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Die redaktionelle Betreuung besorgten Anna Cavelius (Recherche), Heidrun Reshöft und Claudia Reshöft.
1. Auflage
Vollständige aktualisierte Taschenbuchausgabe Mai 2017
Copyright: © 2017 der überarbeiteten Ausgabe
Wilhelm Goldmann Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH,
Neumarkter Straße 28, 81673 München
Copyright: © 2013 der Originalausgabe Riemann Verlag, München
Umschlaggestaltung: UNO Werbeagentur, München
Umschlagfoto: Arne Lesmann, www.lesmann.de
Lektorat: Annette Gillich-Beltz
Infografiken: Benjamin Erfurth, www.infografiker.com
Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering
KW · Herstellung: CB
ISBN 978-3-641-21757-0
V001
www.goldmann-verlag.de
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Inhalt
Vorwort zur Taschenbuchausgabe
Ein Gruß aus der Küche
POLITISCH ESSEN
Ein Blick über den Tellerrand
Die (Grüne) Revolution frisst ihre Kinder
Von der Natur lernen
Tischgespräch mit Thomas Radetzki, Imkermeister
Wie wollen wir in Zukunft leben?
Ein Blick zurück
Die Sehnsucht nach dem Echten
Tischgespräch mit Helmut Gragger, Traditioneller Holzofenbäcker
Leben im Überfluss
Aus der Fülle schöpfen
E-Mail-Unterhaltung mit Tino Speer, Chefkoch im »Hamburger Bahnhof«
Vorratshaltung
ACHTSAM ESSEN
Was ist Qualität?
Die Macht der Giganten über unseren Geschmack
Tischgespräch mit Dr. Hermann Focke, Tierarzt und Veterinäramtsleiter i.R.
Tierhaltung ohne Tierschutz
Turbohühner für die Masse
Das sagt der Erzeugercode auf dem Ei
Aufklärung tut not
Was ist unser Essen wert?
Gut essen ist keine Frage des Geldes
Wider die Verschwendung
Achtsam einkaufen
Tischgespräch mit Prof. Dr. Michael Braungart, Professor der Chemie und Mitbegründer des Cradle-to-Cradle-Konzepts
NACHHALTIG ESSEN
Warum ich kein Plastik in meiner Küche mag
Eine Afrika-Reise öffnete mir die Augen
Tischgespräch mit Prof. Franz-Theo Gottwald, Honorarprofessor für Umwelt-, Agrar- und Ernährungsethik; Dozent für Politische Ökologie
Bio ist nicht immer Bio
Was bedeuten die verschiedenen Ökosiegel?
Was können wir tun?
Tischgespräch mit Dr. Johannes Coy, Biologe und Krebsforscher
Warum nach Saison essen?
Die Sehnsucht nach dem Richtigen
Tischgespräch mit Karl Huober, Unternehmer und Dauerbrezel-Fabrikant
GESUND ESSEN
Gesund essen heißt sinnlich essen
Das Gehirn sitzt im Bauch
Warum die Menschen immer dicker werden
Tischgespräch mit Prof. Dr. Nicolai Worm, Ernährungswissenschaftler und Bestsellerautor
Wie unser Geschmack beeinflusst wird
Gesunde Kinder und was Vernünftiges zu essen
(K)Ein Spaziergang durch den Deklarations-Dschungel
Warum selbst gemixter Joghurt besser schmeckt
Joghurt selbst machen
Warum vertragen wir unsere Nahrung nicht mehr?
Tischgespräch mit Dr. Andrea Fink-Keßler, Argrarwissenschaftlerin
Wenn essen krank macht
Tischgespräch mit Dr. Frank Bartram, Umweltmediziner
Kleines ABC der Zusatzstoffe
Die Bedeutung der sekundären Pflanzenstoffe
Tischgespräch mit Prof. em. Dr. Manfred Hoffmann, Agrarwissenschaftler
GENUSSVOLL ESSEN
Kochen lernen, weil Genießen so anfängt
Die Hemmschwelle für Kochanfänger senken
Tischgespräch mit Tim Mälzer, Fernsehkoch
Jeder kann kochen lernen
Was macht Essen zum Genuss?
Fleisch, das kostbarste Lebensmittel
Erleben, wo das Fleisch herkommt
Wir brauchen bessere Bedingungen für das Schlachten
Fleisch genießen
Über Geschmacksbildung
Tischgespräch mit Dario Sarmadi, Pressesprecher bei foodwatch
Es lebe die Kreativität
Briefwechsel mit Lojze Wieser, Verleger, Herausgeber, Autor
Tischgespräch mit Willy Schuster, Bio-Bauer, Mitglied der Via-Campesina-Bewegung
Auf uns kommt es an!
Anhang
Glossar
Literatur, Adressen, Links
Danke
Bildnachweis
Anmerkungen
Rezeptregister
Sachregister
Für Artur, die Zukunft
Vorwort zur Taschenbuchausgabe
Sie halten mit diesem Buch die Neuauflage meines Buches Zukunftsmenü in der Hand. Obwohl die Erstausgabe erst wenige Jahre alt ist, haben sich allein in dieser kurzen Zeit rasante Entwicklungen und Veränderungen ergeben, so dass ich und der Verlag der Meinung waren, dass wir Zukunftsmenü mit neueren Zahlen und einigen Aktualisierungen noch einmal neu herausbringen sollten. Außerdem ist das zentrale Thema dieses Buches – der bewusste Umgang mit dem, was uns ernährt, gesunder und nachhaltiger Genuss – nach wie vor hochaktuell und in den letzten Jahren leider noch drängender und brisanter geworden.
