Gewidmet den mutigen, treuen, zuversichtlichen und visionären Kunden, Mitarbeitern, Händlern, Investoren, Freunden und Förderern des Hauses BMW, die 1959 halfen, das Überleben des Unternehmens zu sichern ...
... und den Lesern der Bände 1 und 2.
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Impressum
Copyright: © 2020 Ralf Heiligtag
Sämtliche Rechte der Verbreitung in jeglicher Form und Technik bleiben vorbehalten.
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN 9783752637021
Titel Der Isettaschrauber, Band 3: Tuning und Elektrik
Kontakt zum Autor: BMW-Isetta@kabelmail.de
Die Buchreihe „Der Isettaschrauber“ wurde geschaffen für die Liebhaber der BMW Isetta, des BMW 600 und des BMW 700 aus den Baujahren 1955 bis 1965. Mit diesem dritten Band sollte nach der ursprünglichen Planung die Reihe abgeschlossen werden. Doch wird für die unersättlichen Aficionados, die bereits weiterem Nachschub entgegenfiebern, im Frühjahr 2021 ein vierter Band mit Ergänzungen erscheinen. Bleiben Sie also bitte auf Empfang, es lohnt sich.
Die im ersten Band unter den Punkten
geregelten Bedingungen gelten vollumfänglich und in gleicher Weise auch für diesen dritten Band. Um nicht unnötig viel Papier zu schwärzen, werden sie hier nicht wiederholt. Wer den ersten Band noch nicht besitzt, beschaffe sich ihn bitte und lese diese Abschnitte dort nach. Erinnert werden soll hier lediglich an zwei Dinge:
Ich hoffe, Sie werden an diesem Buch viel Freude haben und darin hilfreiche Hinweise zur Instandhaltung und Verfeinerung Ihres luftgekühlten BMW-Veteranen finden. Im dritten Kapitel werden als Zugabe zu den technischen Themen zwei Fahrgeschichten mitgeliefert. Sie finden dort ein paar Reise-Impressionen, weil Sie nach der Lektüre aller drei Bände sicher genug Grund zur Annahme haben, dass Sie in einem ordentlich gewarteten BMW-Fahrzeug, sei es auch noch so klein und noch so alt, Reisen mit vierstelligen Kilometerzahlen pannenfrei bewältigen können.
Allzeit gute und pannenfreie Fahrt wünscht Ihnen der im heißen Sommer 1959 zur frühkindlichen Prägung in Opas Isetta gesetzte
Ralf Heiligtag
Die Kapitelnummerierung wird in gleicher Weise fortgesetzt wie im ersten und im zweiten Band. Die erste Ziffer kennzeichnet den Band (hier Nr. 3), die zweite das Oberthema (z. B. 3.1 = Tuning, 3.2 = Elektrik), die dritte das Unterthema. Steigen wir zuerst ins Tuning ein, unter dem häufig nichts anderes als Leistungssteigerung verstanden wird. To tune bedeutet jedoch eigentlich stimmen, abstimmen, feineinstellen. Tuning ist das Stimmen eines Musikinstruments, das Trimmen einer elektronischen Schaltung oder das Feineinstellen eines jeglichen mechanischen Gebildes. Wo könnten wir uns in dieser Hinsicht besser austoben als am Vergaser? Fangen wir also mit ihm an.
Welcher Vergaser ist der Richtige?
Für den 250er Motor ist es der BING-Vergaser 1/22/97. Ebenfalls verwendbar ist der 1/24/49 oder der 1/22/131. Für einen 300er Motor ist es der BING 1/22/98. Verwendbar sind auch 1/24/93 oder 1/22/131. Die Zahlen bedeuten bei BING:
Erste Ziffer 1 | Bauart Schiebervergaser |
Zweite Ziffer 22 oder 24 | Durchlass in Millimetern |
Dritte Ziffer | Variantennummer für die Bedüsung |
Die beiden Vergasertypen 1/24/49 und 1/24/93 mit 24 mm Durchlass waren an frühen Standard-Isetten zu finden. Sie boten dank ihres um zwei Millimeter größeren Durchlasses (was eine 19% größere Querschnittsfläche bedeutet) eine bessere Zylinderfüllung und verleiteten schwere Gasfüße zur Überforderung des drehfreudigen Motors. Für disziplinierte Fahrer von heute, die nur im Notfall das letzte Quentchen herauskitzeln möchten, versprechen sie ein wenig Mehrleistung. Sie sind nur sinnvoll, wenn auch das Saugrohr einen zum Vergaserdurchlass passenden Innendurchmesser von mindestens 24 mm hat. Saugrohre mit 25 mm Durchlass gab es an frühen Standard-Isetten.
Das Bild zeigt links ein 25 mm-Saugrohr aus einer Ur-Standard-Isetta, in der Mitte ein Export-Saugrohr mit knapp 23 mm Durchlass. Rechts sehen Sie eines vom Industriemotor BMW 403, das aufgrund seines größeren Gewindelochabstands (51 statt 48 mm) für den Fahrzeugmotor ungeeignet ist – es sei denn, Sie wollten den Zenith-Drosselklappenvergaser des Industriemotors verwenden. Die engen Saugrohre lassen sich mit einem Kugelfräser auf bis zu 26 mm Innendurchmesser erweitern; das wird in Band 4 gezeigt. Die Bedüsungsdaten der verschiedenen Vergaservarianten entnehmen wir zeitgenössischen BING-Datenblättern, aus denen Sie hierunter den betreffenden Auszug sehen. Schwimmer, Gasschieber, Leerlaufdüse, Startdüse und Düsennadel sind bei allen Vergaserversionen gleich. Durch einen Austausch der Hauptdüse und der Nadeldüse lassen sich also die Vergaser in eine andere Variante umbauen.
Worauf ist beim Kauf eines gebrauchten Vergasers zu achten?
Wichtig ist vor allem, dass der Gasschieber im Vergasergehäuse kein Wackelspiel hat. Das prüfen Sie, indem Sie die Druckfeder herausnehmen und mit zwei von beiden Seiten des Gehäuses hineingesteckten Fingern am Gasschieber zu wackeln versuchen. Der Schwimmer aus Messingblech darf keine Risse haben. Die zahlreichen Feingewinde im Vergasergehäuse dürfen nicht beschädigt sein. Alle Verschraubungen müssen fest angezogen werden können. Ist das nicht der Fall, muss das Gewinde repariert werden.
