Ein Kriminalroman von Axel Fischer

Alle Rechte vorbehalten

Die Geschichte sowie alle Personen sind frei erfunden.

Jede Ähnlichkeit mit lebenden Personen ist rein zufällig.

Copyright © Axel Fischer 2014

Covergestaltung: Heike Fischer

Textbearbeitung: Heike Fischer

E-Mail: manax22@web.de

Herstellung und Verlag:

BoD - Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN: 978-3-7386-6388-4

Kapitel 1

Sanft plätscherten die winzig kleinen Wellen des Atlantiks in der Mittagssonne vor sich hin. Die angenehme Wassertemperatur des Meeres lud förmlich jeden Badegast am Strand von Alvor auf eine Abkühlung ein. Doch die meisten Sonnenhungrigen hatten sich in den Schatten eines Felsvorsprungs oder unter einen Sonnenschutz verzogen. Es war Mittagszeit. Die portugiesische Sonne brannte unerbittlich vom wolkenlosen Himmel herab und heizte den Sand so stark auf, dass die wenigen Strandläufer sich einfacher Sandalen bedienten, um sich nicht die Füße beim Schlendern durch den Sand zu verbrennen. Kein ortskundiger Portugiese, der im Kreis seiner Großfamilie am feinen Sandstrand nach Erholung von der Arbeit der Woche suchte, setzte seine Haut um diese Zeit der Sonne aus. Man verbarg sich gut mit Sonnencreme eingecremt unter Sonnenschirmen und nahm mitgebrachte leichte Speisen und Obst aus großen Kühltaschen zu sich und vergaß dabei auch nicht dazu ausreichend zu trinken. Peter McCord lag dösend auf einer großen Decke im Sand, eingerahmt von Tochter Gina und seinem Adoptivsohn Mahmud, den die McCords nach Peters letztem Einsatz im Iran vor gut vier Jahren in ihre Familie aufnahmen, nachdem die Schergen des damaligen iranischen Regimes die ganze Familie des Jungen brutal ermordet hatten. Die renommierte Kinderärztin Dr. Theresa Sanchez-McCord, Peters Frau, hatte sich von ihren beiden großen Männern eine breite Liege an den Strand schleppen lassen, auf der sie sich relaxt lang ausgestreckte und einen Krimi las. Ganz nah an sie geschmiegt, und deshalb leider ordentlich zusätzlich wärmend, lag ihr Sohn Raoul, der tief und fest schlief. Dass der Kleine sich gerade seinen Mittagsschlaf gönnte, auch wenn er wie ein Heizöfchen an ihrer Seite wirkte, war ihr allemal lieber, als wenn er wieder auf seinen kleinen Beinchen durch den Sand auf Entdeckungstour ging. Wenn der Kleine erst einmal losmarschierte, hatte sie Augen und Ohren zu wenig. Mit Raoul hatten sie letzten Samstag im Kreis der Familie und der Paten ganz groß seinen vierten Geburtstag gefeiert. Sogar die bildhübsche britische Kampfpilotin Francis McHillcock, Raouls Patin, die Peter für den MI6 zu seinem letzten Einsatzort in den Nahen Osten geflogen hatte und mittlerweile Theresas beste Freundin war, hatte sich es nicht nehmen lassen, zum Ehrentag ihres Patenkindes einzuschweben. Natürlich war auch Sam Burton, Peters bester Freund, ehemaliger Agentenkollege und ebenfalls Pate von Raoul, der seinen Ruhestand an der Algarve genoss, mit seiner Frau Ricarda gekommen.

Theresa legte vorsichtig und ohne Raoul aufzuwecken ihr Buch beiseite und schaute zu Peter herüber, der auf dem Bauch lag und im Schatten des Sonnensegels scheinbar fest eingeschlafen schien. Ihr Blick wanderte an seinem Körper entlang. Lächelnd stellte sie wieder einmal fest, dass Peter es als Mittvierziger noch problemlos mit zehn Jahre jüngeren Geschlechtsgenossen aufnehmen konnte. Fettpölsterchen kannte sein Körperbau nicht, was ganz sicher auch der gesunden Lebensweise und dem vielen Sport zuzuschreiben war, den Peter noch fast täglich trieb. Dass Theresa ihre Zunge bei diesem Anblick über ihre Lippen gleiten ließ, bemerkte sie selbst überhaupt nicht. Doch Peters makelloser Body wies auch deutliche Wundmale von schweren Verletzungen auf, die er sich in den mannigfaltigen Einsätzen während seiner aktiven Zeit als Auslandsagent des britischen Geheimdienstes zugezogen hatte. Mit Schrecken dachte sie an die Zeit der Angst zurück, an die Ungewissheit, die sie ständig plagte, ob Peter noch lebte, und ob es ihm wohl gut ging. Dann die Nachricht der schweren Verwundung im Iran. Nur am seidenen Faden hing sein Leben noch, als ihn der Hubschrauber ins Feldlager der britischen Streitkräfte verbrachte. Und als es ihm dann wieder besser ging, stürzte sich ein Attentäter auf ihn, was seine Vorgesetzten dazu veranlasste, ihn nach Schottland in eine militärisch abgesicherte Reha-Klinik zu verlegen, wo Peter jedoch ebenfalls nicht sicher war. Theresa schüttelte es, als sie so darüber nachdachte. Ihr Blick fiel auf Mahmud, dessen Körperbau Peters in nichts nachstand. Die Beiden joggten gemeinsam und trieben viel Sport zusammen. Der Junge war Theresa wie ihre eigenen Kinder fest ans Herz gewachsen, und er hatte sich prächtig entwickelt. Als Peter ihn vor vier Jahren als vierzehnjährigen Guide während seines Einsatzes im Iran bei der Befreiung der drei Sanitätssoldatinnen aus dem Gefängnis in Teheran kennen lernte, sprach Mahmud nur wenig Englisch und kein Wort Portugiesisch. Jetzt mit gut achtzehn Jahren hatte er gerade sein Abitur mit Auszeichnung bestanden und sich als Medizinstudent an der Universität in Lissabon eingeschrieben. Theresa war sehr stolz auf den Jungen, der vielleicht sogar mal ihre Praxis übernehmen könnte. Er besaß ein Händchen dafür, auf Kinder einzugehen.

