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Buch

Das Leben von Becky Brandon (geborene Bloomwood) hat sich komplett verändert, seit sie aus Amerika zurück ist. Sie lebt im kleinen Dorf Letherby außerhalb Londons und arbeitet mit ihrer besten Freundin Lady Suze im Souvenirladen des Herrenhauses. Das Leben ist schön, und Weihnachten steht kurz vor der Tür. Doch dann verkünden Beckys Eltern, ins angesagte Shoreditch in London ziehen zu wollen, und Mama Bloomwood beauftragt kurzerhand Becky, das Weihnachtsfest zu organisieren. Keine leichte Aufgabe, denn Minnie braucht ein Kostüm für die Schulaufführung, Jess möchte veganen Truthahn, und das perfekte Geschenk für Luke gibt es nur in einem exklusiven Gentlemen’s Club in London, der Frauen den Zutritt verwehrt. Apropos Luke: Der lässt sich einen Schnurrbart stehen – worauf Becky überhaupt nicht steht! Und dann zieht auch noch ihre alte Flamme aus Unizeiten nach Letherby – inzwischen ein cooler Musiker –, und das Chaos ist perfekt …

Weitere Informationen zu Sophie Kinsella sowie zu lieferbaren Titeln der Autorin finden Sie am Ende des Buches.

Sophie Kinsella

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Christmas Shopaholic

Roman

Aus dem Englischen
von Jörn Ingwersen

Die englische Originalausgabe erschien 2019 unter dem Titel »Christmas Shopaholic« bei bei Bantam Press, London, an imprint of Transworld Publishers.

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Deutsche Erstveröffentlichung November 2019

Copyright © der Originalausgabe by Sophie Kinsella

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2019

by Wilhelm Goldmann Verlag,
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: FAVORITBÜRO, München

Umschlagmotiv: Maryia Naidzionysheva/shutterstock

briddy/shutterstock

Redaktion: Kerstin Ingwersen

MR · Herstellung: kw

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN: 978-3-641-25052-2
V003

www.goldmann-verlag.de

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für Kim Witherspoon

Von: Store Manager

An: Becky Brandon

Betreff: Re: Anfrage

Sehr geehrte Mrs Brandon,

vielen Dank für Ihre E-Mail.

Es freut mich zu hören, dass Sie einen »ganzen Schwung« Ihrer Weihnachtseinkäufe bei Hector Goode, dem Gentlemen’s Outfitter, zu tätigen beabsichtigen.

Darüber hinaus freue ich mich, dass Sie mit dem Gedanken spielen, den Mantel »Campbell« für Ihren Mann zu erwerben.

Leider jedoch kann ich Ihnen nicht sagen, ob der Mantel noch vor dem Weihnachtsfest im Preis reduziert werden wird.

Mit den allerbesten Wünschen für eine besinnliche Weihnachtszeit.

Hochachtungsvoll

Matthew Hicks

Store Manager

Hector Goode

Gentlemen’s Outfitter

561 New Regent St

London W1

Von: Store Manager

An: Becky Brandon

Betreff: Re: Re: Anfrage

Sehr geehrte Mrs Brandon,

vielen Dank für Ihre E-Mail.

Ich kann verstehen, dass es »echt blöd« wäre, wenn der Mantel »Campbell« um die Hälfte reduziert würde, kurz nachdem Sie ihn erworben haben.

Darüber hinaus verstehe ich wohl, dass Sie nicht zu lange warten möchten, damit er nicht ausverkauft ist und Sie »am Ende an Heiligabend in Panik rumrennen«.

Dennoch bin ich leider nicht befugt, diese Information herauszugeben.

Mit den besten Wünschen für eine besinnliche Weihnachtszeit.

Hochachtungsvoll

Matthew Hicks

Store Manager

Hector Goode

Gentlemen’s Outfitters

561 New Regent St

London W1

Von: Store Manager

An: Becky Brandon

Betreff: Re: Re: Re: Re: Re: Anfrage

Sehr geehrte Mrs Brandon,

vielen Dank für Ihre E-Mail.

