Christie Golden
OMEN
Das Verhängnis der Jedi-Ritter 2
Aus dem Englischen
von Andreas Kasprzak
Christie Golden
OMEN
Das Verhängnis der Jedi-Ritter 2
Aus dem Englischen
von Andreas Kasprzak
Die amerikanische Originalausgabe erschien unter dem Titel
»Star Wars™ Fate of the Jedi 02. Omen«
bei Del Rey/The Ballantine Publishing Group, Inc., New York.
1. Auflage
Deutsche Erstveröffentlichung Oktober 2010
bei Blanvalet, einem Unternehmen der
Verlagsgruppe Random House GmbH, München.
Copyright © 2009 by Lucasfilm Ltd. & ® or ™ where indicated.
All rights reserved. Used under authorization.
Translation Copyright © 2010 by Verlagsgruppe
Random House GmbH, München
Umschlaggestaltung: HildenDesign, München
Cover Art Copyright © 2009 by Lucasfilm Ltd.
Cover illustration by Ian Keltie
Redaktion: Marc Winter
HK · Herstellung: sam
Satz: omnisatz GmbH, Berlin
ISBN 978-3-641-07756-3
www.blanvalet.de
Dieses Buch ist meinen Eltern gewidmet,
James R. Golden und Elizabeth C. Golden.
All jene Nachmittage, an denen ihr mich beim Kino abgesetzt habt,
als Star Wars lief, haben sich jetzt ausgezahlt.
Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis …
Dramatis Personae
ALLANA SOLO; junges Mädchen (Mensch)
BAZEL »BARV« WARV;(Ramoaner)
BEN SKYWALKER; Jedi-Ritter (Mensch)
CILGHAL; Jedi-Meisterin und Heilerin (Mon Calamari)
HAN SOLO; Captain des Millennium Falken (Mensch)
JAGGED FEL; Staatschef des Galaktischen Imperiums (Mensch)
JAINA SOLO; Jedi-Ritterin (Mensch)
JAVIS TYRR; Reporter (Mensch)
KENTH HAMNER; amtierender Großmeister des Jedi-Ordens (Mensch)
LEIA ORGANA SOLO; Jedi-Ritterin (Mensch)
LUKE SKYWALKER; Jedi-Meister (Mensch)
NATASI DAALA; Staatschefin der Galaktischen Allianz (Mensch)
NATUA WAN; Jedi-Ritterin (Falleen)
TADOR’RO; Aing-Tii-Kontaktmann (Aing-Tii)
VESTARA KHAI; Sith-Neuling und -Schülerin (Mensch)
WYNN DORVAN; Assistent von Admiralin Daala (Mensch)
Prolog
IM ORBIT ÜBER ZIOST – ZWEI STANDARDJAHRE ZUVOR
Dician fühlte den Planeten bereits, noch bevor er überhaupt auf dem Hauptbrückenmonitor der Giftmond erschien. Sie spürte, dass er sie so gesehen hatte, wie sie ihn jetzt sah, diese scheinbar harmlose Welt aus Blau, Weiß und Grün, und sie lächelte sanft. Die blassen, abstrakten Tätowierungen auf ihrem Gesicht, die einen deutlichen Kontrast zu ihren dunklen Hauttönen bildeten, verzogen sich bei ihrem Lächeln. Dies hier war das Ziel, das sie vor Kurzem vor ihrem geistigen Auge erblickt hatte, die unausgesprochene Antwort auf die Frage, was sie hier zu finden hoffte. Sie hatte der Besatzung dieser Fregatte befohlen, auf maximale Geschwindigkeit zu gehen, und hoffte bloß, dass sie rechtzeitig da war.
Wo willst du hin, Anmutige?
Für ungeöffnete Augen und tote Sinne mochte dieser Planet wie so viele andere wirken: eine Welt mit Ozeanen und Landmassen, praktisch komplett von Wäldern bedeckt, mit zwei weißen, eisbedeckten Polen an beiden Enden. Weiße Wolken trieben träge darüber hinweg.
Doch dieser Planet war nicht wie irgendein anderer.
Das hier war Ziost. Die Heimatwelt der Sith.
Das, was vom Orden der Sith noch übrig war, verbarg sich jetzt im Stillen auf Korriban. Sie würde in Kürze dorthin zurückkehren, jedoch nicht ohne die Belohnung, die zu erlangen sie hergekommen war.
Dician wurde bewusst, dass sie sich vor Erwartung leicht vorbeugte, und lehnte sich in ihrem Kommandosessel zurück. Sie verdrängte ihre Aufregung, damit sie sie nicht bei ihrer Mission beeinträchtigte.
»Wayniss, bringen Sie uns in die Umlaufbahn!« In ihrer Rolle als Informationssammlerin verleitete der leichte, melodische Tonfall ihrer Stimme andere häufig dazu, sie für viel, viel ungefährlicher zu halten, als sie tatsächlich war. Ihre Mannschaft wusste es besser.
»Ja, Captain«, entgegnete der Chefpilot der Giftmond. Wayniss war ein lakonischer Mann, nicht im Mindesten machtsensitiv, vollkommen zufrieden damit, für die großzügige Bezahlung, die er erhielt, das zu tun, was man ihm auftrug. Auf seine eigene Art war der ergrauende ehemalige Pirat genauso fair, ehrbar und hart arbeitend, wie viele sogenannte aufrechte Bürger. Was Dician betraf, so hatte er sich auf dieser Mission bereits bewährt.