Das Vergasergehäuse darf nicht von der Zinkpest1 (interkristalline Korrosion) befallen sein, die sich durch viele kleine Risse bemerkbar macht. Die Oberfläche erinnert dann an ein ausgetrocknetes Flussbett, weil das Gefüge entlang der Korngrenzen aufgelöst und brüchig wird. Diese Erscheinung kommt bei Vergasern aus der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre zum Glück nur selten vor.2 Sie hängt von der Legierung ab.
Was bedeuten die Zahlen auf den Düsen?
Die Zahlen auf den Vergaserdüsen bedeuten nicht, wie oft vermutet wird, den Bohrungsdurchmesser der Düse in Hundertstelmillimetern, sondern einen Durchflusswert. Obwohl auf Oldtimerteilemärkten immer wieder sogenannte Düsenlehren angeboten werden, ist es nicht möglich, damit auf den Durchfluss zu schließen. Wer das nicht glauben möchte, mache die Probe und versuche, welche Düsenlehre in welche Düse passt. Sie werden finden, dass eine 1,00 mm dicke Düsenlehre in eine 110er BING-Düse, eine 1,05 mm dicke Lehre in eine 115er Düse, eine 1,10 mm dicke Lehre in eine 120er Düse und eine 1,15 mm dicke Lehre in eine 125er Düse passt. Daraus ist nicht die Regel herzuleiten, die Düsen seien immer 0,1 mm kleiner als die Größenbezeichnung, die darauf steht.
Der sich aufdrängende Irrglaube, die Düsenbeschriftung nenne den Innendurchmesser, hat dazu geführt, dass gewisse Anbieter gutgläubige Rollerfahrer mit erfreulich preisgünstigen nachgefertigten Düsen „für BING“ beliefern, die sich anstandslos in BING-Vergaser einschrauben lassen und auf denen beispielsweise 100 steht, in die eine 1,00 mm dicke Düsenlehre genau passt und die aber eben deshalb einen Durchflusswert geben, der viel höher liegt als jener einer einwandfreien 100er BING-Düse. Bei der Beschaffung von Vergaserdüsen ist es darum ratsam, von seriösen und technisch bewanderten Anbietern zu kaufen, statt den eigenen Geiz das Hirn fressen zu lassen. Sonst bewahrheitet sich am Ende die Bauernregel, dass der Dumme und der Geizige alles zweimal kaufen.
Was bewirkt eine Düse im Vergaser und was hat darauf Einfluss?
Der Alltagsverstand sagt uns:
Über all dies haben die Herren Gotthilf Hagen und Jean Poiseuille in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nachgedacht und kunstreich eine mathematische Gleichung hergeleitet, die in der Tat alle diese Variablen enthält: Den Volumenstrom, den Innendurchmesser und die Länge des Rohres, die dynamische Viskosität der strömenden Flüssigkeit und die Druckdifferenz. In ihrer hergeleiteten Gleichung bemerkenswert ist die Abhängigkeit des Volumendurchflusses von der vierten (!) Potenz des Rohr-Radius3. Eine Halbierung des Düsendurchmessers müsste also den Strömungswiderstand auf das Sechzehnfache erhöhen, weil 2*2*2*2 = 16. Wir können vorwegnehmen, dass Durchflussmengenmessungen dies nicht bestätigen und kommen weiter unten darauf zurück. Das Gesetz von Hagen-Poiseuille gilt nur für laminare Strömungen und nur für Newtonsche Flüssigkeiten, bei denen die Viskosität eine konstante Materialeigenschaft und nur von der Temperatur abhängig ist. Ein Beispiel einer solchen Flüssigkeit ist Wasser. Größere Durchflussmengen, die mit höheren Strömungsgeschwindigkeiten verbunden sind, führen zu turbulenter Strömung mit wesentlich höherem Strömungswiderstand.4 Ohne nun in die Untiefen der Strömungslehre hinabzutauchen, ist schlicht zu erwarten, dass eine im Takt der Saughübe pulsierende Strömung von Kraftstoff durch eine Vergaserdüse – erst recht bei einem Einzylindermotor wie dem der Isetta – sehr turbulent und nicht brav laminar sein wird.
Weitgehend herumgesprochen hat sich, dass man Düsen nicht mit Drahtborsten reinigen soll, weil das unabsichtlich den Innendurchmesser und damit die Durchflussmenge verändern kann. BING warnt nachdrücklich nicht nur vor Drahtborsten, sondern auch vor Lehrdornen: Eine Nachprüfung mittels Lehrdorn verändert die Geometrie der Bohrung und damit den Durchsatz und ist daher nicht zulässig, heißt es da. Dieses übervorsichtige Herstellerpostulat ist ein Ausdruck der Angst. Zwar ist nicht auszuschließen, dass ein gefühlloser Rabauke einen zu dicken Lehrdorn mit Gewalt in eine Düsenbohrung zwängt und sie dadurch bleibend aufweitet, aber bei sachgemäßer Handhabung durch einen geübten Feinmotoriker wird ein zwanglos in eine Düsenbohrung passender Lehrdorn „die Geometrie“, also Form und Durchmesser der Bohrung sicher nicht verändern.
Das einst von Jürgen Goebel beschriebene Verfahren, mit dem Vergaserdüsen untereinander verglichen werden können, hat Carl Hertweck in „Besser machen – Arbeiten an Motorrädern“ vorgestellt, dort unter „Umgang mit Vergasern – Düsen prüfen“. Hertwecks empfehlenswertes Buch finden Sie im Literaturverzeichnis in Band 1. Das Prüfverfahren basiert darauf, die Zeit zu messen, die vergeht, bis eine bestimmte Kraftstoffmenge durch die zu prüfende Düse gelaufen ist. Dort finden wir auch bestätigt, dass es darauf ankommt, die Düse in der richtigen Richtung durchströmen zu lassen.
BING kennzeichnet die Düsen nach einer Hausnorm. Grundlage ist heute eine Durchflussmessung mit Luft. Früher diente Petroleum als Prüfflüssigkeit, Hertweck erwähnte das. Es hatte zur Folge, dass werksverpackte BING-Düsen deutlich nach Petroleum dufteten. Dass das Einatmen von Petroleumdunst nicht jedermanns Vergnügen ist, war neben dem Rationalisierungseffekt sicherlich eines der Motive für BING, auf die Durchflussmengenmessung mit Luft umzusteigen.
