Paul Sanker
AndroSF 113
Paul Sanker
YOLO
Wir treffen uns im nächsten Level
AndroSF 113
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© dieser Ausgabe: Mai 2021
p.machinery Michael Haitel
Titelbild: Andreas Schwietzke
Layout & Umschlaggestaltung: global:epropaganda
Lektorat & Korrektorat: Michael Haitel
Herstellung: global:epropaganda
Verlag: p.machinery Michael Haitel
Norderweg 31, 25887 Winnert
www.pmachinery.de
für den Science Fiction Club Deutschland e. V., www.sfcd.eu
ISBN der Printausgabe: 978 3 95765 243 0
ISBN dieses E-Books: 978 3 95765 854 8
YOLO ['joʊ.loʊ]: Jugendwort 2012, Akronym für die englische Phrase »you only live once«, die Aufforderung, eine Chance zu nutzen und einfach Spaß zu haben, egal welchen Gefahren man sich aussetzt, welche Verbote man missachtet oder ob man Disziplin, Ordnung und Vernunft außer Acht lässt. Daneben ruft YOLO zu Risikobereitschaft und unkonventionellem Vorgehen auf und soll den Eindruck vermitteln, dass der Sprecher »die Lage im Griff habe«.
(nach: de.wikipedia.org/wiki/YOLO)
Die dürre Gestalt lag wie eine gebrochene Strohgarbe auf dem alten, dunklen Eichenparkett des kreisrunden Zimmers. Der vollkommen fensterlose Raum durchmaß vielleicht zwanzig Quadratmeter, die Deckenhöhe betrug mindestens fünf Meter.
Eine breite Holzplatte war in Hüfthöhe rundherum an der Wand angebracht, lediglich unterbrochen durch eine Stahltür, die durch zwei breite Querriegel zusätzlich zu einem elektronischen Verriegelungsmechanismus verschlossen wurde.
Die kuppelförmige Decke war mit verschnörkelten Stuckornamenten verziert, dazwischen befand sich ein Fresko mit zwei gigantisch vergrößerten Händen, die sich mit ihren Zeigefingern ganz nahe kamen, ohne einander zu berühren; die Nachbildung eines Ausschnittes von Michelangelos Erschaffung Adams aus der Sixtinischen Kapelle.
Auf der Holzplatte reihten sich zahllose Computermonitore und Tastaturen nebeneinander, ebenso einige Drucker. Unter der Holzplatte standen mehr als ein Dutzend Rechner.
Die dürre Gestalt bewegte sich langsam, drehte sich wie im Zeitlupentempo auf den Rücken und breitete die Arme nach beiden Seiten aus. Die Füße schlug sie übereinander. Jetzt war zu erkennen, dass es sich um einen Mann handelte. Nein … um einen Jungen. Fast noch ein Kind. Sein Kopf war nach rechts gewandt, das Kinn berührte beinahe die Schulter. Auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck der Erschöpfung. Er weinte, leises Schluchzen war zu hören. Tränen liefen ihm die Wangen herab. Der Junge hatte kurze, rostrot gefärbte Haare, trug verwaschene Jeans und ein schmutziges, braunes T-Shirt. Auffällig war ein blaugrünes Medaillon, das daran steckte.
Die vielen Monitore in dem kreisrunden Raum waren ausgeschaltet. Nur auf einem Siebzehn-Zoll-Flatscreen, der sich über dem Kopf des am Boden Liegenden befand, war ein Bild zu sehen: Zwei Gestalten, beide offensichtlich tot, lagen hingestreckt auf dem Boden einer trostlosen Hügellandschaft. Es war Nacht, doch im fahlen, gespenstisch leuchtenden Dunst erkannte man im Hintergrund auf einer Erhebung drei Galgenbäume, an denen abgemagerte und in Lumpen gekleidete Kreaturen mit auf den Rücken gebundenen Armen und gefesselten Füßen hingen. Die Körper schaukelten sacht hin und her. Auf der Schulter eines Erhängten saß ein Rabe und pickte vorsichtig ein Auge aus dem Schädel des Leichnams. Wie ein dunkler Schatten flog er mit seiner Beute davon.
Die beiden Gestalten am Boden sahen ganz anders aus als die unglücklichen Galgenvögel. Offensichtlich hatte es sich bei ihnen noch vor Kurzem um stolze und mächtige Kämpfer gehandelt. Der eine – ein vornehmer Ritter aus dem Mittelalter – trug eine prächtige Rüstung. Das Helmvisier war heruntergeklappt. Ein Messer steckte in seinem Hals. Neben ihm lag ein riesiges, prachtvoll verziertes Schwert. Um den Körper des Ritters hatte sich eine dunkle Blutlache ausgebreitet.
Bei näherem Hinsehen wurde erkennbar, dass es gar keine zweite Gestalt gab. Es handelte sich vielmehr nur um einen Haufen nasser Kleider in einer Wasserpfütze. Neben einem langen, schwarzen Samtumhang lagen der breite Hut eines Magiers und ein silberner Ring in Form einer zusammengerollten Schlange.
Der rothaarige Junge auf dem Eichenparkett hatte aufgehört zu weinen. Vielleicht war er zu erschöpft. Er hielt die Augen geschlossen. »Frank, warum hast du das nur getan?«, flüsterte er. Dann schlief er ein.
Der edle Paladin ritt mit seinem Schlachtross durch die öde Wüstenlandschaft Dalarions. Die Sonne brannte erbarmungslos vom wolkenlosen Himmel herab. Trotz seiner Plattenrüstung und seines auf dem Rücken hängenden Schwertes Seelenschinder spürte Hard2drive die Hitze nicht. Er war einzig und allein auf seinen Auftrag konzentriert, zu Ehren seiner edlen Gilde die mörderische Bestie zu erlegen.
Er stieg vom Pferd, ging einige Schritte vorwärts über den staubigen, ausgedörrten Boden, der nur vereinzelt von Disteln und Unkräutern bewachsen war. Langsam zog er das Schwert aus der Scheide.
In der scharfen Klinge spiegelten sich die gleißenden Sonnenstrahlen. Das tödliche Metall glänzte wie glühende Lava. Vorsichtig schlich Hard2drive Schritt für Schritt vorwärts, bog langsam um einen Felsvorsprung und stand plötzlich vor einer Gruppe mannshoher Dornenbüsche, die nicht erkennen ließen, was sich dahinter verbarg.
Er vernahm ein leises, aber bedrohliches Knurren, klappte entschlossen das Visier seines magischen Helmes Schattenzahn herunter und ging weiter. Mit einer kurzen rituellen Beschwörung aktivierte er seine Aura Frostsphäre, die ihn vor heimtückischen Angriffen seiner Gegner schützen sollte. Ein blauer Glanz umwaberte ihn, als er aus der Deckung des vordersten Dornenbusches trat.
Da stand es vor ihm, keine hundert Meter entfernt, ein Monster von mehr als drei Metern Länge und fast zwei Metern Schulterhöhe. Die Bestie stieß ein ohrenbetäubendes Brüllen aus, als sie ihn sah. Anfangs kam sie langsam auf ihn zu und wurde dann immer schneller.
Die Erde bebte unter ihrem massigen Körper mit dem schmutzig gelben Fell. Sie schüttelte den riesigen Schädel mit der furchterregenden Mähne. Ihr Maul war weit aufgerissen und zeigte zwei Reihen mörderischer Zähne. Zwei lange, gebogene, dolchartige Eckhauer überragten die Lefzen.