»Irgendwelche Spuren von der Meditationssphäre?«, fragte sie Ithila, ihre Sensoroffizierin. Ithila beugte sich vor. Ihr Gesicht, das auf klassische hapanische Weise schön gewesen wäre – wäre da nicht die entsetzliche Brandnarbe gewesen, die die rechte Seite entstellte –, zeigte ein konzentriertes Stirnrunzeln.
»Negativ«, erwiderte Ithila, als Ziost in den vorderen Sichtfenstern auftauchte und die Giftmond in den Orbit rings herum sank. »Keine Hinweise der Sphäre auf der Planetenoberfläche.« Sie wandte sich um und sah den Captain an. »Scheint, als wären wir zuerst hier.«
Dician lächelte wieder. Keine Fehler. Alles, was jetzt noch zu tun war, war, das kleine Gefährt selbst einzufangen.
Dician machte es sich bequem, um zu warten, ihre dunklen Augen auf den sich langsam drehenden Planeten vor sich gerichtet. Ziost hielt ihrem Blick stand, und sie spürte ein Ziehen in ihrem Herzen. Sie wollte mit der Giftmond landen, um Ziosts Wälder zu durchwandern, so, wie andere Sith es in vergangenen Zeitaltern getan hatten. Aber deshalb waren sie nicht hier. Sie musste das Wohl der Einen, des gesamten Ordens, über ihr eigenes Verlangen stellen. Vielleicht würde sie eines Tages auf dem Boden dieser Welt stehen. Heute jedoch war nicht dieser Tag.
Sie brauchten nicht lange zu warten. Nur wenige Sekunden später sagte Ithila: »Orte die Sphäre mit den Langstreckensensoren, Captain.«
Dician setzte sich in ihrem Sessel aufrechter hin. »Ihr habt alle gute und brillante Arbeit geleistet. Jetzt ist es an der Zeit, dieses Geschäft zum Abschluss zu bringen, wie unser Schmugglerpilot vielleicht sagen würde.«
Die Zeit war gekommen, dass sie, Dician, mit Perfektion handelte. Sie konnte sich jetzt keinen Fehler erlauben.
Sie spürte sie bereits, als Ithila das Bild auf ihren persönlichen Sichtschirm übermittelte. Da war sie, die Sith-Meditationssphäre. Sie betrachtete sie einen Moment lang, nahm den Anblick in sich auf – die orange-gelb-rote Außenhülle, die von Zwillingspaaren fledermausartiger Schwingen flankierte, kugelrunde Form. Das Schiff erinnerte an ein riesiges Auge.
»Hallo, Anmutige«, sagte sie mit ihrer angenehmsten Stimme.
Schweigen von der Sphäre.
»Wie du siehst, haben wir deine Ankunft erwartet. Warum bist du nach Ziost gekommen?«
Zuhause.
Die Stimme ertönte in ihrem Kopf, maskulin und äußerst konzentriert. Ein kleiner Schauder des Hochgefühls durchfuhr Dician. Das hier war kein Haustier, dem man schmeichelte, sondern ein Reittier, das man brechen musste. Die Sphäre respektierte Stärke und Willen.
Von beidem besaß Dician eine Menge.
Es gibt einen besseren Ort für dich als eine verlassene Welt. Dician sprach die Worte nicht laut aus. Ihre melodische Stimme war bei dieser Verhandlung kein Aktivposten, die Konzentration und Kraft ihrer Gedanken hingegen schon.
Das Schiff setzte seinen Anflug auf Ziost fort, ohne im Mindesten vom Kurs abzukommen, doch Dician spürte, dass sie seine Aufmerksamkeit hatte. Die Sphäre würde ihr zuhören.
Du bist eine Sith-Meditationssphäre. Komm mit mir dorthin, wo die Sith jetzt sind. Diene uns, wie es dein natürlicher Zweck ist. Sie stellte sich Korriban vor: nicht bloß mit zwei Sith, sondern mit vielen, die eins waren, mit Schülern, die in den Wegen der Dunklen Seite ausgebildet und trainiert werden mussten, wenn sie den Ruhm und die Macht erlangen wollten, der ihnen rechtmäßig zustand.
»Die Sphäre verlangsamt ihren Anflug«, berichtete Ithila. »Jetzt ist sie vollends zum Stillstand gekommen.«
Dician machte sich nicht die Mühe, der Hapanerin zu sagen, dass sie das bereits wusste; dass sie unverzüglich eine Verbindung zu dieser Meditationssphäre hergestellt hatte, zu diesem … Schiff.
Die Sphäre schien besonders an den Jüngsten interessiert zu sein, und sie begriff, dass das der Schwerpunkt bei ihrer Entwicklung gewesen war. Um Schüler zu beschützen und auszubilden. Um sie auf ihr Schicksal vorzubereiten.
Du wirst mit nach Korriban kommen. Du wirst mir, Dician, dienen, und du wirst die Jünglinge unterweisen. Du wirst den Zweck erfüllen, zu dem du geschaffen wurdest.