Denn unsere agroindustriellen Strukturen greifen massiv in die Landschaft, die Qualität von Wasser und Böden sowie in unser Klima ein. Durch politische Fehlentscheidungen und Subventionen werden die falschen Wirtschaftssysteme gestützt, mit verheerenden Auswirkungen auf Ressourcen, Handwerk und Vielfalt. Doch wir haben es in der Hand: Wie wir uns ernähren und was wir einkaufen entscheidet darüber, wie unsere Welt aussieht.
Die Menschheit steht an einem wichtigen Wendepunkt. Gerade in den Industrienationen fühlen sich immer mehr Menschen vom hohen Tempo und den Anforderungen unserer wirtschaftlichen und beruflichen Realität so überfordert, dass sie selbstständiges Handeln, eigene Erfahrungen und Beurteilungen an Dritte abgeben und dadurch Erleichterung und Orientierung spüren.
Während viele Menschen noch vor gut zwei Jahrzehnten Überwachung als Eingriff in die persönlichen Freiheitsrechte des Einzelnen angeprangert haben, kauft sich heute eine ganze Generation Fitness-Armbänder, die einen rund um die Uhr überwachen, Körperfunktionen speichern, sammeln und weiterleiten. Noch vor Kurzem hätten Menschen herzhaft darüber gelacht, wenn man ihnen im Gegenzug für die totale digitale Kontrolle Informationen über ihren Pulsschlag und ihre Herzfrequenz angeboten hätte. Doch heute sind viele Menschen gar nicht mehr in der Lage, in sich hineinzuhören, sich selbst zu beobachten und zu spüren, wie es ihnen geht. Das trifft längst auch auf unsere Ernährungsgewohnheiten zu.
Längst weiß jeder aufgeklärte Mensch, dass die Nahrungsmittelindustrie durch stark verarbeitende Prozesse, chemische Zusatzstoffe und Züchtung von degenerierten Pflanzen und Tieren unser Immunsystem schwächt und so Schuld an Zivilisationskrankheiten trägt, wie etwa Fettsucht, chronischen entzündlichen Krankheiten, Typ-2-Diabetes und vielem mehr. Hinzu kommt die Zerstörung von Biodiversität, die Klimaerwärmung, das Artensterben sowie die Ressourcenvernichtung und Ausbeutung von Boden, Pflanzen, Tieren und selbst Menschen.
Anstatt nun die Ursachen allen Übels zu behandeln und eine naturnahe, regionale, vielfältige und frische Kost zu fördern, geschieht das genaue Gegenteil: Die Zukunft soll präventiv wirkende, personalisierte, verarbeitete Nahrung mit chemischen Mikronährstoffen sein, die man sich wie aus einer Kapsel-Kaffeemaschine grammgenau ziehen kann. Ermöglicht wird das durch Chips oder Armbänder, die alle erdenklichen Daten sammeln, um Menschen zu kategorisieren und Nahrungsempfehlungen auszusprechen.
Da man an der einzig richtigen, nämlich der individuellen Ernährung von zehn Milliarden Menschen nichts verdienen kann, fasst man Menschen in Gruppen zusammen und entwirft für diese einen Bedarf, der verführerisch schmecken, agroindustriell herstellbar und reproduzierbar sein soll. Der scheinbare Mehrwert sind Mikronährstoffe, die natürliche, ungespritzte Nahrung aus nachbaufähigen Samen von Natur aus vielfältiger und im richtigen Verhältnis in sich trägt (mehr dazu unter anderem ab hier).
Was sich hier anbahnt, hat allerdings noch eine ganz andere, gefährliche Dimension: Durch diese Art von Ernährung beeinflussen wir nicht nur unseren Körper, sondern unsere Landwirtschaft, die Vertriebsnetzwerke, das gesamte Nahrungsmittelangebot und letztlich unsere Kultur.
Wie wollen wir künftig wissen, was unserem Körper guttut, wenn wir nicht mehr vielfältig, bewusst und frisch essen? Wenn wir gar nicht mehr kochen können, weil es nicht mehr notwendig erscheint und sogenanntes Kunstessen mit größerem Gesundheitsversprechen lockt? Was werden wir für Menschen sein, wenn wir nicht einmal mehr unserem eigenen Körper vertrauen können? Wenn wir keine Vielfalt mehr erleben und dadurch bewahren können?
In welcher Welt wollen wir leben und wie wird diese Welt aussehen, wenn wir die Pharmakologie und die Chemie als Paten neben uns stehen haben und nicht die Biologie und die Ökologie?
Ich möchte Sie gerne ermutigen! Denn die gute Nachricht ist: Wir müssen keine Nahrungsmittelexperten sein oder wissenschaftliche Bücher lesen, um uns gesund und lustvoll zu ernähren. Alles, was unserem Stoffwechsel, dem Immunsystem und unserer Seele guttut, ist auch gut für die Natur und unsere Umgebung. Wir sind Teil der Natur und sollten nicht Krieg gegen sie führen und glauben, wir wären besser als das große Ganze. Es ist an uns allen zu entscheiden, wie es weitergehen soll und in welche Richtung sich unsere Welt entwickelt.
Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen sowie zahlreiche Anregungen und Denkanstöße, die Sie bestätigen und unterstützen.
Ihre
Sarah Wiener
Ein Gruß aus der Küche
Mein Lieblingsplatz auf meinem Bauernhof in der Uckermark ist natürlich die Küche, wie könnte es anders sein. Und das nicht nur, weil ich leidenschaftlich gern koche. Die Küche ist ein Ort, an dem es nach Kuchen und Äpfeln duftet, nach Safran und geröstetem Sesam, an dem ich neugierig Rezepte erfinde und Kochutensilien ausprobiere. Gleich neben der Küche ist ein Esszimmer, wo ich gern mit Freunden sitze. An einem langen Tisch, an dem wir debattieren und ratschen, trinken und lachen – manchmal nächtelang. Hier sitze ich auch jetzt nach einer Kürbis-Ingwer-Suppe und Milchrahmstrudel und schreibe dieses Vorwort. Dort, wo ich sonst auch lese – Bücher, Berichte und Zeitschriften aller Art.
