren, und wenn ich zurückkomme, werde ich verlangen, dass man sie mir gibt. Und das wird außerdem auch eine Prüfung sein, denn wer von euch sich als Klügster erweist, wird mein ganzes Hab und Gut erben, also gebt Acht.« Und er trat seine Pilgerfahrt an.
Der erste Sohn dachte: »Das ist eine seltsame Prüfung. Wenn er erst nach drei Jahren zurückkommt, sind diese Samen sicher schon abgestorben; er wird aber lebende Samen erwarten. Also mach ich’s am besten so, dass ich sie auf dem Markt verkaufe und das Geld aufbewahre, und bei seiner Rückkunft kaufe ich wieder neue Samen – frische und junge.« Sehr wirtschaftlich, rechnerisch – und er machte es so.
Der zweite Sohn dachte: »Was dieser Bruder da macht, ist doch wohl nicht richtig, denn unser Vater hat ja ausdrücklich betont: ›Ebendiese Samen möchte ich dann wiederhaben.‹ Also werde ich sie aufbewahren. Er richtete den Keller des Hauses entsprechend her, lagerte dort alle Samen ein, schloss ihn ab und sagte: »Egal, wann er nun eintrifft – ich gebe ihm dann den Schlüssel und sage: ›Das sind die Samen.‹«
Aber der Dritte war da anderer Ansicht. Er sagte: »Samen, die in einem Keller aufbewahrt werden, bleiben sicher nicht am Leben; sie brauchen Erdreich. Bis unser Vater zurückkommt, sind sie sicher nicht mehr dieselben Samen, weil sie dann abgestorben sind. Sie sind nicht keimfähig – wie könnte man sie da als dieselben Samen bezeichnen? Die Samen, die uns unser Vater anvertraut hat, sind keimfähig, können zu ausgewachsenen Blühpflanzen werden. Ein Samenkorn kann Millionen Samen hervorbringen; das hat er uns anvertraut. Wenn er dann nach drei Jahren zurückkommt, aber diese Samen nicht ausgesät worden sind, werden sie sicher keinen einzigen Samenkern, keinen einzigen Spross hervorbringen können. So darf man nicht vorgehen.«
Er ging hinter das Haus – sie besaßen viel Land –, und er säte die Samen auf dem ganzen nutzbaren Land aus. Jedes Jahr vervielfältigten sie sich ums Tausendfache. Als dann der Vater nach drei Jahren zurückkam, traute er kaum seinen Augen – wohin er auch sah, sein ganzes Land war voller Blumen! Er sagte: »Der dritte Sohn erbt mein Hab und Gut, weil er sich aufs Erweitern, aufs Vergrößern versteht.«
Ein Samenkorn kann eine ganze Erde begrünen.
Ein kleines Fünkchen Energie in euch kann die ganze Erde mit Tanz, Gesang, Musik erfüllen.
Schon ein Fünkchen reicht aus. Wenn ihr es zu erweitern versteht, kann es zu einem mächtigen Feuer werden. Es mag vielleicht bloß eine kleine Flamme in euch sein. Meditation ist lediglich ein Bemühen, eure innere Flamme zu erweitern, damit ihr voll entbrennen, entflammen, erglühen, überfließen könnt.
Wir müssen die Unschuld der Sorbas-Typen, der Kinder, der Aborigines bewahren. Wir müssen so unschuldig sein, wie Adam es war, als er aus dem Garten Eden vertrieben wurde. Und dennoch müssen wir Methoden erlernen, das Samenkorn des Bewusstseins zu solch üppigem Wachstum zu erweitern, dass ihr, so weit euer Auge reicht, nur euch selbst blühen seht. Ihr könnt vierundzwanzig Stunden am Tag euren Duft wahrnehmen. Und ihr könnt ihn nicht nur wahrnehmen, ihr könnt ihn nicht verhindern: Ihr werdet ihn teilen müssen. Ob ihr das wollt oder nicht, spielt keine Rolle.
Wenn sich eine Rosenblüte öffnet, fängt der Duft an, sich zu verbreiten. Er fragt die Rosenblüte nicht um Erlaubnis, das ist nicht nötig. Mit dem bloßen Sichöffnen der Rosenblüte hat der Duft schon die Erlaubnis, sich in alle Richtungen, in alle Winde zu verbreiten.
In dem Moment, da euer Bewusstsein in der Meditation zu voller Blüte gelangt, findet eine gewaltige Explosion statt.
Gewiss, ihr werdet Musik haben, aber sie wird eine geistige Qualität besitzen. Ihr werdet Formen des Tanzes haben, aber eure Art zu tanzen wird nicht sexuell sein. Ihr werdet Poesie haben, aber eure Gedichte werden nicht einfach nur unbefriedigte geschlechtliche Begierde sein. Sie werden erfüllte Liebe sein. Eure Poesie wird wie die Mantras der Upanishaden werden. Jedes Wort, das aus eurer Erfüllung kommt, wird etwas von dem einfangen, was ich Göttlichkeit nenne.
Ihr werdet eine Wissenschaft haben, die schöpferisch sein, dem Leben helfen wird.
Ihr werdet alles haben – aber jeweils von andersartiger Qualität.
Bis jetzt existieren jene beiden Gesellschaften. Wir werden keine von beiden bilden. Wir sind die dritte – zum ersten Mal auf der Welt vorgeschlagene – Alternative. Noch nie hat jemand gewagt, sich den Menschen als Zorba the Buddha, als Synthese von Alexis Sorbas und dem Buddha, vorzustellen. Weder hatte Sorbas irgendeine Ahnung von Buddha, noch hatte Buddha irgendeine Ahnung von Sorbas. Beide sind halb. Ich möchte, dass ihr, jeder und jede von euch, ganze Menschen werdet.