Dies war der Moment, von dem alles abhing. Sie spürte den prüfenden Blick des Gefährts. Dician schämte sich ihrer Kräfte nicht und zeigte sie der Sphäre freigiebig. Das Schiff fühlte ihren Willen, ihre Entschlossenheit, ihre Leidenschaft, ihr Verlangen nach Vollkommenheit.
Vollkommenheit. Schiff sann über das Wort nach.
Die Dunkle Seite verdient nichts Geringeres. Dician war voller Überzeugungskraft. Du wirst mir dabei helfen, für die Sith Vollkommenheit zu erlangen!
Vollkommenheit erlangt man nicht, indem man sich versteckt.
Dician blinzelte. Damit hatte sie nicht gerechnet. Das ist weise. So bleiben wir für uns, abgeschieden, werden stark und beanspruchen dann, was uns gehört.
Schiff dachte darüber nach. Zweifel nagten wie ein Gizka an Dicians Verstand. Sie zerschmetterte sie zur Gänze, schonungslos, und legte ihren ganzen Willen in ihre Forderung.
Die Jedi sind stark und zahlreich geworden. Dies ist nicht die Zeit, sich zu verstecken. Ich werde nicht dienen. Ich werde einen besseren Zweck finden.
In ihrem Bewusstsein spürte sie, wie sich die Sphäre abschottete, wie sie sich in etwas von ihr isolierte, das einer Zurückweisung gleichkam. Dician fühlte, wie ihre Wangen heiß wurden. Was fiel der Sphäre ein, sich ihr zu widersetzen?
»Captain«, sagte Ithila, »das Schiff nimmt wieder Kurs auf Ziost.«
»Das sehe ich selbst«, schnappte Dician, und Ithila starrte sie unverwandt an. Schiff zeichnete sich als rasch kleiner werdende Kugel auf ihrem Bildschirm ab, und während sie hinschaute, verschwand es außer Sicht.
Dician wandte die Aufmerksamkeit wieder ihrer Mannschaft zu, die sie, wie sie jetzt erkannte, mit verwirrten Mienen ansah. Sie nahm einen tiefen, beruhigenden Atemzug.
»Dieses Schiff hätte unseren Anforderungen nicht genügt«, behauptete sie, und ihre angenehme Stimme forderte jeden heraus, ihr zu widersprechen. »Seine Programmierung ist antiquiert und veraltet. Unsere ursprüngliche Nachricht hingegen war erfolgreich. Es ist an der Zeit, die Shuttle-Besatzungen wieder an Bord zu nehmen und nach Hause zurückzukehren. Setzen Sie einen Hyperraumkurs auf Omega Drei Sieben Neun«, instruierte sie Wayniss. Der drehte sich um, und seine Finger flogen flink über die Konsole.
Die grundsätzliche Mission der Giftmond hatte nicht darin bestanden, Schiff zu bergen; zumindest bedachte Dician die Sphäre nun mit diesem Terminus. Ursprünglich war Dician losgeschickt worden, um eine Twi’lek namens Alema Rar und ihre Operationsbasis aufzuspüren. Rar hatte sich irgendwie eine vergessene Macht-Technik angeeignet, die sie dazu befähigte, Phantome quer durch die Galaxis zu projizieren. Dician war angewiesen worden, sowohl die Frau als auch die Quelle dunkler Machtenergie zu zerstören, damit keins von beidem in Jedi-Hände fiel. Und dann war sie gezwungen gewesen, zwischen zwei unerwarteten Schätzen zu wählen.
Als die Giftmond getarnt bei Alema Rars Stützpunkt eintraf, hatte Dician entdeckt, dass sie nicht allein waren. Eins der beiden Schiffe, die sich bereits bei dem Asteroiden aufhielten, war kein anderes als der Millennium Falke gewesen. Die nachfolgende Überwachung des Falken hatte gezeigt, dass der Raumfrachter aller Wahrscheinlichkeit nach von seinem berüchtigten Besitzer Han Solo persönlich geflogen wurde – und vermutlich war seine Ehefrau, Leia Organa, Verräterin des noblen Namens Skywalker, bei ihm. Ihre Mannschaften hatten Bomben auf dem Asteroiden platziert, der Alema als Basis gedient hatte, ehe Dician, die nicht vorhatte, sich einen solchen Triumph entgehen zu lassen, ihre Aufmerksamkeit auf die Zerstörung des corellianischen Raumfrachters konzentrierte.
Gleichwohl, bevor Dician den Befehl geben konnte, die Bomben zur Explosion zu bringen und den Falken zu attackieren, war Schiff aus dem Stützpunkt aufgetaucht – ohne Alema Rar an Bord.
Dician hatte die Entscheidung getroffen, Schiff zu folgen und den Versuch zu unternehmen, es zu bergen, und dementsprechend auf einen Angriff auf den Falken verzichtet. Sie hatte den Befehl zum Zünden der Bomben erteilt und die Teams, die sie platziert hatten, angewiesen, auf dem größten Asteroiden des Systems mit der Kennung Omega 379 auf ihre Rückkehr zu warten. Ohne Zweifel rechneten sie damit, dass sie rasch wiederkam.
