Inhalt

Vorwort

Die Landschaft

Ein Blick in die Geschichte Kappadokiens

Die Hauptattraktion von Kappadokien:
das Freilichtmuseum von Göreme

Von Ürgüp über Ortahisar und Çavuşin nach Özkonak:
märchenhafte Tuffsteinlandschaft und versteckte Kirchen

Höhepunkte im Süden:
das Tal von Soğanlı und das Kloster Eski Gümüş

Kayseri:
die Wirkungsstätte des Hl. Basilios

Die Umgebung von Kayseri:
Ausflug in die Vorgeschichte und zum höchsten Berg der Region

Von Ürgüp aus nach Südosten:
auf den Spuren der Hethiter

Südlich von Nevşehir:
die Straße der unterirdischen Städte

Nördlich von Nevşehir:
der Açık Saray und der Pilgerort Hacıbektaş

Von Nevşehir aus nach Westen:
entlang der alten Karawanenroute zum Ihlara-Tal

Glossar

Abbildungsnachweis

Literatur

Ortsregister

Personenregister

Alle in diesem Buch gemachten Angaben wurden mit viel Sorgfalt recherchiert und nach bestem Wissen zusammengestellt. Da sich vor allem touristische Informationen wie Straßenverhältnisse etc. kurzfristig ändern können, kann für eventuelle Fehler, die trotz gründlicher Überprüfung nicht immer auszuschließen sind, keinerlei Verantwortung oder Haftung übernommen werden.

Ihlara-Tal: Wanderung durch eine bizarr geformte Schlucht

Vorwort

Die Fülle der historischen Reichtümer und die grandiose Landschaft Kappadokiens locken Jahr für Jahr mehr Touristen an. Gut ausgebaute Straßen führen in das Gebiet. Hotels, Pensionen und Campingplätze gibt es fast überall. Private Agenturen, aber auch Hotels bieten Rundfahrten zu den wichtigsten Höhlenkirchen und zu den unterirdischen Städten an. Kappadokien hat aber viel mehr zu bieten: hethitische Bildstelen, römische Gräber, seldschukische und osmanische Moscheen und Karawansereien, vor allem aber unzählige kleine häufig mit Fresken geschmückte Felskirchen in abgelegenen Tälern, die nur auf Wanderungen abseits der üblichen Touristenrouten zu erkunden sind. Dabei kann man noch die ursprüngliche Türkei, die hilfsbereiten und freundlichen Menschen und eine märchenhafte Natur kennenlernen.

Ganz bewußt haben wir darauf verzichtet, Hotels und Restaurants vorzuschlagen. Die Besitzverhältnisse wechseln häufig. Was heute empfehlenswert ist, kann morgen schon ein Reinfall sein.

Die Preise für Unterkünfte, Restaurantbesuche und Dienstleistungen haben sich in den letzten Jahren drastisch erhöht. Kappadokien ist schon lange kein preiswertes Reiseziel mehr. Nicht nur im Göreme-Tal muß man Eintritt bezahlen, sondern auch die Besitzer der Felder, auf denen kleine Kirchen liegen, verlangen inzwischen einen Obolus.

Die Kirchen in den Freilichtmuseen von Göreme, Soğanlı, Zelve und im Ihlara-Tal sind meist beschildert und gut zu finden. In den anderen Gebieten, wo oft nur Trampelpfade zu den Gotteshäusern führen, sollte man einen ortskundigen Begleiter mitnehmen. Die Bewohner der umliegenden Dörfer haben sich auf den Besuch von Touristen eingestellt. Sie sind gegen ein Entgelt gern bereit, den Weg zu den versteckt liegenden Sakralbauten zu zeigen und gegebenenfalls die Schlüssel zu besorgen.

Zur Zeit gibt es keine aktuelle Karte von Kappadokien. Als Orientierungshilfe eignet sich die alte, leider nur noch antiquarisch erhältliche Kappadokien-Karte vom RV-Verlag im Maßstab 1:250.000. Eine neuere Detailkarte, die allerdings nur das Gebiet von Nevşehir bis Ürgüp zeigt, kann man in der Türkei erwerben.

Zum Schluß noch ein Wort zum Erhalt dieser einzigartigen Kulturdenkmäler. Schon im 19. Jh. haben sich die frühen Reisenden mit Inschriften auf den Fresken „verewigt“. Daß man auf solch einen Unsinn verzichten soll, versteht sich von selbst. Wenn man den Zauber dieser einmaligen Natur und das kulturelle Erbe bewahren will, darf man nicht weiter zerstören. Durch Erosion, Umweltverschmutzung, mutwillige Beschädigung, aber auch aus Achtlosigkeit sind schon viele Monumente vernichtet worden. Bauwerke, die im 19. und im frühen 20. Jh. noch zu sehen waren, sind inzwischen verschwunden.