Die Lehre von Osho (1931-1990) lässt sich in keine Kategorie einordnen. Sie deckt alles ab – angefangen von der individuellen Suche nach dem Sinn des Lebens bis hin zu den drängenden sozialen und politischen Problemen, mit denen die Menschheit heute konfrontiert ist. Seine Bücher sind keine geschriebenen Bücher, sondern Niederschriften der Audio- oder Videoaufnahmen seiner Vorträge, die er im Laufe von 35 Jahren aus dem Stegreif vor einem internationalen Publikum gehalten hat. Von der Sunday Times in London wurde Osho als einer der »1000 Macher des 20. Jahrhunderts« bezeichnet, von dem amerikanischen Autor Tom Robbins als der »gefährlichste Mann sei Jesus Christus«.
Über sein Lebenswerk hat Osho gesagt, dass er dazu beitrage, die Bedingungen für die Geburt eines »neuen Menschen« zu schaffen. Diesen neuen Menschen hat er auch oft als »Zorba the Buddha« bezeichnet – einen Menschen, der in der Lage ist, wie Sorbas, der Grieche, die irdischen Freuden voll zu genießen und ebenso die stille Heiterkeit des Gautama Buddha. Wie ein roter Faden läuft durch alle Aspekte des Werkes von Osho eine Vision, die die zeitlose Weisheit des Ostens mit dem höchsten Potenzial der westlichen Wissenschaft und Technologie vereinigt.
Osho ist auch bekannt für seine revolutionären Beiträge zur Wissenschaft der inneren Transformation, indem er neue Meditationstechniken entwickelte, die den beschleunigten Lebensstil der heutigen Zeit berücksichtigen. Seine berühmten »aktiven Meditationen« sind eine einzigartige Kombination von aktiven Techniken, um den in Körper und Geist angesammelten Stress freizusetzen, sodass es sehr viel einfacher ist, den entspannten, vom Denken befreiten Zustand der Meditation zu erfahren.
Eine Autobiografie von Osho ist unter dem Titel »Autobiographie eines spirituellen Provokateurs« im Heyne-Verlag, München, erschienen.
Das Osho Meditation Resort ist ein Platz, an dem man direkte persönliche Erfahrungen mit einer Lebensweise machen kann, die wache Bewusstheit mit Entspannung und Spaß verbindet. Das Resort befindet sich in Pune, 140 Kilometer südöstlich von Mumbei (früher Bombay), und bietet Tausenden von Besuchern aus aller Welt das ganze Jahr über ein breit gefächertes Programm an Meditations- und Selbsterfahrungsmöglichkeiten.
Pune (früher Poona) wurde einst als Sommerresidenz für Maharadschas und reiche britische Kolonialherren gegründet. Heute ist es eine moderne, blühende Großstadt mit mehreren Universitäten, wo in den letzten Jahren eine Anzahl internationaler Großfirmen ihre Niederlassungen eröffnet haben. Das Resort liegt auf einem etwa 128000 Quadratmeter großen Gelände in einem sehr grünen Stadtteil mit dem Namen Koregaon Park. Das Resort bietet Hotelzimmer für eine begrenzte Zahl von Besuchern an, außerdem gibt es in seiner direkten Umgebung eine große Anzahl von Hotels, Zimmern und Wohnungen, die man kurzfristig oder auch für längere Zeiträume mieten kann.
Das Meditationsprogramm des Resorts basiert auf Oshos Vision vom Menschen einer qualitativ neuen Art, der in der Lage ist, sich voller Freude am Alltagsleben zu beteiligen und Meditation und Spiritualität damit in Einklang zu bringen. Das große und abwechslungsreiche Angebot an Meditation und Gruppenprozessen, die zum größten Teil in klimatisierten Räumen stattfinden, umfasst kurze bis ausgedehnte Meditationskurse, Sitzungen und Kurse für ganzheitliche Heilung, persönliches Wachstum und esoterische Wissenschaften, Möglichkeiten der kreativen Betätigung sowie Sport- und Wellnessprogramme im »Zen-Stil«. Außerdem finden täglich von morgens bis abends Oshos aktive Meditationen statt. Das Programm wird das ganze Jahr über angeboten.
In den Gartenrestaurants und Cafés auf dem Gelände des Resorts gibt es vegetarisches Essen, wobei sowohl die traditionelle indische Küche als auch verschiedene internationale Gerichte angeboten werden. Das Gemüse stammt aus biologischem Anbau. Das Resort hat ein eigenes Versorgungssystem mit gefiltertem Wasser, das westliche Besucher ohne Bedenken trinken können.
Unter www.osho.com/resort findet man in verschiedenen Sprachen Informationen über das Resort in Pune einschließlich Tipps für die Anreise, Kursprogramme und Buchung von Zimmern im Gästehaus des Resorts.
Osho und sein Werk werden im Internet ausführlich vorgestellt unter www.osho.com
Diese umfassende Website in verschiedenen Sprachen bietet eine Onlinetour durch das Resort in Pune und das Programm der laufenden Kurse und Veranstaltungen, einen Katalog mit Büchern sowie Audio- und Videomedien, eine Liste der Osho-Informationszentren weltweit sowie Auszüge aus den Reden Oshos.
Osho International, New York
E-Mail: oshointernational@oshointernational.com
www.osho.com/oshointernational