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Zweite Auflage - Februar 2017
Fotos - Robert Stöckler & privat
Umschlag & Layout - Robert Stöckler
© 2016 Herstellung und Verlag
BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 978-3-7431-4855-0
Alle Rechte vorbehalten
Du kannst nicht auf den Grund sehen.
Selbst Leute, die den See kennen werden Dir gegenteilige Aussagen machen über die Tiefe des Wassers.
Du kannst nicht wissen, ob es Steine unter der Oberfläche gibt, oder ob das Krokodil unter den Büschen lauert.
Aussagen eines gut meinenden Schweizer Conakry - Kenners1
1 Die Aussagen stammen aus einer E-Mail vom 22. 12. 2008. Sie verwirrten mich damals, da sie aus der Feder eines Europäers stammten.
Seit mehr als 50 Jahren beschäftige ich mich wissenschaftlich mit Fragen der Entwicklungszusammenarbeit, zuerst als Student der Sozialwissenschaften in Löwen am Beispiel des ehemaligen Belgisch-Congo und später als Dozent für Soziologie und Entwicklungspolitik an der Deutschen Akademie Klausenhof.
Beim Weltkongress der Internationalen Gesellschaft für Soziologie 1966 in Evian lernte ich in der Research Group für Internationale Politik unter anderem den großen norwegischen Forscher Stein Rokkan kennen, der – insbesondere für die neu entstandenen Staaten in der sogenannten Dritten Welt – Herausforderungen formulierte, die erfüllt sein müssen, wenn ein Staat das Zusammenleben seiner Mitglieder demokratisch und effizient gestalten will. Ich glaube, dass dieses Grundmodell von Stein Rokkan auf verschiedene Institutionen angewendet werden kann, die demokratische Strukturen anstreben und funktionstüchtig sein wollen. Allerdings muss dieses Modell für die jeweilige gesellschaftliche Einheit perspektivisch gesehen werden, d.h. durch die Fragen: Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Welchen Sinn hat unser Leben? und unsere individuellen und kollektiven (existentiellen) Antworten auf diese Fragen mitgestaltet werden, was je eigenes und gemeinsames Denken und Handeln erfordert.
An der Akademie Klausenhof wurden in den 60iger Jahren alle landwirtschaftlichen Experten für Übersee des gesamten deutschen Sprachraums, die ein – mindestens 3jähriges – Freiwilligen-Engagement zu leisten bereit waren, auf ihre Einsätze vorbereitet. Vielen habe ich nahezubringen versucht, zuerst zu beobachten und zu lernen, wie die jeweiligen Einheimischen die täglichen Arbeiten bewältigen und mit ihnen – unter Beachtung ihrer Traditionen und Werthaltungen – Neues aufbauen. Leider waren weder damals noch sind heute die großen Trägerorganisationen bereit, die jeweiligen Projekte nach klaren Kriterien zu dokumentieren und zu evaluieren. Viele wichtige Erfahrungen wurden gemacht, aber nicht zukunftsweisend und systematisch aufgearbeitet, sodass weder aus den positiven Erfahrungen noch aus den Fehlern genug gelernt wurde.
Dass manche Mitverantwortliche nach mehr als 50 Jahren Entwicklungspolitik und Entwicklungszusammenarbeit resignieren und sich quasi aus der Verantwortung zurückziehen wollen, ist angesichts der Notsituationen, denen wir in vielen Ländern – vor allem Afrikas – begegnen, und die zu Migrationsströmen und vor allem Migrationswünschen führen, nicht nur moralisch nicht vertretbar, sondern vor allem auch politisch, ökonomisch und gesellschaftlich falsch.
Was ist also zu tun? Auf mindestens 3 Ebenen sind Taten zu setzen und es ist darüber hinaus dafür zu sorgen, dass auch die Verknüpfung dieser 3 Ebenen funktioniert. Mit einigen Kollegen habe ich im Jahre 2007 ein erstes Konzept menschenorientierter Entwicklungszusammenarbeit unter dem Titel „Politik – Programme – Projekte“ vorgelegt und als Band 10 der Linzer Schriftenreihe für Entwicklungszusammenarbeit (LISEZ) veröffentlicht. Diese Schriftenreihe habe ich mit Heinz Holley begründet und in deren erstem Band zum Thema „Die Entdeckung der Eroberung. Reflexionen zum Bedenkjahr 500 Jahre Lateinamerika“ ist Folgendes als Selbstverständnis und Ausrichtung der Schriftenreihe festgehalten:
„Linzer Schriftenreihe für Entwicklungszusammenarbeit: der Ortshinweis im Titel dieser Reihe ist mehr als bloße Information darüber, daß diese Reihe im Linzer Universitätsverlag Trauner verlegt wird und die Herausgeber an der Johannes Kepler Universität Linz tätig sind. Linz steht dafür, daß in Oberösterreich wie auch in der Diözese Linz die Anliegen der Entwicklungshilfe, Entwicklungspolitik und Entwicklungszusammenarbeit schon lange Tradition haben. … Daß Oberösterreich jenes Bundesland ist, welches im gesamtösterreichischen Vergleich mit Abstand die meisten Entwicklungshelfer entsandt hat, ist nur ein Hinweis auf eine starke Verwurzelung der Entwicklungsanliegen in vielen Gruppen. Darüberhinaus bestehen an der Johannes Kepler Universität Linz mit dem Interdisziplinären Forschungsinstitut für Entwicklungszusammenarbeit (IEZ) und der Abteilung Politische Soziologie und Entwicklungsforschung am Institut für Soziologie für Österreich einzigartig auch universitäre Einrichtungen, die sich in Forschung und Lehre ausdrücklich mit Entwicklungsfragen beschäftigen.