Der Paladin blieb breitbeinig stehen und erwartete regungslos den Angriff des Säbelzahnlöwen. Der war nur noch wenige Meter entfernt, da setzte er zum Sprung an und schoss mit ausgestreckten Krallen und Geifer vor dem Maul auf ihn zu.
Blitzschnell trat Hard2drive einen Schritt zur Seite, schwang sein Schwert Seelenschinder durch die Luft, traf das Untier im Genick und der Kopf der Bestie fiel wie eine reife Frucht platschend vor seine gepanzerten Stiefel.
Der riesige Körper flog noch zwei Meter weiter und landete dann mit dumpfem Aufprall auf dem ausgedörrten Wüstenboden, der nun von einer warmen Blutlache getränkt wurde.
Es war plötzlich still. Der Paladin säuberte sein Schwert am staubigen Fell des Löwen, dann steckte er es zurück in die Scheide. Zufrieden kniete er sich neben die Bestie, zog seinen Dolch Zwergenstich hervor und trennte eine der zotteligen Vordertatzen vom Körper des Untieres. Der Auftrag war erfüllt. Es lebe die Gilde des blauen Kontinents!
Henrik Wanker alias Hard2drive drückte auf Enter – das Spiel war gespeichert. Er atmete einmal tief durch, dann ging er in den Chatmodus.
Hard2drive: Blaue Gilde, hört ihr mich?
Donnergott: Hi, Pala. Was gibt's?
Hard2drive: Hab das Vieh erledigt und die Pranke eingesackt. Quest erledigt.
Donnergott: Hast du magische Gegenstände gefunden?
Hard2drive: Nur ein gelbes Amulett, das die Lebenskraft verdoppelt.
Donnergott: O stark! Brauchst du das Teil?
Hard2drive: Nö, hab ein besseres. Kann ich dir schicken.
Donnergott: Danke, Pala. Bist ein toller Kumpel. Aber ich muss Schluss machen. Essen steht auf dem Tisch.
Hard2drive: Okay. Bis später dann.
Donnergott: Bis später. Wir sehen uns mit den anderen in der Teufelsschlucht zur Lösung der nächsten Quest.
Seufzend erhob sich Henrik von seinem Platz. Es war jetzt halb acht und er saß seit fast drei Stunden vor seinem PC. Auch er hatte einen Riesenhunger.
In seinen braunen Filzpantoffeln schlurfte er Richtung Küche; dabei stolperte er fast über einen Haufen schmutziger Wäsche, der auf dem fleckigen Flokatiteppich lag.
Er fluchte unterdrückt. Am Wochenende musste er unbedingt zu seiner Mutter und ihr die Wäsche bringen. Dabei würde er sie auch gleich fragen, wann sie ihm noch mal ihre Putzfrau schicken konnte. Die Alte würde ihn zwar wieder mit ihrem Gemecker nerven, aber es fing in seiner fünfundvierzig Quadratmeter großen Bude allmählich aus mehreren Ecken an, unangenehm zu riechen.
Henrik gähnte laut und strich sich mit der Hand über das unrasierte Doppelkinn. Er war dreiundzwanzig Jahre alt, von Beruf Einzelhandelskaufmann und arbeitete in einer Discounterkette. Seine Tätigkeit bestand vor allem im Einräumen von Lebensmittelregalen. Ab und zu saß er auch an der Kasse. Aber nur selten, weil er mit dem Stress und der Hektik nicht fertig wurde, verursacht durch ungeduldige Kunden, sodass am Ende seine Kassenabrechnung oft nicht stimmte. Dafür hatte er von seinem Chef schon einmal eine Abmahnung bekommen. Dieser dumme Drecksack!
Henrik schob die düsteren Gedanken beiseite und legte sich eine Pizza Diavolo in den Backofen. Sein Magen knurrte heftig. Gedankenverloren tätschelte er seinen fetten Bauch, den das knittrige, verschwitzte T-Shirt nur bis knapp zum Nabel bedeckte. Mit seinen hundertzweiundsiebzig Zentimetern Körpergröße und einem Gewicht von vierundneunzig Kilogramm hatte er sicher keine Modelmaße – aber wahre Schönheit kam ja von innen. Er grinste bei diesem Gedanken und ging ins Bad. Nachdem er genüsslich im Stehen mit geschlossenen Augen Wasser gelassen hatte, betrachtete er sich im Spiegel. Struppiges, dunkelblondes Haar fiel über die fettig glänzende Haut seiner Stirn.
Hinter der schwarzen Hornbrille starrte ihm ein wässriges, graublaues Augenpaar entgegen. Er bleckte seine gelblich belegten Zähne und dachte, dass der Gebrauch einer Zahnbürste in naher Zukunft zu erwägen sei.
Achselzuckend schlurfte Henrik in die Küche zurück und holte die Pizza aus dem Ofen. Gierig stopfte er die vor Fett triefenden Pizzastücke in den Mund.
Er dachte schon wieder an den Computer. Heute Abend würde er mit den Mitgliedern seiner Gilde eine wichtige Quest beginnen: die Teufelsschlucht-Quest. Dabei mussten sie eine Horde Trolle in deren Lager aufspüren und vernichten. Dies würde nicht einfach sein, denn der Gegner war stark und gut bewaffnet. Aber als Belohnung winkte eine Schatztruhe voll einzigartiger magischer Gegenstände, die sie unter sich aufteilen würden.
Er war derzeit im vierundneunzigsten Level – von neunundneunzig. Damit gehörte er zu den wenigen Champions im Onlinerollenspiel Kingdom of Fantasy, kurz KoF genannt. Er spielte im Hardcoremodus. Das hieß, dass es keine Wiederauferstehung gab, wenn er getötet wurde.
Doch nur wenige hatten eine Chance, gegen ihn zu bestehen. Als Paladin war er nahezu unangreifbar. An seiner Rüstung hatten sich schon viele Gegner die Zähne ausgebissen. Seine Waffen waren mächtig und absolut tödlich. Außerdem beherrschte er eine Anzahl von wirkungsvollen Angriffs- und Verteidigungszaubern, mit denen er schon manch einen erfahrenen KoF-Spieler überrascht und ausgeschaltet hatte.
Bereits seit drei Jahren hatte er im Hardcoremodus überleben können. Dies war nur sehr wenigen Spielern gelungen. Unter den Playern genoss er einen legendären Ruf. Er war gern gesehener Mitstreiter in schwierigen Quests und Schlachten, doch meistens kämpfte er allein oder mit seiner Gilde, die er vor einem Jahr gegründet hatte.
Sie waren zu sechst. Er kannte seine Gildenbrüder lediglich als Spielcharaktere. Nur Donnergott – einen Barbaren im dreiundsiebzigsten Level – hatte er im Real Life kennengelernt.
Er hieß Tobi Krüger und war ein fünfzehnjähriger Realschüler, der in derselben Stadt wohnte. Sie hatten sich einmal verabredet, waren zusammen ins Kino gegangen und seitdem befreundet.