Nein, ich kann Ihnen keinen »kleinen Tipp« geben.

Es tut mir leid, dass Sie das Gefühl haben, Weihnachtseinkäufe wären zu einem Spiel verkommen, »bei dem es allein darum geht, wer den längeren Atem hat«.

Ich gebe Ihnen recht: Es war einfacher, als es vor Weihnachten keine Sonderangebote gab und »man wusste, woran man war«.

Dennoch wünsche ich Ihnen eine besinnliche Weihnachtszeit.

Hochachtungsvoll

Matthew Hicks

Store Manager

Hector Goode

Gentlemen’s Outfitters

561 New Regent St

London W1

EINS

Okay. Keine Panik. Bloß keine Panik. Nicht hektisch werden. Mir bleiben noch fünf Minuten und zweiundfünfzig Sekunden, bis mein Warenkorb verfällt. Da ist noch reichlich Zeit! Ich muss nur noch schnell irgendwas finden, um die Gesamtsumme auf fünfundsiebzig Pfund zu bringen, damit ich die Versandkosten spare.

Komm schon, Becky! Das schaffst du!

Ich scrolle mich durch die BargainFamily-Website auf meinem Computerbildschirm und fühle mich wie eine NASA-Technikerin, die unter unsagbarem Druck die Ruhe bewahrt. Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie der Timer gleichmäßig herunterzählt, unter einer Anzeige, die besagt Ihr Warenkorb verfällt in Kürze! Aber man darf sich nicht der Timer-Angst hingeben, wenn man im Netz unterwegs ist. Man muss hart bleiben. Hart wie Stahl.

Das Shoppen hat sich für mich im Laufe der Jahre echt verändert. Oder vielleicht habe ich mich auch verändert. Die Zeiten, in denen ich Single war, mit Suze in Fulham gewohnt habe und jeden Tag durch die Läden gezogen bin, scheinen mir ewig her zu sein. Ja, früher habe ich zu viel Geld ausgegeben. Das will ich gern zugeben. Ich habe Fehler gemacht. Ich habe es gemacht, wie ich es wollte, auf meine Art und Weise, um es mit Frank Sinatra zu sagen.

(Nur dass es zu »meiner Art und Weise« gehörte, Kreditkartenabrechnungen unter dem Bett zu verstecken, was Frank bestimmt nie getan hat.)

Aber ich habe ein paar wichtige Lektionen gelernt, die meine Herangehensweise in bestimmten Fragen wirklich verändert haben. Zum Beispiel:

Erstens lasse ich mir keine Tragetaschen mehr geben. Die waren früher meine größte Freude. O mein Gott, wie sich so eine neue Hochglanztüte anfühlt … diese Kordelgriffe … das Rascheln von Seidenpapier … (Hin und wieder stehe ich noch da und freue mich an meiner alten Sammlung ganz hinten im Schrank.) Inzwischen benutze ich nur noch Stoffbeutel. Von wegen dem Planeten und so.

Zweitens stehe ich total auf ethisch einwandfreies Shoppen. Da kann man nur gewinnen! Man kriegt coole Sachen und verhält sich tugendhaft.

Drittens gebe ich gar kein Geld mehr aus. Ich spare Geld.

Okay, das entspricht natürlich nicht so ganz total und absolut der Realität. Aber entscheidend ist, dass ich immer auf der Suche nach einem guten Deal bin. Ich betrachte es als meine mütterliche Pflicht, alle Waren, die meine Familie braucht, möglichst kostengünstig zu erwerben. Und aus genau diesem Grund ist BargainFamily wie geschaffen für mich. Alles ist heruntergesetzt! Sogar Designerlabel!