Linzer Schriftenreihe für Entwicklungszusammenarbeit: Entwicklung verlangt Kontinuität, Beständigkeit oder Nachhaltigkeit. Das Identifizieren von Entwicklungshemmnissen in den reichen Industriestaaten des Nordens, in den armen Ländern des Südens und neuerdings auch in den Nachfolgestaaten des ehemaligen Ostblocks sowie die Suche und Verwirklichung gerechter und nachhaltiger Entwicklungswege können nicht alleine in isolierten Einzelpublikationen abgehandelt werden. Die Linzer Reihe für Entwicklungszusammenarbeit will eine Plattform für Information und Diskussion sein, die aktuelle entwicklungsrelevante Schwerpunkte thematisiert und in regelmäßigen Abständen einem interessierten Publikum zugänglich macht.
Linzer Schriftenreihe für Entwicklungszusammenarbeit: Entwicklungshilfe, Entwicklungspolitik, Entwicklungssoziologie, Dritte Welt und viele andere Begriffe wären denkbar gewesen, um dieser Reihe eine inhaltliche Kennzeichnung zu geben. Bewußt haben wir uns für Entwicklungszusammenarbeit entschieden, weil wir damit auch einen notwendigen Inhalt signalisieren möchten:
Es ist sehr erfreulich, dass von der zuletzt angesprochenen Möglichkeit tatsächlich Gebrauch gemacht wird. Als Band 11 wurde nach der Grundsatzüberlegung zur menschenorientierten Entwicklungszusammenarbeit „Politik – Programme – Projekte“ das Projekt einer grenzenüberschreitenden Freundschaft „Ojemba“ dargestellt, das alle Projektbeteiligten, ihre Freunde und diejenigen, die es werden wollen, über die Projektregion und ihr Umfeld informiert.
Besondere Freude macht mir die Bereitschaft von Herrn Robert Stöckler, sein Projekt in Conakry in diesem Buch umfassend und kritisch zu reflektieren. Was zunächst wie ein Abschlussbericht gedacht war, ist zu einer kritischen und fragenreichen Auseinandersetzung mit Zusammenarbeit im Allgemeinen und menschenorientierter Entwicklungszusammenarbeit im Besonderen geworden. Für alle Entwicklungspolitisch Interessierten und insbesondere für die in diesen Bereichen persönlich Engagierten kann dieses Buch Anregungen für die eigene Tätigkeit bieten und Geduld, Verstehen und Weiterversuchen anregen.
Hoffentlich lassen sich viele durch dieses Buch dazu herausfordern, auch ihre eigenen Erfahrungen einer kritischen Reflexion zu unterziehen und das, was sie getan haben, als Aufforderung und Lernhilfe für andere kritisch darzustellen. Hilfestellungen werden gerne und ausdrücklich geboten, die kritische Reflexionsbereitschaft muss selbst aufgebracht werden. Ich wünsche diesem Buch und weiteren Reflexionsbemühungen viel Erfolg.
Linz im Jänner 2014
Klaus Zapotoczky
Das Afrika-Projekt ist schon längst abgeschlossen, dennoch finde ich immer wieder im Internet Berichte von Menschen, die in Guinea so manches erlebt haben. So fand ich einen Bericht unter dem Titel „Die wilden Abenteuer eines Entwicklungshelfers“, der am 2. Oktober 2012 erschien.2 Ob mich ein Bericht dieser Art 2008 abgehalten hätte, nach Guinea zu fliegen, um ein Projekt zu starten?
Vermutlich nicht!
Wie schon unsere Großeltern sagten: „Nacha wissat ma´s imma bessa“ oder „Nachher weiß man es immer besser“, um der Worte eines Universitätsassistenten zu verwenden, bei dem ich meine Wissenserweiterung in empirischer Sozialforschung Ende der 1980iger Jahre als bereits 38igjähriger an der Johannes Kepler Universität begann.
Dies ist kein wissenschaftlicher Bericht, sondern ich habe aufgeschrieben, was in den fünf Jahren von 2008 bis 2012 erfolgt ist.
Sie können lesen, wie es zum Projekt kam. Über die Anstöße meines Mentors, den ersten Besuch in Afrika, die Geschichte einer jungen Mutter und verschiedene Berichte die ich damals las. Erst nach der Beschreibung von Guinea und der Situation in diesem Land erfahren Sie in Tagebuchform, wie ich das Projekt angelegt habe und was dann erfolgt ist. Dazwischen die Aktivitäten in Österreich.
Ich habe in der Schule nie Französisch gelernt, sondern vorerst nur durch meinen Aufenthalt als Siebenjähriger in Belgien. Erst seit Beginn der Vorbereitungen auf meine erste Projektreise habe ich mich intensiver mit dieser Sprache beschäftigt. Die Übersetzungen habe ich nicht wortgemäß, sondern sinngemäß durchgeführt. So, wie ich den Text erfasst bzw. verstanden habe.
Am Schluss beschreibe noch das Ergebnis aus diesem Projekt und auch das, was ich nicht erreicht habe.
2 „Die wilden Abenteuer eines Entwicklungshelfers“ ein Bericht in „DIE WELT“ von Til Biermann vom 2. 10. 2012
Natürlich begann alles bei Adam und Eva, doch in meinem Fall möchte ich im Jahre 1958 beginnen. Vom Herbst 1958 bis zum Sommer 1959 war ich zur „Luftveränderung“ in Belgien. Besser gesagt in Francorchamps. Als Siebenjähriger habe ich das nicht mitgekriegt, Spa-Francorchamps war schon damals eine berühmte Rennstrecke. Belgien war damals noch Kolonialmacht der heutigen Volksrepublik Kongo. Dort sah ich zum ersten Mal in meinem Leben einen „Neger“. Dort lernte ich Grundbegriffe der französischen Sprache. Dort musste ich eine Überlebensstrategie (ohne Mama) entwickeln.
