Kosmos
Umschlagillustration von Silvia Christoph, Berlin
Umschlaggestaltung von eStudio Calamar, Girona, auf der Grundlage
der Gestaltung von Aiga Rasch (9. Juli 1941 - 24. Dezember 2009)
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© 2007, 2008, 2011 Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart
Alle Rechte vorbehalten.
Mit freundlicher Genehmigung der Universität Michigan
Based on Characters by Rober Arthur.
ISBN 978-3-440-12869-5
Satz: DOPPELPUNKT, Stuttgart
eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
Peter zuckte zusammen und zog instinktiv den Kopf ein. Ein Geräusch wie ein Pistolenschuss war über den Strand gehallt.
»Gesundheit!«
Während sich Peter verwirrt umdrehte, nieste Justus ein zweites Mal.
»Geld!«, wünschte ihm Bob und grinste.
Der Erste Detektiv erwiderte nichts. Stattdessen blieb er stehen und hielt die Hand vors Gesicht. Für einen Moment stand er da wie versteinert. Dann hob er langsam das Kinn, seine Augen wurden kleiner, fingen an zu tränen, und er sog stoßweise die Luft ein. Gebannt beobachteten ihn Peter und Bob. Gleich, gleich musste es passieren. Justus hielt noch einmal inne, machte den Mund auf, nahm den Kopf zurück und ...
Nichts geschah. Ungläubig sah Justus seine Freunde an. Er wartete noch einen Augenblick, dann senkte er den Kopf und entspannte sich langsam. Aber in der nächsten Sekunde riss ihn ein heftiges Niesen förmlich auseinander.
»Liebe!«, rief Bob lachend, und auch Peter gluckste vergnügt.
»Mannomann!« Justus taumelte. »Wo hast du denn den Spruch her?«, krächzte er und wischte sich mit dem Ärmel über die triefende Nase.
»Gesundheit, Geld, Liebe? Sagt man so in Südamerika, hab ich irgendwo gelesen.«
»Da wäre ich jetzt nur allzu gerne.« Justus schüttelte schniefend den Kopf und räusperte sich lautstark. »Hier hole ich mir noch den Tod. Ich spür´s schon überall kribbeln. Meine Güte!«
Peter sah zerknirscht drein. »Tut mir ja auch leid, dass ich euch bei diesem Mistwetter hier rausgehetzt habe. Aber alleine würde ich meinen Autoschlüssel in hundert Jahren nicht finden.«
Justus sah immer noch reichlich mitgenommen aus und kämpfte mit Rotz und Tränen. »Du hättest wenigstens so rücksichtsvoll sein können, ihn nicht dann zu verlieren, wenn am nächsten Tag so ein Weltuntergangswetter herrscht.«
Peter erwiderte nichts und zuckte bekümmert mit den Schultern. Er hatte wirklich ein schlechtes Gewissen.
Zumal es nur seiner Dämlichkeit zu verdanken war, dass sie bei diesem scheußlichen Wetter draußen herumliefen. Vor lauter Surfen hatte er gestern Nachmittag die Zeit vergessen. Bis ihm siedend heiß eingefallen war, dass Kelly an Luigis Eisdiele auf ihn wartete. In Windeseile hatte er daraufhin sein Zeug in die Sporttasche gestopft und war über den Strand Richtung Fahrrad gehetzt. Und dabei musste es irgendwann und irgendwie passiert sein: Er hatte seinen Schlüssel liegen lassen, er war ihm aus der Tasche gefallen, aus der Hose gerutscht, was auch immer. Jedenfalls war er weg. Der Hausschlüssel und sein Autoschlüssel. Für die er keinen Ersatz hatte. Und da er seinen Fahrradschlüssel an einem anderen Anhänger trug, hatte er den Verlust auch erst spät abends gemerkt, als er seine schlafenden Eltern hatte rausklingeln müssen.
In der Nacht war dann das Wetter umgeschlagen. Auf einen strahlend schönen, heißen Sommertag war ein Tag gefolgt, der einen ersten Vorgeschmack auf den nahenden Herbst bot. Nass, grau, windig.
Und hier am Strand war alles noch viel trister. Prall gefüllte Regenwolken jagten über den niedrigen Himmel, und draußen auf dem Meer türmten sich meterhoch die Wellen auf. Eine steife Brise pfiff den drei Jungen um die Ohren und peitschte ihnen eine Mischung aus Gischt und Regen ins Gesicht. Dazu war es empfindlich kalt geworden. ›Saukalt‹, dachte Peter. Weltuntergangswetter eben.
