Jens Reimnitz (Hsg.), Carola Kickers,
Astrid Hermanns, Michael Sagenhorn,
Vera Klee, Zenek Lubitz
und Alexander Wohnhaas
Dunkle Seiten
Bösartige Geschichten
Twilight-Line Medien GbR
Obertor 4
D-98634 Wasungen
www.twilightline.com
2. Auflage, Oktober 2020
eBook-Edition
ISBN 978-3-966890-23-6
© 2020 Twilight-Line Medien
Alle Rechte vorbehalten.
Im Leben trifft man sich immer zweimal
Schicksalsmelodie
Die Party
Chartstürmer
Banküberfall
Gruppenzwang
Falsch verbunden
Kleider machen Leute
Piraten
Traumsequenz
Der Berater
Der Gefangene
Treuetest
Zwischen arm und reich
Journalistenschelte
15 Tage
Verkettung von Umständen
Der Letzte seiner Art
Die Nacht ruft deinen Namen
Zucker für die Engel
Symbiosis
Lapislazuli und Drachensand
Schwarzblut
Der unvergessliche Arbeitstag
Die Meldung kam ihm gerade recht
Die Vision
Sicherheit geht vor
Jens Reimnitz
Der Nebel an der Autobahnbrücke lag tief; eigentlich viel zu tief für diese Jahreszeit. Der Sommer befand sich gerade in seinen letzten Zügen; die Menschen hier im Norden Deutschlands hatten den untypischen Jahrhundertsommer hinter sich gebracht. Acht Wochen nur Hitze, Sonne und Trockenheit. Die Landwirte dieser friesischen Region wussten um die hohen Verluste, die dieser Sommer ihnen gebracht hatte. Die Restaurantbesitzer klagten ebenso wie die Eigentümer von Videotheken, Kinobetrieben und Solarien. Doch der Nebel an der Autobahnbrücke machte Nicolas Bruhn Hoffnung; die Hoffnung auf Regen, die Hoffnung auf Kälte und die kleine Resthoffnung auf eine Ernte, damit er und seine Familie dieses Jahr finanziell einigermaßen über die Runden kommen würden.
Nicolas Bruhn war nun schon seit über zehn Jahren Landwirt; doch ein solches Jahr vernichtete sein gesamtes Lebenswerk. Die Lebensversicherung hatte er sich – vorzeitig und mit erheblichen Verlusten – bereits im Juli auszahlen lassen; nun hatte er ein Gespräch mit seinem Bankberater, um einen Kleinkredit auszuhandeln. Er war jedoch voller Hoffnung. Der Nebel an der Autobahnbrücke half ihm dabei...
Auch der Wetterbericht versprach eine kühle, teils regnerische Woche. Die negativen Momente der letzten Wochen waren einem Hauch von Optimismus gewichen.
Sein Termin bei der Bank war für 9 Uhr morgens angesetzt. Es herrschte bereits ein reges Treiben in dem Bankgebäude. Bruhn sah den Bankangestellten Satowski bereits in einigen Metern Entfernung. Mit seinem billigen Anzug aus dem letzten Sommerschlussverkauf und mit seinem schleimigen Grinsen im Gesicht wirkte er auf ihn wie ein Gebrauchtwagenverkäufer aus Detroit.
Von solch einem Typen bin ich jetzt abhängig, dachte sich Bruhn, lächelte aber den schmierigen Angestellten freundlich an.
„Dann wollen wir mal sehen, was wir für Sie tun können“, eröffnete Satowski das Gespräch.
Dieses ‚wir’-Getue kann er sich wirklich schenken, dachte sich Bruhn, der plötzlich nicht mehr ganz so optimistisch war.
Bruhn wollte einen Kleinkredit über zirka 10.000 Euro, da er damit seine Familie locker über den Winter bringen würde. Einen monatlichen Abtrag in Höhe von 300 Euro stellte für ihn kein Problem dar; das hatte er sich bereits ausgerechnet. Satowski und Bruhn gingen in ein kleines Büro, welches von der großen Eingangshalle nicht einzusehen war.