Da wir als Hobbyisten nicht über einen Luft-Prüfstand verfügen, sind wir zur vergleichenden Düsenprüfung auf die Durchflussmethode mit Kraftstoff angewiesen. Bei Puch-Düsen bedeutete die Aufschrift 120 auf der Düse freundlicherweise 120 cm3 Kraftstoffdurchfluss pro Minute bei einem Höhenunterschied (Gefälle) von 40 cm. Für die BING-Düsen gilt das nicht. Misst man die Durchflussmengen an BING-Düsen, erhält man aber dennoch eine recht ordentliche Gerade, wie die Grafik sie zeigt.
Eine solche Gerade steht im Widerspruch zur Hagen-Poiseuille-Gleichung. Denn wir finden keine Abhängigkeit der Durchflussmenge von der vierten Potenz des Düsendurchmessers, sondern nur ungefähr von der zweiten. Zur Düse Nr. 90 gehört bei BING ein Bohrungsdurchmesser von 0,8 mm. 0,8 mal 0,8 ist 0,64. Zur Düse Nr. 130 gehört ein Bohrungsdurchmesser von 1,2 mm. 1,2 mal 1,2 ist 1,44. 1,44 (Querschnitt der Düse 130) dividiert durch 0,64 (Querschnitt Düse 90) ergibt 2,25. 200 cm3/min (aus der obigen Grafik rechts, zugehörig zur Düse 130) dividiert durch 103 cm3/min (Grafik links, Düse 90) ergibt 1,936.
Das bedeutet: Um die Durchflussmenge knapp zu verdoppeln, muss man die Querschnittsfläche der Bohrung auf das 2,25-fache vergrößern.
Mit anderen Worten: Durch eine flächenmäßig genau doppelt so große Düse fließt in derselben Zeit nicht die doppelte Kraftstoffmenge. Das stützt die Annahme, dass wir es nicht mit einer gemütlichen laminaren Strömung zu tun haben, sondern mit einer ungemütlich-turbulenten, bei der die Strömungswiderstände mit steigenden Durchflussmengen überproportional zunehmen. Dies schon, wenn lediglich der hydrostatische Druck den Kraftstoff durch die Düse treibt; von den tatsächlichen Druckverhältnissen im Vergaser bei laufendem Motor ganz zu schweigen. Das braucht uns aber nicht weiter zu jucken. Es genügt, sich einzuprägen, dass die Durchflussmengen bei Vergaserdüsen nicht linear mit der Querschnittsfläche der Düsenbohrung steigen. Und schon gar nicht mit dem Durchmesser.
Denken wir an die Großserienfertigung solcher Düsen, ist es viel zu aufwendig und daher unwirtschaftlich, die Durchflussmenge über den Bohrungsdurchmesser zu kalibrieren, denn dazu bräuchte man eine Unmenge verschiedener Reibahlen in beliebig feinen Abstufungen. Rationeller ist es, die Durchflussmenge über die Bohrungslänge, genauer: die Ansenkungstiefe zu justieren. Denn wie wir weiter oben gesehen haben, ist auch die Länge der Düsenbohrung maßgebend für die Durchflussmenge, und zwar linear. Die Düse wird also mit dem zur Düsengröße passenden Durchmesser gebohrt, sodass die Durchflussmenge zunächst ein wenig zu klein ist. Dann wird unter Verwendung genauer Durchflussmengenmessgeräte in einer Prüfstation Luft durchgeblasen. Je nach dem Messergebnis vergrößert man nun schrittweise die Tiefe der Senkung und verringert dadurch die drosselnde Bohrungslänge, bis die Durchflussmenge stimmt.5
Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass zwei dieselbe Durchflussmenge liefernde Düsen geringfügig verschiedene Bohrungsdurchmesser haben können. Das unterstreicht noch einmal, dass Vergaserdüsen nicht sinnvoll mit Lehrdornen geprüft werden können.
Nach alldem ist wohl klar geworden, dass jemand, der mit einem Drehautomaten Kleinteile aus Messing-Sechskantstangen herstellen kann, noch lange nicht in der Lage ist, brauchbare Vergaserdüsen zu fertigen. So unscheinbar eine solche Düse ist, so viel Gewusst-wie steckt drin. Das kann nicht jeder Depp.
Da hilft auch nicht das berühmte Muster, das ein kaufmännisch ebenso versierter wie technisch unterbelichteter Auftraggeber einem bereitwilligen Fertigungsmeister in die Hand drückt, wenn dieser die Anforderungen an die Funktion nicht verstanden hat. Das braucht er auch nicht, es ist nicht seine Aufgabe. Vielmehr ist es die Pflicht des Auftraggebers, dem Fertigungsmann eine klare, unmissverständliche und vollständige Fertigungs- und Prüfanweisung in die Hand zu drücken. Das unterbleibt häufig, weil es der Auftraggeber selbst nicht weiß. Wenn Sie jetzt an Goethes Zauberlehrling denken müssen, geht es Ihnen nicht allein so.
Hieraus erklärt sich sowohl der Preis guter Düsen als auch die Tatsache, dass unbrauchbare Nachfertigungen ihren Weg auf den Markt finden. Da diese „Aufschrift-ist-Durchmesser“-Düsen regelmäßig zu groß ausfallen, können sich deren gutgläubige Käufer damit trösten, dass ihre Motoren dann nur zu viel verbrauchen, dabei faul sind, den Brennraum samt Kerze verrußen und aus dem Auspuff stinken, aber wenigstens nicht wegen zu mageren Gemisches zu heiß gehen und klemmen.
Soll ich einen Vergaser mit Beschleunigungspumpe kaufen?
Das ist vor allem eine Glaubensfrage. Aus Sicht des Autors ist die Beschleunigungspumpe entbehrlich. Bauartbedingt bringt sie nicht viel und erhöht vor allem den Verbrauch. Eine Pumpe nachträglich an eine vorhandene Vergaserkonstruktion zu fummeln und sie von der Bewegung der Düsennadel antreiben zu lassen, ist keine ingenieurwissenschaftliche Großtat, sondern eine dem Sparzwang geschuldete Verlegenheitslösung.
Eine seriös gestaltete Beschleunigungspumpe würde über eine ausreichende Größe verfügen, eine per Winkelhebel vom Gasschieber betätigte Pumpenmembran, ein Saugventil und ein Druckventil. Wie das aussehen und wie gut es funktionieren kann, zeigen beispielhaft die Motorradvergaser des Herstellers Dell’Orto.
Wie kann ich mich in knifflige Vergaserprobleme besser hineindenken?
