Reihe: Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, Band 25
Hrsg. von Claus Bernet
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© 2015 (Erstauflage), Claus Bernet.
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Berlin, 17. Februar 2015
Edition Graugans, Berlin
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ISBN: 978-3-7386-7704-1
GG Wissenschaft ist ein Imprint der Edition Graugans, Berlin
Radleuchter waren besonders gut zur Visualisierung des Himmlischen Jerusalem geeignet: Der duftende Geruch von Bienenwachs und das helle Strahlen der vielen Kerzen dürften auf die Kirchenbesucher einen starken Eindruck gemacht haben. Hinzu kam, dass die geschwärzten Tragestangen und Ketten vom Kirchenschiff aus kaum zu erkennen waren, was den Eindruck des Schwebens der angedeuteten Gottesstadt noch verstärkte. Das wohl eindrucksvollste Beispiel von Gegenständen, die das Himmlische Jerusalem abbildeten, waren die Radleuchter der Romanik. Diese Sinnbilder der triumphierenden Kirche wurden treffend auch als „Jerusalems-Lichtkronen“ bezeichnet. Freilich war dieses Himmlische Jerusalem nun in einer runden Form symbolisiert, doch auch dafür konnte eine biblische Referenz, nämlich Jesaja 62, 3, wo die Gottesstadt eine Krone genannt wird, herangezogen werden.
Radleuchter waren in vielen bedeutenden Kirchen in ganz Europa vorzufinden, so allein vier in Köln, dann Exemplare in der Kathedrale von Metz, in der Prager Klosterkirche Wischenrad, in Monte Cassino oder in der Kathedrale von Canterbury. Hunderte Kopien befanden sich in kleinen Dorf- und Stiftskirchen. Im 10. und 11. Jahrhundert waren sie eine regelrechte Modeerscheinung: Bald nach 1000 aufgekommen gehörten sie praktisch zu den Nachwehen der apokalyptischen Stimmung um die erste Jahrtausendwende. So äußerte sich der lombardische Bischof Sicardus von Cremona (1155-1215) zu den Gründen, weshalb die Leuchter in dieser ungewöhnlichen Gestaltung neuerdings so beliebt seien; und gleichzeitig finden wir eine einzigartige Beschreibung des Himmlischen Jerusalem durch Honorius Augustodunensis (gest. um 1151):
„Er (der Leuchter) besteht nämlich aus Gold, Silber, Erz und Eisen. Die Goldteile sind die blitzende Weisheit, die Silberteile die glänzende Beredsamkeit, die Erzteile klingen lieblich nach der himmlischen Lehre, die Eisenteile sind das häusliche Leben, die Türme sind gekrönt, geschützt von den Kirchenlehrern. Die Kerzen leuchten zu (der Verehrung) deren guten Taten, die Goldteile sind die Märtyrer, die Silberteile die Jungfrauen, die Erzteile die in Keuschheit Lebenden und die Eisenteile sind die verbundenen Diener. Edelsteine schimmern auf dem Leuchter, die aufgrund der Tugend glänzen, die Metalle sind in Feuer verschönert zum Schmuck des Leuchters aufgelegt worden, und der Bernstein steht für die dreifach im Feuer Geprüften, die zur Ehre des Himmlischen Jerusalem erwählt wurden. Die Kette, die an dem Leuchter alles zusammenhält, ist die Hoffnung, an der die Kirche von der Erde zum Himmel aufgehängt wird. Der höchste Kreis, von dem dies zusammengebunden wird, ist Gott, von dem alles zusammengehalten wird“.
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