Abbé Alphonse Pirnay, mein Pflegevater (1958) & P. Joseph Kaufmann mein Präfekt (ab 1961)
1961 kam ich ins Gymnasium nach Schlierbach. Es war ein Internatsbetrieb. „Robert ist noch recht verspielt, mit dem ernsthaften Studieren will es nicht so richtig klappen.“ Damals war das Gymnasium mit einem Internat (Herz-Jesu-Kolleg) verbunden. Externe Schüler waren nicht zugelassen. Was ich dort gelernt habe und wie immer man das gemacht hat, humanistische Grundwerte prägen mein Leben. Zum Muttertag 1963 schrieb ich meiner Mutter nach Hause, dass ich nun wüsste, was ich einmal werden möchte: Missionar. Ich hatte in der Woche davor eine Film-Dokumentation über einen Missionar im Kongo gesehen, die mich offensichtlich tief beeindruckte.
Die vier Jahre „im Kloster“ haben mich zu keinem Zeitpunkt wirklich glücklich gemacht. Das Lernen habe ich dort auch nicht gelernt, das gelang mir erst mit 37 Jahren, als ich begann die Studienberechtigung zu erlangen und anschließend auf die Uni ging. Während der Ferien „durfte“ ich dann mehrmals nach Belgien fahren. Einmal sogar in Begleitung meines um sieben Jahre jüngeren Bruders. Strategien fürs Alleinsein hatte ich ja schon 1958 entwickelt.
Im Kloster hatte ich an Mutter statt P. Joseph Kaufmann angenommen, der mich auch entsprechend begleitet hat. So, dass es bis heute eine gute, freundschaftliche Beziehung gibt. Immer wieder stand er mir als Gesprächspartner zur Verfügung. Wurde mein Mentor. Er entwickelte sich auch zum „Familienpfarrer“. Immer wieder hat er mir Bücher empfohlen, so auch die Werke von Richard Rohr. Als Richard Rohr, der deutschstämmige Franziskanerpater aus Kalifornien, nach Österreich kam, hat mich Joe, wie mein Präfekt gerne genannt wird, auf die Männerwoche in Kärnten aufmerksam gemacht.
Die Empfehlung meines ehemaligen Präfekten und Mentors.
Zur Vorbereitung auf meine Großvaterschaft stand also meiner persönlichen Initiation nichts mehr im Wege. Auch wenn nicht alles glänzt, was Richard Rohr von sich gibt (siehe: Die fünf Botschaften!); Die Woche in Kärnten auf Schloss Tanzenberg hat mich tief beeindruckt. Ich hatte mich zu Trommelworkshops angemeldet.
Trommeln, afrikanisch Trommeln, das war es! Was das eigene Musizieren anbelangt, hatte ich das gefunden, was mich bis ins Innerste erfüllte. Nach dem Start mit Klavierunterricht als Zehnjähriger, dann als E-Bassist bei den Dreamers mit 16 und dem Versuch Kontrabass in der Musikschule zu erlernen war ich nun bei „meinem“ Instrument angekommen.
Es hat sich einfach alles zusammen gefügt und es kam, was kommen musste.
Seit dem Besuch der Männerwoche im Sommer 1996 beschäftige ich mich mit der Musik der Malinke. Deshalb war es nur eine Frage der Zeit, dass ich auch einmal den großen (vielleicht sogar den größten) Meister der Malinketradition Famoudou Konaté3 besuchte. Er hat seine „Zelte“ mitten in Conakry im Stadtteil Simbaya gare aufgeschlagen. Mein Wunsch war es, den großen Meister persönlich kennen zu lernen. Ihn als Menschen, als Trommler und als Pädagogen zu erleben. Und etwas über die Menschen in Guinea und deren Lebensbedingungen zu erfahren.
Im Nachbarhaus von Famoudou gibt es ein kleines, sehr mageres, zartes Mädchen namens Saly. Die Mutter des Mädchens, Yaha Sylla, ist beim Trommelunterricht dabei. Sie spielt die Kenkeni. Kenkeni nennt sich die kleinste der drei Basstrommeln. Täglich bringe ich der Kleinen was zum Essen in den Nachbarhof.
Ich bin sehr betroffen von dem was ich dort erlebt habe. Vieles, was ich dort erlebt und gesehen habe, ist für uns Europäer schlichtweg unvorstellbar. Wir haben einen Lebensstandard, der sich in den letzten Jahrzehnten zu einem sehr hohen entwickelt hat. Nun weiß ich, dass ich mich noch intensiver als bisher mit der Lebens-, Bildungs- und Arbeitssituation der Menschen in Conakry vertraut machen will. Ich fühle mich durch ein starkes inneres Bedürfnis angetrieben und motiviert, den Menschen in Conakry zu helfen.
Schon als wir in der Elfenbeinküste waren hat mein Großvater meine Mutter nicht gemocht, bis meine Mutter geheiratet hat. Mein großer Vater wollte nicht, dass mein Vater und meine Mutter heiraten. Er ist der kleine Bruder meines Großvaters, der nicht nachgegeben hat, dass meine Mutter meinen Vater heiratet. Er ist es, der meine Mutter meinem Vater gegeben hat und meine Mutter ist dort geblieben. Es ist nicht überall gleich, er hat meine Mutter nicht besucht und meine Mutter ist bis zum Tod meines Vaters dort geblieben. Und mein Vater ist gestorben als ich gerade noch nicht auf der Welt war. Am dritten Tag nach dem Tod meines Vaters, da bin ich geboren.
Nach dem Tod meines Vaters ist meine Mutter zu meinem Großvater gegangen, doch der hat sie verjagt. Zu diesem Zeitpunkt war ich noch ein Baby. Und meine Mutter hat ein Auto genommen, um nach Conakry zu kommen. Und meine Mutter hat zu diesem Zeitpunkt den kleinen Bruder meines Großvaters in Conakry angetroffen. Mr. Barry hat gearbeitet. Er ist es, der meine Mutter genommen hat und sich um sie und um uns alle gekümmert hat.
Famoudou hat mich gesehen. Zu diesem Moment war ich zu klein und Famoudou hat zu meiner Mutter gesagt sie soll mich zu ihm geben. Ich bin bei ihm geblieben bis ich groß geworden bin. Zu dieser Zeit hatte Mr. Barry keine Arbeit.