Das Problem ist nur, dass man schnell sein muss, weil sonst der Warenkorb verfällt und man wieder von vorn anfangen muss. Ich bin jetzt schon bei £ 62.97, brauche also nur noch irgendwas so um die zwölf Pfund. Komm schon, da muss es doch was geben, das ich brauchen kann. Ich klicke eine orangefarbene Strickjacke an, £ 13.99, unverbindliche Preisempfehlung £ 45, doch als ich näher heranzoome, sticht mir eine grässliche spitzenartige Bordüre ins Auge.

Weiße Bluse?

Nein, eine weiße Bluse habe ich mir erst letzte Woche gekauft (100 % Leinen, £ 29.99, unverbindliche Preisempfehlung £ 99.99. Die könnte ich überhaupt mal anziehen.)

Ich klicke meinen Warenkorb an, um nochmal nachzusehen, was ich schon habe. Ein Pop-up-Fenster geht auf und verkündet: Du hast heute £ 284 gespart, Becky!

Ich bin richtig stolz, als ich mir meine Waren ansehe. Ich habe volle £ 284 gespart! Ich habe einen zauberhaften Häschen-Morgenmantel für Minnie gekauft und eine fantastische DKNY-Jacke, von £ 299 reduziert auf £ 39.99, dazu einen riesigen Schwimmring in Form eines Flamingos, über den wir uns bestimmt freuen, wenn wir das nächste Mal in Urlaub fahren.

Und okay, ja. Theoretisch könnte ich auschecken und £ 5.95 für den Versand bezahlen. Aber das kommt gar nicht in Frage. Ich bin ja nicht umsonst ehemalige Finanzjournalistin. Da kenne ich mich aus. Es ist ökonomisch weitaus sinnvoller, sich noch etwas zu suchen, was man brauchen kann, um dann alles versandkostenfrei geliefert zu bekommen.

Komm schon, irgendwas muss es da doch geben. Strumpfhosen? Strumpfhosen kann man immer brauchen.

Ach, aber ich fülle Bestellungen immer mit Strumpfhosen auf. Ich habe so viele schwarze, dass sie für die nächsten hundert Jahre reichen müssten. Und die karierte, die ich letzte Woche angeklickt habe, war ein echter Fehlgriff.

Ich klicke auf »Haushaltswaren« und scrolle eilig durch das Angebot. Silberne Antilopenskulptur war £ 79.99, jetzt £ 12.99? Hm, weiß nicht so recht. Duftkerze? O Gott. Nein. Ich kann unmöglich wieder eine kaufen. Unser ganzes Haus ist jetzt schon eine einzige Duftkerze. Erst neulich meinte Luke: »Becky, könntest du zur Abwechslung mal eine Kerze besorgen, die für Frischluft sorgt?«

Eben sehe ich mir einen Brotkasten in Form von Big Ben an, als vor meinen Augen ein Feld aufpoppt – Deine Zeit läuft ab, Becky! Fast bleibt mein Herz stehen.

Ich wünschte, sie würden das nicht machen. Ich weiß, dass meine Zeit läuft.

»Das weiß ich selbst!«, höre ich mich laut sagen. »Stress mich nicht!«

Zur Sicherheit klicke ich noch mal auf meinen Warenkorb, und da bleibt mein Herz tatsächlich kurz stehen. Der aufblasbare Flamingo ist ausverkauft!

Ausverkauft!

Neeeiiin! Ich war zu langsam. Mist. Das Problem bei diesen Onlinediscountern ist, dass man es nicht mitbekommt, wenn einem ein Schnäppchen vor der Nase weggeschnappt wird. Mir schlägt das Herz bis zum Hals. Ich will meine Jacke nicht verlieren und Minnies Morgenmantel auch nicht! Ich muss diesen Warenkorb vollkriegen, und zwar pronto.

»Maaaammmiiii!«, höre ich Minnies Stimme von draußen vor der Tür, unmittelbar gefolgt von Luke, der sagt:

»Minnie! Süße, lass Mama in Ruhe, wenn sie ihre Achtsamkeitsmeditation macht. Entschuldige, Becky«, ruft er durch die Tür. »Wollte dich nicht stören.«

»Äh … schon okay!«, rufe ich zurück und schäme mich ein bisschen.