Tobi war der einzige Freund, den er hatte, auch wenn er ein bisschen durchgeknallt zu sein schien. Meistens schwänzte er die Schule und saß wie er vorm PC. Seinen Eltern war es egal. Der Vater war Alkoholiker und arbeitslos, die Mutter schluckte Antidepressiva und glotzte Fernsehen. Tobi hatte noch einen älteren Bruder. Frank gehörte zur Gothicszene und trug immer schwarze Klamotten. Abends trieb er sich in dubiosen Clubs rum und bekiffte sich.
Eigentlich waren Henrik Tobis Lebensumstände mehr oder weniger egal. Hauptsache, er machte seine Sache in der Gilde gut und in dieser Hinsicht war er tatsächlich recht brauchbar, auch wenn er noch in einem vergleichsweise niedrigen Level steckte.
Nachdem Henrik die Pizza vertilgt hatte, leckte er sich die Finger ab, rülpste verhalten und stand auf. Die Pizzaschachtel ließ er unbeachtet auf dem Tisch liegen. Die Putzfrau würde den Dreck sowieso wegräumen, wenn sie kam.
Ihm fiel ein, dass er seine Mutter anrufen musste, um ihr mitzuteilen, dass er die Wäsche vorbeibringen wollte. Widerwillig nahm er sein Handy und wählte ihre Nummer.
»Wanker?«, meldete sich eine Frauenstimme.
»Hallo, Mom. Ich bin’s, dein Lieblingssohn.« Henrik grinste spöttisch. »Ich wollte deine Stimme hören und fragen, wie’s dir so geht.«
»Ach, frag nicht! Wie soll’s mir schon gehen? Schlecht natürlich. Aber das interessiert dich doch gar nicht. Ich könnte in meiner Wohnung liegen und sterben. Keiner würde es bemerken. Erst wenn ich anfange zu verwesen und zu stinken.«
Henrik hielt den Hörer von seinem Ohr ab, um die grelle, keifende Stimme nicht in voller Intensität hören zu müssen.
»Ach, Mamutschka, du tust deinem Augenstern unrecht«, verteidigte er sich gelangweilt. »Jedes Wochenende komme ich dich besuchen. Ich liebe dich doch so sehr und habe solche Sehnsucht nach dir.« Er gähnte und rollte ungeduldig die Augen. Immer dieselbe Leier.
»Du bist ein unverschämter Lügner. Deine arme Mutter ist so allein in ihrem Haus und das eigene Kind kümmert das nicht im Geringsten. Andere Söhne sind fürsorglich und behandeln ihre Mutter mit Respekt. Aber du? Meldest dich nur, wenn du Geld brauchst. Aber was wundert es mich? Dein nichtsnutziger Vater war ja genau so, bevor er einfach gestorben ist und mich mit dir hat alleine sitzen lassen.«
Wie immer an dieser Stelle, an der sie seinen Vater erwähnte, fing die Mutter an zu heulen. Henrik kannte die Litanei auswendig und wollte sie nicht mehr hören, doch die Mutter redete immer weiter. Leise legte er das Handy auf den Tisch und schaltete den Fernseher ein.
Es lief gerade Günter Jauchs Wer wird Millionär – sie waren bei der Zweiunddreißigtausend-Euro-Frage. Die Kandidatin hatte soeben ihren letzten Joker verbraucht und sagte zögernd: »Ich nehme Lösung C.«
Das war leider falsch. Sie fiel auf tausend Euro zurück. Henrik grinste hämisch. »Geschieht dir recht, du blöde Schlampe.« Schicksalsergeben griff er wieder nach dem Telefon.
Die Mutter erging sich noch immer in ihrem endlosen Redeschwall, vermischt mit Heulattacken. »… und was tust du? Lässt deine arme Mutter alleine!« Sie stockte kurz, um Luft zu holen.
Diese Gelegenheit musste er nutzen. »Ich komme am Wochenende zu dir. Dann können wir zusammen essen und uns unterhalten. Bis später also und Küsschen!« Hastig beendete Henrik das Gespräch und warf das Telefon auf den Sessel. Seufzend legte er sich mit einer Tüte Chips auf die Couch und schaute weiter fern.
In Wahrheit kam die Mutter ganz gut ohne ihn aus.
Sarah Wanker war niemals das gewesen, was man gemeinhin eine treu sorgende Mutter nannte. Als sein Vater starb, war er drei oder vier Jahre alt gewesen. Danach brachte seine Mutter ihn ständig zu irgendwelchen Tagesmüttern, oft für mehrere Wochen. Sie begründete es ihm gegenüber damit, dass sie ja schließlich arbeiten müsse, um ihn ernähren zu können.
An den Vater konnte Henrik sich kaum noch erinnern. Lediglich eine Szene hatte sich in sein kindliches Gedächtnis eingebrannt: Mit zwei oder drei Jahren hatte er mit seinem Papa im Garten Ball gespielt. Er wusste genau, dass er an diesem Tag wirklich glücklich gewesen war – doch das war längst vorbei. Was sollte es?!
Zur vereinbarten Zeit loggte Henrik sich wieder ins Spiel ein. Sie trafen sich an vereinbarter Stelle am Eingang der Teufelsschlucht. Die anderen warteten schon auf ihn.
Da war zunächst Shiva-Warrior. Der Charakter aus der Schurkenklasse befand sich im zweiundsiebzigsten Level, ein kleiner, drahtiger, muskulöser Kerl mit schwarzen, kurz geschorenen Haaren, braunen Augen und Dreitagebart. Gekleidet war er in einen schwarzen Lederanzug. Seine Spezialität bestand im heimlichen Anschleichen an den Feind, um ihn hinterrücks zu meucheln. Er war bewaffnet mit zwei vergifteten Dolchen.
Neben ihm stand Deadlysorc, eine Zauberin aus dem sechsundsiebzigsten Level, deren Hauptangriffstaktik in der Erzeugung eines machtvollen Feuerregens bestand. Sie war eine gefährliche Schönheit mit roten, schulterlangen gelockten Haaren und grünen Augen. Ihr Unheil verkündender Blick konnte die Knie jedes Gegners weich werden lassen. Sie brauchte keine Waffen. Ihre Zaubersprüche und Beschwörungsformeln waren mächtiger und todbringender als jedes Schwert.
Der Dritte im Bunde nannte sich Livingdead, ein Untoter im achtzigsten Level, der Skelettkrieger beschwören konnte, die an seiner Seite kämpften. Er war mindestens ein Meter neunzig lang und spindeldürr. Sein schlohweißes, dünnes Haar umrahmte ein ausgezehrtes, knochiges Gesicht mit grauen Bartstoppeln. Auch er trug einen vergifteten Dolch unter seiner braunen Lederkutte. Doch ging er nach Möglichkeit jedem Nahkampf aus dem Weg, weil er dabei hoffnungslos unterlegen gewesen wäre. Seine aus der Unterwelt beschworenen Skelette und Zombies erledigten die schmutzige Arbeit für ihn.
Hinter Livingdead beobachtete Wiseman die Umgebung. Die Hauptaufgabe des Priesters aus dem zweiundachtzigsten Level bestand darin, verwundete Gildenmitglieder aus sicherer Entfernung mit seinem Segenszauber zu heilen. Er hatte dichtes, goldblondes Haar und strahlend blaue Augen. In seinem schneeweißen Gewand sah er aus wie einer der amerikanischen Fernsehprediger.