Ich lese,
Ich sitze da und frage mich: Warum essen wir lauter Dinge, von denen wir nicht wissen, was drin ist? Warum essen wir plastikverpackte Fertigprodukte, die uns und die Natur krank machen? Warum essen wir Fleisch von Tieren, die ein Leben lang Stress hatten, weil sie nicht artgerecht gehalten wurden? Wer will, dass die durch Massentierhaltung auftretenden Krankheiten mit einer verantwortungslos hohen Gabe von Antibiotika behandelt werden?
Beim Salatpflanzen: Den Salat, den ich esse und den Gästen in meinen Restaurants serviere, kenne ich sozusagen von klein auf.
Es gibt wohl niemand, der sich bewusst für krank machendes und ethisch verantwortungsloses Essen entscheidet. Liegt unser gedankenloses Verhalten daran, dass wir noch immer zu wenig über die Herkunft von Lebensmitteln wissen? Zu wenig darüber wissen, wie unsere Ernährungsweise mit den natürlichen Ressourcen und unserer Gesundheit zusammenhängt? Hat uns die Nahrungsmittelindustrie mit ihrer die heile Welt versprechenden Werbung den gesunden Menschenverstand vernebelt? Und ist uns darüber das Gespür abhandengekommen für das, was uns und unserem Körper guttut?
Für mich beginnt der Genuss eines Essens nicht beim Einkauf im Supermarkt, sondern beim Ursprung der Nahrungsmittel. Ich möchte gern wissen, was ich esse. Mir ist es nicht egal, ob das Fleisch, das ich kaufe, von einem Tier stammt, das unter artgerechten Bedingungen groß geworden ist, oder ob es in einem lichtlosen Stall auf ein paar Quadratzentimetern dahinvegetiert hat. Ich will wissen, warum im Supermarkt nur noch Apfelsorten wie Jonagold und Gala angeboten werden, obwohl ich Renetteäpfel lieber mag. Ich frage mich, wo die Tonnen an Giften landen, die wir sorglos auf unseren gesunden Äckern und Böden versprühen und die wir Pflanzenschutzmittel nennen. Ich möchte wissen, warum Nahrungsmittel für Kinder zu süß, zu bunt, zu fett sind. Und vor allen Dingen frage ich mich, warum es so viele stark verarbeitete Lebensmittel gibt.
Stark verarbeitete Lebensmittel werden aus billigen, ewig gleichen chemischen Bausteinen zusammengesetzt, gefärbt, aromatisiert, gesalzen, gezuckert, gepresst oder aufgebläht, konserviert und dann in Plastik abgepackt. Ist es wirklich ein sinnliches Vergnügen, solche Packungen aufzureißen und in die Mikrowelle oder den Ofen zu stecken? Schmeckt Fastfood auch kalt oder wenn ich es langsam esse? Ist diese Art von Essen wirklich ein Genuss? Fühle ich mich danach besser? Gesättigt? Gestärkt? Verkörpert unsere Lebensmittel- und Agrarindustrie wirklich einen Fortschritt oder nicht eher ein Fortschreiten, im Sinne von Wegschreiten?
Wir sind hier, in der sogenannten Ersten Welt, eingehüllt in einen Nebel aus Reklameversprechen und Überfluss. Wir können nicht mehr erkennen, was wann warum auf unserem Tisch landet. Wir haben unsere Neugier, unser Interesse verloren und greifen ohne nachzudenken einfach zu dem, was man uns vorsetzt. Doch dieser Weg endet zwangsläufig in der Sackgasse. Deshalb meine ich, ist es höchste Zeit, den Schleier zu lüften. Um den Blick frei zu machen auf das, was um uns herum geschieht, woher unser Essen kommt und wie wir uns in Zukunft ernähren wollen und sollten.
Wir haben die Freiheit uns zu entscheiden, die Verantwortung für unser eigenes Leben und das unserer Kinder zu übernehmen und neue Wege zu gehen. Wir brauchen nicht bei Großkonzernen zu kaufen, die ihre einzige Aufgabe darin sehen, ihren Profit zu maximieren und weiter zu wachsen. Wir müssen keine Monopolisten unterstützen, die kleinbäuerliche Vielfalt verhindern. Wir müssen keine Discounter bestärken, die »billiger ist mehr« propagieren. Wir sollten unsere Gier zügeln und nicht automatisch einen zweiten Kuchen kaufen, ein zweites Paar Schuhe, weil es das dritte gratis dazu gibt. So als wären der Herstellungsprozess und die Ressourcen nichts wert. Als würde das einfache Mehr uns glücklich machen. Das macht es nicht, wenn wir ehrlich sind. Zumindest nicht dauerhaft.
Wir sollten wieder selbst kochen und es unseren Kindern beibringen, unseren Enkeln, Nachbarn und Freunden. Denn solange wir unser Essen nicht selbst zubereiten können, sind wir von einer Lebensmittelindustrie abhängig, die die Bezeichnung »Hersteller von Lebensmitteln« nicht verdient, und besitzen keine Ernährungssouveränität über unseren eigenen Körper. Schließlich gehört selbst zu kochen und miteinander zu essen zu den schönsten und befriedigendsten Dingen der Welt.