Und wenn ich für Famoudou arbeite, nimmt Famoudou das Geld, um es meiner Mutter zu geben. Und wenn Famoudou einen Kurs hat, komme ich an seine Seite, um Djembe zu lernen. Und wenn Famoudou fortgeht zu einem Konzert, dann nimmt er mich mit und das Geld, das ich verdient habe, hat er meiner Mutter gegeben. Und ich bin mit ihm geblieben, ich bin mit ihm groß geworden und er war es, der sich um mich gekümmert hat.
Als ich mit Saly schwanger wurde, war Famoudou nicht glücklich mit mir und er hat überlegt und zu mir gesagt, das ist nicht schlimm, aber es hat mir die Kindheit genommen. Ich ging ja in die Schule und meine Schwangerschaft hat verhindert, dass ich weiter in die Schule gehen konnte und Famoudou hatte das möglich gemacht.
Ich bin in die Schule gegangen und als ich die Schule dennoch verlassen hatte, war Famoudou wütend auf mich und er wusste nicht wie es weitergehen sollte.
Die Eltern von Salys Papa konnten sich nicht um mich kümmern, nicht ein bisschen. Und immer arbeite ich bei Famoudou, um mit meinem Gehalt Saly zu ernähren. Und der Papa von Saly kann nicht für Saly sorgen, auch nicht seine Eltern. Und als Saly auf der Welt war bekam sie den Namen einer seiner großen Schwestern. Nur sie hilft mir für Saly zu sorgen.
Nun ist mein Großvater, der sonst immer in der Elfenbeinküste lebt, wieder einmal hierher gekommen. Er hat gesehen, dass meine Mutter hier noch einmal geheiratet hat. Und er sagte, dass er das nicht gewollt hat. Und meine Mutter hat auch gesagt, dass sie nicht verheiratet bleiben darf. Und er hat gesagt, dass meine Mutter und alle ihre Kinder das Haus verlassen müssen. Aber meine Mutter ist weggegangen zu ihrem Mann und ihr Mann hat gesagt, dass er für uns keinen Platz hat.
Deshalb bitte ich dich, mir zu helfen, damit ich einen Platz finde, wo ich mit Saly und meiner Schwester leben kann.
Yaha Sylla hat die Beschreibung ihres Lebens ihrer Freundin Kora erzählt, da sie selber kaum schreiben kann.
Der große Meister der Malinke-Tradition Famoudou Konate und seine unmittelbaren Nachbarn. Vier Generationen vereint. Urgroßmutter, Großmutter, Mutter und Tochter.
11. 2. 2008
Als ich aus Conakry, der Hauptstadt von Guinea in Westafrika zurückkam, habe ich alles ganz langsam angefangen. Ich besuchte noch meine Schwiegermutter im Altenheim, noch vor meiner Rückkehr in mein Haus. Sie war während meines Afrikaaufenthaltes dorthin übersiedelt. Sie hatte am Tag meiner Rückkehr Geburtstag.
Am Flughafen in München hatte ich mehrere Stunden Aufenthalt. Zuerst bummelte ich dort ein wenig. Es ist ja ein riesengroßer Flughafen. Da kam ich bei einer Buchhandlung vorbei. Ich kaufte gleich Lernbücher für Französisch. Ich möchte viel besser französisch sprechen, als ich es derzeit kann. Außerdem traf ich dort einen guten Freund mit seiner Frau. Sie waren unterwegs nach Japan. Ein Zufall!
Das erste was ich zu Haus tat? Ich nahm ein Bad. Ich legte mich ins warme Wasser und konnte mich gut entspannen. Eine Menge Post wartete auf mich. Viele Zeitungen.
Schon am nächsten Tag hatte ich einen Geschäftstermin. Ein Mittagessen mit langjährigen Kunden. Natürlich wurde über meine Afrikareise gesprochen. Und anschließend besuche ich noch das Geschäft meiner Kunden. Am Nachmittag kam eine Führungskraft zu mir, die ich schon seit längerer Zeit berate. Sie hat einen neuen Chef bekommen und will ihre Abteilung neu organisieren.
Am Donnerstag konnte ich beginnen, die Materialien meiner ersten Projektreise zu bearbeiten. Fast 400 Fotos, zehn Stunden Videos und 20 Stunden Audios. Von Freitag bis Sonntag konnte ich in meinen Erinnerungen sein. Nur unterbrochen vom Besuch bei einer Kundin am Freitagabend.
Am Montag erledigte ich, was sich in der Zeit meiner Abwesenheit aufgestaut hatte. Von Dienstag bis Donnerstag war ich dann mit meiner Frau und zwei Enkelkindern (Johannes und Laura) zu Besuch bei meiner Tochter Verena. Sie ist zurzeit auf Schiurlaub mit ihrem Mann Georg und ihren beiden Kindern Jana und Philipp. Eine Welt hoher Berge und viel Schnee.
Ich lerne nun täglich wenigstens eine Stunde französisch und komme recht gut voran. Es gibt noch viel zu tun. Es fehlen mir noch viele Worte. Und am meisten muss ich noch Grammatik lernen und üben.
3 Eine Beschreibung des großen Meisters, der die Hälfte des Jahres in der nähe von Bamberg verbringt finden Sie auf seiner Homepage: http://www.famoudoukonate.com/
Klein, dezentral und unspektakulär: So hilft die Aktion „Sei so frei“ der Katholischen Männerbewegung der Diözese Linz seit Jahrzehnten vielen Menschen in Afrika, Mittel- und Südamerika.
Hilfe zur Selbsthilfe heißt ein modernes Schlagwort in der Entwicklungszusammenarbeit. Bei „Sei so frei“ steht nicht im Mittelpunkt, Personal in die Zielländer zu transferieren, sondern in diesen tragfähige Organisationen mit qualifizierten einheimischen Mitarbeitern aufzubauen.
„Wir achten darauf, dass sich diese Gruppen finanzieren können und ihre Leute in den Einsatzgebieten Autorität genießen. Solche Institutionen zu finden und aufzubauen, ist das Schwierigste unserer Arbeit“, sagt der Verantwortliche in der Diözese Linz, Franz Hehenberger.
