CHRISTOPH BRÜNING

SELTENE
ERDEN

DER WICHTIGSTE ROHSTOFF
DES 21. JAHRHUNDERTS

Copyright der deutschen Erstausgabe:

© Börsenmedien AG, Kulmbach 2011

2. aktualisierte und überarbeitete Auflage 2013

© Börsenmedien AG, Kulmbach 2013

Umschlaggestaltung: Johanna Wack

Buchsatz: Bernd Raubbach

Lektorat: Egbert Neumüller

Druck: GGP Media GmbH, Pösneck

ISBN 978-3-86470-131-3

eISBN 978-3-86470-160-3

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Für meine Mutter Annegret

Ich möchte mich zunächst bei meinem Kollegen Edmund Stössel für seine tatkräftige Unterstützung bedanken, die entscheidend zum reibungslosen Ablauf des Projekts beigetragen hat. Ferner danke ich der Literaturwissenschaftlerin Elvira Milinkovic für ihr umfassendes Korrektorat, Markus Linnepe für seine Recherchearbeiten und meinem Ko-Autor der Erstausgabe, Heiko Böhmer, für die gute Grundlage. Mein Dank gilt darüber hinaus den nordamerikanischen Marktexperten Dave Trueman, Don Bubar und Jack Lifton, die mir in ausführlichen Gesprächen und persönlichen Treffen wertvolle Informationen lieferten, sowie den vielen weiteren Experten, die sich für dieses Projekt Zeit genommen haben.

Nicht zuletzt möchte ich mich bei meiner Familie für ihr Verständnis und die Unterstützung meines Projekts bedanken.

Danke Julia, Natalia, Tatiana und George.

Christoph Brüning

„Wir haben sie euch Anfang
der 80er-Jahre zum
Preis von Salz verkauft;
sie verdienen den Preis von Gold.“

– Deng Xiaoping

Ehemaliger chinesischer Premierminister

INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort

Einleitung und wichtige Begriffe

KAPITEL 1

Klare Abgrenzung im Begriffsdschungel

KAPITEL 2

Was sind Seltene Erden?

KAPITEL 3

Seltene Erden – die einzelnen Elemente

KAPITEL 4

Die Verwandten der Seltenen Erden

KAPITEL 5

Die Geschichte der Produktion von Seltenen Erden

KAPITEL 6

Die wichtigsten Anwendungen – heute und in der Zukunft

David Trueman – Interview und Kurzbiografie

KAPITEL 7

Die Folgen mangelnder Versorgung

KAPITEL 8

Ressourcenknappheit

KAPITEL 9

Recycling – eine neue Versorgungsquelle?

KAPITEL 10

Seltene Erden und Politik – geht die chinesische Ära zu Ende?

KAPITEL 11

Seltene Erden bis zum Jahr 2018

KAPITEL 12

Investieren in Explorationsaktien

KAPITEL 13

Investmentchancen mit Seltenen Erden und Spezialmetallen

UNTERNEHMENSVORSTELLUNGEN:

Alkane Resources

Arafura Resources

Avalon Rare Metals

Canada Rare Earth Corp. – vormals Rare Earth Metals

China Rare Earth Holdings

Commerce Resources

Dacha Strategic Metals

Frontier Rare Earths

Great Western Minerals

Greenland Minerals and Energy

Hudson Resources

Lynas Corporation

Matamec Explorations

Molycorp

Quest Rare Minerals

Rare Element Resources

Stans Energy

Tasman Metals ltd.

Ucore Rare Metals

KAPITEL 14

Das Molycorp-Desaster und wie es dazu kam

KAPITEL 15

Seltene Erden – ist der Hype vorbei? Wie geht es jetzt weiter?