Gina und Raoul vergötterten ihren Stiefbruder. Und wenn sie sich den jungen Kerl so betrachtete: Mahmud war ein wirklicher Mädchenschwarm geworden. Sein muskulöser Körper, die stets braune Hautfarbe, die auf seine arabische Herkunft hindeutete, seine riesengroßen schwarzen Augen und die Art, wie er auf Menschen zuging, machten ihn für jedes Mädel interessant. Peters durch und durch schottische Haut dagegen erstrahlte in schneeweiß, besonders betont auf der dunkelblauen Decke, obwohl er jetzt doch schon so viele Jahre an der Algarve lebte. Ein Lächeln huschte Theresa übers Gesicht. „Hast du mir jetzt auf den Hintern geschaut, mein Engel?“ „Wie kommst du denn nur darauf, Peter?“ „Weil ich dich mit meinen geheimen Augen im Hinterkopf beobachtet habe. Gefalle ich dir immer noch?“ „Nun ja, der erste Lack ist schon ab und einige Falten lassen sich nicht mehr so leicht verbergen, aber im Großen und Ganzen erscheint mir ein Austausch deiner Person gegen einen zehn Jahre jüngeren Gigolo noch verfrüht.“ Theresa musste sich den Mund zuhalten, um nicht vor lachen laut loszuplatzen. Peter dagegen erhob sich blitzschnell von seiner Decke. Er machte zwei Schritte und stand sogleich an Theresas Liege. Sachte, aber beherzt zog er seine Frau, ohne Raoul aufzuwecken, von der Liege fort und packte sie fest an Nacken und Po. Theresa ahnte, was ihr jetzt blühte, denn Peter marschierte bereits dem in der Mittagssonne glänzenden Atlantik entgegen. Sein Schritt wurde immer schneller. Das letzte Stück Weg zum Wasser rannte er bereits, dabei trug er den zappelnden Körper von Theresa fest umklammert in seinen Händen.

Immer tiefer Peter rannte ins Wasser, bis ihm der Atlantik um die Hüften streifte. Nicht ganz unerwartet ließ er Theresa los. Mit einem Plumps fiel sie in die kühlen Fluten. Ihr Schrei hallte bis an den Strand und ließ Mahmud und Gina erwachen, die das Balgen der beiden Erwachsenen mit einem Grinsen verfolgten. „Mama und Dad benehmen sich schon etwas peinlich. Meinst du nicht auch, Mahmud?“, kommentierte die pubertierende Gina das Liebesspiel ihrer Eltern. „Lass sie doch. Besser die beiden Senioren toben noch herum wie zwei Verliebte, als wenn sie sich nur anmeckern“, erwiderte Raoul auf die Bemerkung seiner Halbschwester. „Na ja, ich kann ja auch so tun, als würde ich die beiden nicht kennen. Da vorn liegt Jorge mit seiner ganzen Familie. Was soll der denn von mir und meiner Familie denken!“ „Nur weil du scharf auf diesen Schönling bist und hoffst, dass der dich auf den Abschlussball der Tanzschule begleitet, Gina, müssen unsere Eltern ja hier nicht keusch still neben einander liegen wie zwei ältere Herrschaften. Ist doch super, dass sie sich immer noch so lieben.“ „Trotzdem müssen sie sich ja nicht gleich so auffällig benehmen und es hier fast am Strand tun.“ „Mein Gott Schwesterlein, bist du etwa eifersüchtig auf Mama oder sauer, weil dich dieser Jorge nicht auf seinen Händen ins Meer trägt?“ „Du bist ja so was von doof, Mahmud. Als wenn ich mich von einem Mann in aller Öffentlichkeit so anmachen ließ.“ „Na, dein Jorge wird dich wohl niemals in den Atlantik schleppen, wenn ich mir die Blondine so anschaue, die sich gerade neben ihn auf sein Handtuch gelegt hat.“