Lesen Sie das Kapitel „Umgang mit Vergasern“ aus Carl Hertwecks Buch „Besser machen – Arbeiten an Motorrädern“. Das sind 83 Seiten, auf denen keine Frage offen bleibt. Bücher von Hertweck sind ihr Geld unbedingt wert. "Der Kupferwurm" und "Besser machen" richteten sich zwar an Motorradfahrer, der Doppelband ist aber auch für Isettafahrer gut zu gebrauchen, weil die Motorräder, Roller und Mobile der 50er Jahre sich ähnliche Technik (Motor, Vergaser, Elektrik) teilten. Das Buch ist im Literaturverzeichnis des ersten Bandes aufgeführt.
Ich beobachte Patschen in den Luftfilter und Leistungsverlust. Was tun?
Beides hat oft nicht nur mit dem Vergaser zu tun. Es tritt auch auf, wenn sich nach und nach der Unterbrecher abnutzt und die Zündeinstellung verändert. Prüfen Sie darum auch Zündzeitpunkt, Unterbrecherkontakte, Fliehkraftversteller, Zündspule, Kondensator, Zündkerze, Hochspannungskabel und Kerzenstecker. Und, nicht zu vergessen, das Ventilspiel.
Mit welcher Nadelposition beginne ich die Regulierung des Vergasers?
Die Düsennadel sollte in der zweiten Raste sitzen, also nicht in der allertiefsten, sondern in der zweittiefsten Position.
Auf welche Teile des Vergasers sollte ich besonders achten?
Es ist nie verkehrt, folgende Neuteile eingebaut zu haben:
Ein neuer Gasschieber, der ohne fühlbares Wackelspiel ins Vergasergehäuse passt, damit zwischen Vergaserschieber und Gehäuse keine Falschluft von oben her eindringen und das Gemisch abmagern kann. Für sehr stark ausgeklapperte Gehäuse gibt es Übermaßschieber. Bevor sie passen, muss das Gehäuse auf einer Dreh- oder Fräsmaschine ausgedreht werden. Dieser Aufwand ist nur bei sehr kranken Patienten nötig. Meist genügt ein neuer Schieber mit Originalmaß ("Nullmaß").
Neue Druckfeder (Rückholfeder) für den Gasschieber. Neue Düsennadel, neuer Clip dazu und neue Nadeldüse gemäß Bestückungsliste. Neue Gummischeibe für das Startanfettungskölbchen.
Wenn dann noch ein paar Euronen im Börserl übrig sind: Neuer Schwimmer (nicht billig, aber sinnvoll) und neue Schwimmernadel. Und vor allem ein seitlich am Schwimmergehäuse angebrachter Filter mit Glasbecher.
Der Motor fällt nicht rasch genug auf Leerlaufdrehzahl zurück. Was tun?
Beobachtungen: Der Motor fällt beim Gaswegnehmen nicht in den Leerlauf zurück, sondern läuft noch eine ganze Weile mit erhöhter Drehzahl, um erst dann langsam auf Leerlaufdrehzahl zurückzugehen.
Durch kurzes Ziehen des Choke geht der Motor auf normale Leerlaufdrehzahl zurück. Lässt man bei eingelegtem Gang die Kupplung leicht kommen, ohne Gas zu geben, fällt der Motor ebenfalls auf Leerlaufdrehzahl zurück.
Diagnose: Ist der Vergaser genügend warm, wird von oben her am verschlissenen Gasschieber vorbei Falschluft in den Ansaugstrom gesaugt, ohne Kraftstoff aus dem Düsenstock mitnehmen zu können. Die zusätzliche Luft magert das Gemisch ab. Dadurch erhöht sich die Drehzahl. Ursache ist ein verschlissener Vergaserschieber.
Abhilfe 1: Eine neue Druckfeder einbauen, die den Gasschieber zuverlässig nach unten drückt.
Abhilfe 2: Den Gasschieber erneuern. Erforderlichenfalls das Vergasergehäuse ausbuchsen auf Originalmaß. Alternative: Das Gehäuse ausdrehen und einen Übermaßschieber verwenden.
Eine weitere Ursache des Phänomens können hängenbleibende Fliehgewichte des Zündverstellers sein.
Nicht selten erlahmen die Rückzugfedern für die Fliehgewichte, so dass der Fliehkraftzündversteller (lesen Sie hierzu das ihm gewidmete Kapitel 3.2.11) bereits bei zu niedriger Drehzahl nach früh verstellt. Oder die Federn sind zwar nicht erlahmt, aber irgendein Künstler hat daran herumgepfuscht und ihre Vorspannung verringert. Jede Feder hat eine einstellbare, mit Schraubensicherungslack versehene Aufhängelasche, von der unberufene Finger fernzuhalten sind.
Oder zwischen der Nocke des Fliehkraftreglers und seiner Nabe hat sich Rost gebildet und / oder es mangelt dort an Schmierfett, so dass die Nocke sich auf der Nabe zu schwergängig dreht und beim Gaswegnehmen nicht ungehindert an ihren Spätanschlag zurückfedern kann. In allen drei Fällen ist die Folge, dass ein zu früher Zündzeitpunkt zur Drehzahlerhöhung bzw. zum verzögerten Abfallen der Drehzahl führt.
Die Sollwerte des Zündzeitpunkts über der Drehzahl sind:
Grundeinstellung 7° vor OT bei Drehzahl Null bis 1700 U/min.
Von dort Verstellung nach früh um
4 bis 6° bei 1700 bis 2200 U/min,
14 bis 16° bei 2300 bis 2700 U/min,
24 bis 26° bei 3000 bis 3400 U/min,
33 bis 36° = gesamte Frühzündungsverstellung bei 4000 U/min und darüber.
Der Zündzeitpunkt im Frühanschlag soll also zwischen 33°+7° = 40° und 36°+7° = 43° vor OT liegen.
Wenn die Stroboskoplampe zum Anblitzen der Zündmarkierung eine Schließwinkelanzeige hat, stellt man den Kontaktabstand so ein, dass der Schließwinkel 200° = 55% beträgt.
Einen verfrühten Zündzeitpunkt beantwortet der Motor mit Drehzahlerhöhung. Daher Abhilfe 3: Die Nocke des Fliehkraftreglers abnehmen (hierzu den Sprengring entfernen), reinigen, auf Leichtgängigkeit prüfen und den Innendurchmesser der Nocke mit Wälzlagerfett (z.B. Bosch-Fett Ft1v26) neu schmieren. Die äußere Lauffläche der Nocke dünn mit Heißlagerfett (z.B. Bosch-Fett Ft1v4) bestreichen.
Was bewirkt die Leerlaufgemischregulierschraube, wie ist ihre Funktion?