Wie wäre es, wenn wir kleine Anbieter unterstützen und versuchen kleine Kreisläufe der regionalen Solidarität aufzubauen? Wie wäre es, wenn wir unsere Ansprüche hinsichtlich der permanenten Verfügbarkeit jeder Art von Wurst, frischer Brötchen um 7 Uhr abends und Spargel im Winter beschränken? Und zwar ganz einfach deshalb,
Ein Blick über den Tellerrand
Wann genau ich anfing, mich über das Kochen hinaus für die Herkunft unseres Essens zu interessieren, kann ich nicht mehr genau sagen. Aber jede Veränderung fängt ja mit dem Wahrnehmen an. Mit der eigenen Aufmerksamkeit für all das, was einen umgibt. Mit der Achtsamkeit für das, was man mit den Augen, Ohren, den Händen, der Nase und dem Geschmackssinn spürt und erlebt.
Als ich noch zur Schule ging, habe ich einen Kochkurs gemacht, ohne mich daran erinnern zu können, welche Motivation ich damals hatte. Später war ich Küchenhilfe in den Restaurants meines Vaters, weil ich Geld verdienen wollte und mir kein besserer Job angeboten wurde.
Schnell war ich vom Backen und Kochen fasziniert und wollte mehr darüber wissen. Und mich selbst ausprobieren. Ich wollte am liebsten sofort alle Kochbuchtheorien in die Praxis umsetzen. Aber je mehr ich über das Kochen begreifen wollte, desto mehr musste ich über die Lebensmittel wissen, die ich verarbeitete. Damals beschränkte sich für mich die Frage nach der Qualität auf die Frische, die Reife und die Sorte des Produkts.
Dass verschiedene Mehle sich ganz unterschiedlich verhalten konnten, erstaunte mich. Auch dass Kiwi die Milch gerinnen lässt und Mayonnaise so einfach selbst zu machen ist, hatte ich vorher nicht gewusst. Unmerklich hatte ich mich auf eine lange Reise ewigen Lernens begeben, weil es mich faszinierte zu sehen, wie gute, aber doch schlichte Grundnahrungsmittel mit einem Schnipp zu etwas ganz Köstlichem werden konnten.
Ich habe schon immer frisch gekocht und meinen Gästen, den Kunden genauso wie Freunden, nur das serviert, was ich selbst gerne essen wollte. Denn ich habe das Nähren von anderen immer als eine besondere, sehr verantwortungsvolle Aufgabe begriffen.
Früher habe ich intuitiv gekocht und intuitiv bestimmte Dinge abgelehnt, wie zum Beispiel eine Mikrowelle, die »Arbeitserleichterung« durch vorgeschälte oder geschwefelte Kartoffeln und diverse »Küchenhelfer«, die einem die Arbeit abnehmen sollten. Was einem tatsächlich abgenommen wird, ist die Verantwortung, das selbstständige Denken und das Tun dessen, was man doch eigentlich gerne tut. Ich möchte riechen, sehen und mit meinen Händen fühlen, was ich zubereite. Erst dann fühle ich mich als Köchin glücklich und fähig, ein gutes, stärkendes, beglückendes Mahl zu servieren.
Ich hatte – wohl auch dank meiner Erziehung – schon früh eine Vorliebe für unverarbeitete und unbehandelte Lebensmittel. Trotzdem dachte ich: Eine Tomate ist eine Tomate. Als ich dann das erste Mal von Monokulturen hörte, die viel Gift benötigen, damit die natürlichen Fressfeinde von Tomaten dank des reich gedeckten Tisches nicht gleich in ganzen Schwärmen über die Früchte herfallen, war dies eines meiner Erweckungserlebnisse. Besprühen wir wirklich unsere Nahrungsmittel mit Gift, damit wir sie essen können?
Das zweite Aha-Erlebnis hatte ich, als mir jemand sagte, Pflanzenschutzmittel seien ja eigentlich das Gegenteil von dem, was sie vorgeben zu sein. Pflanzenschutzmittel sind hochgiftige Stoffe, die keinen anderen Zweck haben, als Leben zu zerstören. Und zwar in erster Linie das von Pflanzen. Allein diese Erkenntnis hat mich so sehr beschäftigt, dass ich darüber mehr wissen wollte. Und wie das so ist: Wenn man erst einmal ein Bewusstsein für ein bestimmtes Thema entwickelt hat, dann will und kann man nicht mehr aufhören.
Viele von uns sind schon dabei umzudenken, nach neuen Wegen zu suchen und sich die richtigen Fragen zu stellen. So wie die nach gesundem Essen. Heute habe ich in mancher Hinsicht sicher eine radikalere Meinung als der Großteil unserer Gesellschaft. Zum einen, weil ich mich intensiv mit der Landwirtschaft, dem Anbau von Pflanzen und der Aufzucht von Tieren beschäftige. Zum anderen aber auch, weil ich so vieles gesehen habe, das mich zum Nachdenken gebracht hat und zu einer entschiedenen Haltung hat finden lassen. Ich bin fest davon überzeugt, dass ein verantwortungsvoller Umgang mit der Erde nur möglich ist, wenn wir zu einem grundlegend neuen Bewusstsein, zu mehr Achtsamkeit und sinnvoller Selbstbeschränkung finden.