Leichter sei es, eine solche Gruppe dann zu begleiten. „Sei so frei“ ist in Tansania, Uganda und Mosambik tätig, außerdem in Mittelamerika in Guatemala, und in Bahia, einer der ärmsten Regionen Brasiliens. In den Hauptstädten würden einander tatsächlich die Vertreter großer internationaler Organisationen auf die Füße steigen.
„Die meisten hören aber an den Stadträndern zu arbeiten auf. Das ist problematisch, denn wenn du dort die Armut bekämpfst, wächst die doppelte Armut dazu, weil du neue Leute vom Land anziehst“, sagt Hehenberger.
Das wecke Hoffnungen, die niemals zu erfüllen seien. Die armen Menschen, die vom Land zuziehen, könnten sich das teurere Leben in den Städten noch weniger leisten. „Sei so frei“ ist nur in ländlichen Regionen tätig. Dort seien kaum Hilfsorganisationen aktiv, auch weil es deutlich mühsamer sei. Und weil der Bedarf noch größer sei. „Wir könnten noch mehr machen, wenn wir mehr Spenden bekämen. So haben wir einiges in der Warteschleife oder können Projekte nicht mit der gewünschten Geschwindigkeit entwickeln.“
Gefördert wird nur, was den Menschen mit ihren einfachen Möglichkeiten nützt, also keine Großanlagen oder Großmaschinen, deren Betrieb zu teuer wäre. Landwirtschaft, Bildung und Gesundheitswesen zu verbessern, lauten die Ziele. Auch Wasserversorgung, etwa durch Brunnen oder Regensammeltanks, gehört dazu. Auf ökologische Verträglichkeit wird geachtet.
Die Oberösterreicher versuchen auch, nicht auf korrupte Verwaltungs- und Regierungsbereiche angewiesen zu sein. „Wenn man gute Leute vor Ort hat, dann ist das zu schaffen“, sagt Hehenberger.
Hilfe .... · von tourrabe · 7
Wenn ich nur an die KMB denke, wird mir schlecht. Arbeite hier in Nepal seit eineinhalb Jahren im Entwicklungsbereich und wollte von diesem Verein eigentlich nur administrative Hilfe - kein Geld. habe diesen Voegeln zweimal geschrieben. Jetzt weiss ich, dass keine Antwort auch eine Antwort ist. Man wird von solchen "christlichen" Vereinen ganz einfach im Regen stehen gelassen. Die koennen mich alle a.. A.. l.. Tut mir leid, dass ich als Mitglied diese Kirche so lange finanziell und auch sonst unterstuetzt habe.
In Afrika können selbstorganisierte Krankenversicherungen helfen, wo die Familien überfordert sind. Das Interesse an funktionierenden Krankenversicherungssystemen ist in Afrika in den letzten Jahren stetig gewachsen. Verschiedene Modelle stehen dafür zur Verfügung: freiwillige und verordnete, private und staatliche. Zur Einschätzung der Erfolgsaussichten ist eine genaue Kenntnis der Vor- und Nachteile der einzelnen Modelle nötig. Selbstorganisierte Versicherungen sind in Afrika offenbar eine Alternative, vor allem in sehr schwachen Staaten, und sind es wert, näher untersucht zu werden.
Seit einigen Jahren wächst in Afrika südlich der Sahara das Interesse an der Entwicklung von Krankenversicherungssystemen. Die Finanzkrisen im öffentlichen Gesundheitswesen Afrikas haben sicher zu diesem Trend beigetragen. In den sechziger Jahren war die kostenlose Gesundheitsversorgung noch ein Grundrecht, und das öffentliche Gesundheitswesen sollte sich zu hundert Prozent aus Steuern finanzieren. Das erwies sich schnell als Illusion. Die internationale Schuldenkrise in den Achtzigern hatte drastische Auswirkungen auf die Gesundheitsbudgets in den Staatshaushalten. Die kostenlose Versorgung wurde zum Mythos:
Letzten Endes waren Patienten gezwungen, teure Arzneimittel von privaten Anbietern zu kaufen, weil es kaum Medikamente im öffentlichen Sektor gab. Patienten mussten zudem für unterbezahltes – manchmal sogar unbezahltes – Gesundheitspersonal unter der Hand Gebühren entrichten.
Eine pragmatische Reaktion auf diese Situation war die Einführung der direkten Barzahlung der Patienten am Ort und zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme von medizinischen Leistungen in den siebziger und achtziger Jahren. Heute ist diese Praxis der direkten Zahlung von Nutzungsgebühren in ganz Afrika an der Tagesordnung. Sie wurde durch die Bamako-Initiative der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Unicef legitimiert. Die Bamako-Initiative wurde von afrikanischen Gesundheitsministern und Vertretern der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und des Kinderhilfswerks Unicef im Jahr 1987 bei einer Konferenz in Bamako, Mali, beschlossen. Ziel der Initiative ist, bei der lokalen Grundversorgung im Gesundheitswesen die Gemeinden am Management des Gesundheitsdienstes und seiner Finanzierung zu beteiligen.
Die Initiative hat durchaus Erfolge hervorgebracht. So wurden Gebühren für Qualitätsverbesserungen im öffentlichen Gesundheitswesen verwendet, beispielsweise um sicherzustellen, dass lebensnotwendige Medikamente auch vorrätig sind.
Trotzdem liegen die Nachteile von Nutzungsgebühren auf der Hand, vor allem wenn diese vergleichsweise hoch sind, was in vielen afrikanischen Ländern der Fall ist. Sie erschweren armen Bevölkerungsgruppen den Zugang zu Gesundheitsdiensten und können sogar zum völligen Ausschluss führen, wenn das Familieneinkommen wie in vielen ländlichen Gemeinschaften in Afrika saisonal stark schwankt. Versicherungssysteme sind daher eine interessante Option, die auch zur Solidarität innerhalb der Gemeinschaft beitragen kann.