Glossar

Abkürzungsverzeichnis

Vorwort

Vielleicht können sich jüngere Menschen kaum vorstellen, dass metallische Rohstoffe ein interessantes Wissens- und Arbeitsgebiet sind. Mit Öl und seinen Derivaten hat jeder täglich zu tun. Auch Nahrungsmittelrohstoffe beherrschen unseren Alltag nach wie vor. Aber Kupfer, Zink oder gar Seltene Erden? Haben die im Zeitalter moderner synthetischer Materialien überhaupt eine Zukunft? Wer so denkt, den möchte ich darauf hinweisen, dass sich die vor ein paar Jahrzehnten in „Metalle – zwischen Mangel und Überfluss“ (Hermann Kutzer, Handelsblatt-Schriftenreihe, 1981) diskutierte Frage heute so nicht mehr stellt.

Denn von Überfluss ist keine Rede mehr: Die zunehmende Weltbevölkerung und ein größeres weltweites Wirtschaftswachstum führen langfristig zu einem immer weiter ansteigenden Rohstoffbedarf, vor allem in den Schwellenländern. Trotz der Entdeckung und Erschließung neuer Vorkommen sind fossile und mineralische Rohstoffe endlich und werden langfristig knapper. Allein daraus ergibt sich ein spannendes und volkswirtschaftlich wichtiges Betätigungsfeld.

So weit dachte ich als Jugendlicher allerdings noch nicht, wenngleich ich schon im Schülerpraktikum die ersten Kontakte zu Metallen und ihrer Bearbeitung knüpfte. Dieses Praktikum war handwerklich orientiert und auf Berufe wie Werkzeugmacher und Dreher zugeschnitten.

Obschon mich Metalle und ihre Bearbeitung schon damals fasziniert haben, entschied ich mich nach Abitur und Wehrdienst dennoch für eine kaufmännische Ausbildung, und zwar bei der Frankfurter Degussa AG. Ein wichtiger und folgerichtiger Schritt, wie sich herausstellte, denn während dieser Ausbildung wurde der Edelmetallhandel mein Stammbereich, was meinem Interesse sehr entgegenkam.

Nach Beendigung der Lehrjahre blieb ich als Industriekaufmann bei der Degussa und bewarb mich für die Stelle eines Rohstoffhändlers. Längst war ich von Rohstoffen und Technologiemetallen begeistert und der Überzeugung, dass diese Metalle und ihre Anwendungsgebiete eine spannende Zukunft haben würden.

Im Laufe der Zeit als Angestellter des Edelmetallkonzerns reifte mein Entschluss, vom Angestelltenverhältnis in die Selbstständigkeit zu wechseln. Im Mai 1999, im Alter von 35 Jahren, war es dann so weit: Ich gründete die TRADIUM GmbH als logische Weiterentwicklung meiner beruflichen Laufbahn. Der Fokus von TRADIUM liegt auf der Belieferung von Industriekunden und dem engen Kontakt zu den internationalen Produzenten von Spezialmetallen.

„Look East!“ war und ist für mein Geschäft ein wichtiges Motto. Insbesondere auf den verschiedenen Asienreisen haben sich dadurch auch persönliche Freundschaften entwickelt. Auf dieser Grundlage wurde mein Unternehmen zum Vertreter verschiedener Hersteller und vertritt beispielsweise schon seit zehn Jahren die Beijing JiYa, einen der namhaftesten und größten Produzenten von Gallium weltweit.

Die Asienreisen sind für meine Kollegen und mich wichtige und nützliche Bausteine einer inzwischen langjährigen und vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den verschiedenen Herstellern von Technologiemetallen und speziell der Seltenen Erden geworden – an Märkten, die damals bereits von den Chinesen als Anbieter dominiert wurden. In den Anfangsjahren hatten wir noch nicht die Möglichkeit der privaten physischen Kapitalanlage in solche Rohstoffe im Blickfeld. Uns ging es stets darum, einen Zugang zu zuverlässigen Quellen zu finden und diesen nachhaltig zu sichern.