Augenblicklich verstummte die Diskussion zwischen den Halbgeschwistern. Argwöhnisch sah Gina zu ihrem Schwarm herüber, der sich seinen Rücken von einem hübschen Mädel mit langen wallenden blonden Locken eincremen ließ. Ganz sicher konnte Gina von ihrer Optik her und mit ihrer schlanken Figur problemlos mit der Blondine neben ihrem Schwarm mithalten, doch sie war nun einmal leider nicht blond. Gina hatte die kräftigen schwarzen Locken ihrer Mutter geerbt. „Ihr Männer schaut doch immer nur den Blondinen hinterher, und wenn die dann auch noch eine gute Figur haben, bist du als dunkelhaariges Mädchen abgeschrieben.“ „So ein Unsinn, Gina. Du siehst doch toll aus. Du hast eine Superfigur und ein hübsches Gesicht. Vergiss doch diesen schleimigen Angeber.“ „Gibt es Probleme?“, mischte sich unerwartet Theresa in das Gespräch der Kinder ein, während sie ihre Hand nach ihrem Handtuch ausstreckte, um sich trocken zu reiben. „Ach, Gina hat sich in diesen Schleimbolzen Jorge verliebt, und der lässt sich gerade von einer Blondine massieren.“ „Ach Teufelchen, lass doch diesen Schönling laufen. Es gibt so nette Jungs, da brauchst du ganz sicher nicht diesem Jorge nachzurennen“, versuchte Peter jetzt auch die Situation zu entspannen, während er sich ebenfalls abtrocknete. „Du hast ja keine Ahnung, Dad, und nenn mich nicht immer Teufelchen.“ Gina sprang von ihrem Handtuch auf und marschierte wutschnaubend dem Atlantik entgegen. „Ihr Kerle habt mal wieder keine Ahnung, was Frauen fühlen, wenn sie verliebt sind.“ Theresa legte sich ihr Handtuch um ihre Schultern und lief ihrer Tochter hinterher. „Keine Sorge, Dad, die Ladies werden sich ganz sicher wieder einkriegen.“ „Das sehe ich auch so.“ Peter öffnete die große Kühlbox, entnahm dieser eine Flasche Limonade und gönnte sich erst mal einen ordentlichen Schluck. Um sich vor der Sonne zu schützen, streifte Peter ein T-Shirt über. Mahmud saß auf seiner Liege und schaute seiner Halbschwester und Theresa nach, die Arm in Arm am Meer entlang schlenderten und ziemlich in ein Gespräch vertieft wirkten. Peter ließ sich langsam auf seine Liege gleiten. Bevor er sich jedoch ganz lang ausstreckte, griff er nach seinem Roman, den er bereits halb ausgelesen hatte.

„Stör ich dich, wenn ich dich jetzt etwas frage, Dad?“ „Unsinn, Mahmud, komm setz dich zu mir. Was liegt dir auf der Seele, Kumpel?“ Peter hatte sich bereits wieder aufgesetzt und bot seinem Adoptivsohn, den er über alles liebte, einen Platz neben sich an. Auch Peter war nicht entgangen, wie prächtig sich der Junge entwickelt hatte, und wie gut er die fürchterlichen Ereignisse in seiner iranischen Heimat und die Ermordung seiner Familie verkraftet hatte. „Was ist los, mein Junge?“ Mahmud druckste ein wenig herum. „In ein paar Wochen muss ich wegen des Studiums weg von zu Hause nach Lissabon. Davor habe ich ein wenig Angst. Ich kenne es überhaupt nicht, in einer Großstadt zu leben, weit weg von meiner Familie. Als ich das letzte Mal das Haus meiner Familie verlassen habe, sah ich keinen von ihnen lebend wieder.“ Der Junge legte seinen Kopf zur Seite und schaute Peter ein wenig traurig an. „Jetzt lass mal den Kopf nicht hängen, Mahmud. Du hast einen Wagen zur Verfügung und du kannst jederzeit mit dem Flieger nach Faro kommen.“ „Das weiß ich ja alles, Dad, aber ich bin ein Familienmensch und werde die Abende mit euch wie auch mit Oma und Opa sicherlich sehr vermissen.“ „Du musst aber auch erwachsen werden, Mahmud, und damit beginnen, ein eigenes Leben zu führen. Lissabon ist eine tolle Stadt, und du wirst auf dem Campus ganz sicher eine Menge Leute kennen lernen und vielleicht sogar ein nettes Mädel finden, mit dem du zusammen bleiben möchtest. Wer weiß das schon immer im Voraus. Also lass den Kopf nicht hängen. Wir sind alle nicht aus der Welt, mein Junge, und in den Semesterferien kannst du bei Theresa in der Praxis arbeiten, wenn du magst.“ Peter nahm seinen Sohn in seinen rechten Arm, der seinen Kopf gleich an seine Schulter legte. „Und wenn du wirklich ein Problem hast, Mahmud, sind wir in null Komma nix in Lissabon um dir zu helfen. Theresa wird wie eine Löwin für dich kämpfen, wenn dir jemand nicht wohl gesonnen ist.“ Die beiden Männer mussten lachen. Wenig später trafen auch Gina und Theresa wieder ein, die sich sogleich auf ihre Ruhestätten warfen und sich von den beiden Männern ihre Rücken eincremen ließen.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 2