Dician presste ihre vollen Lippen zusammen. Sie hatte es vorgezogen, Schiff zu verfolgen, anstatt den Millennium Falken vom Firmament zu pusten. Sie hatte genau das getan, wovor sie ihre Mannschaft so eindringlich gewarnt hatte – sie hatte einen Fehler gemacht. Und jetzt konnte sie gar keinen Erfolg für sich beanspruchen.
Sollte Schiff ruhig isoliert auf Ziost zurückbleiben. Es würde keine Möglichkeit finden, zu dienen, niemanden, der ihm erlauben würde, das zu tun, wofür es geschaffen worden war.
In ihrer Verärgerung ließ sich Dician von diesem Gedanken trösten.
1. Kapitel
JEDI-TEMPEL, CORUSCANT
Jysella Horn hatte das Gefühl, als wäre ein Teil von ihr genauso in Karbonit eingeschlossen wie ihr Bruder. Eingefroren, isoliert und außerstande, sich zu rühren. Dennoch gelang es ihr irgendwie, ihre Beine dazu zu zwingen, sie vorwärtszutragen, auf den Jedi-Tempel zu, wo heute, wie sie hoffte, einige Antworten auf sie warten würden.
Von dem unerklärbaren, entsetzlichen Moment an, als sich ihr älterer Bruder Valin mit wildem Blick, gefletschten Zähnen und Unsinn brabbelnd auf ihre Eltern gestürzt hatte, hatte ein Teil der jüngsten Horn ihn in das kalte Gefängnis begleitet, in das er jetzt eingesperrt war.
Sie war stets das Küken der Familie gewesen, das Nesthäkchen, die kleine »Ich auch!«-Schwester. Drei Standardjahre trennten die Horn-Geschwister altersmäßig, und erst seit Kurzem betrachteten sie sich beide als Freunde, nicht bloß als Bruder und Schwester. Jysella hatte ihren unbekümmerten, ausgeglichenen Bruder stets vergöttert. Das Leben ihrer ausgesprochen berühmten Familie wurde praktisch seit dem Tag ihrer Geburt von Gefahren bestimmt. Oft waren sie und Valin für lange Zeitspannen von ihren Eltern und sogar voneinander getrennt gewesen. Drei Jedi in einer Familie sorgten dafür, dass nicht sonderlich viel Zeit für traditionelle Familienaktivitäten blieb. Allerdings hatten die Herausforderungen und das Getrenntsein sie einander immer näher gebracht, anstatt einen Keil zwischen sie zu treiben.
Der Anblick ihres Bruders, der kalt durch bloß einseitig durchsichtige Transparistahlfenster starrte, und das Wissen, dass er ihre Eltern angegriffen und behauptet hatte, seine geliebte Schwester, sein Vater und seine Mutter seien irgendwie entführt und durch Doppelgänger ersetzt worden …
Jysella erschauderte. Kalt, ihr war kalt. Er war kalt und in Karbonit eingefroren, ihr höflicher, grinsender Bruder, der Sanfte und Beliebte, von dem sie nun sagten, er sei geisteskrank.
Bazel Warv legte eine schwere, jadegrüne Hand auf ihre schmale Schulter, als sie die lange Zeremonientreppe des Prozessionswegs zum Jedi-Tempel hinaufstiegen. Eine Abfolge von Grunzern und Quietschlauten drang zwischen seinen Fangzähnen hervor, als er ihr beruhigend zuredete.
»Ich weiß, ich weiß«, beteuerte Jysella mit einem Seufzen gegenüber dem Ramoaner. Seine kleinen Schweinsäuglein waren voller Mitgefühl. »Alle geben ihr Bestes. Das macht es bloß nicht leichter.«
Bazel – »Barv«, wie sein kleiner Kreis enger Freunde ihn nannte – dachte darüber nach und nickte zustimmend. Er drückte ihre Schulter, legte all seine Anteilnahme in die Geste, und Jysella zwang sich, nicht zusammenzuzucken. In Gegenwart anderer Jedi neigte Bazel dazu zu vergessen, wie stark er war. Mit der kleinen Amelia allerdings, der jungen Kriegswaise, die Han und Leia Solo adoptiert hatten, ging der Ramoaner übertrieben sanft um. Amelia ließ sich häufig lachend und kichernd auf Barvs breiten Schultern herumtragen. Das kleine Mädchen war versessen auf alle, die zur »Einheit« gehörten, wie Barv, Yaqeel Saav’etu, Valin und Jysella sich selbst nannten.
»Der große Kerl hat recht«, kommentierte Yaqeel, die auf Jysellas anderer Seite ging. »Unterschätze nicht, wozu eine Gruppe erfahrener Jedi imstande ist, wenn sie mit dem Rücken zur Wand stehen.«
Wieder musste Jysella sich zwingen, nicht zusammenzuzucken, diesmal aufgrund der Kälte, die in den Worten der Bothanerin lag. Sie kannte sowohl Barv als auch Yaqeel schon seit langer Zeit. Zuerst waren sie Valins Freunde gewesen, doch sie nahmen auch Jysella mit Freuden in ihren Kreis auf, als sie älter wurde.