Auf dem Schreibtisch war alles penibel sortiert; der Füllfederhalter, der Locher und der Hefter lagen fast parallel zueinander in etwa 10 cm Abstand voneinander entfernt. Gerne hätte Bruhn einfach mal einen der Gegenstände etwas von der angestammten Position entfernt, nur um zu sehen, wie schnell der emsige Bankangestellte reagieren würde.
Satowski hatte eine Art Vordruck vor sich, in dem er wie wild herumpinselte; wahrscheinlich um feststellen zu können, ob der Landwirt überhaupt eines Kredites würdig erschien.
Satowski benötigte Zeit. Minutenlang kritzelte er die beiden Blätter mit Zahlen, Zahlen und noch mehr Zahlen voll. Die Zeit kostete Bruhn Nerven, denn er fühlte sich nun – nach den unendlich zähen Minuten – wie ein Mensch zweiter Klasse. Wenn Satowski dieses erreichen wollte, konnte er sich nun bereits auf die Schulter klopfen.
Nach etwa zwölf Minuten passierte es dann; Satowski erteilte dem jungen Landwirt eine derbe Absage.
„Wir können leider nichts mehr für Sie machen. Sie haben keine Sicherheiten mehr, die für uns von Bedeutung sind. Und sie wissen ja auch selber, dass die Sommerzeit auch in unserer Region immer länger wird. An Ihrer Stelle würde ich mir einen neuen Job suchen“, formulierte der Bankangestellte in einer dreisten Mischung aus Arroganz, Frechheit und Selbstüberschätzung.
Bruhn wusste nicht mehr ein noch aus. Die nächsten Monate sollten für ihn der reinste Überlebenskampf werden. Das konnte doch wirklich nicht die ernstgemeinte Antwort des Bankangestellten sein. Bruhn hasste es bei anderen Leuten zu schleimen, doch in diesem Fall musste er flehen, betteln und vieles andere mehr, doch Satowski blieb stur. Er schüttelte mit dem Kopf und betonte, dass ihm „leider die Hände gebunden“ waren.
Im nächsten Augenblick passierte es; Bruhn zog seine Handfeuerwaffe aus seiner Jackentasche und fing unverzüglich an auf den Anzugträger zu schießen. Einmal, zweimal, dreimal...
Der verzweifelte Familienvater schoss das gesamte Magazin leer, überall spritzte Blut und jede Menge Eingeweide...
***
Bruhn hatte plötzlich die schlimmsten Gedanken, doch er konnte keinen Menschen töten, oder? Doch der Druck auf Bruhn wuchs...
Satowski hatte eine Art Vordruck vor sich, in dem er wie wild herumpinselte, wahrscheinlich um festzustellen, ob der Landwirt eines Kredites würdig erschien... Die Minuten verrannen und verrannen.
Nach über fünfzehn Minuten kam Satowksi zu dem vernichtenden Ergebnis, dem Landwirt keinen Kredit gewähren zu können... Bruhn war am Ende und wünschte sich, eine Smith & Wesson bei sich zu tragen, doch glücklicherweise war Bruhn bis dato immer eine ehrliche Haut geblieben. Natürlich wünschte Bruhn dem Bankangestellten die „Pest an den Hals“, doch seine bösen Gedanken waren natürlich nur Theorie, reine Fiktion. Der ehrliche Landwirt würde sich niemals kriminell betätigen, oder?
***
Die folgenden Monate erwiesen sich für die Familie Bruhn als finanziell sehr magere Monate, doch dank einer wohlhabenden Tante aus der Verwandtschaft seiner Frau konnten die Bruhns wieder etwas durchatmen.
Trotzdem ärgerte sich Bruhn noch monatelang über den engstirnigen Bankangestellten. Die Konsequenzen hatte Bruhn längst gezogen, denn die Bank mit dem Anspruch „Wege frei zu machen“ war nicht mehr „seine Bank“. Längst war er zu einem anderen, ebenfalls ortsansässigen Kreditinstitut gewechselt.
An diesem sehr kalten Freitagabend im Dezember – es war kurz vor Weihnachten und es hatte kräftig geschneit – wollte Nicolas Bruhn zum ersten Mal seit einem halben Jahr mit seiner Frau in einem schönen Restaurant essen gehen. Zukunftspläne besprechen, ein bisschen entspannen und so...