In Entwicklungsländern und speziell in Afrika südlich der Sahara sind zahlreiche kollektive Mechanismen zur Abfederung individueller Risiken entstanden. Die Risiken stehen im Zusammenhang mit wichtigen Ereignissen im Leben wie Geburt und Tod, aber auch Krankheit. In dieser Vielfalt von Arrangements zur gegenseitigen Hilfe gibt es Systeme mit und ohne Versicherung.
Die internationale Arbeitsorganisation (ILO) definiert Versicherung als "die Reduzierung oder Ausschaltung des unbestimmten Schadensrisikos für die Einzelperson oder den Haushalt durch Zusammenschluss einer größeren Zahl von vergleichbaren Risiken ausgesetzten Einzelpersonen oder Haushalten und ihre Beteiligung an einem gemeinsamen Fond, aus dem der Schaden, der einem Mitglied entsteht, ersetzt wird". Bei einer Versicherung müssen sich die Investitionen oder Kosten für die Versicherten nicht mit dem späteren Ertrag bzw. der Versicherungsleistung aus dieser Investition decken. Finanziell gesehen bedeutet das, dass es immer Gewinner und Verlierer geben wird: Alle zahlen ein, um den Schaden zu ersetzen, der Einzelnen entsteht. Das Versicherungsprinzip weicht somit vom Grundsatz der Reziprozität ab, nach dem Leistung und Gegenleistung einander mehr oder weniger die Waage halten.
Versicherung kann mit verschiedenen Stufen von Solidarität verbunden sein. Bei einer Versicherung wird stillschweigend anerkannt, dass die Höhe des persönlichen Ertrags nicht der Anfangsinvestition entsprechen muss. Bei Pflichtversicherungen, wie es sie in vielen europäischen Ländern gibt, wird den Menschen diese Abweichung per Gesetz aufgezwungen.
Die gängigsten Organisationsformen gegenseitiger Hilfe ohne Versicherung sind die der Solidarität in der Familie oder im Klan. Sie basieren auf der – nicht formal festgeschriebenen, aber deshalb nicht weniger bindenden – moralischen Verpflichtung, Familienmitgliedern zu helfen. Diese Systeme gegenseitiger Hilfe sind selektiv, da nur Mitglieder der Familie, des Klans oder der ethnischen Gruppe die Hilfe in Anspruch nehmen können. Die Hilfe kann und wird bei einer Reihe von Ereignissen mobilisiert, die nicht ausdrücklich definiert sind und es auch nicht sein müssen. Die "Deckung" umfasst nicht nur unangenehme Ereignisse wie Krankheiten oder Unfälle, sondern auch frohe Anlässe wie Geburten und Feste.
Neben traditionellen Systemen der Solidarität in der Familie entstehen in Afrika zunehmend neue Formen von Vereinigungen, die eine wichtige Rolle im Bereich der gegenseitigen Hilfe spielen. Diese Bewegungen können Menschen ohne verwandtschaftliche Beziehungen vereinen, sie greifen bei einer Vielzahl freudiger und schlimmer Ereignisse ein, und sie tragen zur Schaffung und Stärkung sozialer Netze bei.
Bei vielen dieser afrikanischen Systeme gegenseitiger Hilfe stehen Tod und Bestattung im Mittelpunkt – was gelegentlich das Missfallen junger Menschen erregt, die den Vorrang der Toten vor den Lebenden in Frage stellen. Nur wenige dieser Vereinigungen leisten jedoch im Krankheitsfall wesentliche Hilfe. Genau das wäre ein Grund für die Einführung von Vorsorgesystemen fremden Ursprungs auf Versicherungsbasis, weil diese die Lücke schließen, indem sie gezielt Ausgaben für die Gesundheitsversorgung abdecken.
Die tontine ist eine Form des Zusammenschlusses zur gegenseitigen Hilfe, die unter verschiedenen Namen in ganz Afrika weit verbreitet ist. In der englischen Literatur werden tontines als Rotating Savings and Credit Associations (ROSCAs) bezeichnet (siehe den Artikel von Verhoef in diesem Heft). Es handelt sich dabei nicht um Versicherungssysteme, sondern um relativ informelle (aber nicht illegale) Sparsysteme. Einer tontine gehört normalerweise eine begrenzte Zahl von Menschen an, die etwas gemeinsam haben (zum Beispiel den gleichen Beruf) oder die sich irgendwie gut kennen. Alle Beteiligten zahlen regelmäßig in einen gemeinsamen Topf, der dann jeweils einem Mitglied ausgezahlt wird. Die meist finanzielle Investition und der sich ergebende individuelle Nutzen halten sich im Prinzip die Waage. Tontines werden aber selten geschaffen, um die Kosten der Gesundheitsversorgung zu decken, weil diese schwer vorauszusehen sind.
Bei Vorauszahlungssystemen, die in der französischen Versicherungsfachsprache auch als Abonnement bezeichnet werden, wird dagegen vorab ein bestimmter Betrag, – manchmal für die Einzelperson, meistens aber für die Familie – an einen Gesundheitsdienst oder eine Gesundheitseinrichtung gezahlt. Bei jeder Inanspruchnahme einer Leistung wird dieses eingezahlte Guthaben um die geforderten Gebühren für die Leistung verringert, bis der gesamte Betrag verbraucht ist. Das System ist in der Praxis eher selten und wird eigentlich nur genutzt, um relativ klar vorhersehbare Gesundheitskosten vorzufinanzieren, etwa für die Schwangerenberatung oder die Behandlung von Kleinkindern.
Vorauszahlungssysteme sind trotzdem eine interessante Option, weil sie den Kauf von Gesundheitsleistungen zu einer Zeit ermöglichen, zu der Geld im Haushalt tatsächlich verfügbar ist. Ihre Reichweite ist allerdings dadurch begrenzt, dass teure Ereignisse wie ein Krankenhausaufenthalt schwerer vorzufinanzieren sind. Außerdem wird das Risiko in solchen Systemen im Allgemeinen von einer relativ kleinen Gruppe (zum Beispiel einer Familie) gemeinsam getragen.