Luke denkt, ich sitze hier friedlich und meditiere. Und das war auch so. Das Video läuft sogar noch oben in der Ecke vom Bildschirm, also bin ich im Grunde auch noch dabei, nur dass ich den Ton leise gestellt habe, um mich besser aufs Einkaufen konzentrieren zu können.

Hab sie mir schon richtig angewöhnt, diese Achtsamkeitsübungen. Sobald ich ins Arbeitszimmer komme, stelle ich die Meditation an, und die hält mich im mentalen Gleichgewicht. Und nur hin und wieder logge ich mich nebenbei auch bei einem Onlineshop ein.

Die Sache ist: Das Angebot von BargainFamily wechselt täglich, weshalb es sinnvoll ist, einen Blick auf die »Deals des Tages« zu werfen. Minnie braucht einen neuen Morgenmantel, also habe ich damit angefangen – und wie hätte ich eine DKNY-Jacke für £ 39.99 nicht kaufen können? Das ist doch wirklich ein unfassbar gutes Angebot, und so eine Jacke hält ewig. Was natürlich mit sich brachte, dass ich noch ein paar weitere Artikel hinzufügen musste, um alles versandkostenfrei zu bekommen. Und das war der Moment, in dem ich den Achtsamkeitstypen stumm gestellt habe. Er ist ja ganz nett, aber ein bisschen ernst, und außerdem lenkt er einen nur ab.

Jedenfalls – Shoppen ist Achtsamkeit, wenn man mich fragt. All meine anderen Sorgen sind vergessen. Ich lebe im Augenblick. Ich bin voll bei mir.

Ich werfe einen Blick auf den Timer, und mir wird ganz flau im Magen. 2 min 24 Sek., bis mein Warenkorb verfällt. Komm schon, Becky …

Eilig klicke ich auf Accessoires. Das ist die Lösung. Accessoires kann man gar nicht genug haben, oder? Und man kann sie immer noch verschenken.

Hastig scrolle ich mich durch langweilige Handtäschchen, seltsame Hüte und eklige Goldkettchen. Mit jeder neuen Seite, die sich öffnet, wallt Optimismus in mir auf, doch dann verlässt mich der Mut gleich wieder. Da gibt es nichts. Was ist los mit mir? Bin ich denn so wählerisch?

Langsam bin ich bereit, mich geschlagen zu geben und zum ersten Mal in meinem Leben Versandkosten zu bezahlen, als die nächste Seite aufgeht und mir der Atem stockt. Sollte das etwa …

Spielen mir meine Augen einen Streich?

Ich starre ein türkis gemustertes Seidentuch an. Das kann doch nicht sein …

Denny & George? Bei BargainFamily? Im Ernst?

Fassungslos blinzelnd lese ich die Beschreibung. Seidentuch, war £ 239, unser Preis £ 30.

Dreißig Pfund für ein Tuch von Denny & George? Dreißig Pfund?

Ich scrolle runter, und da gibt es noch zwei Stück. Alle 100 % Seide. Alle wunderschön. Alle »Begrenzter Vorrat«. Verdammt. Ich muss mich beeilen!

Ohne zu zögern, fange ich an zu klicken. Kaufen, kaufen, kaufen. Warenkorb ansehen. Bezahlen. Ich komme mir vor wie eine Klaviervirtuosin, die alle richtigen Töne trifft, in Bestform. Und ich habe noch zwanzig Sekunden übrig! Mein Warenkorb ist gerettet! Die Daten meiner Kreditkarte sind gespeichert, das sollte jetzt schnell gehen …

Ihr Passwort ist nicht sicher.

Ein Kästchen ist aufgegangen. Atemlos starre ich es an. Was ist denn jetzt das Problem? Ich lese den Rest der Mitteilung.