Mutwillige Zerstörung: Graffiti in der Kırk Dam altı Kilise

Die Landschaft

Kappadokien wird im Osten, Süden und Westen von den vulkanischen Bergketten zwischen dem Erciyes Dağı und dem Hasan Dağı umschlossen. Im Norden begrenzt der Kızılırmak die Region. Bei wiederholten Eruptionen dieser Vulkane wurde auf einer Fläche von ca. 10.000km2 neben Lava auch Asche abgelagert. Diese Schichten verdichteten sich im Verlauf von mehreren tausend Jahren zu einem relativ festen Gestein. In Bereichen mit weicherem Tuff führten Erosionen – beschleunigt durch Klimaschwankungen, starke Regenfälle und heftige Winde – zu einer Verformung der Oberfläche. Es entwickelte sich ein weit verzweigtes Netz von Schluchten und Tälern.

Wunder der Natur: ein pilzförmiger Tuffkegel

An den Hängen entstanden die für Kappadokien typischen Feenkamine. Ihr gefährdetes Gleichgewicht wird nur durch die oben liegenden härteren Schichten aus vulkanischem Gestein garantiert. Rutscht diese Bedachung ab, so setzt schnell der totale Verfall ein. Die unterschiedlichen Oxydationsprozesse haben auch zu dem Farbenreichtum der Landschaft geführt, der sie so plastisch erscheinen läßt. Das Schwarz der Tuffkegel hebt sich markant vom strahlenden Weiß der Talwände ab. Die Felsgebilde spiegeln je nach Lichteinfall und Gesteinsart in den Farben ocker, rosa, braun, blau oder violett wider.

Kappadokische Landschaft

Bis in unsere Zeit hat sich diese Entwicklung fortgesetzt. Die Kräfte der Natur arbeiten fortwährend an der Modellierung, aber auch am Niedergang dieser Traumlandschaft, und die Menschen beteiligen sich an dieser Zerstörung. Auf der einen Seite ist es der ständig steigende Besucherstrom, auf der anderen Seite das sich Ausdehnen der Dörfer und Städte mit oft unkontrollierten Baumaßnahmen und das Anlegen neuer Straßen.

Ein Blick in die Geschichte Kappadokiens

Das Gebiet, das man heute Kappadokien nennt, war schon in der Frühzeit bewohnt. Spuren steinzeitlicher Menschen entdeckte man unter anderem in der Civelek-Höhle unweit nordöstlich von Gülşehir und im Aşıklı-Tumulus in der Nähe des Ihlara-Tals. Schon gegen 3000 v. Chr. begann in Anatolien die Bronzezeit. In jener Epoche entstanden die ersten kleinen Fürstentümer. Auf den Anhöhen wurden befestigte Wohnstätten, so z. B. die Siedlung auf dem Kültepe, errichtet. Im frühen 2. Jt. v. Chr. gründeten assyrische Kaufleute im Schutz dieser Festung eine Handelsniederlassung, die sich in der Folgezeit zu einem regelrechten Wirtschaftszentrum und zum Ausgangspunkt eines weitverzweigten Handelsnetzes entwickelte.

Etwa zu dieser Zeit drangen indoeuropäische Stämme nach Anatolien vor. Diese Neuankömmlinge, die heute als Hethiter bekannt sind, unterwarfen in den nächsten Jahrhunderten die einheimische Bevölkerung. Im Verlauf des 17. Jh.s v. Chr. stiegen sie zu einer Großmacht auf, die sich mit Ägypten, Babylon und Assur messen konnte. Für die Hethiter, die in Hattuscha ihre Hauptstadt gegründet hatten, war Kappadokien ein wichtiges Durchgangsgebiet.

Um 1200 v. Chr. kam es durch den Einfall fremder Völker, der sogenannten Seevölker, aber auch durch innenpolitische Wirren und bürgerkriegsähnliche Zustände zum Untergang des hethitischen Großreichs. Im südlichen Anatolien und in Kappadokien konnten sich kleinere hethitische Fürstentümer noch bis etwa 700 v. Chr. halten. Von ihnen stammen die Hieroglypheninschriften bei Ağıllı und Gökçetoprak (Sivasa) sowie die große Bergfestung auf dem Göllü Dağı.