Doch alleine hätte der Zweite Detektiv tatsächlich sehr schlechte Karten gehabt, seinen Schlüssel auf diesem Strand jemals wiederzufinden. Die Chancen standen ohnehin denkbar schlecht. Als würde man die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen suchen. Daher hatte er heute Morgen seine Freunde kleinlaut gebeten, ihm zu helfen. Er würde sie dafür auch auf ein großes Eis bei Luigi einladen.
Justus und Bob waren in Anbetracht des Wetters nicht wirklich begeistert gewesen von der Unternehmung. Zumal ihnen bei dieser Kälte sowieso nicht nach Eis war.
Aber natürlich konnten sie Peter nicht im Stich lassen. Nach der Schule waren sie daher mit Bobs Käfer zum Strand gefahren, wobei Peter am Steuer gesessen hatte. Bob hatte sich beim Tennisspielen die Hand verstaucht. Doch auch nach über einer halben Stunde hatten sie außer ein bisschen Müll und einem alten Turnschuh nichts gefunden. Und nicht nur Justus kroch die Kälte mittlerweile in alle Knochen.
»Kollegen, wenn wir das Ding nicht bald finden, muss ich die Segel streichen«, erklärte der Erste Detektiv. »So leid es mir tut, aber ich kann es mir im Moment einfach nicht leisten, krank zu werden.«
»Wegen der ganzen Klausuren, die anstehen?«, riet Bob.
Justus hustete sich ein Kratzen aus dem Hals. »Genau.«
»Nur noch fünf Minuten, ja?«, bat Peter. Ohne den Schlüssel war er aufgeschmissen. Vor allem der Nachschlüssel für den MG würde ihn enorm viel Zeit, Unannehmlichkeiten und Geld kosten.
»Hm.« Justus stapfte missmutig weiter.
Außer ihnen war natürlich niemand am Strand. Nicht einmal Möwen ließen sich blicken. Und aufs Meer wagte sich selbstverständlich auch keiner. Nur ganz weit draußen konnte man ein großes Containerschiff vermuten, doch das konnte auch eine optische Täuschung sein.
Peter suchte vor allem den Teil des Strandes ab, an dem er gestern gelegen hatte. Wobei er nur noch ungefähr wusste, wo das gewesen sein könnte. Er schob vorsichtig den nassen Sand zur Seite, um den Schlüssel nicht zu begraben, achtete auf jedes fahle Blinken und robbte schließlich auch auf den Knien durch den Sand. Doch da war nichts.
Justus nahm sich die Strecke vor, die Peter ungefähr zum Fahrrad zurückgelegt hatte. Aber er hatte schon mit mehr Eifer nach Dingen gesucht und außerdem sah er nicht mehr so viel, seitdem ihm ständig die Augen tränten und die Nase lief. Übellaunig starrte er in den Sand, schniefte, hustete und fror.
Bob kämmte nach dem Zufallsprinzip den Rest des Strandes durch. Vielleicht hatte jemand den Schlüssel aus Versehen irgendwohin gekickt? Vielleicht hatte ihn die Flut eingegraben? Oder ein Kind hatte damit seine Sandburg geschmückt?
»Habt ihr was?«, rief Peter und versuchte, zuversichtlich zu klingen.
»Hunger«, knurrte Justus.
»Kalte Füße.« Auch Bobs Laune wurde nicht etwa besser.
Peter lächelte geknickt. Warum war er nur so dämlich gewesen!
Nach fünf weiteren ergebnislosen Minuten und dreimaligem heftigen Niesen hatte Justus genug. »Kollegen, das war´s! Lasst uns zurück zum Auto gehen. Den Schlüssel finden wir nie im Leben.«
»Sehe ich auch so. Wenn unser Metallsuchgerät nicht kaputt wäre, hätten wir vielleicht eine Chance gehabt. Aber so.« Bob hob bedauernd die Hände und ging zu Justus hinüber. »Das Teil ist weg, Peter, gib´s auf.«
Der Zweite Detektiv seufzte und ließ die Schultern hängen. Aber er musste einsehen, dass Justus und Bob recht hatten. Und er konnte unmöglich von ihnen verlangen, dass sie sich noch länger hier draußen herumtrieben. Er richtete sich auf, klopfte sich den Sand von der Hose und trottete mit gesenktem Haupt zu seinen Freunden. »Okay, lassen wir´s gut sein.«
»Dann nichts wie ab nach Hause und einen schönen heißen Tee schlürfen.« Justus rieb sich die Hände.