Als Kämpfer war er nicht zu gebrauchen, allerdings auch nicht so leicht umzubringen. Er konnte die Mitglieder der Gruppe und sich selbst durch Zauber und Heiltränke in kürzester Zeit von Verletzungen und Vergiftungen heilen. Außerdem war er in der Lage, für eine begrenzte Zeit einen undurchdringlichen Schutzschild um eine Person zu erzeugen, der diese nahezu unverwundbar machte.
Komplettiert wurde die Gruppe durch Donnergott, der im wahren Leben Tobi Krüger hieß und Hendriks einziger Freund war. Der Barbar trug lange, schwarze Haare, die von einem roten magischen Stirnband gehalten wurden. Donnergott hatte die Gestalt eines Bodybuilders. Bekleidet war er mit einem braunen Lendenschurz, Lederwams und Lederstiefeln.
Im Kampf stand er mit seiner mächtigen Axt an vorderster Front, Seite an Seite mit ihm selbst, dem Paladin Hard2drive. Henriks Avatar war ein Meter fünfundachtzig groß, schlank und trug mittellanges, braunes Haar. Sein markantes Gesicht fiel auf durch das kräftige Kinn und die strahlend blauen Augen.
Ein Paladin war eine Art mittelalterlicher Ritter. Hard2drive trug eine prächtige, silberne Rüstung. Jeder Bestandteil seiner Ausrüstung besaß magische Zusatzeigenschaften.
Der Helm Schattenzahn war zum Beispiel in der Lage, durch einen Zauber jeden angreifenden Gegner zu verlangsamen. Mit dem Schwert Seelenschinder konnte Hard2drive eine Frostschutzaura aktivieren, welche die Attacken des Feindes abschwächte. Ähnliche geheimnisvolle Attribute besaßen auch sein Dolch, die Halskette, der goldene Ring sowie die gepanzerten Handschuhe und Stiefel. So trat er vor seine Gilde und verkündete die Gefechtsordnung.
Hard2drive: Shiva, du gehst in den Schleichmodus und kundschaftest die Schlucht vor uns aus. Wenn du den Feind siehst, gibst du uns ein Zeichen.
Shiva-Warrior nickte nur kurz zur Bestätigung.
Hard2drive: Gut. Danach folgen Donnergott und ich in einem Abstand von fünfzig Metern. Wir werden den Hauptangriff der Trolle auf uns nehmen. Deadlysorc sichert unsere linke Flanke mit ihrem Feuerregen. Livingdead übernimmt die rechte Flanke und deckt sie durch seine Skelettkämpfer ab. Wiseman hält sich ganz im Hintergrund und heilt aus sicherer Distanz die Verwundeten. Alles klar?
Alle nahmen ihre Plätze in der Schlachtordnung ein. Shiva war schon in die Teufelsschlucht eingedrungen. Die anderen folgten ihm in der verabredeten Reihenfolge. Es war kurz vor Sonnenuntergang.
Sie marschierten in Kampfformation durch das steinige, mäanderförmig gewundene, ausgetrocknete Flussbett. Zu beiden Seiten des Weges wuchsen in dichten Reihen pinienartige Bäume, die sich bis zu halber Höhe der Schluchtwand hinaufzogen. Bizarre Felsformationen und Vorsprünge behinderten zusätzlich die Sicht auf das, was möglicherweise vor ihnen lauerte.
Hard2drive: He, Shiva! Wo bist du? Hast du was gefunden?
Shiva-Warrior: Alles ruhig, Pala. Nichts zu sehen. Bin etwa dreihundert Meter vor euch. Die Schlucht steigt jetzt steil an. Aber … Oh, schiet!
Hard2drive: Was gibt's?
Shiva-Warrior: Vor mir öffnet sich die Schlucht zu einem breiten Tal. Da unten ist das Lager der Trolle. Ich sehe mehrere Holzhütten und ein Lagerfeuer. Und … Ich muss weg! Die Scheißkerle haben mich gesehen.
Der Paladin zog sein Schwert und klappte das Visier herunter. Donnergott schwang brüllend die nagelbesetzte Keule über seinem Kopf. Beide setzten sich wie auf ein geheimes Kommando in Bewegung und rannten vorwärts. Die anderen Gildenmitglieder folgten in der vorgeschriebenen Formation.
Als sie um den nächsten Felsvorsprung bogen, tauchten plötzlich drei Trolle vor ihnen auf. Sie sahen mit ihren klobigen, schwarz behaarten Körpern und Gesichtern furchterregend aus. Die winzigen roten Augen starrten die Kämpfer böse und heimtückisch an.
Die Trolle waren mit Kurzschwertern bewaffnet, deren Klingen grünlich glänzten, ein untrügliches Zeichen, dass die Waffen mit Gift bestrichen waren. Zähnefletschend, mit Fäden ziehendem Schaum vor den Mäulern, griffen sie an.
Hard2drive und Donnergott erwarteten den Angriff Seite an Seite stehend. Der Paladin schwang sein Schwert und der Waffenarm des vordersten Trolls flog abgetrennt durch die Luft. Eine Blutfontäne spritzte pulsierend aus der klaffenden Wunde am Rumpf des Ungeheuers, das zu Boden stürzte und grässliche Kreischlaute ausstieß.
Den zweiten Gegner erledigte Donnergott durch einen Hieb mit der Axt, der den Schädel des Feindes mit einem kurzen Knirschen zertrümmerte.
Troll Nummer drei fiel über den Körper seines niedergestreckten Kameraden und wurde durch einen Schwertstreich des Paladins erlegt.
Ohne die drei Leichen zu beachten, lief der Trupp weiter. Kurz darauf standen die Kämpfer auch schon am Eingang des Talkessels, in dem sich das Dorf der Trolle ausbreitete.
Nun sahen sie auch Shiva-Warrior, der sich augenscheinlich in Schwierigkeiten befand. Er stand wie zur Salzsäule erstarrt inmitten einer Gruppe von fünf Trollen, die unablässig mit Knüppeln und Schwertern auf ihn einschlugen.
Shiva musste seinen Abwehrschirm aktiviert haben, sonst wäre er schon längst tot gewesen. Doch das bläuliche Schimmern um den bewegungslosen Körper des Schurken zeigte, dass etwas nicht stimmte.
Deadlysorc: Shiva wurde von einer Frostaura getroffen. Einer der Trolle muss Magier sein.
Hard2drive: Schon klar. Da hinten zwischen den Pinien sehe ich das Bürschchen.
Etwa fünfzig Meter rechts von ihnen stand ein großer Troll mit einer schwarzen Robe und einem violetten Umhang bekleidet, während seine Artgenossen nur braune, speckige Lederhosen und Wämser trugen.
Das war der Magier. Er starrte Shiva unentwegt an und rührte sich nicht.
Hard2drive: Livingdead, dein Auftritt! Schick deine magersüchtigen Freunde zu dem Bürschchen rüber. Und du, Sorc, heiz' den übrigen Typen ein bisschen ein!
Plötzlich schien die Erde zu beben und zu brodeln. Aus immer breiter werdenden Rissen zu Füßen der Gildenmitglieder erhoben sich wie aus Gräbern fünf Skelette und schritten mit Messern bewaffnet auf den Magiertroll zu. Donnergott schloss sich ihnen an.