Sophia Ramirez lag splitternackt in eine Decke gewickelt auf ihrer ausladenden Sofalandschaft und genoss die Ruhe, die ihr der Samstagabend bot. Schon ganz früh am Morgen, nach knapp sechs Stunden Tiefschlaf, beschloss sie, diesen Tag zu ihrem Beautytag zu erklären. Die letzten drei Wochen waren die Hölle gewesen. Die bildhübsche, schlanke vierzigjährige Witwe des Drogenbarons Ernesto Ramirez war aus pekunären Gründen ganz sicher nicht dazu gezwungen, einer eigenen Tätigkeit nachzugehen, obgleich ein Großteil des illegal erworbenen Vermögens ihres Gatten von den Behörden beschlagnahmt wurde. Doch Sophia wollte nach der Befreiung aus den Krallen ihres brutalen Ehemannes, der sein gewaltiges Vermögen nur durch Drogenherstellung, Waffenschieberei, Prostitution und Geldwäsche in großem Stil erworben hatte, auf eigenen Füßen stehen. Den immer noch nicht unerheblichen Rest des blutigen Geldes ihres Mannes, wie sie es nannte, hatte sie bisher nicht angerührt. Ernesto hielt und behandelte sie wie eine Sklavin, nachdem er sie als Siegerin einer Misswahl in Kolumbien gleich von der Bühne weg geheiratet hatte. Sofort drehte sich ihr der Magen herum, als sie an die furchtbare Zeit mit Ernesto zurückdachte. Sie war als arme Einwanderin aus Mexiko illegal mit ihren Eltern nach Bogota eingereist in der Hoffnung, dort ihr Glück zu finden. Sophias Vater versuchte als Schuhmacher seine Familie durchzubringen, doch schon bald konnte er das Schutzgeld an den Clan des Drogenbarons nicht mehr zahlen. Zuerst schlugen sie ihn mehrfach zusammen. Wenig später zerstörten die Schergen des Kartells das winzige Ladenlokal. Weil ihr Vater nun überhaupt kein Einkommen mehr besaß, verdingte er sich als Drogenkurier und erreichte damit wenigstens, dass weder seine Frau noch seine Tochter auf dem Straßenstrich von Bogota anschaffen gehen mussten. Sophia konnte die Schule besuchen und schaffte sogar ihr Abitur. Ihr Traum war es immer gewesen, schöne Kleider zu entwerfen und dafür tat sie einfach alles. Als man sie irgendwann auf der Straße ansprach, doch als Kandidatin zur Wahl der Miss Bogota mitzumachen, war sie gleich Feuer und Flamme gewesen. Sie wurde zum Casting eingeladen. Um dort so sexy wie möglich aufzutreten, lieh sie sich von einer Freundin deren Highheelsandaletten aus. Den dunkelblauen Minirock hatte ihr ihre Mutter aus einem Stück Gardinenstoff genäht und ihr Oberteil, das sie tief ausgeschnitten trug, stylte sie selber aus einem weißen Hemd ihres Vaters. Den breiten, goldfarbenen Gürtel, der ihre schlanken Hüften betonte, und für den sie lange gespart hatte, erwarb sie in einer Boutique. Das Casting fand im Hinterzimmer einer schmuddeligen Bar statt, der ein zweifelhafter Ruf voraus eilte und vom Kartell als Kontakthof für Prostituierte fungierte. Die Jury bestand aus drei fetten, feisten Typen, die schwitzend unter einem Deckenventilator saßen und sie förmlich mit ihren Augen auszogen, als sie das Hinterzimmer betrat. Der älteste der drei Männer ließ sie sich hin und her drehen. „Das machst du sehr gut, Kleine. Hier hast du einen Bikini. Zieh ihn mal an.“ Obwohl sie mit bereits neunzehn Jahren genau wusste, was Männer anmachte, zögerte sie. „Geh hinter den Vorhang da, wenn du dich genierst, Kleine.“ Sophia wollte unbedingt an der Misswahl teilnehmen, zumal der Hauptpreis mit fünftausend Dollar dotiert war. Sie dachte nicht mehr lange nach und verschwand in dem winzigen Verschlag, dessen arg verschmutzter Vorhang sie vor den Blicken der Männer schützte. Als sie sich jedoch den Bikini genauer betrachtete, handelte es sich lediglich um einen ziemlich schmutzigen String und ein viel zu enges Oberteil, dass wohl nur die Brustwarzen ihrer üppigen Brüste verdecken würde. Sie holte ein paar Mal tief Luft, entkleidete sich und zog sich den viel zu kleinen Bikini an.

Mutig trat sie aus dem Verschlag hervor und stellte sich in die Mitte des kleinen Raumes. Dem mittig sitzenden Mann fiel beinahe die dicke Zigarre aus dem Mund, als er den makellosen Körper von Sophia erblickte, den nur noch drei winzige Stoffläppchen bedeckten. Wieder ließ er Sophia sich hin und her drehen. „Du bist dabei, Mädel. Komm her und schreib deine Personalien hier auf. Die Startgebühr beträgt 50 Dollar. Zahlbar sofort.“ Sophia hatte den Hinweis auf die sofort zu entrichtende Startgebühr in ihrer Euphorie glatt überhört und den Vertrag unterschrieben.