Möchten Sie Ihr Passwort ändern? Wir empfehlen C?/x887dau.

Das kann ich mir vorstellen. Die können mich mal. Mein Passwort ist gut so. Sorgfältig gebe ich Ermintrude2 ein und klicke schließlich auf Fertig.

Schnaufend lehne ich mich auf meinem Stuhl zurück, da erscheint eine neue Mitteilung auf dem Bildschirm: Herzlichen Glückwunsch! Du hast heute £ 879 gespart!

Da sieht man es mal wieder. Frisch gespart ist halb gewonnen, was bedeutet, dass ich heute effektiv £ 879 verdient habe. Mit einer einzigen Einkaufssession. Wenn ich das jeden Tag machen würde, wären das … Ich schließe die Augen, versuche nachzurechnen. Na ja, irgendwie ein sechsstelliges Gehalt. Ich glaube, Luke weiß es gar nicht so richtig zu schätzen, dass ich unserer Familie ständig Tausende Pfund spare.

Die Sache ist nur, dass ich jetzt etwas ethisch Einwandfreies kaufen sollte. Das ist so eine Angewohnheit, die ich von meiner Schwester (eigentlich Halbschwester) Jess übernommen habe. Jess ist rigoros und sehr sparsam, und einmal hatten wir eine angeregte Diskussion – also einen Streit – übers Shoppen. Ich sagte, ich unterstütze die Wirtschaft, aber sie meinte, die Wirtschaft brauche keine Unterstützung. Und dann fügte sie noch hinzu: »Becky, wenn deine Einkäufe wenigstens hin und wieder mal ethisch einwandfrei sein könnten …«

Das hat mich irgendwie erreicht. Tatsächlich hatte ich ein echt schlechtes Gewissen. Ich sollte unbedingt ethisch einwandfrei shoppen! Wir alle sollten das tun! Also habe ich es mir angewöhnt. Nach jedem Einkauf versuche ich, zusätzlich noch ein ethisch einwandfreies Produkt zu erwerben. So wie die Leute, die Bäume kaufen zum Ausgleich für ihre Flugreisen.

Ich gehe zu der Homepage von Ethical Consumer Today. Das Problem ist nur, dass ich von denen schon fast alles gekauft habe. Ich habe die Bienenwachskerzen und den Fair-Trade-Kaffee und sämtliche Yoga-Armbänder …

Moment mal! Neues Produkt! »Würziger Falafel-Mix aus kontrolliert biologischem Anbau«. Perfekt! Man kann gar nicht genug würzigen Falafel-Mix aus kontrolliert biologischem Anbau haben, oder? Eilig bestelle ich acht Päckchen (versandkostenfrei), schließe meinen Kauf mit einem Klick ab und lehne mich zufrieden zurück. Ich werde Luke sagen, dass es dienstags von jetzt an Falafel gibt, was wir ohnehin mehr essen sollten, weil es so gesund ist.

Bei dem Gedanken an Luke beuge ich mich vor und stelle meine Achtsamkeitsmeditation lauter, und das keinen Moment zu früh, denn als der Achtsamkeitstyp gerade sagt: »Lass alle deine Sorgen los!«, geht hinter mir die Tür auf.

Ich wende mich zu Luke um und schenke ihm ein stilles, achtsames Lächeln.

»Hi!«, sage ich.

»Ich dachte nur, ich bringe dich auf den neuesten Stand«, sagt Luke, als müsste er sich entschuldigen. »Wenn wir pünktlich im Restaurant sein wollen, müssen wir in einer Viertelstunde los. Wie läuft’s?«

»Gut«, sage ich. »Sehr gut.«

»Du siehst toll aus.« Er mustert mich voller Bewunderung. »Irgendwie so … ich weiß nicht. Heiter. Zufrieden.«

»Ich bin auch zufrieden!« Ich strahle ihn an.