Mit der schnellen Weiterentwicklung der einzelnen Hightech-Anwendungsgebiete entwickelte sich auch ein breiteres Interesse an Seltenen Erden. Dies wurde durch eine immer stärke Beachtung in den Medien begleitet und gefördert. In den Jahren 2009 und 2010 zeichnete sich ein derart großes Privatkundeninteresse ab, dass wir uns noch intensiver mit der Logistik beschäftigen mussten. Uns wurde klar, dass das TRADIUM-Zolllager, das wir für Industriekunden unterhielten, langfristig an seine Grenzen stoßen würde.

Durch einen glücklichen Zufall erfuhr ich im Herbst 2010 von der Versteigerung eines Frankfurter Bunkers aus dem Zweiten Weltkrieg. Er sollte der perfekte Lagerort für das zukunftsträchtige Geschäft mit Technologiemetallen und Seltenen Erden werden. Ich nutzte diese einmalige Gelegenheit, doch erwies sich die Realisierung als schwieriges Unterfangen. Der Umbau zu einem überdimensionalen Tresor hat sich bis 2013 hingezogen. Inzwischen aber bietet das „Frankfurter Fort Knox“ auf 1.400 Quadratmetern Fläche den perfekten Schutz für die langfristige Einlagerung von strategischen Rohstoffen.

Der Erweiterung der geschäftlichen Perspektiven für Seltene Metalle haben wir mit einigen strategischen Maßnahmen Rechnung getragen: 2011 gründeten wir die TRADIUM AG mit Sitz in Sarnen/Schweiz, weil mit dem Wachstum des Privatkundengeschäfts auch ein zunehmendes Interesse vieler Investoren an einer Geschäftsbeziehung mit der Schweiz zu erkennen war. Für den Zweck der Einlagerung und Verwaltung der wertvollen Rohstoffe schufen wir im gleichen Jahr die Metlock GmbH.

Zudem konnten wir eine sehr enge Zusammenarbeit mit der Seltenerden Storkwitz AG vereinbaren. Die Seltenerden Storkwitz AG entwickelt eine in Sachsen gelegene Lagerstätte von Seltenen Erden – das bisher einzig bekannte Vorkommen von Seltene-Erden-Elementen in Mitteleuropa. Bis die Produktion in Storkwitz anläuft, kooperieren die Seltenerden Storkwitz und TRADIUM bei der Belieferung von Seltenerd-Kunden. Als Mitglied des Aufsichtsrats bin ich der Überzeugung, dass uns die Erschließung dieses Vorkommens weiter voranbringen wird.

Hat die Abkühlung der teilweise stark überhitzen Preise von Seltenen Erden die Einschätzung der zukünftigen Marktentwicklung verändert? Keineswegs! Sondereinflüsse und spekulative Übertreibungen wirken sich in engen und wenig transparenten Märkten besonders intensiv aus. Sie sollten aber den Blick über Jahrzehnte hinweg nicht verstellen. Die Zukunft der Seltenen Erden hat begonnen. Und dem betont langfristigen Privatinvestor bieten diese wichtigen Rohstoffe eine attraktive Diversifikationsmöglichkeit – gerade im Zeitalter der handfesten Sachwerte.

Deshalb unterstütze ich alle qualifizierten Maßnahmen zur Information über und Sensibilisierung für dieses überaus spannende Rohstoffsegment, für das wir, die Verantwortlichen, mehr Verständnis und Transparenz schaffen sollten. Dieses Buch liefert dazu einen wichtigen Beitrag!