Noch vor wenigen Jahren hat sich kaum jemand gefragt, wie beispielsweise unsere Nutztiere gehalten werden. Wir haben uns auch keine großen Gedanken darüber gemacht, wie bestimmte Inhaltsstoffe aus ganz alltäglichen Gegenständen wie Kosmetika, Shampoo und auch Medikamenten auf unsere Gesundheit und (Um-)Welt wirken. Wir haben beim Einkaufen nicht darüber nachgedacht, dass die Plastiktüte, in der wir unsere Einkäufe verstauen, nicht einfach verschwindet, nur weil sie für uns nicht mehr sichtbar ist, nachdem wir sie weggeworfen haben. Wir haben uns wahrscheinlich auch keine Gedanken über die möglichen Folgen von gentechnisch veränderten Lebens- oder Futtermitteln wie Mais oder Sojabohnen gemacht. Ebenso wenig darüber, dass bestimmte Stoffe wie Aluminium, Polystyrol, Polyester oder auch Kaugummi und Burger von bekannten Fastfoodketten niemals verrotten oder aber Hunderte von Jahren brauchen, um sich zu zersetzen. Selbst die Erkenntnis, dass Pflanzenschutzmittel nichts anderes sind als Vernichtungsmittel, die im schlimmsten Fall – wie beim Dioxin – sogar als Massenvernichtungswaffen in Kriegen eingesetzt worden sind, sickerte erst langsam in unser Bewusstsein.
Vor einiger Zeit war ich in Rumänien und habe dort einen sympathischen Selbstversorger kennengelernt, der einen recht kleinen Garten hatte. Auf seinen vielleicht hundert Quadratmetern wuchsen Trauben für den eigenen Wein, Auberginen, Zwetschgen, Birnen, Äpfel, Pfirsiche, Artischocken, Knoblauch, Kohlrabi, drei Sorten Tomaten, Kürbis, Zucchini, Zwiebeln, Erdbeeren, Sauerampfer, wilde Rauke, Karotten und Paprika. Das ist nur das, was ich behalten habe, ich bin sicher, er hatte noch viel mehr. Es wucherte alles kreuz und quer. Jeder Zentimeter Boden war mit Pflanzen bedeckt. Und wie er erzählte, wächst alles wie von selbst. Er wirft nur immer die Samen hin oder lässt ein paar Tomaten liegen. Alles, was er erntete, aber nicht aß (z.B. Stängel), schnippelte er klein und verteilte es wieder auf dem Boden. Was ich da sah, war eine Art Permakultur unter wilden Umständen. Ich war fasziniert!
WARUM HAMBURGER NICHT VERSCHIMMELN
Die New Yorker Fotografin und Künstlerin Sally Davies kaufte im April 2010 in einer McDonald’s-Filiale einen Hamburger und eine Portion Pommes frites. Beides legte sie auf ein Fensterbrett und fotografierte sie sechs Monate lang in regelmäßigen Abständen. Was passierte? Der Hamburger roch genau einen Tag lang nach einem Hamburger, dann nach nichts mehr. Stattdessen begann er langsam zu versteinern, ebenso die Pommes frites. Von Schimmel und Zersetzung – wie es bei einem echten Lebensmittel der Fall gewesen wäre – keine Spur.
Die amerikanische Food and Drug Administration (FDA), die im Auftrag des US-Gesundheitsministeriums Lebensmittel überwacht, fand laut ihrer »Total Diet Study« in Fastfood-Hamburgern durchschnittlich 38 verschiedene Pestizidrückstände.
Die erstaunliche Tatsache, dass Hamburger so gut wie nicht verrotten, wurde bereits von vielen in mehr oder weniger beabsichtigten Versuchen erkannt. Im Jahre 2007 erschien auf YouTube das Video von Len Foley über den »Bionic Burger«, das inzwischen weit über 2 Millionen Mal angeklickt wurde. Hier wird eine Hamburger-Mumie aus dem Jahr 1989 gezeigt.
Nur, warum verderben der Hamburger und die Pommes nicht? Ganz einfach: Das Fleisch im Burger zersetzt sich nach Meinung amerikanischer Gesundheitsexperten nicht, weil es extrem stark gesalzen ist. Mit Salz wird der Burger konserviert (und es macht beim Verzehr auch noch durstig …). Und da auch Pommes gut gesalzen sind, halten sie sich ebenfalls eine halbe Ewigkeit. Warum allerdings das Brötchen nicht schimmelt, darüber wird spekuliert. Für einen Teil der Schimmelimmunität der Burger-Brötchen sind die Konservierungsstoffe Kalzium- und Natriumpropionat verantwortlich. Propionate stehen im Verdacht, Stoffwechselstörungen sowie ADHS-Symptome bei Kindern zu verursachen. 1988 wurde der Stoff in Deutschland verboten, zehn Jahre später jedoch wieder zugelassen.1 Mehr über Zusatzstoffe in Lebensmitteln erfahren Sie im »Glossar«.
1 Weitere Information unter www.Zentrum-der-Gesundheit.de/hamburger-mc-donalds-ia.html
Die meisten Produktionsprozesse unserer Lebensmittel aber finden nicht nachvollziehbar vor unseren Augen statt, sondern hinter geschlossenen Stalltüren oder in Laboratorien. Viele Produkte sind absolut überflüssig. Aber sie sind auf dem Markt und damit für uns so normal, dass wir sie erst einmal gar nicht in Frage stellen.
Doch indem wir die Gesetzmäßigkeiten des Marktes einfach hinnehmen, haben wir innerhalb von wenigen Jahrzehnten unabsehbare Veränderungen für viele künftige Generationen eingeleitet.
Die (Grüne) Revolution frisst ihre Kinder
Einer der größten Feldzüge gegen die Natur war die Ende der 1950er Jahre eingeleitete »Grüne Revolution«, mit der die Zerstörung dessen begann, wovon wir alle leben: reine Luft und sauberes Wasser, gesunde Böden und funktionierende Ökokreisläufe.
Die Selbstversorgergärten in Rumänien faszinierten mich. Mit Filmaufnahmen haben wir hier ein kleines Schlaraffenland eingefangen.