Sie wollte sich schon wieder in der Kabine anziehen gehen, als sie der Chef der Castingtruppe am Arm festhielt. „Du musst noch die fünfzig Piepen zahlen, Chica“, forderte er sie unmissverständlich auf. „Aber ich habe nicht soviel Geld. Können Sie nicht einmal eine Ausnahme machen?“, antwortete sie naiv flehend. „Ja, was können wir denn in diesem Fall machen, Jungs?“ Ein Grinsen legte sich auf die schwitzenden Gesichter der männlichen Anwesenden. „Wenn du ein bisschen nett zu uns bist, Chica, können wir ausnahmsweise mal eine Ausnahme machen. Dafür musst du aber schon verdammt nett zu uns sein“, ließ der feiste Typ noch folgen, und die beiden anderen Männer lachten laut auf. Ohne ihr Einverständnis abzuwarten, packte der Chef Sophia im Nacken und zwang sie in die Knie. Als sie sich heftig zu wehren begann, schrie er sie an: „Hör zu, Chica, wir können hier auch ganz anders. Wenn du bei der Misswahl mitmachen möchtest und dafür keine Kohle hinlegen kannst, wirst du es uns einfach richtig besorgen. Also?“ Zögernd gab sie ihren Widerstand auf und hoffte, dass es nicht allzu schlimm werden würde. Schließlich hing davor ihre Teilnahme an der Misswahl ab, und dafür war sie bereit alles zu tun. Doch nicht einmal der fürchterlichste Albtraum, den sie je geträumt hatte, war annähernd so grausam wie das, was sie nun erdulden musste. Der Gestank, der ihr hart in die Nase stieß, nachdem der Chef seine Hose öffnete und sie mit Daumen und Mittelfinger zwang ihren Mund zu öffnen, raubte ihr beinahe die Besinnung. Würgend und immer wieder hustend erduldete sie die sexuelle Nötigung. Als sie schon glaubte, die Tortur wäre gleich vorüber, riss der Mann sie an ihren Haaren hoch. Die beiden anderen Männer packten sie und warfen sie rücklings auf den Schreibtisch. Gegen die schraubstockähnlich eingesetzten Hände ihrer Peiniger hatte Sophia keine Chance. Mit seinen groben Fingern riss der Chef der drei Männer ihr den String beiseite und drang ohne den Ansatz einer Pause tief in sie hinein. Nie zuvor hatte sie in ihrem bisherigen Leben einen ähnlich gewaltigen Schmerz erlebt oder gar ertragen müssen. Entsprechend laut war der Schrei, den sie dabei ausstieß. Die zweite Vergewaltigung erlebte sie nur noch dumpf, während der dritten wurde sie ohnmächtig. Als sie erwachte, fand sie sich irgendwo auf der Straße wieder. Zwei Ordensfrauen kümmerten sich um sie und beseitigten die blutigen Überreste der Vergewaltigung. Als sie jedoch die Eintrittskarte zur Misswahl in ihrer Hand erblickte, begann sie glücklich zu lächeln. Doch Sophia durchzuckte es auch heute noch, nach über zwanzig Jahren, wenn sie an die Schmerzen und die Demütigungen dachte. Schutz suchend zog sie die Decke noch enger um ihren Körper, als wollte sie damit verhindern, dass man sie je wieder vergewaltigen könnte. Wieder verfiel sie in Gedanken.

Eine Woche später gewann sie tatsächlich die Wahl und wurde Miss Bogota. Zwar konnte sie nach wie vor nicht schmerzfrei aufrecht gehen, da ihre Wunden noch nicht ganz verheilt waren, doch sie strahlte voller Glück. Als sie dann noch der reiche Ernesto Ramirez auf der Bühne um ihre Hand bat, schien ihr Leben endlich eine positive Wendung genommen zu haben. Glücklich und zuversichtlich willigte sie sofort ein, eine Entscheidung, die sie später hundertfach verteufelte. Ramirez entpuppte sich rasch als äußerst gewalttätiger Verbrecher, der jeden, der sich ihm in den Weg stellte, ermorden ließ. Sein Repertoire an Grausamkeiten schien unerschöpflich zu sein, was auch Sophia sehr schnell zu spüren bekam. Ihre erste Vergewaltigung durch die drei Männer blieb nicht ihre letzte. Ihr Ehemann nahm sie in Folge beinahe nur mit Gewalt, was irgendwann dazu führte, dass ihr die Fähigkeit Kinder zu gebären verloren ging. Tränen rannen ihr die Wangen herunter, obwohl die Zeit der Brutalitäten endlich vorüber war, nachdem der britische Geheimagent Peter McCord im Auftrag seiner Regierung und der gesamten EU sie, wie lange ersehnt, zur Witwe machte. Den Mann hätte sie gern für sich erobert und beinahe wäre ihr dies sogar gelungen, doch McCord hatte sich bereits für die Tochter ihres Nachbarn entschieden.

Sophia griff nach dem gewaltigen Rotweinglas, das vor ihr auf dem flachen Tisch stand. Die einheimische Spezialität, die dunkelrot im Licht der Kerzen schimmerte, besaß genau die zurückhaltende Süße und die Temperatur, die sie liebte. Die Kälte, die sie eben noch verspürte ob der Erinnerungen, die sie mal wieder überfielen, war wie weggeblasen. Lasziv wickelte sie sich aus ihrer Decke. Langsam stand sie auf. Nackt wie sie war schwebte sie der großen Terrassentüre entgegen. Sie nahm einen tiefen Schluck aus ihrem Weinglas und beobachtete die Sterne über dem Meer. Sehnsüchtig schaute sie in die Ferne des Firmaments, und wieder fiel sie tief in Gedanken. Endlich hatte sie es geschafft. Sie war nun nicht mehr, egal in welcher Form, von einem Mann abhängig. In ihrem Job als Modedesignerin mit einem eigenen Modelabel konnte sie all ihrer Kreativität freien Lauf lassen, und eine Menge Geld verdiente sie damit obendrein. Sie brauchte keinen Mann mehr. Wenn sich ihr Körper nach einer erholsamen Entspannung sehnte, schickte sie einfach nach Mona, der bezaubernden Thailänderin, die sich, wenn gewünscht auch mit einer jungen Kollegin, wohltuend nicht nur um ihre verspannten Muskeln kümmerte. Sie spürte förmlich die zarten kleinen Hände von Mona, die sanft ihre Haut streichelten. Abgelenkt von allerlei erotischen Träumen bemerkte sie viel zu spät, dass es an ihrer Haustüre geläutet hatte, und Maria, ihr Hausmädchen, bereits auf dem Teppich in der Eingangshalle in einer Blutlache lag und ihren letzten Atemzug tat.