»Und ich lege mich heute Abend in die Badewanne, bis ich Schwimmhäute bekomme«, verkündete Bob.
Peter nickte trübselig. »Und ich schlachte schon mal mein Sparschwein.«
Bob klopfte ihm mit seiner gesunden Hand tröstend auf die Schulter, aber Peter seufzte nur abermals schwer.
Zurück zum Parkplatz liefen die drei Jungen nahe am Wasser entlang. Dort war der Sand nicht so tief. Schweigend kämpften sie gegen den Wind an, der sich allmählich zu einem ausgemachten Sturm auswuchs. Böig blies er ihnen ins Gesicht und zerrte an Haaren und Kleidung. Am Ende des Strandes mussten sie einen großen Felsen umrunden, hinter dem eine Steintreppe hinauf zum Parkplatz führte. Doch plötzlich blieben alle drei stehen.
»Was ist das denn?« Bob bückte sich nach einem durchnässten Stück Holz, das die Wellen an den Strand gespült hatten.
»Eine alte Schiffsplanke vielleicht?«, vermutete Justus.
Bob hob das vollgesogene Brett auf und drehte es in den Händen. »Nein, zu schmal. Sieht eher aus wie eine –« Bob stutzte. »Kollegen, seht mal! Da steht was drauf!«
Justus kam neugierig näher. »Lass mal sehen.« Der Erste Detektiv nahm Bob das Treibgut aus der Hand, drehte sich aus dem Wind und wischte das Wasser von der Holzlatte. Auch Peters Interesse war geweckt. Für den Moment vergaß er seinen Schlüssel und beugte sich ebenfalls über das Brett.
»Hm«, machte Justus. »Ich würde sagen, da hat jemand mit einem Kugelschreiber oder einem Filzstift was draufgekritzelt. Könnte ein ... Gesicht sein.« Er drehte das Brett um 90 Grad. »Oder ein Kopf.«
»Ja, vielleicht, aber sieh doch«, widersprach Peter. »Die Linie geht hier weiter.« Er zeichnete mit dem Finger einen dünnen, verwaschenen Strich nach. »Hier steigt sie wieder an, da sind ein paar Zacken, und da in der Mitte ist eine horizontale Linie mit einem Halbkreis.«
»Und hier links wieder Zacken und Wellen«, sagte Bob.
»Ja ... hm.«
»Was könnte ...«
»... das sein?«
»Vielleicht ein ... eine ...«
»Eine Landschaft!«, erkannte Justus. »Ja! Das könnte sein! Da hat jemand eine Art Landschaft skizziert. Und die Linie mit dem Halbkreis könnte der Horizont und die Sonne sein.«
»Wäre möglich.« Peter war nicht wirklich überzeugt und machte ein skeptisches Gesicht. »Aber warum malt jemand eine Landschaft auf ein Stück Holz? Warum nimmt er dazu kein Papier wie jeder andere auch?«
Justus wendete das Brett. »Keine Ahnung. Vielleicht hat –«
»Da!«, fiel ihm Bob ins Wort und deutete aufgeregt auf die andere Seite des Brettes. »Da steht was geschrieben!«
»Tatsächlich.« Justus ging noch näher an das Brett heran, weil die Schrift stark verblasst und daher kaum zu entziffern war. »Da stehen ... Zahlen ... eine Zwölf, eine Zehn und ... das ist ein Datum!«, rief er aufgeregt. »Das Datum von vorgestern!«
»Echt?« Peter verdrehte den Kopf, um besser lesen zu können.
»Ja, und darunter steht irgendetwas wie Ei.., nein, Hi..., Hils, Hilf–« Justus stockte und las schweigend weiter. »O Gott!«
»Was?«
»Was ist?«
»Da steht: Hilfe! Entführt! Es geht um Leben und T.«
»Leben und ... Tod!«, hauchte Peter.
»Was haltet ihr davon?« Bob nahm Justus das Brett wieder ab und besah es sich von Nahem.
»Ich bin mir nicht ganz sicher«, sagte Justus. »Für einen geschmacklosen Scherz ist die Sache doch ziemlich aufwändig. Zumal der- oder diejenige nicht unbedingt damit rechnen konnte, dass das Brett angetrieben und gefunden wird.«
»Vielleicht waren es Kinder?«, überlegte Peter. »Die haben hier am Strand ›Entführung‹ gespielt, dieses Brett gemalt und es ins Wasser geworfen.«
»Aber warum haben Sie dann bei T aufgehört und nicht auch noch die restlichen zwei Buchstaben geschrieben?«, wandte Justus ein.