Matthias Rüth

Geschäftsführender Gesellschafter,

TRADIUM GmbH, Frankfurt am Main,

April 2013

Einleitung und wichtige Begriffe

Aus dem Chemieunterricht kennt man das Periodensystem. Neben den gängigen Elementen wie Kohlenstoff oder Stickstoff verbergen sich dort auch sehr viele unbekannte Elemente. Dazu zählt unter anderem die Gruppe der „Seltenen Erden“. In diesem Buch benutzen wir auch den neueren Ausdruck „Seltenerdmetalle“. Grundsätzlich werden unter diesem Begriff vornehmlich die Elemente in der Gruppe der Lanthanoide zusammengefasst. Bei der Betrachtung hinsichtlich der ökonomischen Nutzung der speziellen Elemente nimmt man im Allgemeinen noch die Elemente der ersten Nebengruppe hinzu. Im Einzelnen sind das Scandium, Yttrium und Lanthan. Die Gruppe der 17 Seltenen Erden kommt immer zusammen vor, wobei die Konzentration der einzelnen Elemente sehr unterschiedlich sein kann. Es wird zwischen leichten und schweren Seltenen Erden unterschieden.

LEICHTE UND SCHWERE SELTENE ERDEN

LEICHTE SELTENE ERDEN Ordnungszahl
Scandium –21
Lanthan –57
Cer –58
Praseodym –59
Neodym –60
Promethium –61
Samarium –62
Europium –63
Yttrium –39
Gadolinium –64
Terbium –65
Dysprosium –66
Holmium –67
Erbium –68
Thulium –69
Ytterbium –70

Der Name „Seltene Erden“ führt zunächst in die falsche Richtung: Zum einen handelt es sich um Metalle und zum anderen sind diese Elemente alles andere als selten auf der Erde zu finden. Die am seltensten in der Erdkruste vorkommende Seltene Erde Thulium ist immer noch um ein Vielfaches häufiger vertreten als Gold. Der Name „Erden“ lässt sich einfach erklären: Er ist ein veralteter Ausdruck für Oxide und stammt aus der Zuordnung der frühen Chemie: Gase und Metalle waren sehr eindeutig; was sich nicht zuteilen ließ, wurde in die Gruppe der Erden einsortiert.

In Rohstoffvorkommen wird die Konzentration von Seltenerdmetallen in Seltenerdoxiden angegeben. Die gängige Abkürzung dafür lautet SEO und sie wird in Prozent oder Tonnen angegeben. Die Gesamtmenge an Seltenerdoxiden wird mit TREO (Total Rare Earth Oxides) abgekürzt. Für die Anteile der leichten Seltenen Erden (LSE) wird LREE (Light Rare Earth Element), für die schweren Seltenen Erden (SSE) HREE (Heavy Rare Earth Element) als Abkürzung verwendet.

Doch warum sind diese Rohstoffe so begehrt? In den meisten Fällen ist die Konzentration so gering, dass sich ein Abbau aus wirtschaftlicher Sicht nicht lohnt. Der Gesamtgehalt an allen Lanthanoiden in der festen Erdrinde liegt bei etwa 0,1 Promille. Cer ist die häufigste Seltene Erde. Es kommt mit ungefähr 43 ppm in der Erdkruste vor. Dabei bezeichnet „ppm“ die Einheit „parts per million“ („Millionstel“ = tausendstel Promille). Somit ist Cer sehr viel häufiger als Blei, Arsen, Antimon, Quecksilber oder Cadmium. Den zweiten Platz hinsichtlich der Häufigkeit nimmt Europium ein. Mit knapp 10 ppm rangiert Europium vor Indium, Silber und Jod.

Die zweite, komplett überarbeitete, Version des Buches soll Ihnen die Grundlagen zu diesem speziellen Thema vermitteln. Zu Beginn haben wir uns um die Definitionen der vielen Metallbegriffe, wie technische, strategische oder kritische Metalle, Industriemetalle, Spezial- oder Sondermetalle bemüht und versucht, den Begriffsdschungel zu lichten. In den Kapiteln danach werden die Grundlagen des Themas ausführlich dargestellt. Auch die Geschichte der Seltenen Erden und die wichtigsten Anwendungen werden erklärt. Die Versorgung mit Seltenen Erden und deren geopolitische Bedeutung behandeln wir ebenso wie die Einschätzung der Marktentwicklung bis 2018. Im abschließenden Teil werden dann Investitionsmöglichkeiten dargestellt. Diese sind vielfältiger als vielleicht erwartet.