Im 8. Jh. v. Chr. zählte Kappadokien zum Einflußbereich der Phryger. Ihr Erbe traten im 7. Jh. v. Chr. die Lyder an, die nach der verlorenen Schlacht am Kızılırmak, dem antiken Halys, im Jahr 546 v. Chr. die Herrschaft an die Perser abgeben mußten. Die neuen Herren erschlossen Anatolien durch den Bau eines ausgedehnten Straßennetzes. Die Königsstraße, die Kleinasien mit den persischen Metropolen Sardes und Persepolis verbunden hat, führte durch Kappadokien.

Die Hieroglypheninschrift von Gökşetoprak (Detail)

Der mazedonische König Alexander der Große zerstörte das Perserreich. Nach seinem Tod 322 v. Chr. teilten seine Heerführer – die sogenannten Diadochen (Nachfolger) – das Erbe unter sich auf. In Vorderasien entstand das nach seinem Gründer Seleukos I. benannte Seleukidenreich. In Kappadokien konnte der persische Satrap Ariarathes I. die Herrschaft übernehmen. Ariarathes III., der von ca. 260 bis 220 v. Chr. regiert hat, nahm den Königstitel an und erreichte für sein Land die volle Souveränität. Unter der Nachfolgedynastie, den Ariobarzaniden, geriet Kappadokien immer stärker in die Abhängigkeit von Rom und wurde 17 n. Chr. eine römische Provinz.

Bereits Ende des 1. Jh.s n. Chr. wurden in Kappadokien christliche Gemeinden gegründet. Darauf deutet der erste Petrusbrief hin, der „an die Auserwählten, die als Fremde in Pontus, Galatien, Kappadokien, der Provinz Asien und Bithynien in der Zerstreuung leben“ gerichtet war. Schon im 3. Jh. wurde Caesarea Bischofssitz. In Kappadokien wirkte im 4. Jh. das sogenannte „theologische Dreigestirn“: Basilios der Große, sein Bruder Gregor von Nyssa und ihr Freund Gregor von Nazianz. Diese drei Kirchenväter waren die entschiedensten Gegner der vom alexandrinischen Priester Arius und seinen Gefolgsleuten verbreiteten und hauptsächlich von Kaiser Valens, aber auch von der Mehrheit der Bischöfe propagierten Irrlehre des Arianismus, der die Wesensgleichheit von Gott Vater, Sohn und Heiligem Geist verneinte.

Nach der Reichsteilung im Jahr 395 wurde Kappadokien oströmische Provinz. Im 7. Jh. war das Gebiet Schauplatz erbitterter Kämpfe zwischen Byzanz und den Sassaniden. Später fielen kriegerische islamische Araber ein und verwüsteten das Land. In dieser Zeit verlegten die Christen ihre Wohn- und Kultstätten in die schwer zugänglichen Täler. Bei Angriffen verbargen sie sich in unterirdischen Städten. Im 8. und 9. Jh. belastete der Bilderstreit (Ikonoklasmus) die Region. Die Kaiser Leon III. und Konstantin V. erließen Gesetze, wonach Heiligendarstellungen verboten wurden. Erlaubt waren nur Kreuze sowie florale und ornamentale Schmuckelemente. Erst Kaiserin Irene und endgültig im Jahr 843 Kaiserin Theodora gestatteten wieder die Bilderverehrung. Neue Kirchen wurden gebaut und üppig mit Malereien ausgeschmückt. Byzantinische Kaiser besuchten in der Folgezeit Kappadokien und stifteten neue Gotteshäuser.

Nach dem Sieg des Seldschukensultans Alp Arslan im Jahr 1071 bei Manzikert (heute: Malazgirt) über den byzantinischen Kaiser Romanos IV. Diogenes war der Weg nach Westen frei. In Kappadokien wurden jetzt Moscheen und soziale Einrichtungen gebaut und Karawansereien zum Schutz der Reisenden errichtet. Gegenüber ihren neuen Untertanen erwiesen sich die muselmanischen Eroberer erstaunlich tolerant. Die Christen konnten weiterhin ungestört ihre Religion ausüben und Kirchen bauen. Ein Beispiel für die friedliche, ja fast freundschaftliche Koexistenz ist ein Bildnis in der Kırk Dam altı Kilise bei Belisirma. Es zeigt als Stifter den im Dienst des seldschukischen Sultans stehenden Emir Basilios, der von seiner Abstammung her Christ war, und seine Frau Thamar, eine georgische Prinzessin. Eine Inschrift erwähnt auch den seldschukischen Sultan Massut II. und den byzantinischen Kaiser Andronikos II. Palaiologos.