»Weil es so dramatischer aussieht?« Peter fand die Antwort selbst dünn.
»Die Skizze würde dagegen durchaus für Kinder sprechen. Sie sieht doch ziemlich unbeholfen aus. Allerdings«, Bob wies mit einer weiten Handbewegung auf den Küstenverlauf um sie herum, »mit der Gegend hier hat sie nicht viel zu tun. Hier sieht es ganz anders aus. Völlig flach und weit und breit nichts, was einem Gesicht oder Kopf gleichen könnte.«
Justus zog ein zerknittertes Taschentuch aus seiner Hosentasche und schnäuzte sich. »Hört zu, Kollegen. Ich würde Folgendes vorschlagen: Lasst uns das Brett mit nach Hause nehmen. Vielleicht erkennen wir auf einer unserer Landkarten irgendwelche Ähnlichkeiten mit dieser Skizze. Sollte dem so sein, hätten wir einen Anhaltspunkt, dem wir nachgehen können. Wenn nicht, müssen wir die ganze Sache noch einmal überdenken. Wobei ich im Augenblick nicht wüsste, wo wir da ansetzen könnten.«
»Denkst du, wir sollten Cotta informieren?«, fragte Peter.
Inspektor Cotta arbeitete beim Police Departement von Rocky Beach. Die drei ??? kannten ihn gut, und zusammen hatten sie schon etliche Fälle gelöst.
Justus schüttelte den Kopf. »Wegen einer merkwürdigen Inschrift auf einem Stück Treibgut? Ich glaube nicht, dass das für Cotta Grund genug ist, Nachforschungen anzustellen. Eher macht er sich über uns lustig oder mault uns an, dass wir ihm seine kostbare Zeit stehlen. Nein, nein. Cotta lassen wir erst einmal aus dem Spiel.«
»Dann machen wir endlich, dass wir von hier verschwinden, bevor wir noch festfrieren.« Bob klemmte sich das Brett unter den Arm und stapfte los. Justus und Peter folgten ihm.
Die drei ??? verließen den Strand, stiegen die Treppe hoch und steuerten auf Bobs Käfer zu. Doch kurz bevor sie ihn erreicht hatten, mussten sie noch einmal innehalten. Völlig verdutzt starrten sie alle drei auf ein verrostetes Hinweisschild, das die hiesigen Bade- und Strandregeln verkündete. Denn an einer losen Schraube des Schildes hing Peters Autoschlüssel.
»Mann! Seht ihr das? Ich fass es nicht!« Peter nahm den Schlüssel ab und hielt ihn wie eine Trophäe in die Höhe. »Ich hab ihn wieder! Leute! Ich hab ihn wieder!«
»Da würde ich meinen Glücksgöttern aber ein paar Kerzen anzünden«, witzelte Bob.
»Eher dem schlauen Finder, der den Schlüssel da hingehängt hat«, korrigierte ihn Justus.
»Wenn ich ihn finde, werde ich ihn von oben bis unten abknutschen!«, versprach Peter, der sichtlich erleichtert war und über das ganze Gesicht strahlte.
»Ich dachte eher an eine Belohnung, keine Folter«, erwiderte Justus lakonisch. Peter schenkte ihm ein fröhliches Grinsen und verbarg den Schlüssel in den Tiefen seiner Jacke.
Auf der Fahrt zurück redete sich Peter die ganze Trübsal von der Seele, die sich seit gestern in ihm aufgestaut hatte. Wie ein Wasserfall plapperte er drauflos, erzählte von Kelly, von seinen Eltern, seinen Plänen für die Herbstferien und tastete immer wieder nach dem Schlüssel, als könnte er es noch gar nicht glauben, dass er ihn wirklich wiederhatte.
Bob hörte lächelnd zu und besah sich ansonsten die vorüberziehende Landschaft, während Justus unentwegt seine Füße bewegte. Sie wollten einfach nicht warm werden.
»Kollegen, lasst uns doch im Winter mal wieder Skifahren gehen, hm? Was haltet ihr davon?« Peter sprühte vor guter Laune.
»Skifahren? Mir ist jetzt schon kalt genug«, sagte Bob.
»Ach was! Wir könnten alle zusammen nach –«
»Halt!«, rief Justus plötzlich von der Rückbank.
»Nicht Skifahren?«
»Bleib stehen, Peter. Schnell!« Justus starrte aus dem Fenster.
Peter stieg auf die Bremse und fuhr an den Straßenrand. »Was ist denn los, Erster? Ist dir schlecht?«
»Nein, Unsinn. Aber seht doch! Schaut euch das an!« Der Erste Detektiv deutete hektisch zum Fenster hinaus.