Was hat sich in den letzten drei Jahren verändert? Viel, und ich kann mit Recht behaupten, dass diese Neuauflage alle Entwicklungen seit der Erstausgabe erfasst.

Ich wünsche Ihnen bei der Lektüre des Buches anregende Unterhaltung.

Ihr Christoph Brüning

KAPITEL 1

Klare Abgrenzung im Begriffsdschungel

Die Elementgruppe der Seltenen Erden ist klar abgegrenzt und definiert. Im Laufe der Jahre hat sich daneben jedoch ein Wirrwarr verschiedener Überbegriffe für andere Metallgruppen ergeben, das nicht einfach zu durchschauen ist. Je nach Gebrauchsform und Häufigkeit werden die Elemente der anderen Metalle in „Technologiemetalle“, „kritische Metalle“, „strategische Metalle“, „Industriemetalle“ und „Sondermetalle“/„Spezialmetalle“ untergliedert. Wo die Abgrenzung liegt, geht aus den Begriffen allerdings nicht hervor und die Sachlage wird unübersichtlich. Denn ein strategisches Metall ist grundsätzlich auch gleichzeitig ein kritisches; umgekehrt kann dies, muss aber nicht so sein. Um die Übersichtlichkeit wiederherzustellen, haben wir im Folgenden die einzelnen Metallgruppierungen beschrieben und eine Definition gewagt. Die Seltenen Erden haben wir ausgelassen, da diese im zweiten Kapitel ausführlich dargestellt werden.

KRITISCHE METALLE

Um mehrdeutige Begriffe zu klären, ist die einfachste Herangehensweise, die wörtliche Bedeutung zu analysieren. Unter einem Metall kann sich grundsätzlich jeder etwas vorstellen, ob das eine Eisenstange ist oder eine Schraube. Doch die meisten Metalle sind so in unseren Alltag integriert, dass wir sie als eigenständige Bestandteile nicht mehr erfassen können. In einem Mobiltelefon sind viele verschiedene Metalle und Legierungen verbaut. Würden sie separiert, würden von manchen nur winzig kleine Mengen übrig bleiben. Diese sehen jedoch im herkömmlichen Sinne nicht wie Metalle aus, sondern eher wie Pulver, das der ein oder andere noch aus dem Chemieunterricht kennt. Und genau das sollten wir im Hinterkopf behalten – dass es sich bei den hier beschriebenen Arten von Metallen nämlich um die einzelnen Metallelemente handelt, wie sie in der Natur vorkommen. Es geht um die Ursprungsform, nicht um ein verarbeitetes Endprodukt (zu den einzelnen Verwendungsmöglichkeiten von Metallen, bezogen auf Seltene Erden, sei hier auf Kapitel 3 verwiesen). Die Umstände, unter denen die Ursprungsmetalle erhältlich sind, unterscheiden sich regional, denn die Vorkommen sind ungleich auf dem Globus verteilt und je nach Ort, Lage und Metall leichter oder schwerer zu erschließen und auszubeuten.

Das Wort „kritisch“ lässt vermuten, dass das Metall eine Eigenschaft besitzt, die kritisch, also ernst oder gar gefährlich sein könnte. Das trifft jedoch in diesem Fall nicht zu. Kritisch sollte vielmehr im Sinne der Problematik einer möglichst lückenlosen Versorgung verstanden werden. Ein Metall ist laut dem Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT) Berlin dann kritisch, wenn es „wirtschaftlich bedeutsam“ ist und sich seine „Versorgungslage mittel- bis langfristig als kritisch erweisen könnte“. Der amerikanische „Strategic and Critical Materials Stockpiling Act“ erklärt solche Materialien als kritisch, die für die Versorgung von Militär und Industrie sowie die Befriedigung grundlegender Bedürfnisse der Bevölkerung der Vereinigten Staaten im Falle eines nationalen Notfalls benötigt werden und nicht im eigenen Land in ausreichender Menge produziert werden können.