Währenddessen ergoss sich ein Regen aus glühender Lava auf die fünf Trolle, die auf Shiva einschlugen. Erschreckt versuchten sie, zu fliehen. Der Paladin stürmte zwischen sie und schlug zweien von ihnen die Köpfe ab. Die Übrigen machten sich Richtung Dorf davon.
Inzwischen hatten die Skelette den Trollmagier erreicht. Diesem gelang es, mit dem Schwert zwei der Gerippe zu zerschlagen, doch dann wurde er von Donnergotts Keule mit einem einzigen Hieb ins Jenseits befördert.
Shiva-Warrior hatte sich aus seiner Erstarrung gelöst und torkelte benommen auf seine Gefährten zu. Ohne Wisemans Heilungszauber hätte er den heimtückischen Überfall der Trolle nicht überlebt.
In der Ferne war zu erkennen, dass sich etwa sechzig Trolle im Dorf um das Lagerfeuer versammelt hatten und die Kämpfer mit lautem Heulen und Kreischen erwarteten.
Hard2drive: Also los! Showtime, Freunde! Sorc, mach sie fertig! Alles Weitere erledigen wir.
Der Himmel über dem Dorf verdunkelte sich und ein tosender Sturm entlud sich über den Köpfen der Ungeheuer. Ein Feuerregen prasselte auf sie herab. Im Nu brannten die Hütten nieder. In Panik versuchten die Trolle zu entkommen, sofern sie nicht lebendigen Leibes verbrannten.
Doch nun setzten sich die Gildenmitglieder in Begleitung von zwanzig Skelettkriegern in Bewegung, um den Feind endgültig zu vernichten. Minuten später war das Gemetzel vorbei.
Nicht nur die Waffen der Gildenmitglieder waren danach blutbesudelt, sondern auch deren Rüstungen und die Kleidung. Die Quest war beendet.
Um Hard2drives Rüstung bildete sich eine gleißende, goldgelbe Aureole als Zeichen dafür, dass er das nächste Level erreicht hatte – Level fünfundneunzig. Zufrieden stieß er das blutige Schwert in den Boden.
Die Schatztruhe mit den verzauberten Gegenständen fanden sie in der niedergebrannten Hütte des Magiertrolls. Für jeden Spielcharakter war ein passendes Item dabei.
Deadlysorc bekam einen Ring, durch dessen Zauberkraft Feinde die Orientierung verloren und hilflos umherirrten. Donnergott erhielt ein Amulett, das ihn für zehn Sekunden unsichtbar machte. Wiseman passte ein Paar Stiefel, mit dem er doppelt so schnell laufen konnte wie gewöhnlich. Livingdead nahm sich einen Umhang, der ihn vor Fernangriffen mit Pfeilen und Speeren schützte. Für Shiva-Warrior erwies sich ein Wams als geeignet, das die Angriffsgeschwindigkeit des Schurken verdoppelte.
Schließlich blieb ein schwerer, edelsteinbesetzter schwarzer Armreif aus einem unbekannten Metall übrig. Die Gefährten betrachteten ehrfürchtig den seltsamen Gegenstand.
Donnergott: Da ist was eingraviert. Was steht da?
Wiseman: Es ist schwer zu entziffern. Die eingravierte Schrift ist ziemlich verschnörkelt und fast verblasst. Aber … Augenblick. Gleich hab ich's! Da steht: Armreif des schwarzen Schattenmagiers.
Livingdead: Wer ist denn der schwarze Schattenmagier?
Hard2drive: Völlig egal, wer der Kerl ist oder war. Jetzt gehört das Ding mir.
Damit nahm der Paladin Wiseman den Armreif aus der Hand und streifte ihn sich übers Handgelenk.
Donnergott: Was kann das Teil denn?
Deadlysorc: Ja, genau. Welche Eigenschaften hat es? Feuerzauber? Blitze? Naturzauber?
Wiseman: Oder gibt das Item einen Schutzzauber?
Hard2drive betrachtete den Armreif nachdenklich und schüttelte den Kopf. Keine Ahnung. Aber ich werde schon rauskriegen, was damit los ist.
Die Gruppe säuberte ihre Waffen und machte sich bereit für den Abmarsch.
Hard2drive: So, Feierabend für heute. Ich muss jetzt weg und noch ein paar Videos zurückbringen. Macht's gut, Leute.
Sie verabschiedeten sich voneinander.
Save game und Log-out.
Henrik Wanker fühlte sich todmüde. Ihm war übel – vermutlich von der zu hastig verschlungenen Pizza. Und Kopfschmerzen hatte er auch. Er ging ins Bad, um sich vielleicht doch die Zähne zu putzen und den schlechten Geschmack loszuwerden.
Als er in den Spiegel sah, stieß er ein erstauntes Hä? hervor. An seiner linken Wange klebte ein dünner Streifen angetrockneten Blutes. Hatte er sich beim Rasieren geschnitten? Doch ihm fiel ein, dass er das schon seit zwei Tagen nicht mehr getan hatte. Er wischte sich das Zeug aus dem Gesicht. Da zeigte sich, dass die Haut darunter unversehrt war. Es handelte sich also eindeutig nicht um sein eigenes Blut. Aber wo sollte es sonst hergekommen sein? Seltsam.
Doch dann wurde Henrik vollends von seiner Erschöpfung überwältigt, sodass er die Sache schnell wieder vergaß. Wie er war, noch in Jeans und T-Shirt, torkelte er in sein ungemachtes Bett und schlief auf der Stelle ein.
Am anderen Morgen schlief Henrik Wanker erst mal richtig aus. Er wurde am Samstag dem zwölften Juni, elf Uhr dreißig, von der herrlichen Frühlingssonne geweckt, die in sein Schlafzimmer schien.
Nicht nur wegen des fabelhaften Wetters war er gut gelaunt, sondern weil er sich heute die neue Grafikkarte für seinen Computer kaufen wollte. Die Bildqualität von KoF würde sich deutlich verbessern und das Spiel noch mehr Spaß machen.
Vor zwei Jahren hatte sich Henrik einen neuen Computer angeschafft. In Anbetracht des Fortschreitens der technischen Entwicklung entsprach dieser Zeitraum einer kleinen Ewigkeit. Er hatte damals das Geld dafür seiner Mutter abknöpfen können, weil er ihr vorgeschwindelt hatte, dass er den PC für ein Fernstudium brauche.
In Wahrheit hatte sich seine Mutter nie richtig dafür interessiert, welche Leistungen und Noten Henrik in der Schule erzielte. Hauptsache, sie wurde nicht durch irgendwelche blauen Briefe, die ins Haus flatterten, oder durch sonstigen Ärger belästigt. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass seine Mutter jemals einen Elternsprechtag wahrgenommen hatte. Es war ihr nicht nötig erschienen, weil sie die Ansicht vertrat, dass Lernen Henriks Angelegenheit sei und nicht die ihre. Außerdem habe sie viel zu wenig Zeit für so blödes Gequatsche wie: Wo soll der nächste Schulausflug hingehen und wer kann beim nächsten Martinslaternen-Basteln helfen? Dafür sei ihr die Zeit zu kostbar, hatte sie behauptet.
Womit seine Mutter jedoch damals ihre Tage verbracht hatte, wusste Henrik bis heute nicht. Auf seine Nachfragen hatte sie nur geantwortet, dass sie geschäftlich auf Reisen sei und er sowieso nicht verstünde, was sie Bedeutungsvolles zu erledigen habe. Später beschränkte sie sich darauf, ihn von oben herab anzufahren, dass es ihn nichts anginge, was sie mache. Er solle lieber froh sein, dass er Geld von ihr zugesteckt bekomme. Also hörte er auf, Fragen zu stellen.