Kapitel 3

Peter und Theresa McCord hatten es schon seit Jahren zu einem Ritual werden lassen, dass sonntags die ganze Familie ausschlief und anschließend gemütlich zusammen frühstückte. Peter bereitete stets für alle das Frühstück mit frischen Brötchen, Marmelade und verschiedenen Eierspezialitäten, wie er es aus seiner Heimat Schottland gewöhnt war. Natürlich ließ er es auch nicht an frischem Obst und selbst gemachtem Müsli fehlen. Frisch gepresster Orangensaft rundete die morgendliche Mahlzeit noch ab. Gegen zehn Uhr weckte meist der Duft von frisch aufgebrühtem Kaffee und Kakao den Rest der Familie auf. Mahmud und er, beide eingefleischte Frühaufsteher, waren zu dieser Zeit schon gut zehn Kilometer gejoggt und wenn es die Kondition noch hergab, schwammen sie einige Kilometer im Kraulstil an der Küste entlang. Peter musste jedes Mal schmunzeln, wenn er sah, wie die joggenden Mädels ein Auge auf Mahmud warfen, sobald er sein T-Shirt über den Kopf streifte und nur noch in knapper Badehose ins Meer rannte. Erst heute hatte ihm ein schlankes und sehr sportliches Geschöpf mit langen schwarzen Haaren ihre Telefonnummer in die Hand gedrückt und ihn um ein Date gebeten. Wie es schien, hatte Mahmud sich für den heutigen Abend mit ihr verabredet. Hoffentlich wollte er nicht wieder Papas Cabrio für diesen Ausflug geliehen haben. Es ging Peter ganz sicher nicht um einen Kratzer oder eine kleine Beule, die der Junge seinem Coupe beibrachte. Ihm war es nur lieber, wenn sein Wagen auch nur von ihm gefahren wurde, um etwaige Verwechslungen zu vermeiden. Noch immer, obwohl seine Zeit als Agent des britischen Geheimdienstes nun schon viele Jahre zurück lag, sorgte er sich, dass einer seiner früheren Gegner sich seiner erinnerte, um sich an ihm zu rächen.

Nacheinander trafen alle Familienmitglieder am Frühstückstisch ein. Mahmud und Peter standen schon mit Kaffee und Kakao bereit, um die hungrigen Mäuler des Familienclans zu verwöhnen. Theresa sah einfach umwerfend aus. Sie hatte bereits geduscht und duftete wie ein Strauss frischer Frühlingsblumen. Ihre lockigen Haare hatte sie zu einem Zopf zusammengebunden. Sie trug ein kurzes, weißes, tief ausgeschnittenes Strandkleid, das Peters Hormone in Wallung brachte. „Hi Mam, siehst verdammt gut aus“, begrüßte sie Mahmud in seiner ehrlichen, offenen Art. „Danke, Sohnemann. Wenigstens dir fällt auf, dass hier eine attraktive Frau am Tisch Platz genommen hat.“ Ihr Grinsen sprach mal wieder Bände. Peter lief gleich um den Tisch herum und gab ihr einen Kuss. „Du siehst einfach toll aus, mein Engel“, begrüßte er seine Frau bei Tisch und blinzelte Mahmud zu, der lachen musste. Gina eiferte ihrer Mutter nach. Sie hatte sich ebenfalls schon geduscht und ihre lockige Mähne, ebenfalls zu einem Zopf gebunden. Raoul war wohl im Kampf mit seiner Zahnbürste unterlegen. Der weiße Fluorschutz versiegelte gerade nicht nur seine Zähne, sondern auch Teile seiner Wangen wie auch seines Schlafanzuges. Nach etwa einer Stunde des Schlemmens und Erzählens klingelte es unerwartet an ihrer Haustüre. Weil Theresa und Peter darauf bestanden, dass am Wochenende das Hauspersonal stets frei hatte, erhob sich der Hausherr und marschierte zur Eingangstüre. Bevor er jedoch öffnete, schaute er wie gewohnt auf den kleinen Monitor, der rechts neben der Türe eingebaut war.

Vor der Haustüre stand ein gern gesehener Gast der Familie. Peter öffnete sogleich. Fabio Mugalla, der Chef der Polizeibehörde von Faro, trat ein. Peter nahm seinen sehr guten Freund in den Arm und begrüßte ihn. „Bist du jetzt zum Frühaufsteher geworden oder hat dich deine Frau rausgeworfen? Morgen, Fabio.“ „Hallo, Peter. Weder noch.“ „Dann komm erst mal rein.“ Peter führte seinen Gast ins Esszimmer. „Onkel Fabio, hallo“, begrüßte Gina einen ihrer Lieblingsonkel, der jedoch mit ihrer Familie weder verwandt noch verschwägert war. Mahmud und Fabio fielen sich ebenfalls um den Hals. „Darf ich jetzt die Prinzessin des Hauses begrüßen?“ „Aber natürlich, hallo, Fabio, ich erwarte deine Küsse auf meinen Wangen“, antwortete Theresa. Sofort lief der drahtige Polizeichef um den Tisch herum, um die Hausherrin gebührend zu herzen. Das er sich dabei einen kurzen Blick in Theresas Ausschnitt gönnte, blieb ungesühnt. „Setz dich zu mir, Cowboy, und lass dich von Peter mit Kaffee verwöhnen.