Kritisch sind gewisse Metalle deshalb, weil die aktuelle Nachfrage die Förderung übersteigt und daneben verschärfende Faktoren vorhanden sind, etwa eine hohe regionale Konzentration von Vorkommen in einzelnen Ländern (unter anderem China, Russland oder Kongo). Auch können viele dieser Metalle nur schlecht oder gar nicht durch andere Stoffe in der Produktionskette ersetzt und, wenn überhaupt, auch nur zu kleinen Teilen recycelt werden (siehe dazu auch Kapitel 10.). Das führt im Ergebnis dazu, dass Materialien bei geringen Änderungen der genannten Faktoren leicht in den Bereich „kritisch“ hineingeraten oder herausfallen können.

Vor dem Hintergrund der großen Bedeutung, die bestimmten Metallen und anderen Rohstoffen (wie beispielsweise Grafit, das kein Metall ist) für viele Zukunftstechnologien zukommt, und der gleichzeitigen Knappheit dieser Ressourcen stufte die Europäische Kommission 14 Rohstoffe als besonders bedeutend und kritisch ein: Antimon, Beryllium, Kobalt, Flussspat, Gallium, Germanium, Grafit, Indium, Magnesium, Niob, PGMs (Platinum Group Metals = Metalle der Platingruppe), Seltene Erden, Tantal und Wolfram. Diese sind in der nachfolgenden Tabelle nebst Angaben des Öko-Instituts e. V. sowie den Einstufungen der amerikanischen Energiebehörde und des IZT aufgeführt. Kritikalität ist in diesem Zusammenhang laut IZT die Summe des Versorgungsrisikos zusammen mit der Verletzbarkeit, der die deutsche Wirtschaft durch auftretende Störungen ausgesetzt ist. Die höchste Kritikalität bedeutet also ein sehr hohes Versorgungsrisiko nebst einer sehr hohen Verletzbarkeit.

KRITISCHE ROHSTOFFE

Aus der Tabelle wird ersichtlich, dass je nach Institut beziehungsweise Behörde die Lage unterschiedlich gewichtet wird. Beispielsweise sieht die EU die Versorgung mit Beryllium und Magnesium als kritisch an, wobei weder die erwähnten Institute noch die erwähnte amerikanische Behörde zu dem gleichen Schluss gelangen.

In die Bewertung von Metallen als kritisch fließen viele länderspezifische und teilweise auch subjektive Beurteilungen ein. Änderungen der Technologie, des politischen Umfelds, der Verwendung oder der Möglichkeit einer Rückgewinnung können schnell zu einer Neugewichtung der Kritikalität führen. Einig sind sich Experten wie Regierungen darin, dass Metalle deshalb in die Kategorie kritisch gehören, weil es Risiken bei ihrer Beschaffung und bei der dauerhaften Versorgung gibt. Wenn man die jeweiligen Gewichtungen dieser Risiken außer Betracht lässt, kann eine Definition wie folgt lauten: Ein Metall gilt als kritisch, wenn es für die Wirtschaft von großer Bedeutung ist und die Versorgung aller notwendigen industriellen Bereiche mit diesem Metall nicht auf Dauer sichergestellt werden kann, da diese von äußeren Faktoren abhängt, die nicht in der Macht der wirtschaftstreibenden Kräfte liegen.

TECHNOLOGIEMETALLE

Nach der Wortbedeutung umfasst dieser Bereich alle Metalle, die technisch zum Einsatz kommen. Der Begriff geht auf den Marktexperten Jack Lifton zurück, der ihn im Jahr 2007 eingeführt hat. Die Bezeichnung ist mittlerweile weit verbreitet und es gibt diverse, im Kern ähnliche, Definitionen. So fallen laut dem Unternehmen TMR Technology Metals Research im industriellen Sektor alle allgemein seltenen Metalle darunter, die für die Herstellung von Hightech-Produkten und hochwertigen Maschinen notwendig sind, beispielsweise für Kleinstelektronikteile, Waffensysteme, Stromerzeugung, Windturbinen und zum Speichern von Elektrizität in Batterien. Für andere Unternehmen gehören zu den Technologiemetallen sowohl die Sondermetalle als auch die Seltenen Erden.