Der Grundgedanke der Grünen Revolution war, den Welthunger zu beseitigen. Dazu war jedes Mittel recht, also auch die Entwicklung moderner Hochleistungs- bzw. Hochertragssorten von Weizen, Mais und Bohnen. Sicher, ohne diese Bemühungen würden heute 187 Millionen Menschen mehr hungern.1 Aber der Preis dafür ist hoch und noch nicht abbezahlt: Durch den intensiven Einsatz von Mineraldüngern, Pestiziden und künstlicher Bewässerung werden Grundwasser und Gewässer verunreinigt; Nützlinge und Wildtiere leiden, und die Gesundheit der Bauern ist gefährdet. Nicht zu vergessen der massive Einsatz fossiler Energien für Dünger, Pestizide und Maschinen. Zudem sind die Bauern abhängig von Großkonzernen, denn das Saatgut von Hochertragssorten ist oft steril. Das bedeutet, sie können ihr eigenes Getreide nicht einmal mehr zur Aussaat verwenden – was laut Internationalem Patentrecht, das die Saatgutlobby schützt, sowieso verboten wäre. Auch Erntezyklen werden verändert, so dass es zu Schädlingsplagen kommt. In den Reisfeldern Süd- und Südostasiens beispielsweise können sich die Zikaden aufgrund extrem häufiger Ernten das ganze Jahr über ungehindert vermehren.
In den 50er- bis 80er Jahren wurden Ertragssteigerungen durch immensen Mineraldüngereinsatz erreicht. Seit mehr als 20 Jahren ist der Verbrauch wieder rückläufig – zum einen, weil durch die Vermehrung der Tierhaltung mehr Gülle zur Düngung zur Verfügung steht; zum anderen, weil heute auch in der konventionellen Landwirtschaft gezielter und deshalb wieder sparsamer gedüngt wird.
Zwar konnte die Grüne Revolution den weltweiten Hunger bis zu einem gewissen Grad ausbremsen und gab der Agrarwirtschaft in Asien und Lateinamerika einen Riesenschub, verschwunden ist der Nahrungsmangel jedoch bei Weitem nicht. Und die Folgen für die Natur und die Kleinbauern in den Ländern sind verheerend. Die neuen Getreidesorten erfordern den großflächigen Anbau, um wirtschaftlich effizient zu sein. Infolgedessen mussten Bauern, die nur kleine Äcker bewirtschafteten, weichen. Sie wanderten in Städte ab und landeten in Elendsvierteln. Oder sie fällten Bäume in den tropischen Wäldern und vermehrten so die Anbaufläche. Die Lebensmittelproduktion wurde also nicht nur durch verbesserte Technologie gesteigert, sondern auch durch die Gewinnung größerer Nutzflächen – indem Regenwälder und Savannen zerstört wurden. Laut dem »Spiegel«-Artikel »Die immergrüne Revolution« (vom 20.9.2010) häufen sich die Warnzeichen für negative Folgen der Grünen Revolution. So fielen in Russland im Sommer 2010 Millionen Hektar Getreide-Monokulturen der Dürre und Bränden zum Opfer. Und warum? Weil Moore trockengelegt worden waren. Zudem stellt uns der Klimawandel vor weitere Herausforderungen, denn durch ihn drohen künftig häufiger extreme Wetterlagen wie Dürren oder Überschwemmungen.
Erträge steigern, Kosten und Arbeit einsparen – Anzeigen aus dem »Landwirtschaftlichen Wochenblatt« 1956–1959 propagieren eine simple, verlockende Botschaft. Über Risiken und Folgeschäden wurde damals kaum nachgedacht.
Hans-Heinrich Bass, Professor für internationale Wirtschaft an der Hochschule Bremen und Direktor des dortigen Institute for Transport and Development, fordert sogar eine »Grüne Renaissance«. Er sagt: »Die Erträge moderner organischer Landwirtschaft können auch in den Tropen ähnlich hoch sein wie die in der konventionell modernisierten Landwirtschaft. Das zeigten Studien der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) in Uganda und Tansania. Zudem ist die organische Landwirtschaft nachhaltig. Sie verbraucht und verschmutzt weniger Wasser, erhält die Bodenfruchtbarkeit und kommt ohne teure synthetische Dünger, Insektizide oder Pestizide aus.«
Der Preis für die Millionen geretteter Menschenleben ist hoch. Dabei ist der Hunger offenbar kein Problem der Produktion von Lebensmitteln, sondern vor allem ihrer Verteilung. Der Gegenentwurf, so betonen viele Wissenschaftler, darunter auch der Agrarwissenschaftler und Vorstandsvorsitzende des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), Felix zu Löwenstein, kann nur eine ökologisch verträgliche kleinbäuerliche Landwirtschaft mit dem Ziel einer weltweit gesicherten Ernährungslage sein.
WAS WIE WÄCHST
Konventioneller Anbau hat sich Mitte des 19. Jahrhunderts aus der traditionellen Landwirtschaft entwickelt. Durch Fortschritte in der Forschung und im Zuge der Technisierung fand man heraus, wie man Böden durch Dünger fruchtbarer machen und den Anbau durch den Einsatz von Insektiziden und Fungiziden sowie Maschinen großflächiger und somit produktiver gestalten kann. Es kommt zu Monokulturen oder zwei- bis dreijährigen Fruchtfolgen. Bei der chemischen Bekämpfung von tierischen und pflanzlichen »Schädlingen« bilden sich Rückstände in den Anbauprodukten, im Boden und im Grundwasser.