Die Leerlaufgemischregulierschraube beeinflusst den Luftanteil im Kraftstoff-Luftgemisch für den unteren Drehzahlbereich. Herausdrehen der Schraube bewirkt einen höheren Luftanteil, das Gemisch wird dadurch magerer, also kraftstoffärmer. Hineindrehen bewirkt einen geringeren Luftanteil, das Gemisch wird fetter, kraftstoffreicher.
Wie stelle ich das Leerlaufgemisch ein?
Die optimale Gemischzusammensetzung beim Einstellen der Leerlaufgemischregulierschraube ist gefunden, wenn der betriebswarme Motor nicht mehr schneller wird.
Nehmen wir an, Hauptdüse und Leerlaufdüse haben die richtigen Größen. Die Düsennadel gehört zur Grundeinstellung in die zweite Stellung von unten (selten und nur ausnahmsweise in die dritte), die federnde Spange ist also in die zweite Kerbe von oben zu klipsen. Die Federspange sitzt oft nicht besonders fest, so dass die Nadel durchaus seitlich wackeln kann. Sie wird ja unten in der Nadeldüse geführt. Die Federspange muss die Nadel also nur auf der richtigen Höhe halten. Die Nadel soll aber nicht in Auf- und Ab-Richtung wackeln. Tut sie das dennoch, erneuern Sie sowohl die Nadel als auch die Federspange.
Die Leerlaufgemischregulierschraube zur Grundeinstellung zunächst ganz hineinschrauben, sehr sacht, mit viel Gefühl. Nicht zu stark anziehen, damit keine Riefe in den Konus an der Spitze gedrückt wird. Dann eine Umdrehung herausschrauben und in dieser Stellung kontern. Dies ist nur eine provisorische Grundeinstellung, mit welcher der Motor anspringen und laufen sollte, wenn auch vielleicht etwas humpelig.
Die Schieberanschlagschraube (die mit der starken Druckfeder) so weit hineinschrauben, dass der Gasschieber gerade eben sichtbar von seinem unteren Anschlag angehoben wird, mehr nicht. Um dies sehen zu können, muss der Gummikrümmerschlauch, der zum Luftfilter führt, vom Vergaser entfernt sein.
Den Gummikrümmer wieder anbauen, dann den Motor starten und warmfahren. Falls der warme Motor zu langsam läuft, die Schieberanschlagschraube etwas weiter hineindrehen. Ist die Leerlaufdrehzahl normal, durch langsames Hin- und Herdrehen der Leerlaufgemischregulierschraube probieren, ob der Motor schneller wird.
Wird er schneller, die Schraube in dieser Stellung lassen und die Drehzahl durch geringfügiges Herausschrauben der Schieberanschlagschraube auf Normalniveau absenken. Erneut an der Leerlaufgemischregulierschraube langsam hin- und herdrehen, jeweils etwa eine viertel bis eine halbe Umdrehung nach rechts und nach links. Immer ein paar Sekunden abwarten, damit der Motor Zeit hat, auf die geänderte Gemischzusammensetzung zu reagieren. Er antwortet mit Drehzahländerungen und entweder rundem oder unrundem Lauf. Die optimale Stellung ist gefunden, wenn der Motor nicht mehr schneller wird und rund, also gleichmäßig läuft, ohne Aussetzer.
Zusammenfassend: Zu hohe oder zu niedrige Drehzahl immer an der Schieberanschlagschraube korrigieren. Die Leerlaufgemischregulierschraube nur zum Suchen der Stellung verwenden, bei der der Motor seine Drehzahl nicht mehr erhöht und rund läuft. Die so gefundene Einstellung ist die mit der günstigsten Gemischzusammensetzung, also günstigstem Verhältnis von Kraftstoffanteil zu Luftanteil.
Zu mageres Gemisch beantworten die meisten Motoren (insbesondere Zweitakter) mit kraftlosem Hochdrehen, was man bestätigt finden kann, wenn ein im Leerlauf vor sich hintuckernder Motor bei versehentlich geschlossenem Benzinhahn noch mal kurz schneller wird, bevor er stehenbleibt, weil dann akuter Kraftstoffmangel, also sehr mageres Gemisch vorliegt. Als Eintrittsort für Nebenluft ist auch die Verbindungsstelle zwischen Vergaser und Alu-Krümmer verdächtig, weil mitunter der Vergaserflansch verzogen ist. Zwischen Vergaser und Alukrümmer gehört eine Dichtung aus dünnem, gesicktem Weichaluminiumblech.
Hat der Gasschieber infolge Verschleiß nennenswertes Spiel im Vergasergehäuse, kann bei genügend warmem Vergaser von oben her Falschluft am Gasschieber vorbei in den Ansaugstrom gesaugt werden. Dieser Luftanteil nimmt keinen Kraftstoff aus dem Düsenstock mit. Dadurch erhöht sich die Drehzahl. Es wirkt wie Kraftstoffmangel, ist aber Luftüberschuss. In einem solchen Fall leisten Sie sich einen neuen Gasschieber.
Was kann ich tun, wenn der Vergaserflansch nicht mehr gerade ist?
Prüfen Sie mit einem Haarlineal oder notfalls mit der Kante eines geraden Stückes Flachstahl, ob der Flansch des Vergasers plan ist und ob die Verbindung zum Alukrümmer dicht ist. Sie können auch bei laufendem Motor eine geringe Menge Start-Pilot oder Bremsenreiniger auf den Flansch sprühen: Wenn der Motor dadurch schneller wird, ist der Flansch undicht.
Sollte sich der Vergaserflansch als krumm erweisen, was nicht selten vorkommt, schleifen Sie ihn auf einem Bogen Schmirgelleinen plan, das Sie auf eine ebene Stahlplatte oder notfalls auf eine Glasplatte legen. Die Unterlage muss gut eben sein. Beim Schleifen genügend fest andrücken. Dabei konzentriert arbeiten, nicht wackeln, nicht kippeln, so dass die Flanschfläche eben wird. Zwischendurch immer wieder kontrollieren, ob noch dunkle Stellen an der Flanschfläche zu sehen sind. Wo die Fläche dunkel ist, muss noch Material abgetragen werden.
Nach dem Schleifen, wenn die Fläche durchgehend hell ist, alles sorgfältig von Schleifstaub reinigen. In das Vergaserinnere darf kein Schleifstaub gelangen, darum zweckmäßig vorher das Vergasergehäuse mit einem Lappen ausstopfen.
Kraftstoffniveau
Im Vergaser-Sonderheft des Isetta-Clubs wird ein Kraftstoffspiegel von etwa 2 bis 3 mm unter den Düsenmündungen genannt. Ist das Bezugsmaß die Oberkante oder die Unterkante der Düsenmündung?