Er hatte die Gesamtschule als kaum mittelmäßiger Schüler durchlaufen, sich aber dennoch dazu entschlossen, das Abitur zu machen. Nicht etwa, weil ihn der Ehrgeiz gepackt hatte, sondern weil sein Eintritt ins Arbeitsleben dadurch um drei Jahre aufgeschoben wurde.
Vom Wehrdienst war er verschont geblieben, weil er extrem kurzsichtig war und Senkfüße hatte.
Mit neunzehn Jahren machte Henrik sein Abitur mit einem Notendurchschnitt von drei Komma vier. Damit war klar, dass eine glanzvolle Karriere als Arzt oder Anwalt schwierig sein würde, und er selbst bezweifelte, mit Afrikanistik oder dem Studium marokkanischer Volkstänze rasch viel Geld verdienen zu können.
Sein Vorschlag, daher erst mal ein oder zwei Jährchen zu Hause in Ruhe darüber nachzudenken, wie er seine sicher glanzvolle Karriere starten solle, stieß bei der Mutter auf wenig Gegenliebe. Vielmehr handelte sie kurz entschlossen. Sie schickte ihn zu einem Bewerbungsgespräch zu Herrn Krause, dem Filialleiter eines Discounters in der Vorstadt. Krause stellte ihn ohne Begeisterung, aber auch ohne großes Interesse für seine Schulzeugnisse als Auszubildenden zum Einzelhandelskaufmann ein. »Sozusagen aus alter Freundschaft zu deiner Mutter«, wie er mit eigenartiger Betonung auf dem Wort Freundschaft und einem anzüglichen Grinsen abschließend sagte.
Die zweite Entscheidung, die seine Mutter für ihn traf, war, dass Henrik bei ihr auszuziehen habe. Sie hatte ihm ein Appartement am anderen Ende der Stadt angemietet. Bis zur Beendigung seiner zweijährigen Ausbildung werde sie die Miete zahlen, hatte sie versprochen, danach sei er selbst an der Reihe. Es sei an der Zeit, dass er lerne, auf eigenen Füßen zu stehen. Außerdem sei das bescheidene Reihenhaus mittlerweile zu klein geworden für Mutter und Sohn. Sie sei eine Frau in den besten Jahren und brauche Raum für ihre persönliche Entfaltung.
Das mit der eigenen Wohnung empfand Henrik als gute Idee, den Job im Discounter eher weniger. Er sah aber auch den Vorteil, der darin lag, bald eigenes Geld verdienen zu können. Der Gesellschaft seiner Mutter weinte er keine Träne nach.
Wie sich bald herausstellte, war es mit dem großen Geldverdienen im eigenen Job allerdings nicht weit her. Nachdem Henrik seine Lehre beendet hatte und von Herrn Krause sogar übernommen wurde – aus alter Freundschaft zur Mutter, versteht sich – bekam er gerade mal neunhundertfünfzig Euro ausbezahlt.
Dreihundertfünfzig Euro betrug allein die Miete, die er ja von Stund an selber bestreiten musste. Dazu kamen Strom, Wasser, Telefon und so weiter. Mit dem Rest, der ihm blieb, kam er hinten und vorn nicht zurecht. Henrik Wanker war immer knapp bei Kasse.
Die Mutter steckte ihm zwar zwischendurch mal ein paar Euro zu, wenn er ihr genügend lange etwas vorjammerte, doch es reichte nie aus. Dies lag natürlich auch an seinem Lebensstil.
Ab und zu ging er zum Beispiel zur Rennbahn, und wenn er einen heißen Tipp von einem der Stalljungen bekam, wurde auch mal der eine oder andere Fuffi gesetzt. Scheiß Gäule! Aber was sollte es? Man lebt nur einmal – dafür aber mit Klasse!
Zwischendurch brauchte Henrik auch schon mal Bares, um mit seinen Freundinnen in der Kit-Kat-Bar zu feiern. Er war dort ein gern gesehener Gast und die billigste Flasche Schampus kostete in diesem Lokal hundertzwanzig Euro. Das musste man schon investieren, wenn eine der Schlampen lieb zu ihm sein sollte.
Heute nun war wieder mal Zahltag! Gut gelaunt pfeifend eilte Henrik in die Stadt, schnurstracks zu Billie, dem Pfandleiher. Er war dort Stammkunde. Immer mal wieder brachte er ihm ein paar Löffel aus Mutters Silberbesteck, eine alte Uhr oder Manschettenknöpfe, die noch von seinem Vater stammten. Das Zeug lag in irgendwelchen Schubladen oder auf dem Dachboden rum. Die Alte würde den Trödelkram sowieso nicht vermissen. Heute hatte er etwas ganz Besonderes zu verpfänden. Das würde ihn auf einen Schlag flüssig machen.
Henrik war vor dem Laden des Pfandleihers angekommen. Durch das mit einem Stahlgitter gesicherte Schaufenster lugte er in den Raum hinein.
Billie saß hinter seinem Tresen und überprüfte irgendwelche Listen, die vor ihm ausgebreitet lagen.
Beschwingt öffnete Henrik die Ladentür, die jeden Eintretenden mit einem lauten Klingelton ankündigte.
»Ach nee! Mein bester Kunde«, murmelte Billie mit einem kurzen Blick auf den Besucher. Er kniff das linke Auge halb zu, als er Henrik über die randlose Lesebrille hinweg anschaute, die tief auf seinem Nasenrücken saß. Sein linker Mundwinkel hing dabei leicht abschätzig herab.
Billies Alter war schwer zu schätzen, es lag irgendwo zwischen Mitte vierzig und sechzig. Sein Schädel war bis auf ein paar graue Haarstoppeln kahl. Der Körper wirkte dagegen wegen seiner muskulösen Arme und dem ausladenden Brustkorb auffallend durchtrainiert. Die etwas abgeplattete Nase ließ den Verdacht aufkommen, dass er früher mal geboxt hatte.
Nachdem Billie Henrik offenbar genug Aufmerksamkeit geschenkt hatte, brütete er weiter über seinen Papieren.
»Hi, Billie, ich hab’ heute was ganz Wertvolles für dich.« Henrik kramte in der Innentasche seine Cordjacke herum und legte dann vorsichtig einen in Zeitungspapier gewickelten Gegenstand auf den Tresen.
Billie schielte gelangweilt herüber. »Na und? Pack’s aus und mach’s nicht so spannend.«
Henrik nickte und wickelte mit fahrigen Händen das Papier ab. Zum Vorschein kam ein breiter, goldener Armreif. Erwartungsvoll hielt er dem Pfandleiher das Schmuckstück hin.
Der nahm es entgegen, schaute es von allen Seiten an und drehte es mehrfach prüfend um. »Nicht schlecht. Wo hast du das Teil her?« Misstrauisch sah er Henrik in die Augen.
Dem standen feine Schweißperlen auf der Oberlippe und er zwinkerte nervös. »Äh … das ist … ein Erbstück … von meiner Mutter«, sagte er stotternd.