Man konnte die griechische Lokalität locker zu Fuß erreichen; deshalb wurde es bei den Bruhns auch feucht und fröhlich. Einige Bierchen, vier oder fünf Ouzos dazu und natürlich das leckere Gyros Spezial, was wirklich auch nur dieses Restaurant geschmackvoll zu präsentieren in der Lage ist.
Die beiden plauderten über ihre berufliche Zukunft, denn Nicolas hatte vor die Landwirtschaft nur noch halbtags zu führen und nebenbei bei einer Telefonmarketing-Firma zu arbeiten. Die Zusage hatte er nämlich seit dem gestrigen Tag in der Tasche.
„Die Zusage war der absolute Segen für mich“, erzählte er seiner Frau, „und vor lauter Glück habe ich für 25 Euro einen Lottoschein ausgefüllt. Das bringt bestimmt Glück...“
Noch ein paar Bier und einige Ouzos später wollten die Bruhns ihren Heimweg antreten; die beiden Eheleute waren das erste Mal in diesem Jahr richtig „blau“. Egal, an diesem Tag hatten sie ihre reichlichen Sorgen weggespült. Alles würde wieder besser werden. Die Bruhns waren sich sicher und erkannten plötzlich bereits aus mehr als 50 Metern Entfernung, dass dort im weichen Schnee eine Person lag. Die Bruhns wankten zu der unbekannten Person.
„Bestimmt ein Penner“, brummelte Nicolas, „aber den Notarzt und die Polizei sollten wir trotzdem per Handy anrufen.“
Sarah Bruhn stimmte dem zu.
Mit jedem Meter erkannte man mehr von der unheimlichen Szenerie. Ein umgekipptes Fahrrad, ein noch eingepacktes Geschenk ein paar Meter weiter. Die Bruhns erreichten den Ort des Geschehnisses - und trauten ihren Augen kaum. Da lag doch dieser schleimige Bankangestellte Satowski völlig betrunken im Schnee. Schnarchend und knurrend erholte sich der „Feind“ offensichtlich von der Weihnachtsfeier der Bank im Schnee – bei mindestens 10 Grad minus. Die Bruhns überlegten, was sie denn machen sollten. Die Polizei anrufen, den Notarzt, den Typen aufwecken und nach Hause bringen - oder gar nichts?
„Das wäre doch unterlassene Hilfeleistung, oder?“, brachte Sarah zurecht ein.
„Erinnere dich an das Gespräch vom letzten September. Da hat mich der Typ auflaufen lassen. Das war auch unterlassene Hilfeleistung, oder nicht? Du weißt selbst, wie schwer wir es in diesem Winter hatten. Ohne deine Tante wären wir drauf gegangen“, erwiderte Nicolas.
Die Zustimmung von Sarah verwunderte sogar den betrunkenen Landwirt. Und so entfernten sie sich von dem Ort, an dem der Bankangestellte seine Ruhe zu genießen schien.
***
Der nächste Morgen war der berühmt-berüchtigte „Morgen danach“. Der Kater war unausstehlich und so verbrachten die Bruhns fast den gesamten Tag im Bett. So richtig konnten sie sich nicht mehr an den gestrigen Abend erinnern; die Ouzos und die zig Gläser Bier hatten ihren Verstand ganz schön vernebelt. Gegen 20 Uhr erinnerte sich Nicolas an seinen Lottoschein und wählte den Videotext an - und die Zahlen kamen ihm irgendwie bekannt vor.
2 - richtiges Kreuz, 13 - richtiges Kreuz, 21 - wieder die korrekte Wahl, 24 - Nicolas glaubte kaum noch, was er sah, 27 - der Kater war wie weggespült, 35 - auch die sechste Zahl entsprach den Kreuzen auf dem Lottoschein.
Die Bruhns tanzten und sprangen durch das Wohnzimmer. Sechs Richtige, ein neuer Job - das Leben hatte sie wieder! Das Tief schien überwunden...
***
Am Montag darauf wollten sich Sarah und Nicolas durch das Suchen der Lottozahlen in der lokalen Zeitung noch einmal beruhigen, und die Lottozahlen stimmten; sie entsprachen immer noch den Kreuzen des Scheines. Der absolute Wahnsinn!