Gemeint ist: 2 bis 3 mm unter der Oberkante der Düse.
Gibt es eine Niveauangabe von der Oberseite der Schwimmerkammer?
In den Unterlagen von BMW oder Bing gibt es dazu keine Zahl. Wenn Sie bei intaktem Schwimmer und einwandfrei dichtender Nadel den Abstand des Kraftstoffniveaus von der Oberkante messen, finden Sie etwa 18 mm, wie das Bild es zeigt. Ganz links an der Innenwand der Schwimmerkammer auf der Seite, wo rechts daneben „7 Gr.“ auf dem Schwimmer steht, befindet sich ein Überlaufloch. Dort hindurch läuft der Sprit ins Freie, falls die Schwimmernadel den Zulauf nicht mehr richtig absperren kann und der Pegel zu hoch steigt. Das geschieht, sobald ein aus dem Tank stammender Schmutz- oder Rostkrümel bis zum Nadelventil geschwemmt worden ist. Um dem vorzubeugen, leisten Sie sich einen an der Schwimmerkammer angebauten Filter mit Schauglas. Bauen Sie keinen Billigfilter in den Zulaufschlauch ein, denn infolge des geringen Gefälles zwischen Tank und Vergaser behindern solche Filter häufig den Kraftstoffzulauf.
Soviel zum Vergaser. Damit das in ihm aufbereitete Gemisch aus wenig Benzin und viel Luft ordentliche Arbeit im Zylinder leisten kann, sind perfekt dicht schließende Ventile unabdingbar. Worauf bei der Erneuerung von Ventilen und Ventilführungen zu achten ist und wie Ventilsitze fluch(t)end zur Ventilführung bearbeitet werden, schauen wir uns jetzt an.
1 https://de.wikipedia.org/wiki/Zinkpest
2 Bei Zinkdruckgussvergasern aus den 1940er Jahren ist sie dagegen relativ häufig zu finden.
3 Damit ist der halbe Innendurchmesser des Rohres gemeint.
4 Die Verhältnisse turbulenter Strömungen werden u. a. mit den Gleichungen von Blasius, Nikuradse und Prandtl-Colebrook beschrieben.
5 Bei der Justage von Düsenmessdornen zur pneumatischen Längenmessung an eng tolerierten Werkstücken verfährt man ähnlich. Da wird nicht die Düsenbohrung aufgerieben, sondern die Fase vergrößert.
Sitzen sie gut?
Wat is e Ventil? Da stelle mer uns wieder janz dumm.
E Ventil is, wo wat erein jeht, aber sein Lebjottstag nix erauskömmt.
Du, wat schreibs du da? Zeich dat emal her!
Professor Bömmel in Heinrich Spoerls Feuerzangenbowle, 1933
Im Wettbewerb der höchstbelasteten Motorenteile unserer luftgekühlten BMW-Kleinwagen streiten sich Auslassventil und Kolbenbolzen um den ersten Platz. Da mehr Auslassventile versagen als Kolbenbolzen, ist das Rennen klar entschieden.
Sitzen sie gut? Nein, nicht Sie persönlich, sondern die Ventile in Ihrem Isettamotor. Die müssen bei jedem Schließen auf ihren Sitzen richtig Platz nehmen, wenn die Freude am Fahren nicht plötzlich mit einem garstigen Geräusch zu Ende gehen soll. Falls doch einmal ein Ventil abreißt, ist nach dem ersten Schreck eine fachgerechte Instandsetzung des Zylinderkopfes angesagt – wenn er denn nach einem derart fatalen Ereignis noch zu retten ist. Auch bei einer aus weniger zwingendem Grund fälligen Motorrevision ist es ratsam, dem Zylinderkopf und hier speziell den Ventilführungen wie auch den Ventilsitzen Aufmerksamkeit zu widmen.
Die Ventile haben in unseren kleinen Viertaktern allerhand auszuhalten. Einige tausendmal pro Minute werden sie von starken Federn auf ihren Sitz gepresst, ebenso schnell wieder geöffnet. Sind sie offen, strömt Gas um ihre Ventilteller herum. Dem Einlassventil geht es gut dabei, es wird vom Frischgas gut gekühlt. Das Auslassventil aber wird vom soeben verbrannten Gas hochgeheizt und hat kaum Gelegenheit, diese Wärme wieder loszuwerden. Nur während es geschlossen ist, kann es Hitze an den Ventilsitz und damit an den Zylinderkopf abgeben. Nur wenig Wärme führt es durch die Ventilführung ab. Bei forscher Fahrt kommt es gar in Rotglut, was man sich nur ungern vorstellen mag. Bild: Dubbel, Taschenbuch für den Maschinenbau
Ohne Chemie oder Metallurgie lernen zu müssen, sagt einem der Hausverstand, dass Metalle sich oxidieren lassen und dass Wärme die Geschwindigkeit solcher Oxidation erhöht. Daran hat nicht mehr den geringsten Zweifel, wer nach einer Fahrt über eine gesalzene Winterstraße sein Fahrzeug ungewaschen in eine beheizte Garage stellte und dort ein paar Tage sich selbst überließ.
Auslassventile müssen also beständig gegen Hochtemperaturkorrosion sein. Sie dürfen sich nicht von unfreundlichen Chemikalien (Wasserdampf als Verbrennungsprodukt, schweflige Säure aus Spuren von Schwefel im Kraftstoff) chemisch zernagen lassen. Der Werkstoff von Auslassventilen muss außerdem warmfest sein, er darf bei Ventiltemperaturen von über 700 °C seine Festigkeit nicht verlieren.
Der Dichtkegel ist häufig mit einer besonders widerstandsfähigen Legierung gepanzert. Aus diesen Eigenschaften erklärt sich der höhere Preis von Auslassventilen.
Ein lange gelaufenes Auslassventil zeigt an der ringförmigen Berührfläche seines Dichtkegels oft schwarze Flecken. Diese Flecken liegen vertieft; hier ist augenscheinlich Metall vom Ventilkegel abhanden gekommen. Wo ist es hin? Offenbar doch punktuell in hoher Hitze wegkorrodiert. Der Ventilsitz in einem längere Zeit benutzten Zylinderkopf sieht ähnlich aus: Fleckig, oft zu breit und zu tief, vom Ventil regelrecht eingehämmert. Es leuchtet ein, dass ein derart in seinen Sitz einsinkendes Ventil sich selber das überlebensnotwendige Spiel nimmt. Denn genau so weit, wie der Ventilkegel nach und nach in seinen Sitz einsinkt, so weit nähert sich auch das Ende des Ventilschaftes dem Kipphebel, bis dort kein Spiel mehr übrigbleibt.