Yaqeel benutzte Worte auf dieselbe kontrollierte, tödliche Weise wie ihr Lichtschwert. Normalerweise machten ihre bitteren, zynischen Kommentare, an die sie gewöhnt war, Jysella nicht das Geringste aus. Jetzt jedoch fühlte sie sich … wund. Als wäre ihr die emotionale Haut abgezogen worden, sodass ihr nun selbst die leichteste Brise Qualen bereitete.
Barv grunzte gereizt, und Yaqeels Ohr zuckte unmerklich. Barv war davon überzeugt, dass die Jedi angestrengt daran arbeiteten, ein Heilmittel für Valins Zustand zu finden – nicht, um ihren eigenen Hals aus der Schlinge zu ziehen, sondern weil es richtig war, es zu tun. Weil es das war, was Jedi eben taten.
Tränen der Dankbarkeit stachen in Jysellas Augen, als sie ihren Freund anlächelte. Yaqeels Ohren sackten leicht nach unten, ein Anzeichen dafür, dass Barvs schlichtes Vertrauen seine Wirkung auch bei ihr nicht verfehlte. Das war nicht ungewöhnlich. Jeder – nun, jeder abgesehen vom liebenswerten, etwas begriffsstutzigen Barv selbst – wusste, dass Yaqeel eine Schwäche für den »großen Kerl« besaß, und das konnte ihr niemand verübeln. Barv war unkompliziert und aufrichtig, mit einem Herzen so groß wie die Galaxis und einem unerschütterlichen Sinn für Recht und Unrecht.
Jysella wollte ihm in dieser Sache verzweifelt glauben, doch die Furcht, die ihr einem Lebewesen gleich hinten am Gaumen flatterte, verhinderte das.
»Wie auch immer, Liebes, wir wissen, dass deinem Bruder der Kopf am rechten Platz sitzt«, sagte Yaqeel in sanfterem Tonfall. »Was auch immer mit ihm passiert, ich bin davon überzeugt, dass es bloß vorübergehend ist. Du musst einfach damit aufhören, dir all diese Nachrichtenvids anzusehen. Die berichten alle bloß über das, was sich am spektakulärsten anhört. Und das ist für gewöhnlich nicht die Wahrheit.«
Sie hatten den Tempeleingang erreicht. Einstmals war der Jedi-Tempel durch seine fünf Türme ins Auge gefallen, ein einzigartiges Merkmal der Skyline von Coruscant. Allerdings war während des Yuuzhan-Vong-Krieges vieles davon zerstört worden. Ein großer Teil des Tempelinneren war restauriert worden, um das alte Aussehen wiederherzustellen – in einigen Fällen bis hin zu den Marmormustern der Fußböden –, doch das Äußere, eine Ansammlung von Stein- und Transparistahlpyramiden verschiedener Größe, war ausfallend modern. Jysella stellte fest, dass sie die vertrauten Statuen von vier vormaligen Meistern vermisste, die früher am Haupteingang Wache gestanden hatten.
Sie seufzte. Gerade, als sie sich umdrehte, um mit ihren Freunden zu sprechen, fand sie sich in einer fast erdrückenden Umarmung wieder. Trotz allem breitete sich ein Grinsen über ihre Lippen aus, und sie erwiderte Barvs Geste.
»Danke, Barv«, hauchte sie mit dem letzten bisschen Luft, das noch in ihrer Brust zurückgeblieben war.
Er ließ sie los, und sie rang nach Sauerstoff, während sie zu ihm emporlächelte. Dann umarmte Yaqeel sie, voller Zuneigung, mit leicht würzig duftendem Fell und von einem Mitgefühl zeugend, das die meisten Leute von Vertretern dieser Spezies niemals wirklich erfuhren. »Wenn du irgendwas tust, wirst du dich besser fühlen«, meinte Yaqeel.
Barv fühlte sich stets besser, wenn er etwas tat. Normalerweise beinhaltete das, irgendwelche Bösewichter in die Mangel zu nehmen. Yaqeel tätschelte Jysellas Wange. »Sicher, dass wir nicht mit dir reingehen sollen?«
»Nein, ist schon in Ordnung. Ihr beide habt genug für mich getan. Ich … ich weiß ehrlich nicht, was ich ohne euch getan hätte«, sagte Jysella – die Worte sprudelten nur so aus ihr heraus. »Mom und Dad waren so auf Valin fokussiert – und, ich meine, natürlich sollten sie sich vornehmlich um ihn kümmern. Das tue ich auch. Es ist bloß …«
»Das zu sagen ist nicht nötig«, unterbrach Yaqeel sie sanft; offenbar spürte sie – genau wie Jysella es in diesem Augenblick tat –, dass das Menschenmädchen den noch verbliebenen, dürftigen Rest Selbstbeherrschung verlieren würde, wenn sie noch weitersprach. »Wir sind die Einheit. Und in der Einheit können wir uns alle jederzeit aufeinander verlassen. Du hättest dasselbe für uns getan.«
Barv nickte bekräftigend. Und das war die Wahrheit. Jysella und Valin hätten dasselbe für jeden ihrer beiden Freunde und Jedi-Ritter-Gefährten getan. Sie hätten sogar noch viel mehr getan, genauso, wie sie wusste, dass die anderen mehr tun würden, wenn es erforderlich wäre.