»So, so. Ein Erbstück.« Billie zog ein Vergrößerungsglas unter dem Tresen hervor und betrachtete den Reif noch eingehender. »Zur Hochzeit meinem geliebten Schatz Sarah …«, las er langsam vor.
»Hä?«, meinte Henrik.
»Na, das steht da, du Einfaltspinsel! Zur Hochzeit. Ein Geschenk deines Vaters an deine Mutter.« Billie schüttelte missbilligend den Kopf. »Und was sagt dein Vater dazu, dass du das Ding verscherbelst?«
»Äh … der ist auch tot. Ganz tragische Geschichte. Autounfall …, äh … dunkel und nasse Straße. Mein Vater wurde geblendet von der Sonne und kam – zack! – von der Straße ab.« Dabei machte Henrik mit der linken Hand eine entsprechende Bewegung, um den dramatischen Ablauf des Unfalles zu verdeutlichen.
»Es war dunkel und dein Vater wurde von der Sonne geblendet.« Mit offenem Mund starrte der Pfandleiher Henrik an.
»Nein, nein, nein! Ich meinte, er wurde vom Scheinwerferlicht eines entgegenkommenden LKW geblendet. Ja, genau so war’s.« Dabei nickte Henrik hastig zur Bekräftigung. Schweißränder zeigten sich unter den Achseln seines T-Shirts.
»So, so. In der Tat gaaanz tragisch«, meinte Billie und betrachtete erneut den Armreif.
Henrik gestattete sich ein erleichtertes Aufatmen und faselte: »Ja, es war eine schwere Zeit für mich, als ich mit zehn Jahren ins Waisenhaus musste, ganz allein, keine Verwandten.« Er schniefte gerührt und strich sich eine imaginäre Träne aus dem Augenwinkel. »Jeden Tag bekamen wir mittags Kohlsuppe. Nur am Sonntag gab es zusätzlich Tofuwurst und als Nachtisch ungezuckerten Grießbrei.«
Billie hörte schweigend zu. Er saß da, in der einen Hand den Armreif, mit der anderen stützte er sein Kinn ab und blickte Henrik unverwandt an. Es wurde mucksmäuschenstill. Nur das Ticken der antiken Standuhr in der Ecke war zu hören.
Nach einer Weile stand der Pfandleiher auf. »Na schön«, seufzte er, ging zu der altmodischen Registrierkasse, entnahm ihr einen Geldschein und reichte ihn Henrik. »Hier hast du zwanzig Euro.«
Fassungslos starrte Henrik den Pfandleiher an.
»Na, nimm schon, Kleiner. Eine Quittung brauchst du ja wohl nicht.« Billie wedelte mit dem Geldschein vor Henriks Nase herum.
»Hä? Das ist doch wohl nicht dein Ernst? Meine Mutter sagt, das Ding ist locker dreihundert Mäuse wert.« Henriks Gesicht war nun vor Wut puterrot angelaufen.
»Wer hat was gesagt?«, fragte Billie lauernd.
»Äh, ich meine natürlich meine Stiefmutter. Ja, die Stiefmutter, die mich mit neun Jahren aus dem Waisenhaus adoptiert hat.«
»So, jetzt reicht es mir, Bürschchen.« Drohend baute sich Billie vor Henrik auf. Mit dem Zeigefinger tippte er auf dessen schwammigen Brustkorb. »Du nimmst jetzt das Geld und machst dich aus dem Staub, oder du nimmst den Armreif zurück und machst dasselbe. Ich will dich auf jeden Fall nie mehr in meinem Geschäft sehen. Und jetzt: Zieh Leine!«
Henrik glotzte verdutzt abwechselnd auf Geldschein und Schmuckstück. Dann griff er nach dem Armreif, steckte ihn hastig wieder in seine Jacke und schrie den Pfandleiher an: »Das wird dir noch leid tun, du dummer Wichser! Wir sprechen uns.«
Als Billie einen schnellen Schritt auf ihn zu machte, drehte Henrik sich erschrocken um, riss die Tür auf und flüchtete aus dem Laden. Von draußen bedachte er den Pfandleiher mit dem Stinkefinger, dann rannte er um die nächste Hausecke. Mit Wuttränen in den Augen machte er sich auf den Weg nach Hause. Unterwegs rempelte er eine alte Frau an, die mit ihrem Dackel spazieren ging.
»Pass doch auf, du dumme Schachtel!«, giftete er sie an, worauf ihn der Hund wütend ankläffte.
»Schnauze, du Flasche!«, schrie er, hastete weiter, böse vor sich hinfluchend und mehrmals auf die Straße spuckend.
Erst daheim beruhigte er sich langsam wieder und schmierte sich ein paar Brote mit Erdnussbutter als Trostspender. Noch mit Tränen in den Augen setzte er sich an seinen Computer.
Hard2drive ritt durch den Wald von Sleepysoul. Er wollte allein sein und ohne seine Gilde durch die Fantasywelt reisen, um seine Enttäuschung zu verarbeiten. Vielleicht bekam er Gelegenheit, ein paar Gnome oder Trolle zu zerhäckseln. Auf jeden Fall musste irgendwer für die Demütigung büßen, die er bei diesem verlausten Pfandleiher erlitten hatte.
Obwohl im Real Life Frühling war, umgab den Krieger hier ein bunter Herbstwald. Pausenlos fielen Blätter von den Buchen und Eichen um ihn herum. Der Waldweg war bedeckt von einem dichten Laubteppich. Das Gebiet, das er gerade durchquerte, hatte Hard2drive zuvor noch nicht erforscht.
Das Geniale an Kingdom of Fantasy war die revolutionäre eternity-at-random-Technik oder kurz ear. Es bedeutete, der Spieler erreichte nie das Ende der virtuellen Spielewelt, weil es kein Ende gab. Der Computer generierte immer aufs Neue Landstriche und Zauberwelten.
Es gab einige Spieler, die lediglich weiter und weiter reisten, dadurch ständig Länder, Meere, Berge und Kontinente erschufen und sich an den immer neuen Anblicken und Entdeckungen berauschten. Sie lösten gar keine Quests mehr und gingen Kämpfen aus dem Weg, um ja nicht von ihrer schöpferischen Arbeit, eine neue Welt zu erschaffen, abgelenkt zu werden.
Viele von ihnen waren schon so weit gereist, dass sie den Weg zurück in ihr Ausgangsgebiet nicht mehr finden würden, selbst wenn sie es wollten. Ab und zu meldeten sich diese Forscher und Entdecker über den Chatmodus und berichteten über erstaunliche Völker, Tiere und Pflanzen, die ihnen auf ihrer ewigen Odyssee begegneten.
Mit diesen Leuten, die in Henriks Augen Spinner waren, hatte er nichts gemeinsam. Sein Bestreben war es, immer stärker und mächtiger zu werden, um es mit jedem Gegner aufnehmen zu können. Dafür durchspielte er eine Quest nach der anderen, um mächtige und einzigartige Gegenstände zu finden, die ihn im Kampf unbesiegbar machten.
Hard2drive erreichte soeben ein Dorf, das in einer breiten Waldlichtung lag und von einem Flusslauf durchzogen wurde. Die Bewohner waren freundlich gesinnt und gehörten der Rasse der Elben an: hochgewachsene, edle Geschöpfe mit langen, wallenden Haaren und bunten, weiten Gewändern, die vorwiegend Ackerbau und Viehzucht betrieben.