Drei Tücher von Denny & George für £ 30 das Stück! Wie sollte ich da unzufrieden sein? Eins davon schenke ich Suze zum Geburtstag, und eins bewahre ich für Minnie auf …

»Ich freue mich so, dass du die Meditation für dich entdeckt hast«, sagt Luke und küsst meine Stirn. »Ich war ja anfangs etwas skeptisch, was diese Sache mit der Meditation angeht, aber du hast mich überzeugt.«

»Es geht nur darum, seinen Geist dem zu widmen, was im Leben wirklich wichtig ist«, sage ich weise, als es an der Haustür klingelt.

Luke geht hin, und ich höre eine Reihe von dumpfen Schlägen aus dem Flur. Kurz darauf fällt die Tür ins Schloss, und Luke steckt seinen Kopf ins Zimmer.

»Da ist Post für dich gekommen«, sagt er.

»Ooh!« Ich strahle ihn an. »Post!«

Ich finde es einfach toll, wie das Onlineshoppen zu einem nach Hause kommt. Eilig schiebe ich mich an ihm vorbei und sehe drei Kartons und ein Päckchen von ASOS. Ausgezeichnet! Ich hatte so gehofft, dass meine ASOS-Lieferung noch rechtzeitig für heute Abend eintreffen würde! Ich schnappe mir das Päckchen, schlitze es mit der Schere auf, die ich zu genau diesem Zweck im Flur aufbewahre, und heraus gleiten vier dunkelblaue Satin-Jumpsuits.

»Wow«, sagt Luke mit starrem Blick auf das Meer von blauem Satin. »Das sind aber viele … was auch immer. Brauchst du denn so viele davon?«

»Die will ich doch nicht alle behalten«, sage ich, als würde ich einem begriffsstutzigen Schüler Nachhilfe in Algebra geben. »Man behält nicht alle. Man probiert sie an, sucht sich einen aus und schickt den Rest zurück. Und es gab sie für die Hälfte«, füge ich zur Sicherheit hinzu, während ich die Größe 38 lang aufreiße und hochhalte. »Spottbillig.«

Noch immer runzelt Luke perplex die Stirn. »Aber musstest du denn wirklich vier Stück bestellen?«, fragt er.

»Ich wusste ja nicht, welche Größe ich brauche«, erwidere ich. »Oder ob ich normal oder lang brauche. Gib nicht mir die Schuld, Luke«, füge ich hinzu, schieße mich schon mal auf mein Lieblingsthema ein. »Gib die Schuld den mangelhaften Größenstandards in der Modeindustrie, die den unschuldigen Konsumenten das Leben schwer machen.«

»Hm. Und was ist mit diesen acht Kissen?«, fragt Luke, während sich sein Blick der gestrigen Lieferung zuwendet, die sich an der Fußleiste stapelt. »Gibt es da auch Probleme mit den Größen?«

»Ich konnte die Farben auf dem Bildschirm nicht richtig erkennen«, sage ich empört. »Ich musste alle bestellen, um sie mir richtig ansehen zu können. Ich behalte nur zwei davon. Den Rest schicke ich morgen zurück. Kostenlose Rücksendung. Und weißt du, wie viel ich dabei gespart habe? £ 52!«

»Becky, ich würde ohne Weiteres £ 52 bezahlen, damit unser Haus nicht ständig wie eine Lagerhalle aussieht«, sagt Luke mit Blick auf all die Kisten und Kästen im Flur. »Wir bräuchten bald mal jemanden im braunen Overall mit einem Gabelstapler.«

»Haha«, sage ich und rolle höhnisch mit den Augen.

»Und wann willst du diese Statuen zurückschicken?« Luke deutet auf die lebensgroßen Figuren von Aphrodite und Hermes, die am unteren Ende der Treppe stehen, noch halb in braunes Papier gewickelt. »Die stehen da schon über eine Woche. Die sind einfach nur grotesk.«

»Die sind nicht grotesk«, sage ich trotzig, »die sind Avantgarde. Und ich kann sie nicht zurückschicken, weil sie ethisch einwandfrei sind.«

»Ethisch einwandfrei?« Luke starrt mich an.