Was tust du überhaupt schon so früh hier in dieser Gegend? Hat dich Veronique rausgeworfen, weil du ständig anderen Frauen in den Ausschnitt schaust?“ „Aber nicht doch. Sie liebt mich so wie ich bin, Theresa. Ich hatte in der Gegend zu tun“, wich Mugalla aus. Peter servierte ihm gleich einen starken Kaffee, den er dankend entgegen nahm. „Wir haben uns eine ganze Zeit schon nicht gesehen. Wann kommt ihr uns mal wieder zusammen besuchen, Fabio?“ „Erst seid ihr wieder dran bei uns zu essen. Veronique ist nur im Moment sehr mit einigen Fällen beschäftigt, die sie vor Gericht unbedingt durchpauken möchte, und da bleibt für Privates nicht mehr viel Zeit. Selbst für mich hat sie kaum noch Zeit.“ „Ohh, mein armer Fabio. Du wirst mir doch wohl nicht am Hormonstau erkranken? Komm morgen einfach kurz mal in meiner Praxis vorbei. Ich werde dir ein Rezept für eine Libidobremse ausstellen. Die hilft bei Stieren und wird auch einem Bullen helfen.“ Bis auf Gina und Raoul mussten alle herzlich über Theresas Kalauer lachen. „Mhhhm, dein Kaffee ist aber lecker, Peter.“ „Freut mich, dass er dir schmeckt.“ „Sag mal, kann ich dich gleich mal eben unter vier Augen sprechen? Ich hab da einen Fall, bei dem lege ich besonderen Wert auf deine Beurteilung.“ „Na klar. Komm gehen wir in mein Büro.“ „Nein, ich wollte dir kurz etwas zeigen.“ Peter verstand sofort, dass Fabio etwas sehr wichtiges auf dem Herzen hatte. „Ja, gleich, ich bin fertig mit frühstücken.“ „Bist du sehr böse, wenn ich dir jetzt deinen Mann für eine kurze Zeit entführe, Theresa?“ „Nein, haut ab ihr zwei. Aber bring ihn mir in einem Stück zurück, hörst du?“ „Aber das ist doch Ehrensache, Theresa. Tschöö Kinder, bis bald.“ Peter verabschiedete sich ebenfalls kurz und folgte Fabio Mugalla zu seinem Dienstwagen.

Kapitel 4

Das bullige Dreiliterdieselaggregat aus bayrischer Produktion, das den Dienstwagen von Fabio Mugalla antrieb, brummte heftig auf, als der Polizeichef ihm die Sporen gab. „Jetzt mal raus mit der Sprache, Fabio, was ist los? Du kommst doch nicht grundlos sonntags bei mir vorbei, nur um dir meinen Rat in einem Fall einzuholen.“ „Du hast ja völlig Recht, Peter, aber ich wollte vorhin am Frühstückstisch nicht erzählen, worum es wirklich geht.“ „Und worum geht es nun tatsächlich?“ „Du kennst doch die Witwe Ramirez?“ „Ja, natürlich. Ich hab sie ja schließlich während der Operation Schneekrieg zur Witwe gemacht und sie aus den Fängen ihres Gatten befreit. Er hielt sie wie eine Sklavin. Ihr Mann galt als der gefährlichste Verbrecher an der Algarve. Mit der Drogenproduktion auf seiner Pousada wollte er ganz Europa überschwemmen und tausende junge Leute in die Abhängigkeit treiben. Außerdem tätigte er Waffengeschäfte in ganz großem Stil. Mit seinem Waffenarsenal hätte er einen Kleinkrieg führen können. Ich werde wohl nie vergessen, was er mit den vielen jungen Mädchen gemacht hat, die für ihn anschaffen gehen mussten. Er hat sie wie Vieh gehalten, und wenn sie nicht spurten, wurden sie gefoltert, vergewaltigt und später einfach abgeschlachtet. Ramirez war ein echtes Schwein. Es war furchtbar! Aber warum fragst du mich nach Sophia? Sie wollte nach dem Tod von Ramirez mit mir anbändeln, und wenn ich vorher nicht Theresa kennen und lieben gelernt hätte, wer weiß schon, was dann geschehen wäre.“ „Sophia Ramirez ist tot. Sie wurde heute Morgen vom Sicherheitsdienst auf ihrer Pousada tot aufgefunden. Es war ein Ritualmord.“ „Ein was?“ „Es handelt sich vermutlich um einen Ritualmord. Ich möchte, dass du dir den Tatort selbst ansiehst. Ich warne dich aber schon mal vor: Es ist eine Riesensauerei.“ Den Rest der Fahrstrecke saßen die beiden Männer schweigend nebeneinander bis Mugalla in die Einfahrt zur Pousada abbog.