Plötzlich fiel der Blick der Bruhns auf die Todesanzeige oben auf der rechten Seite: „Holger Satowski, geboren am 12.04.1965; gestorben am 17.12.2003“
Die Bruhns blickten sich völlig erschrocken an; Sarah begann zu weinen; Nicolas wurde kreidebleich.
In diesem Augenblick klingelte es an der Tür....
Jens Reimnitz
Jede Gang hat in jener tristen Großstadt sein eigenes Gebiet, seine fest abgesteckten Straßen. In diesem heruntergekommenen Viertel haben Gene und seine Boyz das Sagen, die ultimative Herrschaft. Hier sind sie – die selbst ernannten „Homeboyz“, die Bringer; hier genießen sie den Respekt der anderen Bewohner. Natürlich schickt es sich hier, als Gangmitglied so zu tun, als ob man eine schützende Hand über das sogenannte Viertel legen würde. Das meinten auch Ace und seine Kumpels, die nur wenige Straßenblöcke entfernt die Gang–Krone innehaben. Doch nur allzu gerne wagen sie – die „Death Kings“ – sich in die Region der verfeindeten „Homeboyz“.
Am letzten Freitag war es wieder soweit; der Krieg wurde angezettelt; und die „Death Kings“ und die „Homeboyz“ lieferten sich eine brutale Schlägerei. Die meisten waren mit Messern und Baseballschlägern bewaffnet; einige hatten sogar „echte Pistolen“, benutzten aber lieber ihre Fäuste. Zum ersten Mal standen sich auch Gene und Ace – die beiden „Leader of the Gangs“ – gegenüber; die Fronten verhärteten sich. Die beiden Kontrahenten schlugen erbarmungslos aufeinander ein; und als Beobachter wurde einem klar, dass es heute – hier und jetzt – einen Toten geben würde.
Zum Glück heulten plötzlich die Sirenen auf; die Polizei wollte dem nächtlichen Treiben ein Ende bereiten.
Jedes der Gangmitglieder rannte um sein Leben; man wollte nicht schon wieder erwischt werden. Gene verließ ebenfalls den Ort der Auseinandersetzung, doch Ace konnte ihm noch einige warnende Worte auf den Weg geben: „Ich werde dich töten. Beim nächsten Mal werde ich dich killen.“
***
Gene saß am Fenster seiner kleinen heruntergekommenen Bude; er lebte nun einmal ausschließlich vom Dealen – im kleineren Stil. Seine Schule beendete er bereits mit 15 vorzeitig. Seine Eltern kannte er nicht. Doch seit einiger Zeit ging ihm das Gangleben irgendwie auf den Keks; vor allem seit er Melanie, dieses hübsche Mädchen aus dem benachbarten Viertel, gesehen hatte. Für diese Frau würde er sich ändern – ganz gewiss. Vielleicht sogar eine Ausbildung anfangen; einen richtigen Job suchen. Das Gangleben hinter sich lassen. Gene wollte gerade die 0,5 Liter Dose Bier ansetzen, aber er sagte sich: „Nein, heute nicht. Das muss ein Ende haben. Nur Rumklauen, Dealen, Saufen, Schlägereien... Das muss ein Ende haben.“
Plötzlich und für sein bisheriges Leben vollkommen überraschend, wollte er sich auf den Weg zum Arbeitsamt machen. „Vielleicht haben die ja eine Perspektive für mich“, sagte sich Gene.
***
Dann geschah es; an der kleinen, am Mittag nicht gerade belebten Kreuzung sah er sie. „Seine“ Melanie, seinen Traum! Er konnte seine Augen gar nicht von diesem Traum von Frau abwenden. Doch dann traf ihn die Realität hart und unvermittelt. Direkt hinter Melanie – quasi aus dem Windschatten - trat sein erbitterter Feind Ace und richtete seine Waffe auf ihn. Der Schuss traf ihn mit unerbittlicher Härte; der Schmerz war unglaublich. Gene stürzte zu Boden; alles um ihn verschwamm. Er wurde ohnmächtig…
Gene wurde erst am nächsten Morgen wach; die „Überraschung“ an seinem Krankenbett ließen ihn jedoch alle vorhandenen Schmerzen vergessen. Melanie saß an seinem Krankenbett. Er hatte Glück gehabt, die Kugel verfehlte das Herz; Melanie brachte ihn ins Krankenhaus; Notoperation, Rettung.