Das Deutsche Institut für Edelmetalle und Technologiemetalle zeigt daneben noch eine andere Definition auf, die mehr auf den Finanzmarkt zugeschnitten ist:

Zu den Technologiemetallen oder auch Hightech-Metallen zählen diesem zufolge alle Metalle, die nicht börsengehandelt sind. Börsengehandelt sind nur Anlagemetalle (Gold, Silber, Platin, Palladium) und Industriemetalle (Aluminium, Blei, Kupfer, Nickel, Zink). Nicht börsengehandelt bedeutet in diesem Zusammenhang, dass es für diese Metalle keine abrufbaren Kurse gibt, die weltweit zum gleichen Zeitpunkt Gültigkeit haben, sondern dass Preise immer erst durch den direkten Handel entstehen.

Die ansonsten häufig anzutreffende Unterscheidung zwischen technologischen Metallen und seltenen Metallen ist laut United States Geological Survey und British Geological Survey („USGS“ und „BGS“) hinfällig, da beide Bezeichnungen das Gleiche darstellen – sie seien beide Nebenprodukte der Basismetalle. Zu den Technologiemetallen zählen demnach:

TECHNOLOGIEMETALLE

Dysprosium Praseodym
Europium Rhenium
Gadolinium Rhodium
Gallium Samarium
Germanium Scandium
Hafnium Selen
Indium Tantal
Cadmium Terbium
Kobalt Tellur
Lanthan Thorium
Lithium Uran
Neodym Wismut
Palladium Yttrium
Platin Zirconium

EXKURS: GESCHICHTE DER TECHNOLOGIEMETALLE

Vor dem Zweiten Weltkrieg gab es für sehr viele Metalle keine technische Verwendung. Im Grunde waren sie nicht viel mehr als Laborraritäten, die nur in kleinen Mengen vorhanden und nur für sehr viel Geld und Zeitaufwand zu bekommen waren. Aus diesem Grund nannte man diese Gruppe auch die „Minor Metals“, also die unbedeutenden Metalle.

Im Gegensatz zu Edelmetallen wie Gold und Silber oder Industriemetallen wie Kupfer und Zink hatten diese sonstigen Metalle keinen wirklichen Nutzen und somit auch keine Bedeutung. Es spielte zu jener Zeit keine Rolle, in welchem Überfluss bestimmte Metalle in der Natur vorkamen. Solange es keinen wirklichen Nutzen für sie gab, etablierte sich keine massive Produktion. Eine solche Außenseiterrolle nahm auch Nickel ein. Es war bekannt, aber bis zur Entwicklung der Massenproduktion von Edelstahl ab 1919 konnte man es nicht wirklich für etwas gebrauchen.

Ab diesem Zeitpunkt begann der Boom der Nickelproduktion. Ein weiteres Beispiel für eine rapide Entwicklung in diesem Sektor ist Wolfram. Beim US-Konzern General Electric, sozusagen dem Gegenstück zu Siemens, gelang die Entwicklung von dehnbarem Wolfram. Dieses wurde als verbesserte Glühwendel in Glühbirnen eingesetzt. So begann der Siegeszug der Glühbirne, bis verschiedene Staaten und Gemeinschaften wie Australien und die EU begannen, die Energiesparlampen zu fördern und den Verkauf von klassischen Glühbirnen teilweise zu verbieten.