Der Vorplatz vor dem Herrenhaus der Pousada stand voller Fahrzeuge der Polizei, der Feuerwehr, der Spurensicherung sowie der Staatsanwaltschaft. Der Polizeichef schlüpfte mit seinem 3erBMW in die nächste freie Lücke vor dem Haus. Mit einem Griff befreiten sich die beiden Männer von ihren Sicherheitsgurten und verließen die Limousine. Mugalla heftete Peter eine Polizeimarke an sein Poloshirt und ging dem Eingang entgegen. Es war ein dauerndes Kommen und Gehen. Beamte in weißen Schutzanzügen bewegten sich wie Bienen in und um das Herrenhaus herum. Fabio Mugalla betrat als erster den Eingang, Peter folgte ihm in kurzem Abstand. Sofort stieg Peter ein Geruch in die Nase, den er lange nicht ertragen musste, dessen Einzigartigkeit er aber sofort wieder erkannte. Es roch nach Eisen und Kupfer und überlagerte damit sogar den süßlichen Gestank des Todes. Eine Menge Blut musste ausgetreten sein, dass selbst dieser Geruch beinahe neutralisiert wurde. Als Peter in den Dielenbereich eintrat erkannte er, warum es nach Blut stank. Eine junge Frau in der weißschwarzen Bekleidung eines Hausmädchens lag tot in einer großen Blutlache. Aus zwei großen Einschusslöchern, einem im Stirnbereich sowie einem weiteren in der linken Brust, war Blut in großer Menge ausgetreten. Der erfahrene Pathologe drückte gerade als letzte Ehrerbietung dem jungen Mädchen die starr ins Leere blickenden Augen zu und nickte still Peter und Fabio zum Gruß zu. Auch wenn Peter der Tod des Mädels sehr leid tat, musste er sich keineswegs abwenden. Er hatte in seinem Leben als Auslandsagent schon so viele Leichen ansehen müssen, deren Körper durch Folter, Qualen oder schwerste Verletzungen fürchterlich entstellt wurden, dass ihm der Anblick des toten Hausmädchens nicht mehr wirklich etwas ausmachte.

Peter folgte Polizeidirektor Mugalla zu einer schweren mit Intarsien verzierten, zweiflügeligen Holztüre, von der der rechte Flügel ein kleines Stück offen stand. Peter hätte seinen Freund beinahe umgerannt, der urplötzlich vor der halb geöffneten Türe stehen blieb. „Was du jetzt zu sehen bekommst, Peter, ist nur sehr schwer zu verkraften. Ich möchte dich nur vorwarnen.“ „Na, nun dramatisiere mal nicht, Fabio. So schlimm wird es wohl nicht sein. Ich habe schon verdammt viele Tote ansehen müssen.“ „Warte es ab.“ Mugalla griff, nachdem er sich Gummihandschuhe über seine Hände gestreift hatte, nach dem Türknauf und zog den schweren Türflügel auf. Der gewaltige Wohnraum wurde von starken Halogenscheinwerfern taghell erleuchtet. Mugalla zog sich gleich ein Taschentuch aus der Hosentasche, dass er gegen den Geruch des Todes vor seine Nase drückte und trat in den Raum ein. Peter bemerkte bereits am Gestank, der ihm aus dem Raum entgegen waberte, dass sein Freund offensichtlich nicht übertrieben hatte. Doch als Mugalla zur Seite trat, und Peter das ganze Ausmaß der Tat und das Szenario betrachten konnte, musste er heftig an sich halten, dass sich das von ihm am Morgen mit so viel Liebe zubereitete Frühstück nicht verselbstständigte. Zwei Drittel der etwa sieben Liter Blut, die als Lebensstrom in Sophia Ramirez Körper einstmals ihren Dienst versahen, verteilten sich in einer gewaltigen Lache mitten auf dem weißen Marmorboden des großen Wohnraumes. Den Rest hatte der oder wohl eher die Täter an die weiß gekalkten Wände des Wohnzimmers verspritzt. Von einem der alten Deckenbalken herab hing, kopfüber und breitbeinig an den Füßen gefesselt, der leblose Körper von Sophia Ramirez. Von der ehemaligen Schönheit des Gesichts der Hausherrin war nichts mehr übrig. Ohren und Zunge hatte man ihr entfernt und ihre Augen wohl mit einem glühend heißen metallischen Gegenstand geblendet. Mehrere abgeschnittene Finger und Zehen sammelte gerade ein Mitarbeiter der Spurensicherung mittels einer Pinzette aus dem gewaltigen Blutsee unterhalb der Leiche in einen Plastikbeutel. Der junge Mann verschloss emotionslos den Beutel luftdicht und legte ihn in einen großen Kühlkoffer zu einem weiteren, jedoch viel größeren Plastikbeutel, in den er bereits vorher die abgetrennten Brüste des Opfers eingetütet hatte. Fabio Mugalla musste sich abwenden, um sich nicht zu übergeben, und auch Peter drehte sich der großen einstmals weißen Wand zu, auf der mit dem Blut des Opfers geschrieben stand: Wir werden jeden, der für den Tod von Ernesto Ramirez verantwortlich ist, töten. Der Polizeidirektor schoss mit seiner Handykamera ein paar Aufnahmen von den Worten, die an der Wand zu lesen standen, und zog Peter weg vom Tatort raus ins Freie, wo vergnüglich viele Vögel zwitscherten.

„Das sieht ja schlimmer aus als das es in einem Hannibal Lektor Film je hätte dargestellt werden können“, bemerkte Peter, der ein wenig nach Sauerstoff rang, um sich zu beruhigen. „Ich habe so etwas noch nie mit ansehen müssen, und ich bin jetzt schon verdammt lange Bulle.“ „Ich musste in diversen Krisenregionen auf dieser Welt schon häufiger zerstückelte Leichen ansehen, aber das