Die Welt des Kingdom of Fantasy befand sich etwa auf dem Entwicklungsstand des Mittelalters. Es gab keine Industrie, keine Fabriken. Die Bevölkerung lebte vorwiegend in Dorfgemeinschaften. Regiert wurde das Land von Fürsten. Sie hausten in Burgen oder Festungen, die sich in der Nähe von Siedlungen befanden. Die Herrscher waren vor allem Spieler, die sich ihre Position in langen, erbitterten Kämpfen erstritten hatten. Daneben gab es aber auch viele sogenannte Gilden oder Bruderschaften, wobei es sich letztendlich um herumvagabundierende Banden von Kämpfern und Banditen handelte. Sie erfüllten ihre Quests, indem sie plünderten oder im Auftrag der Fürsten in die Schlacht zogen.
Vor einem Gasthof hielt Hard2drive an und stieg vom Pferd. Ein Stallbursche kümmerte sich um das Tier, während der Paladin den Gasthof betrat. Die meisten Gäste an den Tischen und an der Theke waren wie der Wirt und das Schankpersonal Computercharaktere. Sie konnten nicht aktiv am Spiel teilnehmen, sondern auf Anforderung immer nur die gleichen Handlungen ausführen, zum Beispiel Nahrungsmittel und Waren verkaufen. Andere erteilten Auskünfte zur aktuellen Quest oder lieferten Wegbeschreibungen zu Personen oder Ortschaften, die ein Spieler suchte.
Lediglich ganz hinten, am letzten Tisch, saß neben dem lodernden Kaminfeuer ein weiterer Spieler. Es handelte sich um einen Druiden im sechzigsten Level, der interessiert zu Hard2drive herübersah.
Druiden hatten die Fähigkeit, sich in Tiere zu verwandeln, zum Beispiel in Wölfe, Bären oder Adler und nahmen im Kampf deren Eigenschaften an. Weiterhin waren sie hervorragende Fallensteller, in deren Hinterhalt schon so mancher Feind elendiglich verendet war. In einer Gilde wurden sie vorwiegend als Kundschafter eingesetzt, da sie in Tiergestalt enorm schnell und ausdauernd waren und weite Strecken in kurzer Zeit zurücklegen konnten.
Der Druide winkte Hard2drive freundlich zu und gab ihm ein Zeichen, dass er sich zu ihm setzen solle. Hard2drive kam näher, blieb schweigend vor dem Mann stehen und wartete ab.
Tulsadoom: Seid gegrüßt, edler Paladin. Mein Name ist Tulsadoom von der Gilde der ehrwürdigen Schlangenmutter. Es ist mir eine Ehre, den großen und mächtigen Hard2drive kennenzulernen, dessen Heldentaten in der Schlacht von Parthenon in den Hallen der Ahnen besungen werden und dessen Ruhm in unserer virtuellen Welt unvergänglich sein wird.
Der Druide lächelte breit und zeigte dabei zwei Reihen blendend weißer Zähne. Zusammen mit seinem weißblond gelockten Haar und der kaffeebraunen Haut sah er aufreizend arrogant und irgendwie verlogen aus.
Hard2drive gefiel der Kerl nicht, deshalb sagte er weiterhin kein Wort.
Tulsadoom: Aber wollt Ihr Euch nicht setzen, Euer Hochwohlgeboren? Es wäre mir eine große, wenn auch unverdiente Freude, Euch an meinem Tisch in dieser bescheidenen Herberge willkommen zu heißen.
Tulsadoom stand umständlich auf und verbeugte sich theatralisch tief vor Hard2drive, sodass seine blonden Locken den Boden berührten.
Zögernd nahm der Paladin Platz. Er fand diesen weibischen Schwätzer zum Kotzen, aber er musste wissen, was der von ihm wollte.
Der Druide setzte sich ebenfalls wieder, verzog angewidert das Gesicht, als er eine Staubflocke mit spitzen Fingern aus seinen Haaren entfernte, und zeigte dann erneut sein süßliches Lächeln. Er machte dem Schankwirt ein Zeichen, der ihnen daraufhin zwei Tonhumpen mit einem bierartigen Gebräu vorsetzte.
Henrik fand dieses Getue lächerlich. Was hatte er davon, wenn seinem Computercharaker virtuelles Bier vorgesetzt wurde? Wollte der Kerl ihn provozieren?
Hard2drive: Was willst du von mir, Druide? Komm bitte schnell zur Sache! Ich will kein geschwollenes Gesabber hören, my boy.
Tulsadooms Miene verdüsterte sich. In seinen Augen vermeinte der Paladin, eine Spur von Hass zu erkennen. Doch dann kehrte das breite Lächeln wieder zurück, das aus einer Zahnarztwerbung zu stammen schien.
Tulsadoom: Warum so ungehalten, strahlender Held von KoF? Ich bin ein großer Bewunderer Eurer Herrlichkeit und entzückt von dem Glanz, der durch Eure Anwesenheit auch auf meine unwürdige Person fällt.
Hard2drive meinte, aus diesen Worten des Druiden nun ganz eindeutig Spott herauszuhören. Er erhob sich langsam und zog sein Schwert. Drohend baute er sich vor dem Lächler auf.
Tulsadoom: Nun, nicht so hastig, edler Freund. Wer wird denn gleich so ungehalten sein?
Die Stimme des Druiden gewann eine Spur an Schärfe.
Tulsadoom: Außerdem wisst Ihr doch, dass man in einem Gasthof niemanden töten darf. Der Gamemaster bestraft das mit dem Verlust von fünf Erfahrungsleveln.
Hard2drive: Vielleicht ist mir das der Spaß ja wert?
Dabei schob er sein Schwert jedoch langsam zurück in die Scheide und starrte den Druiden an.
Tulsadoom entspannte sich und verfiel in einen beiläufigen Plauderton.
Tulsadoom: Man sagt, dass Ihr und Eure Gilde in letzter Zeit viele erfolgreiche Quests erledigt habt.
Hard2drive: Sagt man das? Ist ja interessant.
Tulsadoom: Ja. Man sagt auch, dass Ihr viele seltene, magische Gegenstände gefunden habt.
Der Paladin horchte auf. Diese miese Schlange schien nun endlich zur Sache kommen zu wollen.
Hard2drive: Kann sein. Was sagt man denn noch?
Tulsadoom: Man sagt, dass Ihr erst kürzlich einen wertvollen Gegenstand gefunden habt, der Euch nicht gehört.
Hard2drive: Wer sagt das?
Tulsadoom: Nun, vielleicht der wahre Besitzer dieses Gegenstandes.
Das Lächeln war aus dem Gesicht des Druiden verschwunden. Seine Miene wirkte jetzt eher heimtückisch. Dennoch war das dem Paladin lieber als die verlogene Komödie von vorhin. Der Kerl spielte nun mit offenen Karten.
Hard2drive spürte, dass er sich vor dem Druiden in Acht nehmen musste.
Hard2drive: Von wem redest du?
Tulsadoom: Vom schwarzen Schattenmagier. Er nennt sich auch W8_4_N8.
Hard2drive: Wie?
Tulsadoom: Wait for Night. Man sagt, er sei nur nachts und da nach Mitternacht online.
Der Druide beobachtete aufmerksam die Reaktion des Paladins, wie ein Forscher das Verhalten eines interessanten Insekts.
Hard2drive