Ausgehend von dieser Anwendung wurde die Forschung bei Wolfram weiter vorangetrieben. Das Metall wurde in Stahllegierungen eingesetzt, und zwar zunächst im militärischen Bereich – hauptsächlich für Stahlschneidegeräte aus Wolfram, die auch heute noch eingesetzt werden. Dabei ging es um Waffenteile, aber auch um Munition. An der Schwelle zum 20. Jahrhundert gehörte Wolfram zu den unbedeutenden Metallen. Aber schon 1918 hatte es sich zu einem wichtigen Industriemetall entwickelt. Hätte es zur damaligen Zeit den Begriff „Technologiemetall“ schon gegeben, hätte er auf Wolfram zugetroffen.

Eine noch größere Ausbreitung, wenn auch über einen längeren Zeitraum, erlebte Aluminium. Heute scheint es unvorstellbar, aber Aluminium war als Baumaterial im späten 19. Jahrhundert extrem teuer. In den Vereinigten Staaten wurde 1886 die Abdeckung des Washington Monument aus Aluminium gefertigt, um der Welt den Reichtum der Vereinigten Staaten vorzuführen. Damals war Aluminium sogar teurer als Gold. Heute kostet eine Tonne Aluminium rund 1.850 US-Dollar und eine Feinunze Gold mit gerade einmal 31 Gramm schon mehr als 1.400 US-Dollar.

Wenn damals jemand vorausgesagt hätte, dass es eines Tages Kochtöpfe aus Aluminium geben würde und diese ein alltäglicher Gebrauchsartikel sein würden, hätte man ihn sicherlich für verrückt erklärt. Ähnlich illusorisch hätte es 1919 geklungen, wenn man die zahlreichen Einsatzmöglichkeiten von Edelstahl vorhergesagt hätte, die es heute ebenfalls in der Küche gibt. Es brauchte aber auch noch ein äußeres Ereignis, um die Metallforschung weiter voranzutreiben. Der Wendepunkt in der Geschichte der „Minor Metals“ war der Zweite Weltkrieg. Zwar wurde schon der Erste Weltkrieg als moderner Krieg mit Panzern und Flugzeugen geführt, doch bis 1939 entwickelten einige Staaten diverse neue hochtechnische Waffensysteme, in denen viele bislang kaum genutzte Metalle zum Einsatz kamen. Auch der Stromtransport und die Energiespeicherung spielten in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle.

In den Jahren davor, als viele der „Seltenen Erden“ entdeckt wurden, fragte man sich, wofür diese Stoffe eingesetzt werden könnten. In dieser Phase stand zunächst einmal die Entdeckung im Vordergrund. Der Forschergeist bezog sich weniger auf Anwendungen. Vor dem Ersten Weltkrieg ging es in der Metallforschung hauptsächlich um die Stromübertragung oder die Speicherung von Energie. Dabei war die Entdeckung der in der Natur vorkommenden Metalle noch nicht abgeschlossen. Als letztes natürlich vorkommendes Metall wurde 1924 Rhenium entdeckt. Aber außer dem Interesse der akademischen Forschung an den neuen Elementen wurden die neuen Stoffe kaum beachtet. Die Gleichung zu dieser Zeit war einfach: Die fehlenden Anwendungen ließen keine Nachfrage aufkommen und daher gab es auch keine Anstrengungen, das Angebot zu vergrößern.

Der Zweite Weltkrieg war der wichtigste Wachstumstreiber für die Entwicklung der „Minor Metals“ zu den „Technology Metals“. Entscheidend war damals, dass die Wirtschaftlichkeit der Forschungen in den Hintergrund trat. Im Mittelpunkt stand die nationale Sicherheit und dafür gab es kaum finanzielle Grenzen. So kam es in nur wenigen Jahren zu bahnbrechenden Erfindungen, die zunächst im militärischen Bereich zum Einsatz kamen. Ein wichtiger Aspekt ist hier die Raketentechnik. Aber auch bei Funk und Radar setzten sich in nur wenigen Jahren komplett neue Technologien durch.

Kapitel 15