Bei den Gegenseitigkeitssystemen mit Versicherung ist zwischen der Pflichtversicherung, allen voran dem bismarckschen Sozialversicherungsmodell, das in mehreren europäischen Ländern praktiziert wird, auf der einen und freiwilligen Krankenversicherungssystemen auf der anderen Seite zu unterscheiden. Gesetzliche oder Pflicht-Krankenversicherungen gibt es in den meisten afrikanischen Ländern. In der Regel wurden sie in den letzten Jahren der Kolonialherrschaft oder in den ersten Jahren nach der Unabhängigkeit der jungen afrikanischen Staaten eingerichtet.
Das bismarcksche Sozialversicherungsmodell ist ein importiertes, europäisches System, das in Ländern mit einem völlig anderen sozialen und politischen Hintergrund eingeführt wurde. In der Praxis erfassen diese Systeme in Afrika nur einen Bruchteil der Bevölkerung, vor allem Staatsbeamte. Das ist eine kleine Minderheit – selten mehr als ein paar Prozent der Gesamtbevölkerung -, die häufig bereits relativ privilegiert ist im Vergleich zu ländlichen Haushalten, die von der Subsistenzlandwirtschaft leben. Es ist eher unwahrscheinlich, dass solche Systeme auf kurze oder auch mittlere Sicht eine nennenswerte Anzahl an Mitgliedern gewinnen werden. Außerdem führen viele afrikanische Länder derzeit unter dem Druck der Weltbank Strukturanpassungsprogramme durch, die als wesentliches Element eine Verringerung der Beamtenzahl vorsehen.
Eine Ausdehnung solcher Krankenversicherungssysteme auf die ländliche Bevölkerung oder auf Beschäftigte im informellen Sektor setzt funktions- und leistungsfähige staatliche Verwaltungsstrukturen voraus. Diese sind in weiten Teilen Afrikas südlich der Sahara heute leider nicht unbedingt gegeben. Ob die durchschnittliche afrikanische Regierung ausreichend Vertrauen in der Öffentlichkeit genießt, um erfolgreich eine landesweite Krankenversicherung organisieren und verwalten zu können, ist höchst zweifelhaft. Die Notwendigkeit, neue Krankenversicherungsmodelle zu entwickeln und zu erproben, die in erster Linie die nicht als Lohn- oder Gehaltsempfänger arbeitenden Bevölkerungsgruppen erreichen, wird daher allgemein anerkannt.
Eine weitere Unterscheidung kann zwischen Systemen gemacht werden, die einer gemeinnützigen oder einer an privaten Gewinninteressen orientierten Logik folgen. Bei privat orientierten Systemen richten sich Versicherungsprämien üblicherweise nach der Höhe des individuellen Gesundheitsrisikos und sind vom Familieneinkommen unabhängig. Ein Großteil der afrikanischen Bevölkerung wäre demnach de facto von der Beteiligung an solchen privaten Krankenversicherungsinitiativen ausgeschlossen. Bei freiwilligen, öffentlichen Systemen ist die Prämie normalerweise ein Pauschalsatz, unabhängig vom individuellen Risiko der Versicherten. In der Versicherungsliteratur heißt diese Form der Beitragsbemessung, die sich aus der Risikostruktur der Versichertengemeinschaft ergibt, community rating.
Freiwillige Krankenversicherungssysteme gibt es in Afrika durchaus. Gerade in den letzten zehn Jahren haben sie einen rapiden Aufschwung genommen. Einer aktuellen Studie zufolge gibt es beispielsweise in Senegal heute rund 30 funktionierende Systeme, und ungefähr ebenso viele befinden sich im Aufbau. In Mali wurden im Jahr 2000 insgesamt 22 Krankenversicherungssysteme gezählt, davon waren zehn bereits funktionsfähig, die anderen zwölf "in der Reife".
Erfahrungsgemäß sind in Afrika zwei Modelle freiwilliger Krankenversicherung zu unterscheiden. Zum einen gibt es das Gegenseitigkeitsmodell. Hier fungiert eine Vereinigung oder Organisation von Mitgliedern (eine Mutual Health Organisation oder MHO) als Mittlerin zwischen Beitragszahlern und Leistungsanbietern. Unternehmenszweck des Versicherungsträgers ist die Interessenvertretung der beteiligten Haushalte. Versicherungsträger und Leistungsanbieter beraten und verhandeln die Bedingungen für die Leistungen, die den Versicherten angeboten werden, und legen die Finanzierungsmodalitäten für das Leistungspaket fest. Diese werden dann in einem Vertrag zwischen Versicherungsträger und Leistungsanbieter festgehalten.
Einer der wichtigen Unterschiede zwischen eher traditionellen Zusammenschlüssen zur gegenseitigen Hilfe und MHOs liegt gerade in diesen (mehr oder weniger ausformulierten) Vereinbarungen zwischen Haushalt und Versicherungsträger und zwischen Versicherungsträger und Leistungsanbieter. In traditionellen Systemen ist es Pflicht, Mittel zu mobilisieren, nicht aber, Ergebnisse zu erzielen. MHOs dagegen sind verpflichtet, Ergebnisse zu erzielen, das heißt gewisse Leistungsformen und -mengen zu einem vereinbarten Preis anzubieten. Nur selten haben sich MHOs aus traditionellen Gegenseitigkeitsgruppen entwickelt; die Initiative kam meist von außen. Neuere Forschungen im Rahmen der Projekts PRIMA (Projet de Recherche sur le Risque-Maladie) in Guinea- Conakry kommen zu dem Ergebnis, dass die Menschen dies nicht als Problem sehen: Sie erkennen sehr wohl die Stärken, aber auch die Schwächen traditioneller Systeme und wissen gleichzeitig den spezifischen Beitrag der MHOs zu würdigen.