»Nun«, sagte sie und versuchte dabei, ein tapferes Gesicht aufzusetzen. »Mit eurer Hilfe und der des ganzen Jedi-Ordens bin ich mir sicher, dass wir Valin im Handumdrehen aus diesem Karbonitblock rausgeholt haben werden. Auch wenn ich zugeben muss, dass es, als ich noch ein Kind war, jede Menge Augenblicke gab, in denen ich hellauf begeistert gewesen wäre, wenn er ein Kaftisch gewesen wäre, der keine Widerworte gibt.«
Das war ein schwacher Versuch, witzig zu sein, doch sie sprangen alle darauf an und lachten. Ich muss lachen, weil ich sonst weinen werde, dachte Jysella. Und Valin würde nicht wollen, dass sie weinte. Das hatte sie in den vergangenen Tagen schon viel zu viel getan.
Grinsend hakte Yaqeel sich bei Barv unter. »Komm mit! Ich spendiere dir einen Kaf. Sind wir immer noch zum Mittagessen verabredet, ’Sella?«
Mittagessen. Das hatte sie vollkommen vergessen. Sie schien heutzutage eine Menge zu vergessen, abgesehen von dem überwältigenden Verlangen, dass alles wieder in Ordnung kam.
»Oh, richtig. Ja, kommt in ein paar Stunden wieder her. Ich bin sicher, bis dahin habe ich Cilghal hinreichend verärgert.« Sie lachte; diesmal war es ein aufrichtiges Lachen.
Das war ein guter Schlussakkord, und die drei Verbliebenen der Einheit winkten einander zu. Jysella sah zu, wie Barv und Yaqeel davongingen, dann seufzte sie, wandte sich um und betrat den Tempel. Sie lächelte den fünf Schülern, die dort als Wachen postiert waren, höflich zu.
Wie viele Male war sie schon hier gewesen? Sie hatte längst den Überblick darüber verloren. Der Tempel war schon immer ein besonderer Ort für sie, so, wie für jeden anderen Jedi auch. Für lange Zeitspannen war er ihr Zuhause gewesen, wenn sie sich nicht auf einer Mission befunden hatte. Jetzt allerdings wirkte der Tempel sogar noch mehr wie ein Bollwerk der Hoffnung. Irgendwo in diesem weitläufigen Quell des Wissens mussten Informationen zu finden sein, die ihrem Bruder helfen konnten. Irgendein Hinweis darauf, was ihm zugestoßen war und wie sich das wieder beheben ließ.
Barv war davon überzeugt. Und Jysella klammerte sich ebenfalls an diese Hoffnung.
Im gewaltigen, offenen Raum der Eingangshalle des Tempels hallten die Schritte ihrer Stiefel wider, als sie auf den Turbolift zuging, der sie zum Ersten Flügel des Archivs bringen sollte. Sie verschränkte die Arme und zappelte etwas herum, während der Turbolift sie leise summend in die oberste Etage hinauftrug.
Sie fand Cilghal in einem kleinen Alkoven in den Untiefen der Regalreihen, wo sie an einem der Tische saß, umgeben von hohen Stapeln glühender blauer Datenbänder und -karten. Ihr glatter brauner Schädel war über einen antiken Text gebeugt, und ihre flossenartigen Hände waren in Handschuhe gehüllt, um das empfindliche alte Blatt Flimsi zu schützen. Als Jysella näher kam, schaute sie auf.
»Jysella. Gerade rechtzeitig!«, rief sie. Ihre raue Stimme klang warm.
Jysella schenkte ihr als Reaktion darauf ein schwaches Lächeln und rutschte auf den Stuhl ihr gegenüber. Obwohl dies die verabredete Zeit war, zu der sie sich treffen wollten, war offensichtlich, dass sich Cilghal bereits seit einer ganzen Weile hier aufhielt.
»Ich …« Jysella seufzte und streckte die Hand nach einem Datapad aus, um es in ihren kraftlosen Fingern zu halten. »Verzeiht mir, Meisterin Cilghal. Ich weiß nicht einmal, wo ich damit anfangen soll, Euch zu helfen.«
Cilghal musterte sie mitfühlend und drehte den Kopf ein wenig zur Seite, um Jysella mit einem einzelnen großen, kugelrunden Auge anzusehen. »Du weißt, dass jeder tut, was in seiner Macht steht. Für uns alle ist es wichtig, dass dein Bruder wieder gänzlich gesund wird – und dass wir verstehen, was mit ihm geschieht. Wir hoffen sehr, dass mit diesem Verstehen ein Heilmittel einhergeht und damit die Möglichkeit, über seine Freilassung aus dem Gewahrsam der Galaktischen Allianz zu verhandeln.«
Jysella zuckte zusammen und strich sich eine Locke rötlich braunen Haars aus der Stirn, die dem improvisierten Haarknoten entfleucht war, den sie sich heute Morgen gesteckt hatte.