Die nächsten Wochen und Monate waren das Glücklichste, was Gene je in seinem verpfuschten Leben erleben durfte. Beziehung mit Melanie und eine absolute Traumhochzeit, die fast ausschließlich von den reichen Eltern von Melanie finanziert wurde. Doch die Gerichtsverhandlung gegen Ace stand vor der Tür; Gene und Melanie wussten das.
Das Gerichtsgebäude wirkte mächtig und bedrohlich, als die Beiden an der untersten Stufe verweilten. Sie bemerkten den herannahenden Wagen nicht, der sich mit tödlicher Präzision näherte. Und die plötzlichen Schüsse trafen Melanie mit ungeheurer Wucht.
In den Armen von Gene starb Melanie. Das vergangene Leben holte den ehemaligen Gangster wieder ein. Das kurze Glück war zu Ende.
***
Gene saß am Fenster seiner kleinen heruntergekommenen Bude. Das Geld langte vorne und hinten nicht, denn seine kleinen Dealer–Geschäfte liefen auch schon mal besser. Immer wieder redete Gene sich ein, dass es „irgendwann einmal besser werden würde“. Als er sich die 0,5 Liter Dose Bier genehmigen wollte, stockte er plötzlich und dachte an seine Traumfrau Melanie.
Er setzte die Dose wieder ab und beschloss sein Leben zu ändern. Er rief seinen langjährigen Kumpel Steve an und teilte ihm seinen Entschluss mit. Naturgemäß war sein Freund nicht wirklich glücklich über Genes Entscheidung für ein neues Leben. Aber er wünschte ihm viel Glück.
Gene wollte als erstes zum Arbeitsamt, um sich einen Job zu suchen. Auf der nicht gerade belebten Kreuzung sah er dann plötzlich seine Traumfrau Melanie. Diese hübsche Grazie. Doch sein Atem stockte. Direkt neben Melanie lief sein ärgster Feind Ace. Und Gene sah, wie Ace in seine Innentasche griff und seine Beretta ziehen wollte. Gene jedoch war schneller und gab als erster den entscheidenden Schuss ab. Und die Kugel traf den Erzfeind brachial in die rechte Schulter. Ace verlor daraufhin seine Waffe.
Auch Gene wurde hart getroffen – jedoch „nur“ am Oberschenkel. Er fiel ebenfalls hart zu Boden. Im nächsten Augenblick sah er „seine Melanie“...
Melanie reagierte schnell – sofort „entwaffnete“ sie die beiden arg verletzten Kontrahenten, um Schlimmeres zu verhindern. Nur Minuten später waren Polizei und Krankenwagen vor Ort.
***
Die Gerichtsverhandlung verlief günstig für Gene; man räumte ihm eine Notwehrsituation ein. Melanie saß im Zeugenstand und sagte mit einer überzeugenden Eindeutigkeit aus, dass Gene aus Notwehr gehandelt habe. Ace musste dagegen für ein Jahr ins Gefängnis. Und dieses Jahr entwickelte sich für Gene zu seinem glücklichsten Jahr. Eine Beziehung mit Melanie und eine absolute Traumhochzeit, die vorwiegend von Melanies reichen Eltern finanziert wurde.
Doch irgendwann würde Ace das Gefängnis verlassen. Das wussten Melanie und Gene. Sollten sie sich verstecken? Sollten sie das Land verlassen und untertauchen? Sie hatten noch sechs Monate Zeit, um sich entsprechende Gedanken zu machen. Erst einmal wollten sie ihr junges Glück genießen.
Melanie stand am Fenster ihres kleinen, aber sehr modernen Appartementhauses, als sie plötzlich einige Meter nach hinten geschleudert wurde. Gene sah sofort das viele Blut; seine Traumfrau wurde von mehreren Schüssen zu Boden gestreckt. In den Armen von Gene verstarb Melanie - sein altes Leben als Gangster holte ihn wieder ein. Das kurze Glück endete jäh...