Zu enges Ventilspiel führt dazu, dass das Ventil nicht mehr satt auf seinem Sitz aufliegen kann. Es schließt nicht mehr dicht, die heißen Abgase pfeifen an ihm vorbei, es wird seine Wärme nicht mehr los und der Ventilteller verbrennt an seinem kegeligen Rand. Verbrennen ist wörtlich zu nehmen: Metall vom Tellerrand schmilzt und dampft ab. Oder vornehmer: Ventilpartikeln verlassen den Verbrennungsraum durch den Auslasskanal. Der Ventilkegel stirbt den Wärmetod.
Der Hobbyschrauber, der das verendete Ventil nun betrübt aus dem Zylinderkopf zieht, wird nicht nur bereuen, das Ventilspiel nicht rechtzeitig kontrolliert zu haben. Zumeist wird er auch feststellen, dass der Ventilschaft in seiner Führung verdächtig wackelt. Auffällig ist dabei, dass die Ventilführung in Längsrichtung des Zylinderkopfes deutlich stärker verschleißt als in Querrichtung. Die Führungsbohrung wird geradezu oval. Wie kommt das?
Der Kipphebel selbst ist die wesentliche Ursache dieses ungleichmäßigen Verschleißes. Das Ventil bewegt sich geradlinig in seiner Führung, während der Kipphebel nicht anders kann, als sich auf einem Kreisbogen zu bewegen. Diese beiden Bewegungen sind eigentlich nicht miteinander verträglich. Damit sie es doch werden, wandert der Berührpunkt zwischen Kipphebel und Ventil während des Öffnens und Schließens auf dem Ende des Ventilschafts hin und her. Weil die Kraft der Ventilfeder beide Teile energisch aufeinanderdrückt, entsteht durch den auf dem Ende des Ventilschafts hin- und herreibenden Kipphebel eine Kraft, die den Ventilschaft seitlich hin- und herdrückt und mit der Zeit die Führung oval ausleiern lässt.
Bei hohen Drehzahlen spielt auch die Massenträgheit des abwechselnd beschleunigten und wieder verzögerten Ventils eine Rolle. Je höher die Drehzahl ist, desto größer wird die Trägheitskraft im Ventiltrieb und damit auch die vom reibenden Kipphebel herrührende Querkraft. Das in einer oval ausgenudelten Führung nicht mehr exakt geführte Ventil ist am Übergang vom Schaft zum Teller einer ständig wiederkehrenden Biegebeanspruchung ausgesetzt, sooft sein Dichtkegel auf dem Sitz aufschlägt. Genügend häufiges Hin- und Herbiegen führt zum Bruch, auch das sagt einem die Alltagserfahrung. Kaufleute können das an einer Büroklammer nachprüfen.
Bild: Carl Hertweck, Besser machen
Wurde ein Ventilsitz mehrfach nachgearbeitet, kommt der Ventilschaft dem Kipphebel derart weit entgegen, dass die Bewegungsverhältnisse noch ungünstiger werden und das Gewinde der Stellschraube mitunter zu kurz wird, um das notwendige Ventilspiel einzustellen.
Im Vergleich zu den BMW-Motorradmotoren kommt beim Isettamotor erschwerend hinzu, dass sein Zylinderkopf von der kalten Einlaßseite her angeblasen wird und die heiße Auslaßseite, die Kühlluft viel nötiger hätte, im Windschatten liegt. Jagt ein Rüpel seine Isetta mit Bleifuß durch die Sommerhitze, kommt es zu ungesund hohen Zylinderkopftemperaturen, so dass der sowieso nur sehr sparsame Schmierfilm in der heißen Auslassventilführung zu Tode verkokt. Dem Metallabrieb ist das sehr förderlich. Fühlbares Wackelspiel ist unter solchen Betriebsbedingungen schnell beisammen6. Tückischerweise führt großes Spiel des Ventilschafts in der Ventilführung viel häufiger zum Abreißen des Ventiltellers als etwa überhöhte Drehzahlen7.
Ist also die Auslassventilführung schon verschlissen und wird obendrein das Gaspedal bis in die Tür gelatscht, kann es nicht überraschen, wenn BMW-Isetten mangelnde Disziplin ihrer Fahrer mit einem abreißenden Auslassventil vergelten. Das gilt in ähnlicher, gemilderter Form auch für die zeitgenössischen BMW-Motorradmotoren. Die haben es leichter, weil sie besser gekühlt werden und nicht so häufig am Leistungslimit schuften müssen. Trotzdem kommen auch dort bemerkenswerte Schäden vor, mitunter nur teilweise abgerissene Ventilteller, bei denen ein Drittel fehlt und zwei Drittel noch da sind; so erlebt an einer BMW R 67/2. Ein schwacher Trost, denn Kolbenboden und Zylinderkopf werden auch dann übel mitgenommen
Wir müssen es nicht so weit kommen lassen, dass ein Ventil abreißt. Regelmäßige Ventilspielkontrolle, gutes Öl, keine zu hohe Belastung bei kaltem Motor und die Vermeidung hoher Dauerdrehzahlen reichen schon aus, damit die Ventile und die ebenso drehzahlempfindlichen Hartguss-Stößel lange leben. Nützlich ist es auch, wenn der Motor seine Kühlluft durch die Schlitze im Motordeckel ansaugt und nicht im heißen Sommer immer wieder seinen eigenen Mief durchquirlen muss. Das Gummiformteil zwischen dem Exzenterblech auf dem Motorkühlgebläse und dem geschlitzten Motordeckel sollte deshalb vorhanden und dicht sein.
Wenn wir einen Isettamotor richtig instandsetzen wollen, müssen wir uns sowieso um den Zylinderkopf kümmern, egal ob sich da oben günstigstenfalls erst Unheil ankündigt oder ob wir Ventile, Führungen und Sitze schon in jämmerlichem Zustand vorfinden. Mir ist bisher kein einziger luftgekühlter (gebrauchter, längere Zeit gelaufener) BMW-Zylinderkopf aus den fünfziger Jahren begegnet, den man guten Gewissens hätte "einfach so lassen" können.
Die Einlassventile waren meist dick mit Ölkohle verkrustet, die Auslassventile von einer hartnäckigen Schicht festgebrannter Verbrennungsrückstände belegt, die Führungen mehr oder weniger verschlissen, insbesondere bei Isettaköpfen. Ein solcher Motor mit ausgelutschten Ventilführungen neigt zum Ölverbrennen und zum Blaurauchen, hat er doch an den Enden der Ventilführungen keine Abstreifringe.