»Sie wurden von einer Gruppe minderprivilegierter Jugendlicher angefertigt«, erkläre ich. »Nachhaltiges Upcycling aus Fahrradteilen und Kühlschrankkomponenten.«

Ich muss zugeben, dass sie ziemlich monströs sind. Und mir war nicht klar, dass sie so groß sein würden. Aber wie könnte ich sie zurückschicken? Wenn ich das tue, wird die Jugendgruppe am Boden zerstört sein. Sie werden ihr ganzes Selbstwertgefühl verlieren, und es wird unsere Schuld sein, weil wir zu engstirnig sind, um ihre Statuen zu würdigen.

»Minnie kriegt davon Albträume«, sagt Luke nur. »Ich musste Aphrodite eine Tüte über den Kopf ziehen.«

»Ich finde, mit der Tüte über dem Kopf sieht sie noch bedrohlicher aus«, kontere ich. »Furchterregend geradezu. Wie eine Geisel.«

»Noch furchterregender sieht sie aus, wenn sie einen mit ihren kalten Metallaugen anstarrt.« Luke schüttelt sich. »Hätten wir dieser Jugendgruppe nicht besser etwas Geld gespendet?«

»So funktioniert ethisch einwandfreies Shoppen aber nicht, Luke«, sage ich geduldig. »Man muss die Sachen kaufen. Wie dem auch sei, ich muss die hier anprobieren. Wann wollen wir los?«

»In acht Minuten«, sagt Luke. »Die Zeit läuft.«

Ich haste nach oben, mit den Päckchen unterm Arm, und probiere schnell den ersten Jumpsuit an. Hm. Zu lang. Dann schnappe ich mir die normale Größe und betrachte mich im Spiegel. Passt!

Es kam so: Letzte Woche habe ich in einer Talkshow diesen echt coolen Jumpsuit gesehen. Da habe ich augenblicklich nicht mehr zugehört, sondern mir mein Notebook geschnappt und stattdessen angefangen, Jumpsuits zu googeln. Es dauerte eine Weile, bis ich einen gefunden hatte, der nicht ausverkauft war – aber es hat ja geklappt!

Ich betrachte mich und versuche, dabei objektiv zu bleiben. Es ist ein toller Stoff. Das dunkle Blau ist elegant, und die ausgestellten Hosenbeine sind ausgesprochen vorteilhaft. Es ist eher die Vorderseite, die ich etwas ratlos betrachte. Oder besser: den Mangel an einer Vorderseite. Der Ausschnitt ist noch offenherziger als bei dem Jumpsuit im Fernsehen.

Kann ich so ein Teil tragen, das bis zum Bauchnabel ausgeschnitten ist?

Kann ich?

Bin ich dafür zu alt?

Nein. Nein! Mode ist zeitlos. Man sollte tragen können, was man möchte, wann man möchte. Die ganzen alten Regeln gelten nicht mehr.

So was tragen sie auf dem roten Teppich ständig, sage ich mir in dem Versuch, mein Selbstbewusstsein etwas aufzupäppeln. Man nennt es Rippendekolleté. Außerdem ist es nicht unschicklich. Nicht streng genommen. Meine Nippel sind nicht zu sehen.

Nicht ganz.

Und, okay, ich will nicht auf einen roten Teppich, sondern zum Abendessen mit Mum und Dad ins Luigi’s in Oxshott – aber ich kann doch trotzdem was Modisches anziehen, oder? Die Leute werden mich als »Die Frau im dunkelblauen Jumpsuit« kennen. Staunend werden sie mich anstarren, wenn ich an ihnen vorüberschwebe, und sie werden sich wünschen, sie könnten auch so etwas Gewagtes tragen.

Genau.

Trotzig greife ich mir einen roten Lippenstift und trage ihn auf. Ich mach das einfach. Stil muss man beweisen. Los, Becky!