In Afrika, vor allem im französischsprechenden Teil, ist heute eine dynamische Entwicklung von Versicherungssystemen auf Gegenseitigkeit zu verzeichnen, auch wenn diese Bewegung noch jung und wenig strukturiert ist. Einige MHOs sind korporativ organisiert: Sie wenden sich an Personen einer Berufsgruppe und deren Angehörige, so zum Beispiel die Mutuelle des Travailleurs de l’Education et de la Culture (MUTEC) in Mali, die mehr als 10.000 Mitglieder hat. Andere sind nicht korporativ organisiert, das heißt, sie zielen auf eine beruflich eher gemischte und heterogene Bevölkerungsgruppe ab, deren Mitglieder aber andere gemeinsame Merkmale haben: zum Beispiel Menschen, die in derselben Gegend wohnen oder die demselben Club oder Verein oder derselben Gesellschaftsbewegung angehören (wie die MHO von Fandène in Thiès, Senegal). Korporative Organisationen haben normalerweise viel mehr Mitglieder als nicht korporative, die oft klein bleiben – mit höchstens ein paar Hundert Menschen. Das hat natürlich Auswirkungen auf die finanzielle Überlebensfähigkeit des nicht korporativen Systems.
Zahlreiche freiwillige Krankenversicherungssysteme in Afrika sind allerdings nicht nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit organisiert, sondern nach einem technokratischen, vom Leistungsanbieter gesteuerten Modell. Der Unterschied besteht darin, dass es in solchen freiwilligen Krankenversicherungssystemen keine Mittler zwischen der Geld zahlenden und der Gesundheitsdienste anbietenden Partei gibt. Mit anderen Worten: Der Leistungsanbieter ist gleichzeitig Versicherungsträger.
Eine solche Organisationsform entspricht in etwa dem in den USA weit verbreiteten Modell der Gesundheitsvorsorgeeinrichtung (Health Maintenance Organisation oder HMO). In Afrika findet man dieses Modell in Form eines Distriktmanagementteams, das für Organisation und Bewirtschaftung eines Versicherungssystems verantwortlich ist. Eine solche Versicherung ist für die Menschen gedacht, für die der Distrikt explizit zuständig ist. Das können die Bewohner des ganzen Distrikts sein oder die Bevölkerung im Einzugsgebiet eines Gesundheitszentrums. Die Versicherten müssen sich im Allgemeinen an einen bestimmten Leistungsanbieter wenden. Der Leistungsanbieter ist auch Träger des finanziellen Risikos. Das Versicherungssystem für die Krankenhausbehandlung, das 1986 im Distrikt Bwamanda in der Demokratischen Republik Kongo entwickelt wurde, ist ein Beispiel für dieses Modell. Das Modell kann den Zugang zur Gesundheitsversorgung deutlich verbessern, wenn das Distriktteam dem Gemeinwohl verpflichtet ist und über die erforderlichen Managementfähigkeiten verfügt. Ein wesentlicher Nachteil des Modells ist aber das Fehlen einer Gegenkraft zu den Gesundheitsdiensten. Das Risiko, dass das Gesundheitspersonal den Entscheidungsprozess dominiert, ist gegeben, wie der Fall Bwamanda deutlich zeigt.
Abschließend ist festzuhalten, dass es in Entwicklungsländern im Allgemeinen und in Afrika südlich der Sahara im Besonderen durchaus ein Potenzial für Krankenversicherungen gibt. Das Arrangement zur Finanzierung der Gesundheitsversorgung beruht auf Prämienvorauszahlung und Risikoverteilung. Eine Krankenversicherung kann ein Weg sein, zusätzliche Ressourcen für unterfinanzierte Gesundheitssysteme zu beschaffen, den Zugang zu Gesundheitsdiensten dort zu verbessern, wo Nutzungsgebühren anfallen, und nicht zuletzt die Organisation der Nutzer von Gesundheitsdiensten zu stärken und ein Gegengewicht zur Machtposition des Gesundheitspersonals zu schaffen.
Gleichzeitig rate ich aber zur Vorsicht. Die Schaffung eines leistungsfähigen und gerechten Krankenversicherungssystems darf kein Schnellschuss sein. Eine langfristige Perspektive ist nötig, und die Bedeutung der sozialen Dimension bei der Entwicklung einer Krankenversicherung muss klar erkannt werden. In vielen Fällen wird eine Krankenversicherung eingerichtet, ohne dass die Initiatoren klare Vorstellungen haben oder vermitteln, welche Probleme sie genau lösen soll, fast als wäre die Schaffung einer Krankenversicherung an sich schon ein Ziel. Eine Krankenversicherung wird allzu oft als Allheilmittel gesehen – was sie nicht ist.
Wir müssen also unbedingt mehr über die Dynamik oder fehlende Dynamik in lokalen Krankenversicherungssystemen lernen, bevor wir ihre Verbreitung fördern, als seien sie ein neues Wundermittel. Eine zentrale Frage drängt sich auf: Eigentlich ist eine Versicherung die naheliegendste Option, um vielen afrikanischen Haushalten einen Zugang zu Gesundheitsdiensten zu gewährleisten. Es scheint einen Bedarf dafür zu geben. Die Versicherungsbeiträge sind zwar nicht billig, aber genügend Leute können sie sich leisten. Warum ist dann das Interesse – gemessen an den Mitgliedszahlen – noch so gering? Welche Erklärungen gibt es für diese offensichtliche Zurückhaltung? Warum verhalten sich Menschen, wie sie sich verhalten? Das sind die vorrangigen Fragen, die es mit einem multidisziplinären Ansatz aus Gesundheitswesen und Sozialwissenschaft zu erforschen gilt.
Einander zur Gesundheit verhelfen
Das Maliando-System im ländlichen Guinea-Conakry ist ein Beispiel für das Gegenseitigkeitsmodell, das in vielen afrikanischen, insbesondere westafrikanischen Ländern anzutreffen ist.
Maliando – das heißt in der Lokalsprache gegenseitige Hilfe – ist ein Zusammenschluss von Haushalten mit dem Ziel, den Zugang zu hochwertiger Gesundheitsversorgung zu verbessern. Er wurde 1998 gegründet und basiert auf freiwilliger Mitgliedschaft,