Ventile und Führungen gibt es in guter Qualität neu zu kaufen, somit sind faule Kompromisse und Sparbrötchenbehelfe wie das Nachschleifen gebrauchter Ventile auf der berühmten Ventilkegelschleifmaschine fehl am Platz.
In alten Selbermachbüchern ist oft vom Einschleifen der Ventile die Rede. Man gewinnt dabei den Eindruck, das Kopfabreißen mit rituellem Ventileinschleifen alle 30.000 bis 35.000 km habe früher unter Schraubern, die etwas auf sich hielten, zum guten Ton gehört. Ganz sorgfältige Leute stifteten nach dieser Kilometerleistung vorbeugend sogar neue Ventile und neue Führungen.8
Eigentlich ist das vielzitierte Ventileinschleifen ein Läppvorgang, weil mit losem Schleifkorn gearbeitet wird. Zwischen dem Ventilkegel und dem Ventilsitz im Zylinderkopf wird Schleifpaste aufgetragen. Dann wird das Ventil auf seinem Sitz hin und her gedreht, immer abwechselnd rechtsherum und linksherum, zwischendurch das Ventil lupfend, damit die Schleifpaste auf den Dichtkegel rinnen kann. Regelmäßiges Draufspucken zum Verflüssigen der Schleifpaste gilt als probates Mittel; vielleicht kann auch ein rhythmisch gemurmelter Merseburger Zauberspruch zum guten Gelingen des Schliffs beitragen. Das Ventil selbst ist das Werkzeug, natürlich nutzt es sich dabei ab. Und dies auch dann, wenn es nagelneu ist.
Kein vernünftiger Mensch kann die tadellos geschliffene Dichtfläche eines soeben neu gekauften Ventils auf diese Weise missbrauchen wollen. Die Einschleifmethode ist also definitiv nicht das Richtige, wenn wir neue Ventile spendieren. Und das wollen wir ja, dazu sollen auch neue Führungen in den Kopf eingesetzt werden.
Ein lange gelaufener Ventilsitz ist gewöhnlich durch Verschleiß viel zu breit geworden, er kann durch Einschleifen nicht schmaler gemacht werden. Dazu muss er freigefräst oder freigedreht werden.
In Werkzeugläden und auf Veteranenteilemärkten gibt es professionell ausschauende, feinverzahnte Ventilsitzfräser aus HSS9 zu kaufen, die sich dadurch auszeichnen, dass sie nicht richtig schneiden, besonders nicht längere Zeit gelaufene Ventilsitze. Diese weisen meist eine ziemlich harte Schicht am Dichtkegel auf, die erst einmal abgetragen werden will. Bestenfalls rutscht ein solcher Vielzahnfräser über den Ventilsitz und schält kaum ein Spänchen ab, selbst wenn man wie ein Ochse draufdrückt und auf dem Fräser der Name eines renommierten Herstellers prangt.
Die dabei erzeugten Rattermarken darf der hoffnungsvolle Hobbyschrauber dann wieder mit einiger Mühe durch fortgesetztes Ventileinschleifen einebnen. Und dabei hatte er doch den nicht einmal billigen Ventilsitzfräser gekauft in der Hoffnung, damit auf das lästige und fragwürdige Ventileinschleifen verzichten zu können …
Ein hartmetallbestückter Ventilsitzfräser mit einer ungleichmäßigen Zahnteilung soll besser schneiden und weniger rattern. Das habe ich noch nicht ausprobiert, und zwar deshalb nicht, weil die guten Erfahrungen mit dem Ventilsitzdrehgerät der Firma Hunger jeden Wunsch nach weiteren Versuchen mit mehrschneidigen Fräsern im Keim erstickt haben. Das Hunger-Ventilsitzdrehgerät fräst den Ventilsitz nicht, sondern es dreht ihn, wie sein Name schon andeutet. Das Werkzeug verfügt nicht über viele Schneiden wie ein Fräser, sondern nur über eine einzige.
Das eigentliche Schneidwerkzeug, das den Ventilsitz spanabhebend bearbeitet, ist ein hartmetallbestückter Drehmeißel. Beim Hunger-Ventilsitzdrehgerät handelt es sich um ein ausgereiftes und immer wieder verfeinertes Werkzeug, das in seiner seither nur wenig veränderten Grundform bereits vor über 60 Jahren im Zylinderkopfkapitel der Isetta-Reparaturanleitung zu sehen war.
Wie kann man drehen ohne Drehmaschine? Mit einer Handkurbel. Es ist tatsächlich ein Drehvorgang, nur mit vertauschten Rollen. Der Zylinderkopf steht still, der Drehmeißel bewegt sich auf einer Kreisbahn. Fände das auf einer Fräsmaschine oder auf einem Bohrwerk statt, würde man es ausspindeln nennen. Die Relativbewegung zwischen Werkstück und Werkzeug bleibt dieselbe wie beim konventionellen Drehen auf der Drehmaschine.
Da war aber doch noch etwas nötig beim Drehen? Genau, der Vorschub, also ein allmähliches Weiterwandern des Drehmeißels entlang der Bearbeitungsfläche. Dazu hat die handbediente Drehbank ihren Support mit den beiden Handkurbeln, eine für längs, eine für quer.
Wie bringt das Hunger-Gerät das Kunststück fertig, den Drehmeißel ganz langsam entlang der Dichtschräge des Ventilsitzes, also unter 45° zur Ventilführung zu bewegen? Auch das Werkzeug von Hunger verfügt über einen Support, also einen spielfrei geführten Schlitten, der unter 45° verfährt und auf dem der Drehmeißel festgespannt ist. Die gute Idee der Konstrukteure (sie waren ebenso wie die BMW-Leute Münchner, mia san mia!) lag darin, die kreisförmige Schnittbewegung wie auch die geradlinige Vorschubbewegung von einem einzigen Antrieb abzuzweigen. Dieser Antrieb kommt ganz einfach von der Handkurbel.
Der Ventilsitz muss zur Ventilführung genau fluchten. Weder darf seine Mitte gegenüber der Führungsmitte versetzt sein, noch darf seine Achse zur Führung schief stehen. Jede Lageabweichung verursacht neben gestörtem Wärmeübergang und hohem Verschleiß von Ventilschaft und Ventilführung u.a. progressiv wachsende Ablagerungen und vermehrten Ölverbrauch.10