Bob und Peter blickten in die angegebene Richtung. Erst erkannten sie nicht, was Justus meinte, aber dann wurde es ihnen schlagartig klar.
»Nein!«
»Wahnsinn! Das gibt es doch nicht!«
Justus schaut sich im Fond um. »Bob, wo hast du das Brett?«
»Warte, hier.« Der dritte Detektiv zog das Brett unter dem Beifahrersitz hervor und reichte es Justus nach hinten.
Dem genügte ein Blick darauf. »Das ist es! Eindeutig! Das ist dieser Küstenabschnitt. Die Felsformation dort vorne ist zu charakteristisch, als dass es sich hier um einen bloßen Zufall handeln könnte.«
»Sieht wirklich aus wie ein Kopf«, befand Bob mit einem Blick auf einen großen Felsen. Die Küste war seit einigen Kilometern steiler und zerklüfteter geworden, und dort vor ihnen ragte ein hausgroßer Felsen weit in den grauen Himmel. »Hakennase, hohe Stirn, lange Haare, und der eine Teil sieht fast aus wie eine ... Augenklappe.«
Peter sog die Luft ein. »Pirate´s Point! Das hier ist Pirate´s Point! Ich bin schon ein paarmal mit dem Rad dran vorbeigefahren.«
»Wir sollten uns das näher ansehen, Kollegen. Kommt, lasst uns aussteigen.« Justus spürte keine Kälte mehr, kein Kratzen im Hals, und er ignorierte auch das unheilvolle Kribbeln in seiner Nase. Er witterte einen neuen Fall, und da konnte ihn nichts und niemand aufhalten.
Peter fuhr den Käfer noch weiter auf den Randstreifen, dann stiegen die drei Detektive aus. Der Wind pfiff hier oben noch heftiger, und auch der Regen war stärker geworden. Doch die drei Jungen nahmen diese Widrigkeiten kaum noch wahr.
»Was jetzt?«, fragte Peter.
Justus deutete zum Meer. »Wenn wir die Perspektive auf dem Brett berücksichtigen, dann muss die Skizze von weiter vorne gezeichnet worden sein. Wir müssen näher an die Küste.«
Nicht weit von der Stelle entfernt, an der Peter den Käfer abgestellt hatte, fanden sie einen unbefestigten Feldweg, der Richtung Meer zu führen schien. Die drei ??? nickten sich wortlos zu und bogen in ihn ein.
Geduckt und im Schatten der Felsen huschten sie den Weg entlang. Vor einer Biegung machten sie halt und spähten vorsichtig um die Ecke.
»Ein Haus«, flüsterte Peter.
»Ein großes Haus«, verbesserte Bob.
Tatsächlich sahen sie nur ein schulterhohes Holzgatter, von dem rechts und links ein massiver Bretterzaun abging. Es versperrte die Zufahrt zu einem Anwesen, das undeutlich hinter mächtigen Büschen und den grauen Regenschleiern auszumachen war. Licht brannte nicht, soweit die drei Jungen das beurteilen konnten. Nicht weit hinter der Biegung zweigte ein weiterer Weg ab, der offensichtlich zum Strand hinunterführte.
»Wir sehen uns die Sache erst einmal von unten an«, beschloss Justus. »Da fallen wir hoffentlich weniger auf. Wenn man uns hier oben sieht, müssten wir sofort erklären, was wir hier wollen. Das hier ist sicher ein Privatweg.«
»In Ordnung.«
Die drei Jungen drückten sich um die Ecke herum und pirschten zu der Abzweigung. Erst als die Einfahrt und das Haus außer Sicht waren, richteten sie sich auf. Der notdürftige Weg führte über Schotter und grob behauene Platten in einigen engen Kehren steil bergab und endete nach einer verwitterten Holztreppe an einem steinigen Strand.
»Nach rechts, wir müssen ein Stück nach rechts.« Justus lief voraus.
Zwischen den heranrollenden Wellen und den steilen Küstenklippen blieb nur ein schmaler Streifen Kiesstrand, der übersät war mit Felsbrocken. Die drei ??? liefen hintereinander und hielten sich so nah wie möglich an der Klippe. Doch es war äußerst beschwerlich, über die nassen Steine zu balancieren, und jeder der drei war ein paarmal kurz davor, auszurutschen. Dazu brachen sich immer wieder mächtige Wellen an vorgelagerten Felsen und überschütteten sie mit Schauern eiskalter, salziger Gischt. Irgendwo schrie eine einsame Möwe.