***
Schweißgebadet wachte Gene auf. Der Traum war grausam und ernüchternd. Er glich einer Schicksalsmelodie – seines eigenen Lebens. Sofort griff er zur neben dem Bett stehenden 0,5 Liter Dose Bier. Er stockte, guckte kurz auf die Dose, stockte, und nahm erst einmal einen kräftigen Schluck. Schließlich wartete ein weiterer harter Tag auf Gene. Im nächsten Augenblick entsicherte er seine Waffe.
Jens Reimnitz
Es war Nacht, längst waren Steven und seine Frau Nikki im Bett. Die Uhr stand bei 2:23 Uhr. Steven hatte sich diesen Schlaf redlich verdient, denn am gesamten Abend hatte sich der 29jährige zusammen mit seiner Freundin über die Party am nächsten Wochenende Gedanken gemacht. Schließlich war es sein 30. Geburtstag; schließlich wollte er seinen Freunden, seinen Eltern und Verwandten, seinen Arbeitskollegen und seinen Vereinskollegen nur das „Beste“ präsentieren. Leider musste er am nächsten Morgen wieder früh aufstehen, obgleich an diesem Donnerstag bereits sein Geburtstag war. Doch Steven war dies relativ egal, denn an diesem Tage würde eh nichts laufen, da die große Party erst am kommenden Sonnabend gefeiert werden sollte.
Alles war bestens geplant – eine Rockband sollte spielen; ein DJ in den Pausen des Konzertes auflegen. Die Lokalität war längst gebucht; die Gästeliste genauestens abgeklopft.
Steven befand sich längst im Tiefschlaf. Sicherlich hatten seine Träume etwas mit der bevorstehenden Party zu tun. Viel Alkohol würde fließen, die schönsten Mädchen der Stadt würden kommen und auch die lokale Prominenz hatte sich angemeldet. Steven arbeitete schließlich bereits seit 10 Jahren als rechte Hand des Bürgermeisters. Er war in dem ganzen Ort bekannt wie „ein bunter Hund“.
Plötzlich schreckte Steven hoch – gerade noch fast im Tiefschlaf, befand sich Steven nun aufrecht im Bett. Er war schweißnass; sein Herz klopfte unregelmäßig und viel zu heftig. Irgendein Schreck musste ihm in die Knochen gefahren sein. Steven hatte ein Geräusch gehört. Mitten in der Nacht; gegen halb drei. Ein Geräusch, das der Normalität nicht entsprach, denn Steven ließ sich durch bellende Hunde oder fahrende Autos nicht aus seinem Schlaf reißen. Niemals, denn dafür war dem sehr beschäftigten Workaholic der Schlaf viel zu wichtig.
Das Geräusch war ein leichtes Kratzen, glaubte Steven zumindest. Nun glaubte er, das gedämpfte Licht einer Taschenlampe zu erkennen. Irgendjemand befand sich in seinem Garten – dies war sicher.
Steven wollte seine Freundin nicht wecken, denn Nikki hatte sich einige Medikamente und Schlaftabletten eingeworfen, um bis zur Party wieder fit zu werden. Sie hatte sich nämlich einen stressbedingten grippalen Infekt eingefangen. Nikki schlief wie eine Tote. Daran wollte Steven auch nichts ändern. Steven schlich durch das eigene Haus, auf Zehenspitzen und ohne eine einzige Lichtquelle, was aber nicht weiter schlimm war, da er nun schon 16 Jahre in seinem Haus wohnte und er jeden Winkel seines feudalen Eigenheims kannte.
Natürlich hatte Steven nicht nur Freunde, schließlich war er die „rechte Hand“ des Bürgermeisters und musste in der Öffentlichkeit auch unpopuläre Entscheidungen des Politikers rechtfertigen und verteidigen. Doch einen konkreten Verdacht, wer sich dort in seinem Garten befände, hatte er nicht.
Doch Steven hatte natürlich einen Revolver – das war in seinem Berufsfeld fast normal. Außerdem war er ein perfekter Schütze, weil er auch vereinstechnisch als solcher tätig war. In dem kleinen örtlichen Verein gehörte Steven zu den besten Schützen – in fast allen Klassen.