»Ich weiß. Es … Es ist ärgerlich, dass das alles in den Augen der Öffentlichkeit bloß dazu dient, den Jedi zu schaden. Valin … Das hätte er niemals gewollt!«
»Natürlich nicht«, beruhigte Cilghal sie. »Diese Angelegenheit fällt in keiner Weise auf deine Familie zurück, Jysella. Das Ganze ist lediglich ein tragischer und, wie ich hoffe, vorübergehender unerklärlicher Vorfall.«
Cilghal klang absolut aufrichtig, und Jysella glaubte, dass die Mon-Calamari-Heilerin jedes Wort davon ernst meinte. Sie wusste, dass Cilghal bis zu einem gewissen Grad gegen die Vorstellung war, dass Jedi familiäre Bindungen besaßen. Und dennoch war sie Jysella gegenüber so freundlich und hilfsbereit. Das bedeutete ihr eine Menge.
Trotzdem … Sie wünschte, Meister Skywalker wäre hier. Obwohl Luke alles getan hatte, was in seinen Möglichkeiten lag, um sicherzustellen, dass der Führungswechsel reibungslos verlief, hatte seine Abreise den Jedi-Orden in Aufruhr versetzt. Sie wusste, dass Meister Hamner sein Bestes tat, um in seiner undankbaren Rolle alles möglichst diskret zu handhaben, doch sie wusste auch, dass ihm damit kein Erfolg beschieden war. Das Letzte, was der Orden jetzt brauchte, war ein verrückter Jedi-Ritter, der herumlief und behauptete, dass die Leute nicht die waren, für die sie sich ausgaben.
Jysella schloss einen Moment lang die Augen. Wieder verspürte sie den krank machenden Kummer, der sie überwältigt hatte, als ihr bewunderter großer Bruder sie angestarrt hatte und mit kalter Stimme wissen wollte: »Wo ist meine Schwester? Wo ist sie? Was hast du mit ihr gemacht?«
Und jetzt war er in einem GA-Gefängnis in Karbonit eingefroren, außerstande, bei denen zu sein, die ihn liebten, ohne auch nur zu begreifen, dass jene, die ihn liebten, ihm zu helfen versuchten. Jysella, die die Kälte, die Valin umhüllte, mitfühlte, schlang die Arme um ihren eigenen Körper und zitterte leicht.
Oh, Valin. Wenn du uns doch bloß sagen könntest, was passiert ist … Warum du Mom und Dad und auch mich angesehen und geglaubt hast, wir wären nicht wir selbst. Warum hast du uns nicht erkannt? Warum hast du mich nicht erkannt?
Tränen sickerten unter ihren geschlossenen Lidern hervor, und sie strich sie wütend fort. Hör auf damit, ’Sella, ermahnte sie sich streng. Kummer und Sorge würden jetzt weder Valin noch dem Orden zugutekommen, sondern allein Besonnenheit und Wissen. Sie öffnete die Augen und griff nach dem Datapad, das sie eben beiseitegelegt hatte.
»Das sieht nach einer sehr alten Aufzeichnung aus«, merkte sie an und hob den Blick, um Cilghal anzuschauen. »Habt Ihr irgendwelche Theorien, was …«
Jysella spürte, wie alles Blut aus ihrem Gesicht entwich.
Die Mon Cal war offenkundig mit dem alten Flimsi fertig und studierte jetzt aufmerksam die Informationen auf einem Datapad. Ihre großen Augen waren fest darauf gerichtet. Sie war so konzentriert, dass sie nicht einmal blinzelte. In dem Alkoven war es still, abgesehen von leisen Stimmen, die sich miteinander unterhielten, und dem Geräusch von Schritten in einiger Entfernung. Alles war so, wie es noch einen Moment zuvor gewesen war.
Abgesehen davon, dass mit einem Mal alles – alles – verkehrt war.
Valin hatte recht gehabt. Das erkannte sie jetzt …
Jysella atmete rasch ein. Ihr Gegenüber sah aus wie Cilghal. Wer auch immer hierfür verantwortlich war, hatte kein Detail übersehen. Die Frau bewegte sich sogar wie die Mon-Calamari-Heilerin. Und sie hatte sich mit Sicherheit genauso verhalten und so geklungen wie sie. Doch schlagartig und voller Ekel begriff Jysella genau, was ihr Bruder gemeint hatte.
Die Nicht-Cilghal wandte den Kopf, um Jysella zu mustern, und legte ihn leicht schief. »Jysella? Was ist los?«
»N-nichts. Ich … Wisst Ihr was?« Sie stieß ein zittriges Lachen aus. »Ich glaube, ich bin vermutlich zu durcheinander, um Euch eine große Hilfe zu sein«, brachte sie hervor. Sie erhob sich. Sie musste verschwinden, und zwar schnell, bevor dieser Doppelgängerin klar wurde, dass ihre Tarnung aufgeflogen war. Aber wo sollte sie hin? Wem konnte sie es sagen? Wenn Valin tatsächlich recht hatte, dann waren abgesehen von ihr alle anderen entführt und durch Doubles ersetzt worden. Warum war ihr das nicht schon vorher aufgefallen? Oh, Valin, es tut mir leid, dass ich dir nicht geglaubt habe …
Die falsche Cilghal wandte den Blick vollends von dem Datapad ab, das sie studiert hatte, und musterte Jysella mit einem großen, runden Auge.