Integrierter Anbau verbindet die biologische und konventionelle Wirtschaftsweise. Chemische Mittel kommen erst zum Einsatz, wenn der einzelne Schädling ausgemacht wurde und alternative Mittel zur Bekämpfung erfolglos waren. Ebenso werden bei der Düngung exakt berechnete Mengen in minimaler Dosis verwendet.
Biologisch-dynamische Landbewirtschaftung fußt auf der anthroposophischen Lehre Rudolf Steiners und verzichtet auf den Einsatz von Pestiziden und Kunstdünger, um die Belastungen für Natur und Anbauprodukt zu vermeiden. Zudem wird auf einen vielseitigen Fruchtwechsel geachtet. Frühestens alle fünf Jahre wird die gleiche Pflanze auf einem Acker angebaut. So wird einer einseitigen Bodennutzung und damit auch einer Mineral- und Nährstoffauslaugung vorgebeugt. Die Produktivität des biologischen Anbaus ist etwas geringer als bei anderen Anbaumethoden.
Organisch-biologische Bewirtschaftung wurde 1951 entwickelt und basiert auf naturwissenschaftlichen Erkenntnissen. Auch dieser ökologische Landbau kommt ohne Pestizide und Kunstdünger aus. Anders als bei den vorgenannten Bewirtschaftungsweisen wird der Boden nicht gepflügt, sondern lediglich gelockert, um die verschiedenen Bodenschichten mit ihrer eigenen Bodenfauna und -flora nicht »durcheinanderzubringen«.
Doch auch die noch vorhandenen kleinbäuerlichen Strukturen werden zerstört. Weltweit kaufen Agrarinvestoren Land auf, bauen auf Tausenden Hektar Monokulturen von Mais an – oder von dem Getreide, das sich gerade am besten auf dem Weltmarkt verkaufen lässt. Im deutschen Bundesland Brandenburg gehören bereits zwei Drittel der landwirtschaftlichen Nutzfläche kapitalistischen Investoren und Spekulanten. Eine finanzkräftige Gruppe, die zudem von staatlichen Subventionen profitiert.
DIE ROLLE VON ERNÄHRUNG BEIM KLIMAWANDEL
Unsere Ernährung in Deutschland verbraucht etwa ein Fünftel der Gesamtenergie und trägt in dieser Größenordnung auch zum Treibhauseffekt bei. Die Hälfte der Treibhausgas-Emissionen geht auf das Konto der Landwirtschaft. Dabei ist die Produktion tierischer Lebensmittel deutlich energieaufwendiger und damit klimabelastender als die Erzeugung pflanzlicher Lebensmittel. Auf dem Weg vom Tierfutter bis zum Stück Fleisch oder Käse gehen durch sogenannte Veredelungsverluste 65 bis 90 Prozent der im Futter enthaltenen Energie verloren. Es werden also große Mengen an Futtermitteln gebraucht. Diese verursachen vor allem durch die sehr energieaufwendige chemische Synthese der mineralischen Düngemittel hohe Treibhausgas-Emissionen.
Auf einen klimafreundlichen Speiseplan gehören also vorzugsweise pflanzliche Lebensmittel, vorzugsweise aus der Region, und weniger Fleisch, Milchprodukte und Eier. Es ist natürlich schwierig, dies Menschen in Ländern zu vermitteln, die dabei sind, sich Wohlstand zu erwirtschaften. Doch über ein gutes Vorbild ist das möglich. Während wir hier unseren Fleisch- und Käsekonsum reduzieren sollten, ist es wichtig, alles dafür zu tun, dass die stark wachsenden Bevölkerungen in China und Indien erst gar nicht mit einem verstärkten Fleisch- und Käsekonsum beginnen. Das ist natürlich eine große Herausforderung. Hier muss die Politik gute Wege finden, die bestehende Esskultur, die oft traditionell fleischarm ist, zu bewahren.
Erfolg im Leben bemessen wir heutzutage nach wirtschaftlicher Macht und der Menge an Geld. Unser System betet ewiges Wachstum an wie eine heilige Kuh. Doch selbst ein Laie wird unschwer erkennen, dass die Ressourcen in einer endlichen Welt endlich sind und dass folglich auch Wachstum nur begrenzt sein kann.
Was ist, wenn wir unsere Grenzen schon erreicht haben?
Die Blütenpracht und Vielfalt natürlicher Wiesen verträgt keine Düngung und ist heute fast nur noch in Naturschutzgebieten zu bewundern.
Glauben wir wirklich, dass wir als Mikroteil dieser Welt den gesamten Organismus dominieren können? Ist es realistisch davon auszugehen, dass wir die Erde ins Ungleichgewicht bringen können, ohne dabei selbst Schaden zu nehmen?
Die Erfahrung zeigt uns: Wir können zwar in die Natur eingreifen, Staudämme bauen, Ökosysteme verändern und Felderträge kurzfristig steigern. Doch alle menschlichen Veränderungen, die wir in den letzten Jahrzehnten herbeigeführt haben, haben zu keiner substanziellen Verbesserung für die Erde geführt. Im Gegenteil: Ökosysteme wurden zerstört, und es herrscht nach wie vor große Ungerechtigkeit bei der Verteilung von Gütern und insbesondere von Nahrungsmitteln auf der Welt.
Von der Natur lernen
Dieser Planet hat mit all seinen Lebewesen – von Mikroorganismen bis hin zu komplexeren Strukturen wie den Säugetieren einschließlich der Menschheit – über Milliarden von Jahren sein System so optimiert, dass es zu einem funktionierenden nachhaltigen Kreislauf wurde. Davon profitiert insbesondere der Mensch. Jeder Eingriff in die Natur wird von der Natur beantwortet, im Bemühen um einen ständigen Ausgleich. Auf jedem Millimeter Boden und in der Luft kämpft das Leben um das Überleben.