Berühmte Kappadokier: Basilios der Große und Gregor von Nazianz

Den im 13. Jh. hereinbrechenden Mongolenhorden waren die Seldschuken nicht gewachsen. Im Jahr 1243 wurden sie vernichtend geschlagen. In der Folgezeit bildeten sich zahlreiche kleine Emirate bis sich schließlich die Osmanen die Vorherrschaft sichern konnten. Osman, der Namensgeber dieser Dynastie, und sein Sohn Orhan okkupierten große Teile Anatoliens. Ihre Nachfolger drangen bis auf den Balkan vor, eroberten im Jahr 1453 Konstantinopel und belagerten schließlich Wien.

In der seldschukischen, aber auch in der frühen osmanischen Periode scheint das einträchtige Nebeneinander von Christentum und Islam fortbestanden zu haben. Die Christen konnten neue Kirchen errichten und ausgestalten, wie die Inschrift aus dem Jahr 1293/94 in der Kirche des Hl. Georg in Ortaköy und die ins 14. oder 15. Jh. datierten Malereien in der Sarıca Kilise im Kepez Tal beweisen. Aus der Zeit danach sind allerdings keine neuen Gotteshäuser bekannt. Erst im 19. Jh., als im osmanischen Reich die Gleichstellung aller Untertanen unabhängig von ihrer Religion offiziell eingeführt wurde, entstanden wieder Sakralbauten.

Der Exodus der kappadokischen Christen begann nach dem 1. Weltkrieg. Nach der Niederlage des osmanischen Reichs planten die Siegermächte im Vertrag von Sèvres die Aufteilung der Türkei. Sie verlor einen Großteil ihres Territoriums. Die Griechen sollten Thrakien und Izmir bekommen. Sie wollten aber mehr und besetzten weite Teile Anatoliens. Mustafa Kemal Paşa, dem das türkische Parlament später den Ehrentitel Atatürk (Vater der Türken) verlieh, besiegte das griechische Heer und erzwang eine neue Friedenskonferenz. Im Vertrag von Lausanne wurde die Türkei in ihren heutigen Grenzen anerkannt.

Leidtragende dieses Konflikts waren die Menschen. Infolge dieser Vereinbarung wurden fast eineinhalb Millionen Griechen und nahezu eine halbe Million Türken umgesiedelt. Als Kriterium für die Volkszugehörigkeit wurde die Religion festgelegt, so daß auch alle Christen aus Kappadokien ihre Heimat verlassen mußten.

Die Hauptattraktion von Kappadokien:
das Freilichtmuseum von Göreme

Der Hauptanziehungspunkt in Kappadokien ist ohne Zweifel das Tal von Göreme. Dieses Freilichtmuseum wurde von der UNESCO auf die Liste des Weltkulturerbes gesetzt.

Auf engstem Raum reihen sich Felskirchen, -kapellen und -klöster aneinander. Sie zählen zu den schönsten Beispielen der Architektur in der Region und beeindrucken mit ihrem farbenprächtigen Bilderschmuck. Das Tal war in frühchristlicher Zeit ein religiöses Zentrum von vielen. Erst nach Ende des Bilderstreits gewann es an Bedeutung. In dieser Epoche wurden die Felswände und die Tuffkegel bis an die Grenze ihrer Statik ausgehöhlt. Es entstanden einfache Kapellen, aber auch regelrechte Basiliken und Sakralbauten mit kreuzförmigen Grundrissen.

Erst nach dem Bilderstreit entstanden: Fresko aus der Karanlık Kilise

Auf einem Rundweg kann man die einzelnen Kirchen und Klöster besuchen. Gleich rechterhand findet man die Basilios-Kirche. Durch einen Narthex, in dem mehrere Grabstätten – Fußbodengräber und Arkosolien - existieren, betritt man einen tonnengewölbten Querraum, an den sich drei Apsiden anschließen. Das Gotteshaus ist nicht komplett ausgemalt, sondern weist einzelne gerahmte Bilder auf. In der mittleren Apsis sieht man eine Christusdarstellung. Zu den weiteren Motiven zählen vor allem Heilige, wie die Reiterheiligen Theodor, Georg und Demetrios. Eine an der nördlichen Wand abgebildete Figur soll der Namensgeber Basilios von Caesarea sein.

Die Elmalı-Kirche, die Kirche mit dem Apfelornament, ist eine Kreuzkuppelkirche mit vier Säulen. Die Bilder wurden mittlerweile restauriert. Obwohl viele Gesichter beschädigt sind, gehören die Malereien zu den beeindruckendsten im Kirchental.