»Du hast dich während dieser ganzen Angelegenheit sehr gut gehalten, Jysella«, beteuerte die Doppelgängerin sanft. »Es ist nicht überraschend, dass du jetzt womöglich feststellst, dass dir das alles zu viel wird. Möchtest du gern darüber reden? Über seine Sorgen und Ängste zu sprechen kann in gewisser Weise ebenso heilend sein wie ein Aufenthalt im Bacta-Tank.«
Die raue Stimme war warm und teilnahmslos; das brachte Jysella bloß noch mehr aus der Fassung. Stang! Wer auch immer sie war, sie war gut. Sie beherrschte Cilghals Stimme, ihre Flexionen, ihre Bewegungen meisterhaft. Kein Wunder, dass es ihr so erfolgreich gelang, alle anderen zum Narren zu halten.
Valin jedoch hatte sich nicht täuschen lassen, auch wenn er seine Schwester und seine Eltern in seiner Verwirrung fälschlicherweise ebenso für Doppelgänger gehalten hatte wie die, die sie jetzt vor sich hatte.
Oh, nein … Was, wenn er recht gehabt hatte in Bezug auf Mom und …
»Ich denke, ich sollte jetzt besser gehen.« Eine Hand sank beiläufig zur Hüfte und kam auf dem Griff des Lichtschwerts zu liegen, das dort hing. Als vollwertige Jedi-Ritterin war es ihr erlaubt, die Waffe – abgesehen von sehr wenigen Bereichen mit beschränktem Zutritt – im gesamten Tempel zu tragen. In ihrem Stress wegen Valin hatte sie es heute Morgen beinahe vergessen. Jetzt war sie ungeheuer froh, dass sie zurückgegangen war, um es zu holen.
Cilghals Augen folgten ihrer Bewegung, und sie stand auf. Natürlich besaß sie ihre eigene Waffe, doch sie machte keine Anstalten, sie zu ziehen. »Jysella, warum kommst du nicht mit mir und …«
Entsetzen durchfuhr Jysella, und ihr entfuhr ein Schluchzen. Sie trat zurück – ihre Hand umschloss das Heft des Lichtschwerts so fest, dass ihre Knöchel weiß wurden.
»Bleib weg von mir!«, schrie sie mit zitternder Stimme.
»Jysella …« Das Ding – oder was immer es war – streckte inständig die Hand nach ihr aus.
»Ich sagte, bleib weg!«
Jysella zog ihr Lichtwert mit einer Hand und stieß die andere in Richtung der falschen Cilghal. Die Männer in ihrer Familie waren außerstande, Telekinese einzusetzen. Jysella hingegen besaß dieses Handicap nicht und benutzte diese Gabe jetzt. Sie legte all ihre Angst, all ihre Konzentration in die Geste, und Jysellas Machtstoß traf Nicht-Cilghal unvorbereitet und schleuderte sie nach hinten in einen Stapel Datapads.
Sie verharrte nicht, um zu sehen, wie Cilghal in den Haufen krachte. In diesem Moment lief Jysella Horn, aller Wahrscheinlichkeit nach die einzig wahre Person, die abgesehen von ihrem Bruder noch auf dem Planeten weilte – womöglich in der gesamten Galaxis –, bereits so schnell, wie sie konnte, den Gang hinunter in Richtung Turbolift.
Cilghal erholte sich rasch von dem Angriff und nutzte die Macht, um den Stapel wieder zu stabilisieren und zu verhindern, dass er vollends umkippte. Einige Datapads fielen klappernd zu Boden, als sie sich erhob und mit einer Hand nach ihrem Komlink und mit der anderen nach dem Lichtschwert griff. Sie war von der Attacke vollkommen überrascht worden und tadelte sich dafür im Stillen.
»Tempel-Sicherheitsdienst, hier ist Meisterin Cilghal«, sagte sie, als sie bereits die Verfolgung der fliehenden Menschenfrau aufnahm. »Jedi Jysella Horn muss gefasst und in Gewahrsam genommen werden. Ihr darf kein Leid zugefügt werden, wenn das irgend möglich ist. Sie ist nicht bei Sinnen. Meister Hamner ist unverzüglich zu informieren. Er muss … Er muss erfahren, dass es einen weiteren Fall gibt.«
»Bestätigt«, kam eine forsche, kühle Stimme. Cilghal schaltete das Komlink mit einem Klicken aus. Wenn Jysella sicher verwahrt war, blieb noch genug Zeit, um näher ins Detail zu gehen.
Was passiert war, war offensichtlich. Genau wie ihr Bruder, hatte Jysella Horn den Verstand verloren. Doch im Gegensatz zu Valin, der irrational aggressiv gewesen war, hatte Jysella totale, elende Furcht in die Macht abgestrahlt. Was auch immer ihr Geist ihr sagte, es ängstigte sie über alle Maßen, mehr, als Cilghal es je bei einem Menschen erlebt hatte.
Mitgefühl, kombiniert mit der grimmigen Entschlossenheit, das verängstigte Mädchen daran zu hindern, irgendjemandem Schaden zuzufügen, beschleunigte die Schritte der Mon Calamari. Sie würden sie aufhalten – so oder so. Immerhin war dies der Jedi-Tempel, und Jysella, wenn auch eine überaus fähige Jedi-Ritterin, war schwerlich unaufhaltsam, selbst wenn sie von wahnwitziger Furcht angetrieben wurde.
Wohin konnte sie jetzt gehen?