Nur der Mond war Zeuge

Über Josephine Tey

JOSEPHINE TEY ist das Pseudonym der schottischen Autorin Elizabeth MacKintosh (18961952), die vor allem für ihre Kriminalromane bekannt geworden ist. Mit dem Schreiben begann sie, nachdem sie ihre Arbeit als Sportlehrerin aufgeben musste, um ihre Mutter zu pflegen, die an Krebs erkrankt war. Nach deren Tod kümmerte sich Tey um den Vater und blieb auch danach in ihrem Elternhaus wohnen. Tey lebte sehr zurückgezogen, mied Interviews und öffentliche Auftritte. Sie starb im Alter von 55 Jahren während einer Reise nach London. Ihr Roman Alibi für einen König (im Kampa Verlag in Vorbereitung) wurde von der englischen Autorenvereinigung Crime Writers’ Association zum besten Kriminalroman aller Zeiten gewählt und 1969 mit dem Grand prix de littérature policière ausgezeichnet.

Mein Lieblingskrimi

Es dauerte unverschämt lang, bis ich das Buch las, das mein Lieblingskrimi werden sollte, und der Grund dafür ist äußerst beschämend.

Ich hatte bereits sämtliche Bücher von Josephine Tey gelesen – bis auf eines –, und liebte sie alle. Mit Ausnahme von The Daughter of Time (Alibi für einen König), das ich nicht nur liebte, sondern geradezu vergötterte, weil es Spannung und Historie, Verbrechen und Bizarrerie vereinte. Zweifellos ein Meisterwerk. (Tatsächlich hat die Crime Writers’ Association The Daughter of Time zum besten Kriminalroman aller Zeiten gewählt, zurecht.) Aber eines von Teys Büchern reizte mich gar nicht. Es stand unangetastet in meiner Bibliothek. Nicht einmal den Umschlagtext hatte ich gelesen.

Warum ich dieses Buch mied?

Der Titel. Grundgütiger, ja, aber es ist wahr. Es lag am Titel.

Auf Englisch lautet er The Franchise Affair.

Natürlich wusste ich, dass der Krimi unmöglich in irgendeiner Fastfood-Kette spielen konnte, aber ich wurde den Verdacht nicht los, dass das Buch vielleicht irgendwie …

Es ist verstörend.

Aufgefallen ist mir das sofort, und das Gefühl ließ mich während der zunehmend berauschenden und angsteinflößenden Lektüre nicht mehr los.

Ich sage angsteinflößend. Dabei sollte man aber nicht an messerschwingende Psychopathen oder sadistische Serienkiller denken. Es tauchen keine Ghule oder Vampire auf, keine hinter Türen lauernden, geistesgestörten Mörder.

Aber Geister. Die Vergangenheit erhebt sich, nimmt Gestalt an und wandelt über die Seiten: in Form von Erinnerungen, Wahrnehmungen und den von ihnen geschürten Ängsten.

Worum geht es also in dem Buch?

Die Geschichte spielt in einem Kentucky Fried Chicken … Nein, Spaß: Sie spielt in einem Dorf in Großbritannien kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Im

Das Leben dort ist trostlos. Die Einwohner haben sich eingeigelt und interessieren sich nicht für Fremde, schon gar nicht für das genauso zurückgezogen lebende Mutter-Tochter-Gespann.

Als Blair den Anruf entgegennimmt, erfährt er etwas Sonderbares, Rätselhaftes: Den beiden Sharpe-Frauen wird vorgeworfen, ein Schulmädchen entführt zu haben. Die Polizei und ein Beamter von Scotland Yard sind im Franchise und ermitteln. Die Frauen behaupten, sie hätten das Schulmädchen nie zuvor gesehen. Das Mädchen behauptet, es sei tagelang von den beiden festgehalten worden und hätte nur mit Mühe entkommen können. Zum Beweis beschreibt sie das gesamte Innere des Franchise, samt dem Zimmer, in dem sie angeblich gefangen gehalten wurde.

Und jedes Detail stimmt.

Nun soll Robert Blair, ein unwahrscheinlicher Ritter in der Not, die Wahrheit herausfinden und die beiden asketischen, unfreundlichen Frauen, die sich mit ihrem Verhalten in keiner Weise einen Gefallen tun, entlasten. Aber als er beginnt, nach Hinweisen zu graben, kommen auch ihm Zweifel.

Warten Sie nicht so lange wie ich mit der Lektüre dieses meisterlichen Kriminalromans über die menschliche

Josephine Tey ist das Pseudonym der schottischen Schriftstellerin Elizabeth MacKintosh. Sie schrieb auch unter dem Namen Gordon Daviot. Bedauerlicherweise, für uns wie für sie, starb Ms MacKintosh 1952 bereits im Alter von 56 Jahren. Acht Kriminalromane schrieb sie unter dem Namen Josephine Tey: acht wunderbare Geschichten, die mich inspiriert haben und die beweisen, dass weniger mehr ist – dass das Grauen weit mächtiger ist, wenn es nicht ausbuchstabiert wird, sondern nur angedeutet.