Auf dem eigenen Acker mit anzupacken macht mich richtig glücklich. Und ich kann mich von der Qualität meines Gemüses (hier Mangold) überzeugen.
Wir sehen das beispielsweise am Erdboden: Ein gesunder Boden ist lebendig, er wird bevölkert von Mikroorganismen, Insekten und Regenwürmern. Durch ihre Hilfe reichert sich der Boden mit wertvollen Mineralstoffen an, die einer Pflanze nach Bedarf und nach Jahreszeit zur Verfügung stehen. Die Vielfalt an Tieren und Pflanzen sichert ein stabiles Ökosystem. Ökologisch wirtschaftende Bauern machen sich dies zunutze und achten darauf, in ihren Wiesen und Feldern und darum herum genug Lebensraum für Nützlinge zu erhalten. Aufeinander abgestimmte Fruchtfolgen sorgen dafür, dass Schädlinge und Unkräuter, die sich auf bestimmte Feldfrüchte spezialisiert haben, nicht überhandnehmen.
Ein anderes Beispiel: Versucht man Ackerflächen mit Pestiziden von bestimmten (Un-)Kräutern und Schädlingen zu befreien, werden nicht nur die Böden und Gewässer belastet. Die Natur bemüht sich außerdem, resistentere Arten zu entwickeln, die besser gegen das Gift gewappnet sind. Auf den Baumwollfeldern der USA macht sich beispielsweise ein Unkraut breit, das gegen das Monsanto-Herbizid »Roundup« mit seinem Wirkstoff Glyphosat resistent ist. Palmer Amaranth (lat. Amaranthus palmeri) heißt die Pflanze, die zwei bis drei Meter hoch wird und der Baumwolle keinen Raum zum Wachsen lässt. Außerdem kann das Unkraut die Erntemaschinen beschädigen. Erste Farmer in North Carolina und Georgia mussten bereits ihre Felder aufgeben. Ein anderes Super-Unkraut, das durch diesen sogenannten Selektionsdruck entstand, weil es »lernte«, sich gegen eingesetzte Totalherbizide zu verteidigen, ist das Kanadische Berufkraut (lat. Conyza canadensis), das im US-Bundesstaat Delaware bereits nach zweijähriger Anwendung von Glyphosat resistent wurde und heute auf den Feldern wuchert. Um der resistenten Super-Unkräuter Herr zu werden, kommt zunehmend die Handhacke zum Einsatz. Jede Resistenz aber wird von den Chemieriesen durch oft noch problematischere Substanzen beantwortet. Diese Gifte sickern ins Grundwasser, gelangen in die Luft und sammeln sich in Pflanzen und Tieren an. Sie verändern die Fruchtbarkeit, das Wachstum, die biologische Vielfalt, den Genpool und damit nicht nur die Gesundheit von Pflanzen und Tieren, sondern auch die unsere.
Lange habe ich gedacht, zumindest bei den Bienen gäbe es eine wesensgerechte, natürliche Tierhaltung. Dass das nicht so selbstverständlich ist, erfuhr ich, als ich 2011 auf eine besondere Imkerei oder besser gesagt auf den Verein Mellifera e.V. stieß und prompt Bienenpatin wurde. Anfang 2012 hatte ich dann das Glück, während der Dreharbeiten zu meiner Serie »Sarah Wieners erste Wahl« über Grundnahrungsmittel für ARTE und den ORF eine Woche lang in der Imkerei Fischermühle mitarbeiten zu dürfen, dabei habe ich sehr viel über Bienen gelernt.
Wabenrähmchen mit verdeckelter Arbeiterinnenbrut. Den Naturbau erkennt man an den freien Flächen. In der konventionellen Imkerei füllen die Waben die Rähmchen dichter aus.
UNERWÜNSCHTE NEBENWIRKUNGEN
Die intensive Verwendung hochwirksamer Pestizide in der Landwirtschaft führt nicht nur zur Bekämpfung von Schädlingen und Unkräutern, sondern auch dazu, dass die Ackerbegleitflora verkümmert und so zahlreichen Tieren die Nahrungsgrundlage entzogen wird. In einem Bericht vom Februar 2016 stellt das Umweltbundesamt Bestandsrückgänge bei Feldvögeln und Insekten fest. Auch das Umweltgutachten 2016 des Sachverständigenrates für Umweltfragen kommt zu dem Schluss, dass die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln eine Hauptursache für den Rückgang der Biodiversität ist.
Der NABU ist alarmiert angesichts eines neuartigen Insektensterbens, wonach allein in Nordrhein-Westfalen der Bestand der Fluginsekten in den vergangenen 15 Jahren um 80 Prozent zurückgegangen ist. Noch sind die Ursachen dafür nicht vollständig geklärt, ein Hauptfaktor ist aber sicher die Vergiftung der Insekten. Josef Tumbrinck, der Landesvorsitzende des NABU Nordrhein-Westfalen warnt: »Wenn uns die Fluginsekten fehlen, gerät die gesamte Nahrungskette in Gefahr: Blumen und Bäume werden nicht mehr bestäubt, und Mauerseglern und Schwalben fehlt die Nahrungsgrundlage.« Nimmt die Zahl der Insekten in der Natur weiter ab, setzt also eine Kettenreaktion ein, die das gesamte Ökosystem beeinflusst.2
Selten hat mich ein Tier und dessen organisatorische Strukturen mehr berührt und begeistert. Deshalb habe ich die Gelegenheit genutzt und mich mit Thomas Radetzki von Mellifera unterhalten – auf einer Holzbank in der blühenden Wiese, mitten unter Bienenvölkern.